Die Lyonesse-Trilogie

Wenn draußen der nimmermüde Regen niedergeht und der Frühling auf sich warten lässt, gibt es nichts besseres als einen Ausflug in literarische Gefilde. Und auch wenn die Älteren Inseln in ihrer Nähe zu Britannien nicht eben regenarm sind, so bieten sie dennoch ein wunderschönes, wenn auch nicht sehr bekanntes Urlaubsziel für Bücherwürmer. Das soll sich mit diesem Buch-des-Monats-Artikel ändern!

Die Lyonesse-Trilogie von Jack Vance, angesiedelt auf besagten Älteren Inseln, führt den Leser ein in eine Welt von geheimen Gärten, prächtigen Schlössern, unglücklichen Königstöchtern, hinterlistigen Feengestalten und ruhmreichen Ritterfiguren – richtig, wir befinden uns im tiefsten High-Fantasy-Gelände. Die unzähligen Stereotypen, die das Genre zu bieten hat, greift Vance bereitwillig auf, um sie mit einem Augenzwinkern auf die Reise zu schicken. Und was für Reisen das sind! Schlachten, Affären, Staatsgeschäfte, Spionage, Verfolgungen – Aventiure reiht sich an Aventiure, und Vance, gewissenhafter Chronist, der er ist, erzählt das Geschehen distanziert, ohne sich in blumigen Ausschweifungen zu ergehen. Und so entsteht eine Chronik von Heldentaten, von Abgründen und tollkühnen Questen, welche den Leser vollständig in die Welt der Älteren Inseln eintauchen lässt. Aber Vorsicht: man sollte seine Rückfahrt buchen, bevor die Inseln vollständig vom Atlantik verschluckt werden.

Die meisterliche, präzise Sprache von Vance und sein Sprachwitz grenzen an Sandestin-Magie. Auf weit über 1.000 Seiten sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle, und leerstellenüberbrückendes Gefasel sucht man vergebens. Vielmehr kann man sich an humoristisch-philosophischen Disputen erfreuen und begegnet zudem immer wieder Namen und Begriffen, die einen lustigen Reigen auf der Zunge tanzen: Twitten, Thripsey Shee, Tutterwit und Tanjecterly entfalten ihre wahre Pracht erst beim Laut-Lesen. Unbedingt ausprobieren!

Doch nicht zuletzt ist die Lyonesse-Trilogie auch eine Chronik der Wunderlichkeit, und damit hat Vance meine größte Schwäche gefunden. Wer schon immer einmal mehr über das zu Unrecht unterschätze Volk der Fortschrittlichen Aale erfahren wollte, sollte – wie ich – alle High-Fantasy-Skepsis fahren lassen und sich auf die lange, abenteuerliche und höchst erquickliche Reise von Lyonesse nach Troicinet, von Tintzin Fyral nach Teach tac Teach und von Poëlitetz nach Tantrevalles begeben!

 

Band 1, Herrscher von Lyonesse (Suldrun’s Garden, 1983) und Band 2, Die Grüne Perle (The Green Pearl, 1984) sind in einem area-Doppelband erschienen (ISBN 9783899963977); Band 3, Madouc (Madouc, 1989), als Einzelband (ISBN 978-3899963984). Die Bücher sind nur noch gebraucht erhältlich.

2 Kommentare zu Die Lyonesse-Trilogie

  1. Seyra sagt:

    Wenn ich dies so lese, entsinne ich mich, dass ich die Bücher auch noch bei mir ungelesen herumstehen habe. Aber diese Buchvorstellung macht richtig Lust darauf, sie hervorzuholen und endlich anzufangen. Vielen Dank dafür, Colo!

  2. Colophonius sagt:

    Damit hätte ich ja mein Ziel erreicht! 😀
    Ich bin schon gespannt, was Du dazu sagst – ich habe sie mal aus Langeweile angefangen zu lesen (die beiden Bände, die, nebenbei gesagt, einfach wunderschön aufgemacht sind, standen schon ewig in meinem Regal) und konnte es nicht mehr aus der Hand legen. Gewöhnungsbedürftig und nicht jedermanns Sache ist es aber auf jeden Fall.
    Aber als ich wieder kurz hineingelesen hatte, um die Namen zu recherchieren (ich gebe zu, “Poëlitetz” konnte ich nicht aus dem Gedächtnis fehlerfrei wiedergeben ;-)), hätte ich am liebsten gleich weitergelesen. Trotz der Kritikpunkte, die ich in einer Rezension noch ausgeführt hätte (als Frau hat man auf den Älteren Inseln definitiv nichts zu Lachen), eines meiner Herzenslieblinge unter den Büchern.

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