: Ritter

Caine Black Knife von Matthew StoverDas Abenteuer, das Hari Michaelson in seiner Rolle Caine einst zum Star machte, ist eine Legende: Im Ödland von Boedecken hat er im Alleingang den gefürchteten Ogrilloi-Stamm der Black Knives so gut wie ausgelöscht.
Nun ist er gezwungen, sich an seine damaligen Taten zu erinnern – denn abermals brodelt es im Ödland, und Caines Adoptivbruder Orbek, einer der letzten der Black Knives, gerät in dem nun von den Rittern des Khryl beherrschten Landstrich in Nöte. Caine bricht auf und bekommt Ärger, kaum dass er angekommen ist: Seine Vergangenheit droht ihn auf vielfältige Weise einzuholen.

-»When you fuck with the bad guy –« Your true grin unfolds like a butterly knife »– the bad guy fucks you back.«-
then: Bad guy

In Blade of Tyshalle hat Caine eigentlich alles getan, was ein (Anti-)Held tun kann, seine Geschichte war zu Ende erzählt. Es war also an der Zeit, dass er seine eigene “origin story” erhält. Doch Matthew Stover wäre nicht Matthew Stover, wenn er es sich so einfach machen würde. Zwar ist Caine Black Knife – übrigens die erste Hälfte des Act of Atonement und damit der erste nicht in sich geschlossene Caine-Roman – in vielerlei Hinsicht kompakter als der ausufernde Vorgänger, aber auf seine Art nicht weniger komplex:
Statt nur das legendäre Abenteuer Retreat From the Boedecken zu erzählen, von dem man in den bisherigen Romanen schon so viele Andeutungen, aber niemals Genaues erfahren hat, verknüpft Stover die als Mitschnitte der damaligen Ereignisse präsentierte Reise in die Vergangenheit mit einer Gegenwartshandlung, die das Damals aufgrund der dreißig vergangenen Jahre, die sich nicht nur in Form von äußerlichen Narben auf Caines Schultern niedergelassen haben, kontrastieren und gleichzeitig neu verarbeiten.

Was Stover hier an Charaktertiefe liefert, ist ein wahres Fest: Der junge Caine ist ein astreines Arschloch, ein Soziopath, der bereits eine Geschichte der Gewalt hinter sich hat, während den älteren Caine die Summe seiner Erfahrungen zu dem macht, was er ist, einem gesetzten Antihelden, der vor allem in Ruhe gelassen werden will. Die Diskrepanz zwischen dem Jetzt und dem Damals, der Blick in den charakterlichen Abgrund, den man mit den Kapiteln aus der Vergangenheit erhält, wird durch viel Unausgesprochenes dazwischen unterstrichen, wie überhaupt in Caine Black Knife die Arbeit mit dem Ungesagten ein großes Spannungsmoment ist, obwohl man von Beginn an weiß, wie Retreat from the Boedecken enden wird. Patrick Rothfuss’ Kingkiller Chronicles, die ebenso auf eine Figur fokussiert sind und mit einem ähnlichen Stilmittel arbeiten, nehmen sich neben dieser Tour der Extreme nicht nur wie ein harmloser Sonntagsspaziergang aus, sondern wirken auch deutlich weniger stringent.

Doch auch wenn dieser Roman noch mehr als die Vorgänger eine reine “Caine Show” ist, nimmt sich Stover auch Raum für teilweise bitterböse Anspielungen: Er rechnet in einem wahrhaft schrecklich lustigen Kapitel mit gewaltaffinen Online-Gaming-Kids ab, mit den Mächtigen (sei es nun Adel oder Pseudoadel durch wirtschaftliche Vormachtstellung) sowieso, und am interessantesten ist diesbezüglich vielleicht sein Umgang mit den Ogrilloi, der ganz nebenbei den Rassismus von Fantasy-Welten deutlich macht, die auf allzu simple Art mit bösen oder primitiven Völkern umspringen: An den niedergerungenen Ogrilloi werden sowohl sprachlich (durch die Herrscher und auch durch die Beherrschten selbst), als auch durch das jeweilige Verhalten die Strukturen rassistischer Unterdrückung beschrieben. Das Clevere daran ist natürlich Caines Rolle darin, seine vielfache Verwicklung in den Status quo: als Kenner und Leidtragender der irdischen Kastengesellschaft, als Adoptivbruder eines Betroffenen, als Verursacher und auch früheres Opfer der nun Unterdrückten: All diese emotionalen Widersprüche sind perfekt herausgearbeitet, und Caine Black Knife ist fern von einem sterilen Lehrstück, das man mit dem wohlverdienten Label Bildungsroman vielleicht assoziieren könnte.

Steril ist hier ohnehin gar nichts – Stover wird mühelos noch derber als in Heroes Die und Blade of Tyshalle, bringt nebst den üblichen blutigen Tatsachen nun auch öfter eine deutliche Note sexueller Perversion ein. Die zu Beginn eingefügte Altersfreigabe und Warnung des Studios vor dem Abenteuer Retreat From the Boedecken ist kein effektheischendes Gimmick, sondern schlicht die Wahrheit.
Damit hat Stover es geschafft, das Sprachniveau in Caine Black Knife gleichzeitig zu senken und zu heben, denn nebst der Gewaltorgien und der nie um eine Derbheit verlegenen Dialoge pflegt der mit einem breiten Bildungshintergrund ausgestattete Caine auch einen im Vergleich noch einmal stark erweiterten Wortschatz und lässt eine Menge Kulturwissen durchscheinen.
Bevor bei den Gipfeln der Gewalt letztlich nur noch der Ausweg offensteht, sie ins Lächerliche kippen zu lassen, gibt es allerdings immer eine Pause, und überhaupt hat Stover sich ein Stilmittel zu eigen gemacht, das den Aussparungen und der Dynamik der Handlung zugutekommt: Da wir eine Aufzeichnung des alten Abenteuers “sehen”, gibt es auch eine häufig genutzte Vorspultaste.

Nebst Caines Geschichte wird auch die von Overworld in Caine Black Knife weitergeschrieben und bekommt noch mehr Tiefe, immer gut verpackt in irdisches Sagenmaterial. Besonderen Spaß macht dabei die ironische Bezugnahme auf Blade of Tyshalle, die das Spiel mit der Fiktionalität, das die Caine-Romane ohnehin auszeichnet, noch weitertreibt und manches relativiert. Wer also geglaubt hat, die Geburt von Caine schon erlebt zu haben, wird hier herausfinden, dass auch die Genese eines Helden nicht eindeutig und immer eine Frage des Standpunktes ist.
Diese Geburtsstunde findet statt, als die zweigleisige Geschichte von Caine Black Knife längst ihre Sogwirkung entfaltet hat, trotz des Sympathie-Malus, den der junge Caine verbuchen kann. Mit einer hochinteressanten Ausnahme bleibt Caine hier auch die einzige Erzählerfigur, und entsprechend universell fällt die Charakterstudie aus: Einerseits ist Caine das Ausnahmetalent, der bad guy, das Arschloch, andererseits ein Jedermann und Underdog, der dem Leser und der Leserin aufgrund der völligen Auslieferung seiner Gedanken nahe bleibt, ganz gleich, was er anstellt. Daran ist nicht zuletzt schuld, dass nach den ersten Schockern zu Beginn der Erzählung eine leichte Mäßigung eintritt, vor allem bei Caines älterer Version, die gewaltmüde ist, bei Bedarf aber immer auf die Arschloch-Persona zurückgreifen kann. Und den jungen Caine begreift man irgendwann als Menschen, der zum Rad im Getriebe der Ausbeutungsmaschinerie in zwei Welten wird, um in diesem System nicht unterzugehen. Während sich seine Geschichte immer garstiger entfaltet und zu etwas wahrhaft Bösartigem heranwächst, scheint sich die Gegenwartshandlung vordergründig konträr dazu zu bewegen, und doch rasen beide, auch durch die zwingende Spärlichkeit, mit der Stover diesmal Massen von Entwicklung auf weniger als 400 Seiten unterbringt, ohne je in Seitenstränge zu driften oder Füllmaterial zu präsentieren, mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Am Ende, das dürfte jedem klar sein, kann keine Läuterung und erst recht kein Happy End stehen. Aber etwas Besseres.

