Die Stadt der träumenden Bücher

Die Stadt der träumenden BücherManche Bücher sind wie Heimat zum Mitnehmen. Egal, ob wir uns durch heimatliche Straßen bewegen oder an fernen Stränden urlauben: wer will, kann überall schräg links in der Phantasie abbiegen und findet sich in Buchhaim wieder. Die Stadt der träumenden Bücher pulsiert vor Leben und bietet allen träumenden Dichtern und dichtenden Träumern (und auch den nicht ganz dichten Dichtern) ein Zuhause. Häuser, die aus alten Folianten erbaut sind, lebende Zeitungen, Büchercafés an jeder Ecke – Walter Moers weiß, was Leser wollen. Mit diesem Roman erlebt man nicht nur Abenteuer, wie sie sich nicht einmal Hildegunst von Mythenmetz hatte träumen lassen; man findet in ihm auch ein Vorbild, so tollkühn, gerissen und furchtlos, dass er unangefochten die Nummer Eins auf der Heroenliste eines unserer eab-Mitglieder bleiben wird: Colophonius Regenschein, Bücherjäger, Traummann, Hund. Und dabei geht es in dem Roman eigentlich gar nicht um ihn.

Hildegunst von Mythenmetz, der in ferner Zukunft zu Zamoniens bedeutendstem Dichter heranwachsen wird und bisher nur zu einer beachtlicher Leibesfülle herangewachsen ist, ist eigentlich zu bequem für Abenteuer. Sein größter Kampf ist das morgendliche Aufstehen, der Schreibtisch sein Schlachtfeld – und doch verschlägt es ihn in das mysteriöse, phantastische, dunkle Buchhaim, wo es in jeder Ecke nach Abenteuer riecht. Und tatsächlich erwartet den Leser eine schwindelerregende Achterbahnfahrt, in der es nur abwärts geht: in die Katakomben von Buchhaim, die Stadt unter der Stadt, voller Geheimnisse, dunkler Gänge, Fallen und Leuchtquallen, die nur allzu oft den falschen Weg weisen. Doch jeder furchtsame Schritt von Mythenmetz ist eine brennende Liebeserklärung an die Kunst des Schreibens und die Kunst des Lesens; ist er das Abenteuer doch nur eingegangen, um den Verfasser eines brillanten Manuskripts zu finden – diesen Mut wünscht man allen Verlegern!

Doch nicht nur die strahlenden Helden wissen zu begeistern: es sind die herzerwärmend oder beängstigend schrulligen Nebenfiguren, die skurrile Komik der moers’schen Schreibe, die großartigen Illustrationen und die Lust am Absurden, die Die Stadt der träumenden Bücher für mich so überragend macht. Die Abenteuer rund um Mythenmetz, Colophonius und den Schattenkönig sind so spannend, dass man sich wünscht, man könnte sich wie ein Buchling von gelesenen Zeilen ernähren. In den Lesepausen jedoch kann man sich noch höchst vergnüglich mit all den literarischen Rätsel beschäftigen, die sich im Roman verstecken. Golgo van Fontheweg wird gerne dabei behilflich sein.

3 Kommentare zu Die Stadt der träumenden Bücher

  1. Buchfanista sagt:

    Hmm mich hat das Buch leider nicht so überzeugt!

  2. moyashi sagt:

    Ich glaube für Moers’ Bücher braucht man eine spezielle Art von Humor sonst funktionieren sie für einen selber nicht so gut. Für mich war Die Stadt der träumenden Bücher beispielsweise das bisher einzige Buch von Moers, dass ich beenden konnte, wird aber nie diese Faszination auf mich haben, wie das bei Colo und vielen anderen der Fall ist. Eigentlich schade, aber es hat ja jeder seine eigenen Lieblingsbücher und die Illustrationen entschädigen einen vielleicht, auch wenn man mit der Geschichte nicht so recht warm werden will. 🙂

  3. Der Handelsmann sagt:

    Zunächst mal: Pardon, dies ist nicht die richtige Stelle, aber ich muss die Kommentarfunktion hier nutzen um meine tiefen Empfindungen los zu werden, weil es an der richtigen Stelle keine Kommentarfunktion gibt. Und nochmals Pardon!, weil ich eine reichlich alte Sache wieder aufnehme.
    Das war jetzt vermutlich kryptisch genug, es folgt der wesentliche Teil.
    Es geht um die Rezension von Walter Moers’ “Das Labyrinth der träumenden Bücher” vom September 2012. Aus einem nicht mehr nachvollziebaren Grund ist mir heute (20.05.2016) wieder mein Ärger über dieses Buch eingefallen, und ich habe ein bisschen im Netz gesucht und besagte Rezension gefunden. Vielen Dank dafür, sie hat genau das aufgegriffen, was mir selbst damals beim Lesen des Moers’schen Machwerks durch den Sinn kam.
    Walter Moers war für mich immer der Inbegriff des freien Schriftstellerischen (und zeichnerischen) Geistes: Was ihm durch den Kopf ging, konnte er künstlerisch umsetzen und, wenn nicht in Gold, dann doch in Silber verwandeln. Darunter waren Albernheiten, Satire, fantasievolle Romane, Neubearbeitung von Bekanntem, auch Scheußlichkeiten an der Grenze des Erträglichen. Ich habe alles als “So ist Moers” akzeptiert.
    Dann kam das “Labyrinth der träumenden Bücher”, mit allen in der Rezension erwähnten Schwächen, und mit dem Schlimmsten, was ein Autor seinen Verehrern antun kann: Mit der gnadenlosen hämischen Veräppelung des Publkums. Samt der kaum verhüllten Botschaft: “Ihr kauft doch sogar den größten Mist. Naa-na-na-naa-na!”
    Seither habe ich nichts mehr von Moers in die Hand genommen. (Geschweige denn gekauft. OK, mal abgesehen von den “13 1/2 Leben”, in die habe ich aus sentimentalen Gründen nochmal ‘reingeschaut).

    Hugh. Ich habe gesprochen. Jetzt ist mir wohler.

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