Die Frau im Nebel

Cover von Die Frau im Nebel von Elizabeth Ann ScarboroughUm das Jahr 1800: Der Schriftsteller Walter Scott hat gerade das Amt des Sheriffs von Edinburgh übernommen, da findet man die Überreste einer weiblichen Leiche im See Loch Nor’. Bald darauf verschwinden die jungen Kesselflickerinnen Bella und Leezie. Als auch noch Midge Margret und Geordie, zwei alte Bekannte Scotts, bei einem Überfall schwer verletzt werden, kommt der junge Sheriff einem grausigen Geheimnis auf die Spur.

-Die Mutter der Toten trug Schwarz, als sie zu den klagenden Klängen des Dudelsacks durch das Zimmer tanzte, im Kreise sich drehend.-
Kapitel 1

Die Geschichte beginnt im Jahre 1789, doch um die Atmosphäre dieser Epoche widerzuspiegeln, ist Elizabeth Ann Scarboroughs Sprache eindeutig zu modern. Es ist schwer vorstellbar, daß der achtzehnjährige Walter Scott zu einem Kesselflicker gesagt haben sollte, er möge ihm ein paar Lieder langsam vorsingen “…damit ich die Worte oder etwaige Textabweichungen von anderen Versionen des Lieds niederschreiben kann,…”. Aber auch Scarboroughs Kesselflicker befleißigen sich oft eines erstaunlich gepflegten Sprachstils. Diese anachronistische Sprache und der an vielen Stellen aufblitzende, manchmal auch unfreiwillige Humor, lassen zunächst keine Spannung aufkommen. Das ändert sich ungefähr in der Mitte des Buches. Dann dämmert dem Leser langsam, daß es nicht nur um die Aufklärung mehrerer Morde geht, sondern auch darum, weitere Verbrechen zu verhindern. Gleichzeitig beginnt man zu ahnen, wer der Täter sein könnte. Der Leser möchte erfahren, ob sich seine Vermutungen bestätigen und mit der Neugier steigt auch die Spannung, aber nur dann, wenn man nicht den Fehler begangen hat, die Inhaltsangabe auf der Rückseite und im Inneren des Buches zu lesen. Da findet sich nämlich die Auflösung des Rätsels. Es wird mir ewig verborgen bleiben, warum Verlage in ihren Klappentexten die Pointe einer Geschichte verraten, wenn der Autor sich über mehr als 250 Seiten alle Mühe gibt, das Ende des Romans kunstvoll zu verschleiern.
Über weite Strecken liest sich Die Frau im Nebel (The Lady in the Loch) wie ein historischer Roman. Abgesehen von einer kurzen Episode am Anfang, finden sich die phantastischen Elemente erst im letzten Drittel der Geschichte. Dann aber kann sich der Leser über einen Mangel an übernatürlichen Phänomenen nicht mehr beklagen.
Liest man Die Frau im Nebel in der Erwartung, einen atemberaubenden, gruseligen Thriller vor sich zu haben, wird man enttäuscht sein. Betrachtet man das Buch aber als eine humorvolle Anspielung auf die Schauerromane des neunzehnten Jahrhunderts (auch wenn die Autorin es anders gemeint haben mag), dann bietet die Lektüre des Romans gute Unterhaltung.

Stand: 11. September 2012
Originaltitel: The Lady in the Loch
Erscheinungsjahr: USA 1998, D 2003
Verlag: Piper
Übersetzung: Joachim Pente
ISBN: 978-3492265188
Seitenzahl: 320