A Dance with Dragons von George R. R. MartinWährend in Westeros ein harter Winter anbricht, setzt sich das Ringen um die Macht fort. Jon Snow ist bestrebt, die offiziell neutrale Nachtwache zwischen den verfeindeten Parteiungen hindurchzulavieren und zugleich eine Allianz gegen die immer bedrohlichere Gefahr aus dem Norden zu schmieden. Daenerys Targaryen muss sich unterdessen mit ihren kaum noch zu bändigenden Drachen und den Tücken der Herrschaft über das fremdartige Meereen auseinandersetzen. Sie ahnt nicht, dass neben mehreren Bewerbern um ihre Hand auch Tyrion Lannister auf der Suche nach ihr ist und dabei eine unglaubliche Entdeckung macht, die alles verändern könnte…

– The night was rank with the smell of man. The warg stopped beneath a tree and sniffed, his grey-brown fur dappled by shadow. A sigh of piney wind brought the man-scent to him, over fainter smells that spoke of fox and hare, seal and stag, even wolf. Those were man-smells too, the warg knew; the stink of old skins, dead and sour, near drowned beneath the stronger scents of smoke and blood and rot. Only man stripped the skins from other beasts and wore their hides and hair. –
(Prologue)

Kaum ein Buch im Fantasygenre dürfte in letzter Zeit so ungeduldig erwartet worden sein wie A Dance with Dragons (Der Sohn des Greifen, Ein Tanz mit Drachen). George R.R. Martin musste sich in den immerhin knapp sechs Jahren seit dem Erscheinen des Vorgängerbands A Feast for Crows (Zeit der Krähen, Die dunkle Königin) aufgrund seines Arbeitstempos einiges an Spott und Kritik gefallen lassen, und die Erwartungen der Fans waren hoch. Ganz unbeeinflusst davon kann keine Einschätzung des vorliegenden Romans bleiben, der in der Tat nicht nur Martins unbestreitbare Stärken ausspielt, sondern auch recht deutlich zeigt, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat.

Für Leser, die sich vorwiegend danach gesehnt haben, wieder tief in Martins Welt eintauchen zu dürfen, hat sich die Wartezeit gelohnt. Martin erweist sich einmal mehr als unübertroffener Schilderer eines prallen Settings, das vor Sinnenfreuden und Scheußlichkeiten gleichermaßen überquillt. Der in einem furios eingefangenen Wintereinbruch immer weiter erstarrende Norden und der kriegs- und seuchengeplagte Süden, in dem Vorboten der neuen Jahreszeit nur langsam Fuß fassen, bilden die Kulisse für Ansprechendes wie Abschreckendes, aber auf jeden Fall Bewegendes. Martin schwelgt in Intrigen, Magie, ungehemmter Sexualität, Blutvergießen aller Art (von Gladiatorenkämpfen über Morde und Hinrichtungen bis hin zu Menschenopfern) und immer wieder auch in Tafelfreuden verlockender wie zweifelhafter Natur. Gelegentlich erliegt er dabei wohl vor allem der Faszination des Entsetzlichen: Wenn etwa aus Sicht des fast um den Verstand gefolterten Theon Greyjoy der gnadenlose Sadismus eines Ramsay Bolton breit ausgewalzt wird, lässt sich das nicht mehr allein als ungeschminkte Darstellung der Schattenseiten einer pseudomittelalterlichen Welt abtun, sondern bewegt sich irgendwo zwischen Schockeffekt und schlichter Geschmacklosigkeit.

Selbst wenn man sich von diesen Elementen (und auch von der prononcierten Neigung, insbesondere Frauengestalten in erniedrigenden, sexuell konnotierten Situationen zu präsentieren) abgestoßen fühlt, muss man dem Autor lassen, dass er sein erzählerisches Handwerkszeug nach wie vor blendend beherrscht. Obwohl manche Motive, derer er sich bedient, offensichtliche Entlehnungen bilden (so begegnen einem unter anderem Reminiszenzen an die Apokalypse, Macbeth, El Cid und Lady Godiva), sind sie unbestreitbar wirkungsvoll.

Das alles kann über eines nicht hinwegtäuschen: Die Gesamthandlung kommt kaum voran, und das nicht etwa nur, weil ein Großteil des Romans zeitlich parallel zu A Feast for Crows spielt. Trotz der vordergründigen Ereignisfülle wird auf über 950 Textseiten eigentlich nicht viel erreicht. Gerade wenn man die gemächlichen Fortschritte der Haupthandlung mit dem vergleicht, was etwa ein David Anthony Durham oder ein Daniel Abraham in einem wesentlich kürzeren Band kompakt vermitteln kann, wird man den Verdacht nicht los, dass Martin sich mit seiner überaus szenischen Erzählweise und den Heerscharen von Protagonisten mittlerweile selbst im Wege steht.

Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet den für die Gesamthandlung bisher recht zentralen Publikumslieblingen Jon, Daenerys und Tyrion nicht unbedingt die interessantesten Passagen zugeordnet sind. Während Tyrion, Reiseabenteuer hin oder her, vorwiegend damit beschäftigt ist, mit seinem Schicksal und besonders mit seinem immer noch nicht überwundenen Übervater zu hadern, läuft sich der Plot um die Targaryen-Prinzessin in einer eigenartigen Mischung aus schwülstiger Altmännerphantasie und Schilderungen herrscherlicher Inkompetenz tot. Jon Snow darf immerhin ein paar neue Entwicklungen anstoßen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich – deutlich illustriert durch die Hinrichtungsszene relativ zu Anfang seines Handlungsstrangs – zu einem Abklatsch von Eddard Stark entwickelt und letztendlich auch ähnliche Fehler begeht wie sein tatsächlicher oder vermeintlicher Vater.

Ob es Martin dabei jeweils um die bewusste Gestaltung eines Scheiterns geht, bleibt unklar, doch wenn sich überhaupt ein Thema als verbindender roter Faden anbietet, ist es wohl das menschlichen Versagens und enttäuschter Erwartungen. Kaum eine Hauptfigur erreicht langfristig das, was sie sich vorgenommen hat: Suchen verlaufen ergebnislos, Begegnungen, die den Plot voranbringen könnten, kommen nicht zustande, und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der einzige ganz neue Faktor, der die politische Gesamtkonstellation deutlich verändert, wirkt wie aus dem Hut gezaubert: Eine seit Beginn der Serie für tot gehaltene Person ist wundersamerweise doch noch am Leben und bereit, im Kampf um die Königsmacht mitzumischen.

Abgesehen von dieser einen überraschenden Entwicklung scheint es so, als wolle Martin sich für die Folgebände alle Optionen offen halten und manch eine Entscheidung lieber noch aufschieben. Was also bleibt am Ende? Kein schlechtes Buch, aber auch kein rundum gelungenes. A Dance with Dragons ist ein Zwischengang, der durchaus den Appetit auf mehr wachhalten kann, aber nicht der entscheidende Schritt nach vorn, den A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer) an dieser Stelle so dringend gebraucht hätte.

Cover von Die entführte Prinzessin von Karen DuveIn der vom Verband der fahrenden Sänger herausgegebenen Liste heiratsfähiger Königs- und Fürstentöchter entdeckt der siebzehnjährige Prinz Diego von Baskarien die Beschreibung Prinzessin Lisvanas vom Nordland. Sie wird für ihre Schönheit gepriesen und Prinz Diego ist hin und weg. Die kümmerliche Mitgift stört ihn nicht im geringsten, denn Diegos Familie schwimmt in Geld. Lisvana ist die Liebe seines Lebens, das weiß er, und so macht er sich mit seinem Vater auf ins Nordland, um die holde Prinzessin heimzuführen. Unglücklicherweise kommt es zwischen Prinz Diego und Ritter Bredur, einem anderen Verehrer der Prinzessin zu einem Zwischenfall und König Rothafur verweigert infolgedessen Diego die Hand der Prinzessin. Prinz Diego sieht nur noch einen Ausweg: Er muß Lisvana entführen.

-Es war einmal ein Königreich, das hieß Snögglinduralthorma oder so ähnlich, genau weiß das heute keiner mehr. Es wurde schon damals überall bloß “das Nordland” genannt, weil es hoch, hoch im Norden lag – dahinter wohnten eigentlich nur noch Eisbären und Robben – und weil niemand den offiziellen Namen richtig aussprechen konnte.-
Schnee und Eis

