Frau Regenschein schämt sich fremd: Witchblade

WitchbladeDas Leben ist eines der härtesten: Sarah Pezzini ist alleinerziehende Mutter, arbeitet in der Mordkommision, ist Trägerin eines mystischen Artefakts, und zu allem Überfluss hat Mutter Natur ihr zwei prall gefüllte Montgolfière vor den Brustkorb gesetzt, die nicht nur der Gravitation trotzen, sondern auch jedes Bekleidungsstück vor eine Zerreißprobe stellen. Leserinnen sollten dennoch davon absehen, aus Solidarität vornüber zu kippen, denn der Klappentext belehrt uns, dass wir es mit einer starken Frau zu tun haben. Was für eine Erleichterung, ist sie doch mit ihrer Witchblade (sic!) der Schlüssel im Kampf der Darkness (sic!) gegen die Angelus. Denn Körbchengröße ist nicht alles; man muss auch als Kind in den Mecho-Tentakel-Kessel gefallen sein, um sich als Frau behaupten zu können.

Doch lasst uns am Anfang beginnen. Witchblade – ein neuer Anfang, ein Comic von Ron Marz und Stjepan Sejc, erzählt die Geschichte nicht nur einer, sondern gleich zweier „starker Frauen“; beide tragen sie die Witchblade als Schmuck am Handgelenk oder, zwecks Aussicht, als Kette, doch bei Gefahr verwandelt sich das Glasperlenprodukt in ein tentakeloides Schnitzelwerk. Das verpflichtet natürlich zum Kampf gegen die Finsternis, die in Witchblade gleich in mannigfaltiger Form auftritt: völlig unauffällige, romantisch ambitionierte Stelldicheiner mit dunklen Absichten, zu exorzierende Hausgeister und … Zombietempelritter.

Nachdem sich der geneigte Leser von dem unerhörten Kunstgriff erholt hat, die ollen Chainmail-Zausel auch für diesen Kampf zu reanimieren, kann man sich getrost den ekelerregenden Botschaften des Werkes widmen. Wie bereits erwähnt, werden Sarah und die ebenfalls gut bebrüstete Danielle als starke Frauen angepriesen; gleichzeitig sind sie mit einer Dummheit gesegnet, die das Leben in dieser Comicwelt vermutlich erst erträglich macht, und trotz Witchblade müssen beide einsehen, dass sie gegen einen bewaffneten Mann im Kampf chancenlos sind (aber ich kann beruhigend hinzufügen – im Bett sieht das natürlich anders aus). An Sexismus jedoch nicht zu übertreffen sind die Umstände von Sarahs Schwangerschaft: der Lord der Darkness hat mit Sarah das Kind gezeugt, als sie im Koma lag. Paraphrasiert wird dies im Comic mit „das Baby war nicht geplant“; mit wenigen Worten wird so diese brutale Vergewaltigung zum Lapsus heruntergespielt. Somit hat Witchblade nicht einmal das Trash-Prädikat verdient, sondern gehört ohne Umwege auf den Papiermüll. Außer es erbarmt sich ein Leser und schickt den Autoren nicht nur einen Anatomieatlas, sondern auch die Menschenrechtscharta, die dort wiederum hoffentlich nicht gleich wieder auf dem Müll landen.

5 Kommentare zu Frau Regenschein schämt sich fremd: Witchblade

  1. Elric sagt:

    Hihi, du hast dir tatsächlich die Mühe gemacht und “das Ding” gelesen? Ich bin fasziniert! 😉 Und habe keine andere Reaktion erwartet – gerade da ich selbst in den zweifelhaften “Genuss” kam, mir den Band selbst durchzublättern.
    Ich bin stolz auf dich! 😀

  2. Colophonius sagt:

    Dass ich es rezensiere, habe ich ja auf dem Forentreffen versprochen! 😀 Die Lesezeit war aber in der Tat verschwendete Lebenszeit, anders kann ich es nicht ausdrücken. Es ist mir völlig schleierhaft, wie der Titel zu Comicruhm kommen konnte.

  3. Nala sagt:

    Danke für die höchst zutreffende Rezi (ich habe ja durchaus auch ein bisschen “geschmökert”). Vielleicht ersparst du mit dieser heldenhaften Tat jemandem die Verschwendung von Lebenszeit. 😉

  4. Torsten sagt:

    Hallo zusammen,

    Ich bin etwas irritiert über die Rezi. Natürlich handelt es sich bei den Top Cow Serien nicht um hochliterarische Geschichten, sondern um Fantasy. Die Überzeichnung der Figuren ins unnormale macht nun mal einen Image-comic aus und sollte mit einem entdprechenden Augenzwinkern quittiert werden.

    Zum Thema Vergewaltigung und Frauenbild: Du scheinst die Geschichte nicht richtig verstanden zu haben oder die Charaktere nicht zu kennen ( nicht falsch verstehen, ist keine Beleidigung, aber die Serien laufen seit über 15 Jahren). Natürlich hat “The Darkness” Sarah vergewaltigt. The Darkness ist aber keine Figur, sondern ein Fluch, den jackie seit seinem 21. Geburtstag mit sich herum schleppt. Der innere Kampf Jackie’s gegen Darkness ist ein elementarer Teil dieser Comicfigur.

    Es ist immer schwierig einen einzelnen Band einer Serie zu bewerten, die jahrelang kontinuierlich weiter entwickelt worden. Wenn du nur dieses Trade kennst, ist klar, dass sich dir einige Handlungen nicht erschließen. In keinem Fall wird hier aber eine Vergewaltigung gerechtfertigt.

    Gruß,
    Torsten

  5. Colophonius sagt:

    Hallo Torsten!

    Ich denke, es war in der Rezi schon eine Menge Augenzwinkern dabei. 😉 Du hast natürlich Recht, ich kenne nicht die 15 Jahre Comic-Geschichte dahinter und es ist gut, dass sich da anscheinend zu dem Thema Vergewaltigung noch einiges ändert. Die Aussage in diesem gelesenen Band bleibt aber so stehen, was ich ziemlich problematisch finde, und problematisch finde ich auch die ‘Überzeichnung’. Dass der Sexismus von Haus aus dazugehört, macht es wirklich nicht besser.
    Alles in allem sehe ich keinen Grund, mich weiter in die Witchbladematerie einzuarbeiten, weshalb es bei der Einzelbandrezi auch bleiben wird. Und mehr ist der Artikel ja nicht: ich habe keine Wertung über die Comicserie abgegeben. 🙂 Aber es freut mich zu hören, dass sich da einiges weiterentwickelt.

    Colo

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