Ist es nicht wunderbar, eine Märchenprinzessin zu sein? Man wächst in einem prächtigen Schloß heran, umgeben von herrlichen Gärten, in denen die edelsten Rosen blühen. Die königlichen Eltern lesen ihrem geliebten Töchterchen jeden Wunsch von den Augen ab, man lebt in Glück und Reichtum und kann sich unter den zahlreichen Bewerbern den stattlichsten und schönsten Prinzen als Ehemann erwählen. Es sei denn, man heißt Prinzessin Lisvana und stammt aus Snögglinduralthorma. Zwar liebt König Rothafur seine Tochter und er gönnt ihr allen Reichtum der Welt, aber leider ist sein Königreich eher arm an Bodenschätzen und das unwirtliche Klima verhindert, daß die Natur sich von ihrer besten Seite zeigen kann. Trotzdem halten die Nordländer ihr Königreich für das schönste der Welt. Leider teilt der Rest der Welt diese Ansicht nicht und deshalb findet sich zunächst auch kein geeigneter Kandidat, als König Rothafur Lisvana aufgrund ihres hohen Alters von siebzehn Jahren endlich verheiraten möchte. Die Prinzessin kann so schön sein, wie sie will, ein paar Silberlöffel zweiter Wahl, zwanzig schlechte Pferde und ein Streifen faulig riechendes Moorgebiet ist den potentiellen Freiern einfach zu wenig.
Karen Duve bietet ihren Lesern eine höchst unterhaltsame Mischung aus Märchen und Heldensage, die durch Ironie und Sprachwitz besticht. Die entführte Prinzessin basiert auf der Kudrun-Sage, auch dort findet man den fahrenden Sänger, der den Hof mit seiner Kunst unterhält, es gibt ein Nordland, zwei rivalisierende Männer, die um die Hand der schönen Königstochter werben und natürlich die liebreizende Prinzessin höchstselbst- Kudrun. Wer als Kind die Heldensagen verschlungen und mit der armen Prinzessin gelitten hat, als sie im kalten Winter von ihrer bösen “Fast-Schwiegermutter” dazu gezwungen wurde, im eisigen Wasser die Wäsche zu waschen und wer Kudrun bewunderte, weil sie diese niedere Arbeit mit so viel edlem Stolz und schlichter Würde verrichtete, der wird sich wundern, denn Karen Duve entlarvt Kudruns alter ego Lisvana als eigensinnige Zicke, die sich keineswegs edel verhält, sondern höchstens albern und bockig. Überflüssig zu sagen, daß Duves Version die weitaus amüsantere ist.
Karen Duve spielt fröhlich mit Motiven aus bekannten Geschichten: Prinz Diego und Ritter Bredur machen eine Reise, die Sindbads würdig wäre, Lisvana verliert ihren Schuh wie Aschenputtel, ein Zwerg ist so reich wie König Drosselbart, ein zweiter, äußerst unheimlicher Entführer spricht mit mindestens genauso vielen “ö” wie der See-Elefant. Sie hat sich aber nicht nur von fiktiven Geschichten, sondern auch auf makabre Weise von der Historie inspirieren lassen. Der Leser erfährt, daß die Jungfer Cäcilie von Glauberach aus der Heiratsliste gestrichen worden ist, weil sie ihrer Leidenschaft fürs Tabakrauchen zum Opfer gefallen ist. Sie wurde von ihrer Mutter dabei ertappt, wie sie rauchte, versuchte die Pfeife in den Stoffbahnen ihres Rockes verschwinden zu lassen und ging dabei in Flammen auf. Dieses tragische Schicksal ereilte in Wirklichkeit 1867 die Tochter von Erzherzog Albrecht und Hildegard von Bayern, Mathilde, die mit achtzehn Jahren starb, weil sie eine brennende Zigarette aus Angst vor Strafe hinter ihrem Rücken verstecken wollte. Dabei fing der leicht entflammbare Tüll sofort Feuer und Mathilde verbrannte.
Der Roman bietet aber auch weniger tragische Anspielungen auf die Realität. So darf sich jeder von der Autorin verstanden fühlen, der unter einer lieblosen Mutter leidet, die sich lieber um ihren Garten kümmert (oder um ihre Corgies 😉 ) als um ihr Kind.
Leider ist das Ende ein wenig zu konventionell geraten. Wer so virtuos und amüsant wie Karen Duve mit den Genres Märchen, Heldensage und romantische Liebesgeschichte spielt, der hätte die Prinzessin ruhig mit dem Drachen verheiraten dürfen, der natürlich auch in diesem Roman vorkommt, anstatt mit… Ihr habt jetzt nicht wirklich geglaubt, daß ich den Schluß verrate, oder?

Cover von Eragon von Christopher PaoliniEragon, ein Junge aus einem kleinen Dorf, ist gerade auf der Jagd, als er plötzlich auf einen schönen blauen Stein stößt. Er nimmt die vermeintliche Kostbarkeit mit nach Hause, aber niemand weiß etwas mit dem Stein anzufangen – bis er sich in der Nacht in Eragons Zimmer plötzlich bewegt!
Ein Drache schlüpft aus dem Ei, und Eragon, der bald Freundschaft schließt und eine tiefe Bindung mit dem Drachen eingeht, versteckt das magische Tier im Wald. Er versucht, so viel wie möglich über die Drachen und den ausgelöschten Orden der Drachenreiter herauszufinden. Doch plötzlich tauchen finstere Gestalten im Dorf auf, und Eragon begreift, daß noch andere Mächte auf der Jagd nach seinem Drachen Saphira sind…

-Der Wind heulte durch die Nacht und trug einen Duft heran, der die Welt verändern sollte.-
Prolog: Schatten der Angst

Das schöne Cover, die Lobeshymnen bedeutender Zeitschriften, die auf den Umschlag gedruckt wurden, sowie auch die guten Rezensionen, die ich zu diesem Buch gelesen hatte, ließen mich auf ein wirklich großartiges Fantasieabenteuer hoffen.
Vorweg gesagt: Ich wurde enttäuscht. Ja, das Buch ist spannend, auch wenn es einige langatmige Stellen enthält. Und die Sprache ist, trotz einzelner “Eigenheiten” auch nicht schlecht. Ein paar gute Ideen und eine recht stimmige, wenn auch nicht perfekte Welt tragen dazu bei, dass man Eragon angenehm lesen kann.

Aber es gibt etliche Sachen, die mich an diesem Buch gestört haben. Da wären einmal die kleinen, aber nervigen Logikfehler, die dem Autor unterlaufen. Zum Beispiel wäre da Saphiras Drachenrüstung, die sie geschenkt bekommt. Klar, keine schlechte Idee, doch in diesem Fall ergibt sie überhaupt keinen Sinn, denn Paolini schreibt, dass Saphiras Drachenhaut undurchdringlicher als ein Diamant ist und dass alle Pfeile von ihr abprallen. Nur die Flügel können verletzt werden, doch genau die werden von der Rüstung nicht geschützt.
Wie es in vielen anderen Rezensionen bereits steht, hat Paolini wirklich einiges von anderen Büchern kopiert. Seine Elfen unterscheiden sich kaum von Tolkiens Elben. Arya z.B. gleicht Arwen wie eine Zwillingsschwester: stolz, unglaublich schön, langes schwarzes Haar, längliches, helles Gesicht, schlank und anmutig, …
Auch die Zwerge sind keineswegs originell: Es ist mir schon klar, dass ein Zwerg klein sein muss, aber mit Streitäxten, langen Bärten und ihren Vorlieben, in Bergen zu graben und zu bauen, entsprechen Paolinis Zwerge perfekt denen aus der Welt Tolkiens. Und auch Brom, der Zauberer, und Saphira, der Drache, sehen so aus, wie man sie sich eben vorstellt. Hier muss noch gesagt sein, dass Saphira dafür einen originellen Charakter hat, der dem Buch etwas Frisches verleiht.
In diesem Roman haben wichtige Personen, z.B. Murtagh und Brom, immer ein Geheimnis. Doch mit etwas Logik findet der aufmerksame Leser schnell heraus, welches Geheimnis dahinter steckt. Es ist auch schon bei der ersten Szene, in der Eragon Arya sieht, klar, dass er sich in sie verliebt hat. Das Buch ist also nicht komplex, sondern im Gegenteil ziemlich vorhersehbar.

Und jetzt zu dem, was mich am meisten genervt hat: Eragons permanente Verletzungen. Natürlich finde ich einen Hauptcharakter, der jede Schlacht ohne eine Wunde verlässt, auch nicht gut, das wäre unlogisch und langweilig. Doch Paolini übertreibt masslos. Nebst jeder Zerrung und jedem blauen Fleck, der hervorgehoben wird, muss der arme Eragon diverse Brüche und Verwundungen überstehen, bis kein Knochen im seinen Leib mehr gerade sein dürfte.
Ich finde nicht, dass man einfach sagen kann, dass das Buch zwar Fehler hat, aber für jüngere Leser durchaus geeignet ist. Denn ich selbst bin noch ein Kind. Ich hoffe ernsthaft, dass der zweite Teil um einiges besser ist, denn sonst werde ich den dritten Teil nicht mehr lesen …

The Fall of Arthur von J.R.R. TolkienChristopher Tolkien präsentiert und analysiert ein episches Gedichtfragment seines Vaters und ordnet es nicht nur in dessen Schaffen, sondern auch in die Tradition der Artusepik allgemein ein: Auf einem Feldzug fern der Heimat erfahren König Artus und sein loyaler Ritter Gawain, dass Mordred verräterisch die Macht an sich gerissen und es zudem auf Königin Guinever abgesehen hat. Beim Aufbruch zur Rückeroberung wird deutlich, dass ein wichtiger Gefolgsmann fehlt: Lancelot, der zur Strafe für sein Verhältnis mit der Königin vom Hofe verbannt worden ist und insgeheim auf die Gelegenheit hofft, sich noch einmal zu beweisen  …

Arthur eastward in arms purposed
his war to wage on the wild marches,
over seas sailing to Saxon lands,
from the Roman realm ruin defending.
(The Fall of Arthur, I, 1-4)

Ein episches Gedicht von Tolkien über einen Sagenstoff? Das Konzept kommt einem bekannt vor, und in der Tat handelt es sich bei The Fall of Arthur um ein ganz ähnliches Projekt wie bei The Legend of Sigurd and Gudrún: Wieder stellt Christopher Tolkien ein nach mittelalterlichem Vorbild geschaffenes Werk seines Vaters vor und liefert eine ausführliche Einordnung der Dichtung in Tolkiens Schaffen. Doch gerade im Vergleich zu der älteren Veröffentlichung erweist sich The Fall of Arthur als ein wenig unbefriedigend. Da Tolkiens Fassung der Artussage unvollendet blieb, erlauben Text und Kommentarteil vor allem einen Blick auf das, was hätte sein können, bilden aber kein so rundes und in sich abgeschlossenes Ganzes, wie man sich wünschen könnte.
Der Primärtext selbst wirkt, wenn man eher mit der kontinentaleuropäischen Artustradition vertraut ist, trotz aller unbestreitbaren Qualitäten weniger harmonisch als die altnordisch inspirierten Gedichte, da Form und Inhalt aus zwei verschiedenen Welten zu stammen scheinen. Die archaischen Stabreime bilden einen ungewohnten Rahmen für den Stoff, der letztlich erst im Hochmittelalter seine klassische Prägung erfahren hat, obwohl es, wie Christopher Tolkien in seinen Erläuterungen auszuführen weiß, für die auf den ersten Blick so sonderbare Kombination durchaus englische Vorbilder im 14. Jahrhundert gibt. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, inwieweit Tolkien sprachlich dennoch Anpassungen an die höfische Epoche vornimmt: So verwendet er hier etwa häufiger als sonst in seinen Werken gezielt Begriffe französischen Ursprungs (z.B. Almain für „Deutschland“ oder die Namensform Lancelot du Lake).
Anderes dagegen ist schon aus den Wälsungengedichten vertraut und durchaus tolkientypisch, so etwa der breite Raum, den poetische Landschafts-, Wetter- und Stimmungsbeschreibungen einnehmen, die eine dramatische Handlung untermalen. Auf diesem Gebiet erweist sich Tolkien wieder einmal als Magier der Sprache, dessen Meisterschaft bereits aus den im Analyseteil wiedergegebenen Prosanotizen spricht. Schon bloße Skizzen des Handlungsverlaufs enthalten dort lyrische Passagen wie Wind blew fair from the south and the sea lay green beneath the white cliffs oder The storm fell. The sun shone forth and his heart lifted. Dieser Formulierungskunst, die sich in einzelnen Versen zu einer noch größeren Sprachgewalt verdichtet, kann man sich schwer entziehen, und so lässt man sich gern in die Geschichte voll Krieg und Intrigen mitreißen, die aber leider unmittelbar nach der mit einer ersten Schlacht erkämpften Landung des Königs in Britannien abbricht. Die Figuren sind so zwar alle in Stellung gebracht – Mordred als erfolgreicher Usurpator, aber zugleich als verhinderter Liebhaber der geflohenen Königin, Artus und Gawain auf Rückeroberungszug, Lancelot fern vom Geschehen in der unhaltbaren Position, sowohl seine Geliebte als auch seinen Herrn und seine Ritterehre eingebüßt zu haben –, doch was sich aus dieser packenden Ausgangssituation hätte ergeben können, muss man aus Tolkiens Notizen oder eigener Kenntnis der zugrundeliegenden Sage ergänzen.
Auch das, was Christopher Tolkien interpretatorisch daraus macht, fällt diesmal notwendigerweise etwas mager aus. Die Betrachtungen zu den Quellen von Inhalt und Stil sind zwar kenntnisreich und umfassend, aber wahrscheinlich eher für Experten spannend als für eine breite Leserschaft. Dies gilt auch für den vom älteren Tolkien stammenden Text über altenglische Stabreimdichtung allgemein, der wieder einmal von seiner feinfühligen Auseinandersetzung mit Sprache zeugt: Von seinen Überlegungen dazu, dass bildliche Wendungen immer auch an eine bestimmte Lebenswelt geknüpft sind und in gewandelten Verhältnissen nur noch eine abgeschwächte Wirkung entfalten, könnte manch ein Autor profitieren.
Dagegen ist die minutiöse Analyse der Genese des Gedichts selbst für ein Fachpublikum nicht allzu ergiebig, besonders, da dem eigentlich faszinierendsten Ansatzpunkt – Tolkiens Abweichen von seinen Vorbildern hin zu einer eigenen Interpretation der Sage – weit weniger Raum gewidmet wird als der Auflistung aller möglichen frühen Versionen. Der für Fantasyfans eigentlich nicht unwichtige Vergleich zum Silmarillion schließlich krankt daran, dass Christopher Tolkien die hauptsächlichen Parallelen in den Teilen des Gedichts erblickt, die nie über ein Entwurfsstadium hinausgelangt sind (vor allem in Tolkiens Plan, Lancelot dem entrückten Artus in einen fernen Westen nachsegeln zu lassen), statt mehr Material aus den tatsächlich vollendeten Strophen heranzuziehen. Dabei hätten sich durchaus Verbindungen zum Silmarillion und zum Herrn der Ringe aufzeigen lassen, vor allem, was den fast exzessiven Gebrauch einer (hier stark christlich konnotierten) Lichtmetaphorik betrifft.
Aber vielleicht tut man ohnehin am besten daran, The Fall of Arthur nicht so sehr als Teil von Tolkiens Gesamtwerk wie als originelle und durchaus etwas gegen den Strich gebürstete Gestaltung des Artusstoffs zu lesen, die sogar den ein oder anderen historischen Insiderwitz enthält (so dürfte es z.B. kein Zufall sein, dass ein überzeugt heidnischer Friese, der Mordred eine Botschaft überbringt, ausgerechnet Radbod heißt). Gerade die Figurenzeichnung weicht teilweise von der mittelalterlichen Tradition ab, etwa wenn Gawain (den man gemeinhin als eher weltlich geprägten Ritter vor Augen hat) hier durchaus auch spirituell aufgeladen zur wahren Lichtgestalt gerät: Gold was Gawain, gold as sunlight. Auffällig ist aber vor allem Tolkiens Blick auf Königin Guinever, die er weder als vorbildliche höfische Dame, noch als tragische Liebende, noch als reuige Büßerin zeichnet. Guinever erscheint vielmehr als Frau voll andersweltlicher Schönheit und kalter Berechnung, die alles andere als passiv agiert und aus dem Ringen der verschiedensten Männer um sie und die Herrschaft das Beste zu machen gedenkt. Von ihr hätte man gern mehr gelesen, ebenso von dem gebrochenen Lancelot, der sich durch seine Liebe zu der ihrer im Grunde unwürdigen Königin ins soziale Abseits manövriert hat.
So hat man am Ende viel Verständnis dafür, dass Christopher Tolkien die Tatsache, dass sein Vater The Fall of Arthur nie vollendete, als one of the most grievous of his many abandonments charakterisiert. Was bleibt ist die leicht wehmütige Freude an einem hübschen Fragment.

Herr Apropos von Nichten von Peter DavidApropos ist das Produkt der Vergewaltigung seiner Mutter durch einen der angeblich ach so edlen Ritter, und er hasst den in seinen Augen verlogenen Stand aus ganzem Herzen. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, und da er ein verkrüppeltes Bein hat, ist es meistens seine spitze Zunge, die ihn aus brenzligen Situationen befreit. Aber körperliche Gebrechen und niedere Geburt hindern ihn nicht daran, über viele Umwege dennoch zum Knappen aufzusteigen und letztendlich von König Runzibel für eine besondere Mission ausgewählt zu werden – insgeheim ist er aber immer auf der Suche nach seinem unbekannten Vater und nach Rache für seine Mutter.

-Wie ich so mit dem Schwert in der Hand da stand und es von der Klinge nur so tropfte, fragte ich mich doch, ob dieses Blut wirklich von meinem Vater stammte.-
Kapitel eins

Peter David lässt in diesem Anti-Ritter-und-Questen-Roman Herrn Apropos selbst seine Abenteuer schildern, dessen spitze Zunge aber letztlich nicht so spitz ist, wie ständig beteuert wird – aber über den ein oder anderen Witz kann man durchaus schmunzeln. Die klassische Ritterwelt wird dabei recht respektlos durch den Kakao gezogen, wobei sich der Autor immer einer leicht anachronistischen Sprache bedient und gerade eben die Kurve kriegt, nicht zu flapsig zu werden. Immerhin gibt Apropos selbst zu, dass er manchmal ganz schöne Kalauer hinlegt.
Einige der (auch im Original oftmals mauen) Sprachwitze, wie etwa Apropos’ Namensgebung, gehen im Deutsch ein wenig verloren, andere sind aber äußerst pfiffig gelöst.

Zunächst wird der Werdegang des Apropos in Rückblenden erzählt, was an dieser Stelle vielleicht ein etwas langer Ausflug abseits der Haupthandlung ist, der sich allerdings im weiteren Verlauf noch auszahlt. Wir lernen einen feigen und egoistischen Protagonisten kennen, der auch seinen besten Freund für seine guten Taten verachtet und hauptsächlich vom (mit seinen Zeugungsumständen verbundenen) Hass auf den Ritterstand getrieben wird.
Apropos’ Weg zum Knappen ist zwar ungewöhnlich, aber dennoch vorhersehbar, und auch als Knappe erlebt er typische Ritterabenteuer: Turniere, Schäferstündchen mit holden Maiden und derlei mehr. Apropos holde Maiden: Vor allem zu Beginn des Romans kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor das weibliche Geschlecht im Allgemeinen für geistig minderbemittelt hält, und es gibt eigentlich im ganzen Buch auch nur eine Ausnahme (und die ist ebenfalls fragwürdig). Ja, ein lustiger Ritterroman braucht vielleicht Klischees, aber muss dazu wirklich nahezu jede auftretende Frau ein williges Dummerchen sein? Die Schenkelklopfer ziehen den ohnehin lauen Humor des Romans auf ein wahrhaft unterirdisches Niveau.

Ungefähr zur Hälfte des Romans beginnt dann Apropos’ große Aufgabe und Peter David macht nahezu eine Kehrtwendung von einer selten wirklich witzigen Parodie zu einem klassischen Abenteuer mit vielen überraschenden Wendungen. Es bleibt zwar nach wie vor komisch, aber Apropos wandelt sich vom eher unsympathischen, egoistischen und feigen Tropf zu jemandem, der immerhin hin und wieder eine gute Tat in Betracht zieht. Allerdings gibt es zum Ende hin zweimal einen sehr harten und ungemütlichen Aufprall auf Tatsachen, die sich in einem ernsteren Buch besser gemacht hätten und so gar nicht zur locker flockigen Umgebung passen wollen (König Meanders Geschichte und der eigentliche Clou am Ende des Buches).
Bei allen liebenswerten Figuren, die mitunter am Rande des Weges auftauchen, und den hin und wieder gelungenen Lachern bleibt Herr Apropos von Nichten damit irgendwo zwischen Parodie und Antiheldenreise stecken.

Cover von Hexenzauber von Terry BrooksRydall, der König von Marnhull, fordert Ben Holiday, der König von Landover ist, zu einem Kampf um Landover auf. Ben und seine Frau Willow entschließen sich dazu ihre Tochter Mistaya zusammen mit dem Hofzauberer Questor Thews und dem hundegestaltigen Abernathy zu Willows Vater, dem Flußherren, zu schicken. Doch unterwegs überfällt Nightshade die Reisenden und entführt Mistaya, während Questor und Abernathy in Bens alte Welt gelangen. Rydall entpuppt sich als Handlanger Nightshades: Er behauptet Mistaya in seiner Gewalt zu haben und zwingt so Ben dazu gegen seine Kämpfer anzutreten. Sollte es Bens Kämpen, dem Paladin, gelingen, alle sieben zu besiegen, so würde Rydall abziehen und Mistaya freilassen, wenn nicht…

-Eine Krähe mit roten Augen saß auf einem Ast in der gewaltigen, alten Eiche – dort, wo das Laub am dichtesten war – und blickte zu den Menschen hinab, die sich auf der sonnigen Lichtung zu einem Picknick versammelt hatten.-
Mistaya

Familie Holiday hat Nachwuchs bekommen: Tochter Mistaya erweitet den Kreis der üblichen Verdächtigen, außerdem kommen noch Rydall und Poggwydd, ein G’Heim Gnom, hinzu. Seine Rolle ist zwar ähnlich wie die von Filip und Sot, nämlich die Situation mit etwas Humor aufzulockern, aber deutlich weniger albern und dafür tragischer. Ein netter Ansatz, wenn auch nur in engen Grenzen ausgeschöpft.
Mistaya ist ein eigenartiges Wesen und schwer zu beurteilen – sicher, sie gibt kein glaubwürdiges Menschenkind ab, aber sie ist auch als Schote auf die Welt gekommen, wer das akzeptieren kann, kann (vielleicht) auch den Rest akzeptieren.
Mit Mistaya soll wohl das Erwachsenwerden und die Versuchung (durch den Teufel, die Dunkle Seite der Macht, Willenschwäche, oder welches Konzept auch immer der Leser dafür verantwortlich macht, wenn er sich nicht so verhält, wie er es sollte) thematisiert werden. Da die Versuchung aber nicht plastisch genug ist, bleibt dieses Unterfangen eher oberflächlich.
Nightshade (früher: Nachtschatten) ist dieses Mal ebenfalls eine zentrale Gestalt. Schön ist das Kapitel “Nightshades Geschichte” in dem sie Mistaya diese erzählt und damit Einblick in ihren Charakter gewährt, aber leider bleibt es dabei und so erhält man den Eindruck, der reduzierte Charakter der Wirrkästchen-Episode (vgl. Das Zauberlabyrinth) sei komplexer.
Ben Holiday ist die dritte zentrale Figur, doch hier ergibt sich wenig; es wird häufig erwähnt, daß der Paladin Ben brutalisiere, doch es scheint eher, als ob Ben den Paladin zivilisiere.

Generell läßt sich über die Charaktere sagen, daß Brooks beginnt, ihnen mehr Tiefe zu verleihen, sie aber immer eindimensional und vorhersehbar handeln läßt. Die aufgezeigten Schwächen bleiben immer ohne Wirkung.

Die Geschichte ist der Form nach an eine Queste angelehnt, verbunden mit Nightshades Rachefeldzug und den Versuchungen Mistayas und Abernathys. Insgesamt eher durchschnittlich, weder sind die Episoden besonders originell, noch handwerklich gut gelungen, stellenweise nicht einmal zur Gänze einleuchtend.
Einzig der Schreibstil Brooks hat sich etwas verbessert; die eigenartigen alltagssprachlichen Einwürfe bleiben zwar aus, aber ein Sprachmagier ist er immer noch nicht geworden.
Bemerkenswert ist noch das beinahe komplette Ausbleiben des Slapstick-Humors. Questors Zaubersprüche gelingen beinahe immer und scheitern nie auf alberne oder groteske Weise. Auch Poggwydds Auftritt ist erheblich ernster als die von Filip und Sot.
Die Übersetzung weist etliche Flüchtigkeitsfehler auf; da wird aus einer Anwesenheit eine Abwesenheit (S. 61) oder aus der Erdmutter eine Erbmutter (S. 97) etc. Die Namen werden wie im Zauberlabyrinth ‘übersetzt’ mit Ausnahme von Elderew, welches jetzt wieder Eldero (wie auf der Karte) heißt.
Hexenzauber ist zwar etwas besser als der direkte Vorgänger, aber weit von Königreich zu verkaufen oder Das schwarze Einhorn entfernt.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

Cover des Buches "Der König auf Camelot" von T.H. WhiteDer König auf Camelot ist in vier Bücher unterteilt:
Das Schwert im Stein
erzählt davon, wie “Wart” als Ziehsohn Sir Ectors aufwächst. Wart ist nichts Besonderes und wenn er älter ist, soll er der Knappe von Kay, Sir Ectors vielversprechendem Sohn, werden. Aber erst einmal wird ein Hauslehrer für die beiden Jungen eingestellt: Merlin. Im Gegensatz zu Kay erhält Wart von Merlin noch eine zusätzliche, ungewöhnliche Ausbildung. Von Zeit zu Zeit verwandelt der Zauberer ihn in ein Tier.
Die Königin von Luft und Dunkelheit: Aus Wart ist mittlerweile König Arthur geworden. Während Arthur sich darüber den Kopf zerbricht, wie man herrscht, ohne seine Macht zu missbrauchen, wachsen auf Orkney Gawaine und seine drei Brüder heran. Ihre Mutter Morgause wird bald eine verhängnisvolle Rolle in König Arthurs Leben spielen.
Lancelot ist Der missratene Ritter. Das dritte Buch erzählt von seiner verbotenen Liebe zu Königin Ginevra. Arthur, der seinen besten Freund und seine Ehefrau nicht verlieren will, duldet die Beziehung stillschweigend.
Die Kerze im Wind
: Mordred, Gawaines Halbbruder, wird von Hass gegen König Arthur getrieben. Er benutzt Lancelots und Ginevras Affäre, um Arthur den Anspruch auf den Thron streitig zu machen.

-Montags, mittwochs und freitags gab es Gotische Kanzleischrift und Summulae Logicales, an den übrigen Wochentagen waren Organon, Repetition und Astrologie dran.-
Kapitel 1 Erstes Buch: Das Schwert im Stein

Es gibt Dinge, die den Rezensenten an Der König auf Camelot (The Once and Future King) gestört haben.
Besonders die ersten beiden Bücher wirken so, als hätte T.H. White Schwierigkeiten gehabt, sich zu entscheiden, was er denn nun eigentlich schreiben wollte:

Einen im wahrsten Sinn des Wortes zauberhaften Artusroman? Nachdem Merlin Wart im ersten Buch aus erzieherischen Gründen in alle möglichen Tiere verwandelt hat, spielt die Zauberei nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eine Parodie auf den Ritterroman? König Pellinore spielt ein lustiges Spielchen mit dem gar nicht so furchtbaren Aventiure-Tier, endet später aber unerwartet tragisch.
Einen gesellschaftskritischen Schlüsselroman mit Gegenwartsbezug? T.H. Whites Statements gegen Krieg, Kommunismus und Nationalsozialismus sind aller Ehren wert, wirken aber plakativ und aufgesetzt. Die politischen Anspielungen werden holzhammerartig vorgebracht, als hätte White dem Leser nicht zugetraut, auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Außerdem bezieht sich der Autor mehrfach auf Malorys 1485 erschienenes Werk La Morte Darthur, in dem Artus als letzter Ritter stilisiert wird. White folgt Malory in dieser Darstellung, warum deshalb aber Arthur unbedingt ein Normanne sein muss, er die Geschichte ausdrücklich nach 1360 spielen lässt, anstatt sich zeitlich nicht festzulegen und warum Robin Hood/Wood mitsamt Lady Marian kurz und unmotiviert auftauchen, mit Wart ein Abenteuer erleben und dann wieder in der Versenkung verschwinden, hat sich dem Rezensenten nicht erschlossen. Auch in Fantasy-Romanen darf man als Leser ein Mindestmaß an innerer Logik und Stimmigkeit erwarten.

Das Buch Der missratene Ritter entschädigt dann aber für all die plakativ vorgetragenen Intensionen Whites. Da werden aus Figuren, die die Botschaft des Autors vermitteln sollen, plötzlich Menschen, die aufgrund ihrer Charakterschwächen und eines fragwürdigen Ehrenkodexes in Konflikte geraten, an denen sie letztlich scheitern.

Cover von Das Regenbogen-Schwert von Simon R. GreenPrinz Rupert wird ausgeschickt, um in den Wäldern einen Drachen zu erlegen. Nicht so sehr, damit er sich bewährt, denn es kann nur einen Thronerben geben, und Prinz Rupert ist nunmal der Zweitgeborene. Doch als der Prinz und sein melancholisches, sprechendes Einhorn tatsächlich auf einen Drachen treffen, entpuppt dieser sich als alt, müde und Schmetterlingssammler. Darüber hinaus tyrannisiert den kampfesmüden Drachen eine schlagkräftige Prinzessin, die vor ihrem Bräutigam ausgerissen ist. Als das Königreich von einer immer stärker werdenden dunklen Macht bedroht wird, ist Prinz Rupert plötzlich der einzige, der sich der drohenden Gefahr (gemeinsam mit seinen drei untypischen Begleitern) entgegenstellen kann.

-»Kein Drache, kein Regenbogenschwert, aber wir kehren in die Finsternis zurück! Wir müssen verrückt sein! Aber was soll’s? Vielleicht finden wir wenigstens den Mistkerl, der mein Horn geklaut hat. Seit der Zeit fühl ich mich irgendwie nackt.«
»Du bist doch immer nackt«, sagte Rupert.
»Menschen sind eine Rasse zum Abgewöhnen«, meinte das Einhorn.-
Kapitel Fünf – Der Schwarze Turm

Wow, das hätte ich wirklich nicht gedacht! Der verzweifelte Spontankauf überrascht auf ganzer Linie: die komplexe, spannende, ideenreiche und lustige Geschichte hat mich sofort gefesselt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Allein schon die Charaktere sind fabelhaft gelungen: das melancholische, dauernd meckernde Einhorn, der friedfertige Drache, eine nicht ganz damenhafte Prinzessin und der ständig übersehene, aber trotzdem heldenhafte Prinz Rupert bilden ein Quartett der Extraklasse. Diese Kombination schreit geradezu nach vielen bissigen und komischen Ereignissen und davon gibt es im Buch auch reichlich. Gott sei Dank versucht der Autor nicht, den Witz auf jeder Seite mit Gewalt übers Knie zu brechen, sondern streut gekonnt an den richtigen Stellen Ironie oder Sarkasmus. Und neben all den lustigen Stellen wir hier eine durchaus ernste Geschichte erzählt: das Waldkönigreich wird vom Dämonenfürsten und seinen Sklaven bedroht und Rupert ist der einzige, der die Welt noch vor dem Bösen retten kann. Jedoch hatte der Zweitgeborene am Hofe des Königs nie ein leichtes Leben: immer im Schatten seines älteren Bruders war er oft genug nur ein Ziel für Intrigen und die Boshaftigkeit des Hofadels. Gleich zu Beginn des Buches befindet er sich ja auf einer Mission, die ihn eigentlich das Leben kosten soll – schließlich braucht keiner einen zweiten Sohn, denn die Erbfolge ist bereits gesichert. Dieser Wechsel zwischen lustiger Geschichte, bitterer Ironie und den persönlichen Schicksalen der Charaktere (Prinzessin Julia wurde von ihren sieben älteren Schwestern dem Drachen zum Frass vorgeworfen, weil sie sich weigerte zu heiraten!) ist unglaublich gut aufgebaut und macht das Buch zu einem wahren Lesevergnügen. Und auch der Stil des Autors ist gelungen, schließlich werden viele schöne Metaphern für die Geschichte benötigt.
Aber irgendwo ist immer ein Haken, und diesmal war es das (meiner Meinung nach dämliche) Cover. So nichtssagend und irgendwie albern, dass ich mich damit kaum von zu Hause fort trauen konnte. Dafür ist der Roman im Gesamturteil eine der wirklich lesenswerten Fantasygeschichten auch für Neueinsteiger.

Cover von Der Ritter von Gene WolfeEin Junge entdeckt auf einer Wanderung eine Wolke, die die Gestalt einer riesigen Burg hat. Er folgt ihr und landet in einer Höhle in Mythgarthr, einer fantastischen und mittelalterlichen Welt, welche die mittlere von sieben übereinanderliegender Welten ist. Dort sagt ihm eine alte Frau, sein Name sei Able of the High Heart. Able begibt sich auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise, auf welcher er nicht nur mehrere Welten kennenlernt, sondern auch viele Geschöpfe, freundliche wie feindliche, trifft. Eine Liebesnacht mit der Königin der Moosalfar verleiht Able den Körper eines Mannes, schlägt ihn zum Ritter und schickt ihn auf die Suche nach dem Schwert Eterne. Diese führt den jungen Ritter zur Burg des Herzog Marders und schließlich nach Jotunland, wo die Riesen wohnen.

-Und so kam es, daß ich bei Bold Berthold lebte. Er war irgendwie verrückt, und manchmal ist er hingefallen. Aber er war der tapferste Mann, den ich kannte, und er hatte keinen Gram Falschheit an sich.-
Kap. 2, Die zerstörte Stadt

Mit diesem ersten Band der Saga unterstreicht Gene Wolfe seine bemerkenswerte schriftstellerische Klasse, indem er der alten Geschichte vom Ritter auf der Suche nach Ehre und Abenteuern neues Leben einhaucht. Was macht das Buch so außerordentlich? Der Leser wird sofort in den Bann geschlagen von dem ungewöhnlichen, aber zauberhaft leicht anmutenden Erzählstil aus der Sicht des Heldens Able, welcher sich in Form eines Briefes an seinen Bruder Ben richtet. Mythgarthr sowie die anderen Welten sind nach dem Vorbild der nordischen Mythologie erschaffen, wobei es dem Autor gelungen ist, diese sofort vor dem geistigen Auge lebendig werden zu lassen. Dasselbe gilt für die zahlreichen Nebencharaktere, von denen keiner uninteressant oder fehl am Platze wirkt, denn jeder hat eine ureigene magische Wirkung.

Einen zusätzlichen Reiz bekommen die Figuren dadurch, dass der Leser sie (subjektiv) durch die Augen von Able sieht. Gleichzeitig erfährt man viel durch den sehr offen berichtenden Helden: Seine Gedanken und Motive, sein Gebahren und die Auseinandersetzung, sowie die Suche nach Ehre, Liebe und Freundschaft. Es entsteht ein vielschichtiger, auch widersprüchlicher Charakter, der jedoch auch seine Geheimnisse hat (Wer zum Beispiel war er vorher auf der Erde, und was geschah in der Zeit, an die er sich nicht mehr erinnern kann?). Er steht dem Leser sowohl nah als auch distanziert gegenüber. Während der Leser Able auf seinen zahlreichen Abenteuern begleitet, wächst er einem immer mehr ans Herz, doch muss man dabei höllisch aufpassen, nicht aufzuhören, Ables Verhalten moralisch zu hinterfragen. Dies zeigt einem der Autor etwa durch Sätze wie: “Jetzt kommt etwas, worauf ich nicht stolz bin”.
Zusätzliche Spannung wird durch Vorwegnahme von Ereignissen und auftretenden Figuren erziehlt, was einem förmlich zum Weiterschmöckern zwingt. Insgesamt ist Wolfe mit Der Ritter (The Knight) ein sehr überzeugender Roman gelungen, welcher sowohl literarische Ansprüche erfüllt als auch ein ungeheures Lesevergnügen bereitet. Man darf gespannt sein auf den zweiten und abschließenden Band Der Zauberer.

Cover von Die schwarze Stadt von Tamora PierceDie zehnjährige Alanna von Trebond soll in einem Kloster lernen, eine Dame zu werden. Ihr Zwillingsbruder Thom wird an den Hof gehen, um eine Ausbildung als Ritter zu erhalten – so hat es ihr Vater beschlossen. Dabei will Thom viel lieber Zauberer und Alanna Ritter werden, um gefährliche Abenteuer zu bestehen. Die Kinder fälschen die Briefe, die der Vater ihnen mitgegeben hat. Alanna verkleidet sich als Junge und geht an den Hof, um Page zu werden, und Thom reitet zum Kloster und läßt sich zum Zauberer ausbilden. Für Alanna beginnen schwere Zeiten. Die Ausbildung ist hart, aber sie findet Freunde. Doch nicht jeder ist ihr wohlgesonnen. Früher als es ihr lieb ist, muß sie gefährliche Abenteuer bestehen und sie fürchtet, jemand könnte herausfinden, daß sie ein Mädchen ist…

– “Ich habe meine Entscheidung getroffen. Keine Diskussion mehr”, sagte der Mann am Schreibtisch. Er schaute schon wieder in ein Buch. Seine beiden Kinder verließen den Raum und machten die Tür hinter sich zu.-
Die Zwillinge

Eigentlich ist Die Schwarze Stadt (Alanna: The First Adventure) nichts anderes als die gute alte phantastische Internatsgeschichte, die in eine mittelalterliche Szenerie verlegt wurde, aber diese alte Idee wurde von Tamora Pierce sehr gut umgesetzt. Alanna kommt an den Hof und muß lernen, lernen, lernen: Mathematik, Geschichte, Gedichte und natürlich den Umgang mit dem Schwert, mit Lanzen und alle Kampfkünste, die ein Ritter so braucht. Außerdem muß sie am Tisch bedienen und Botengänge für die Adligen erledigen. Abends fällt sie todmüde ins Bett. Sie schließt Freundschaften, aber sie muß sich auch gegen den “Schulhofrüpel” zur Wehr setzen. Kurzum, Alanna ist die ideale Identifikationsfigur für Mädchen, die schon immer davon geträumt haben, Abenteuer als Pirat, Räuber, Indianer oder eben Ritter zu erleben. Sie wirkt so authentisch, weil sie gerade kein “Supermädchen” ist, dem alles leicht fällt. Als Alanna in die Pubertät kommt, fällt es ihr schwer zu akzeptieren, daß sich ihr Körper verändert. Sie wird von Selbstzweifeln geplagt, nie ist sie sich sicher, ob sie all die Aufgaben bewältigen kann, die ihr gestellt werden und sie muß erst lernen, daß sie ihre Freunde nicht nachahmen muß, um von ihnen gemocht zu werden. Sie darf sein, wie sie ist.
Alanna ist beherzt, tapfer und geradeheraus, sie besitzt Durchhaltevermögen und einen starken Willen. Diese Charaktereigenschaften braucht sie auch, denn sonst hätte sie nicht die geringste Chance gegen den Tod, der ihr immer wieder in verschiedenen Formen begegnet. Auch alle anderen Protagonisten sind individuell gezeichnet. Natürlich gibt es “die Guten”, “die Bösen” und “den Zwielichtigen”, aber Tamora Pierce gelingt es ganz ausgezeichnet, lebendige Menschen darzustellen und bedient sich nicht flacher Stereotypen, die einem so oft das Lesen von Fantasyromanen verleiden. Die Handlung ist logisch und schlüssig motiviert. Der Einsatz von Magie scheint vollkommen natürlich zu sein und wirkt nicht aufgesetzt. Nie hat man bei diesem Roman das Gefühl, Tamora Pierce bediene sich der Zauberei, weil sie sonst nicht wüßte, wie sie ihre Helden aus einer gefährlichen Situation befreien oder in ein Abenteuer stürzen sollte.
Gedacht für Leser ab zwölf Jahren.

Cover des Buches "Der silberne Hengst" von James Branch CabellDom Manuel, der Graf von Poictesme, ist fort. Auf dem letzten Konvent seiner getreuen Ritter vom Orden des silbernen Hengstes prophezeit der undurchsichtige Horvendil einem jeden von ihnen das Entschwinden aus dem Land. Und die Voraussagen erweisen sich als wahr, denn die Ritter erleben seltsame Abenteuer, an deren Ende keiner mehr der ist, der er vorher war – wenn er überhaupt noch ist. Eng verknüpft damit ist die wachsende Legende des mittlerweile religiös als Erlöser Poictesmes verehrten Manuel. So werden die Ritter bald Relikte einer vergangenen Zeit und haben mit dem Wandel, der durch die Legende ihres ehemaligen Kameraden veranlasst wurde, und anderen menschlichen Schwächen zu kämpfen.

-Man erzählt sich, wie Dom Manuel, der der hohe Graf von Poictesme war und den man überall als den größten und von Skrupeln unbeflecktesten Glücksritter seiner Zeit ansah, ohne Grund und Vorwarnung am Festtag von St. Michael und allen Engeln aus seiner Burg zu Storiesende entschwunden war.-
1 Kindergerede

Schauplätze und Zeitraum des Geschehens umfassen große Weiten, es geht durch Persien, nach Mittelamerika, nach Inis Dahut und den anderen Wunderinseln, sogar in den Himmel und die entgegengesetzte Richtung, doch Kern ist die (fiktive) südfranzösische Provinz Poictesme des 13. Jh. Die realen Hintergründe werden nur beiläufig eingeflochten, die z.T. sehr phantastischen Gesellschaftsformen und Wesen werden zwar etwas ausführlicher behandelt, dienen aber in erster Linie dazu, die anthropologischen Konstanten zu verdeutlichen.
Magische Elemente gibt es haufenweise, aber sie lassen sich nicht auf eine einfache Formel bringen. Nur ein paar Dinge seien hier genannt: Es treten Engel, Dämonen, Götter und Zauberer auf, doch niemals so, wie der Leser es erwartet.

Auch wenn die Zahl der auftretenden Figuren recht groß ist, läßt sich innerhalb eines Abenteuers der Überblick leicht bewahren, aber darüber hinaus ist es z.T. nicht ganz leicht. Zentrale Rollen spielen sieben der zehn Ritter: Gonfal, ein Realist, der die Wunderinseln besucht und um die Hand der Königin Morvyth anhält; Miramon Lluagor, ein Künstler, der endlich die leuchtenden Bienen Toupans erhält und wieder mit seiner Frau Giséle streitet; Coth, ein Hitzkopf und Querulant, der Manuel im fernen Westen bei den Taolteken sucht; Guivric, ein gewitzter Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes um seinen Platz in der Gesellschaft kämpfen muß; Kerin, ein naiver Mensch, den seine Frau Saraïde auf eine langwierige Suche nach den Fragen des Lebens schickt; Nizian, der Rechtschaffendste der Ritter, der wie ein Vogel auftritt – was gläubigen Menschen, weder seiner Frau Balthis noch dem Heiligen Holmendis, nicht gefallen kann und Donander, dem Standfestesten der Zehn, der aus Versehen statt in den Himmel nach Walhalla gelangt. Doch auch die Frau Manuels, die ehemalige Heidin Niafer, die sehr um die Verbreitung der Legende um den christlichen Erlöser Poictesmes bemüht ist, und Jürgen, mal als junger Sohn Coths, mal als alter Pfandleiher, kommen Rollen zu.
Auch wenn die Figuren Inkarnationen von Grundmustern menschlichen Verhaltens sind und keine komplexe Psychologie haben, gelingt es Cabell doch, ihnen allen eine gewisse Einmaligkeit zu verleihen – wer Jürgen gelesen hat, erkennt ihn sofort wieder. Aufgrund der höchst befremdlichen Situationen, in welche die Ritter geraten, stört der Mangel auch nicht besonders.

Der Hauptplot befaßt sich wieder mit Manuel, denn es geht um seine Anpassungsfähigkeit – Mundus vult decipi – selbst nach seinem Verschwinden kann er den Menschen darstellen, was sie sehen wollen. Doch oftmals rückt dieser Strang in den Hintergrund und ins Rampenlicht treten die Nebenplots der einzelnen Ritter – jeder der sieben erhält ein Buch, mit Ausnahme von Coth, der zwei erhält; dazu kommt das erste Buch als Einleitung/Auftakt mit der Prophezeiung Horvendils im Mittelpunkt und das zehnte und letzte Buch als eine Art Abschluß in dem Niafer und Jürgen über Manuel und seine Legende nachdenken.
Die Ritterabenteuer befassen sich immer mit Grundpfeilern des menschlichen Verhaltens und zumeist mit dem Geschlechterverhältnis. Oftmals wird der Sinn und Unsinn des Christentums behandelt. In dem Abenteuer des Miramon Lluagor erhält dieser Toupans leuchtende Bienen, die dem Anwender drei Wünsche gewähren. Doch mit jedem Wunsch wird der schlafende Gott Toupan etwas aktiver, sollte er zur Gänze erwachen, würden die alten Götter zurückkehren und die Schöpfung beenden. Miramons turbulente Variante des 3-Wünsche-Themas entbrennt mit dem klassischen Ehestreit zwischen ihm und Giséle.
Die Nebenplots sind unterschiedlich gut gelungen, manche, wie Guvirics Reise, sind recht schwer zugänglich, da sie zu kryptisch sind, und können daher den Leser nicht so recht mitnehmen. Andere, wie Ninzians Erlebnis, sind dagegen äußerst amüsant. Ihre besondere Qualität erhalten die Geschichten aus der ironischen Überzeichnung der fein beobachteten menschlichen Eigenheiten – spannend sind die Geschichten nur selten.

Der silberne Hengst (The Silver Stallion)
ist der zweite Teil der Chroniken von Poictesme. Er ist zwar ohne weiteres für sich lesbar, da die relevanten Punkte aus Manuels Leben (wenn auch etwas verzerrt) im Kapitel Die Legende von Manuel wiederholt werden, aber mit der Kenntnis der anderen Bücher werden viele Details mit Bedeutung aufgeladen. Insgesamt scheint dieses Buch weniger tiefschürfend zu sein, als es Die Legende von Manuel oder Jürgen ist, dennoch ist dieses eine sehr unterhaltsame Satire auf Ritterromane, Märchen – und das menschlichen Miteinander.
Sprachlich unterscheidet es sich nicht vom üblichen ironischen Stil Cabells; kurze, lakonische Sätze wechseln sich mit langen, geschraubten Reden ab und die Wortwahl ist immer äußerst treffend.

Cover von Sir Gawain und der Grüne RitterNeujahrstag an König Artus’ Hof. König und Königin, es wird gefeiert. Da stört ein Ritter das Gelage. Er hat die Statur eines Hünen und alles an ihm, selbst sein Pferd, ist grün. Der Grüne Ritter schlägt ein “Weihnachtsspiel” vor: Falls einer der anwesenden Ritter den Mut aufbringe, dürfe er ihm mit voller Kraft mit der Streitaxt einen Schlag versetzen. Nach einer Frist von zwölf Monaten und einem Tag dürfe der Grüne Ritter ihm ebenfalls einen Schlag versetzen, der widerstandslos hinzunehmen sei. Keiner der Ritter meldet sich. Als sich schließlich König Artus selbst anbietet, geht Sir Gawain dazwischen und nimmt den Handel an. Er schlägt dem Grünen Ritter mit einem Hieb den Kopf ab. Unbeeindruckt erhebt sich dieser, erinnert Sir Gawain noch einmal an die Abmachung und reitet von dannen.

– Als das schöne Britannien von diesem berühmten Mann gegründet war, wuchsen dort Recken heran, die den Kampf liebten und früher oft großes Unheil anrichteten. In diesem Reich gab es mehr Wunder zu bestaunen als in irgendeinem andren Land, das ich kenne.
Doch von allen Königen, die in Britannien herrschten, wurde Artus, wie ich hörte, am meisten verehrt.-
2.

Man kann Sir Gawain und der Grüne Ritter (Sir Gawain and the Green Knight) auch einfach als originelle Abenteuergeschichte lesen, sich gut dabei unterhalten und ganz nebenbei eines der großartigsten Werke der englischen mittelalterlichen Literatur kennenlernen. Die Erzählung besticht u.a. durch ihre Naturschilderungen und wirklichkeitsnahen Jagdszenen, und trotz aller Grausamkeit haben die Auftritte des Grünen Ritters durchaus ihre komischen Seiten. So meint man Artus’ kühne Recken vor sich zu sehen, wie sie von einem Fuß auf den anderen treten und verlegen in die Luft starren, Schuljungen gleich, die Angst haben, mündlich geprüft zu werden, nachdem sie von dem streitbaren Eindringling herausgefordert wurden, obwohl der unbekannte Dichter den Leser nur wissen läßt, daß alle in der Halle, ob von hohem oder niederem Rang, noch stiller (wurden). Auch später gibt es komische Situationen, als Gawain bei der Suche nach dem Grünen Ritter auf eine liebestolle Dame trifft und sich ihrer heftigen Annäherungsversuche erwehren muß. Man ließe dieser Geschichte aber Unrecht widerfahren, würde man sie nur als skurrile Aventiure-Erzählung betrachten. Sir Gawain und der Grüne Ritter ist in erster Linie die Geschichte einer Versuchung. Sir Gawain, der dem ideal der Vollkommenheit nachstrebt, dem menschliche Schwächen aber nicht fremd sind, wird mit der unmöglich scheinenden Aufgabe konfrontiert, im christlichen Sinne tugendhaft zu handeln, also keine Sünde zu begehen und gleichzeitig “höflich”, das heißt, dem höfischen Ehrenkodex gemäß, als vortrefflicher Ritter und Held.
Wieso die Darstellung dieses Konfliktes, die Geschichte von Sir Gawain und dem Grünen Ritter zu einem Meisterwerk der englischen Literatur macht, erläutert J.R.R. Tolkien hervorragend in dem beigefügten Essay Sir Gawain und der Grüne Ritter.

Cover von Timeline von Michael CrichtonITC, eine Firma, die Anwendungen der Quantentechnologie entwickelt, sponsort archäologische Ausgrabungen an der Dordogne in Frankreich. Geleitet werden diese von einem amerikanischen Historikerteam, das die mittelalterlichen Gebäude rekronstruieren soll. Doch ITC weiß bereits bestens Bescheid, wie die Anlagen auszusehen haben, denn die Firma verfügt über Zeitmaschinen. Und bald findet sich eine Gruppe Geschichtsstudenten mit einem gefährlichen Auftrag mitten im Frankreich des Jahres 1357 wieder.

-Er hätte diese Abkürzung nie nehmen dürfen.-

Ich verstehe nicht viel von Quantenphysik oder mittelalterlicher Geschichte, aber dieser Roman macht einen gut recherchierten Eindruck auf mich (könnte an den sieben Seiten Bibliographie liegen). Gefallen hat mir die Darstellung des Lebens im Mittelalter – nicht als “statisch, grausam und rückständig”, sondern als “dynamisch” und “Zeit rasanter Entwicklungen”, wie Historiker inzwischen auch der Meinung sind (so der Autor).

Ansonsten hat mich Timeline aber eher zum Erbrechen gebracht (Entschuldigung). Als Fantasy-Leser ist man ja völlig unrealistischen Ausgangssituationen durchaus gewogen (also keine Kritik an Zeitreisen etc.), aber ich erwarte dann doch eine nachvollziehbare Entwicklung von Charakteren und Story. Beides ist hier leider nur unglaublich platt und klischeehaft dargestellt.
An Personen wäre da der gutaussehende Möchtegern-Frauenheld Chris, dessen Eltern zu Beginn seines Studiums tragischerweise starben, und dessen Professor (der, der aus der Vergangenheit gerettet werden muss) sich dann väterlich seiner annahm (nicht dass diese Infos, die bei Chris’ Einführung runtergerattert werden, später jemals auch nur irgendeine Rolle spielten!). Dann ist da der noch besser aussehende Dozent André, der am liebsten im Mittelalter leben würde und total gut mit Pfeil, Bogen und Breitschwert (das Wort “Breitschwert” kommt mir im ganzen Buch etwas zu oft vor. Es scheint im 14. Jh. keine anderen Schwerter zu geben) umgehen kann. Und was für ein glücklicher Zufall, dass die hübsche Kate passionierte Freeclimberin ist! Denn irgendwie muss sie enorm viel herumklettern.

Zur Story: natürlich geht alles schief, was schief gehen kann. Ereignisse und Personen (z.B. der “Grüne Ritter”) werden so konstruiert eingebaut, dass die Figuren ständig aufgehalten werden und die knapp bemessene Zeit (warum ausgerechnet exakt 37 Stunden?!) immer noch knapper wird. Außerdem finden auftretende Fragen oft genug keine Antwort, angefangene Handlungsstränge kein Ende, und scheinbar wichtige Details spielen später keine Rolle mehr. Und, achja, wir sind im Mittelalter! Also kann das größte Klischee gar nicht ausgelassen werden, so dass die Herren, kaum angekommen, auch schon an einem Ritterturnier teilnehmen müssen!
Na, so ist es auch kein Wunder, dass Hollywood das Ganze verfilmt hat. Platte Geschichte, gutaussehende Menschen ohne tieferen Charakter, Happyend – alles was ein guter Blockbuster braucht!

Usagi Yojimbo: The Special Edition von Stan SakaiSeitdem Miyamoto Usagi, ein Samurai und Leibwächter, in einer Schlacht seinen Herrn verloren hat, streift er als herrenloser Ronin durch die Lande, seinem Ehrenkodex nach wie vor fest verpflichtet. Er gerät in politische Intrigen, bekommt es mit Banditen, Dämonen und Kopfgeldjägern zu tun und muss sich auch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen.
Ungewollt wird er in Konflikte gezogen und hält das Schwert öfter in der Hand, als ihm lieb ist.

-“The sword is not just a weapon … It’s also a mirror. It reflects the soul of the samurai. It is the soul of the samurai. … Remember, a true samurai does not look for a fight but tries to avoid it. The best souls are those which are kept in their scabbards.”
“Huh?”-
Samurai, Part II

Ein Hase als Held ist vielleicht, nachdem Usagi Yojimbo stramm auf sein dreißigstes Veröffentlichungsjahr zumarschiert (und nicht zu vergessen kurz vor dem vierzigsten Jubiläum von Watership Down), nicht mehr erklärungsbedürftig, aber immer noch erwähnenswert: Der Hasen-Leibwächter, der durch ein von anthropomorphisierten Tieren bevölkertes Japan der Edo-Periode streift und dabei häufig gezwungen ist, Massen von Gegnern niederzumetzeln, verleiht mit seiner Langohrigkeit und seiner hasengemäßen Bescheidenheit den Geschichten den nötigen Charme und die Zurückhaltung, die Usagi Yojimbo von eintönigeren Action- und Abenteuercomics abhebt und zu einer der ganz großen Comic-Geschichten mit einem liebenswerten, unbeugsamen und tragischen Protagonisten macht.
Durch die lange Veröffentlichungsgeschichte steht man als interessierter Leser vor einer großen Anzahl an Bänden, die in unterschiedlichen Verlagen erschienen sind. Die Special Edition vereint die ersten sieben Sammelbände der Serie in einer hübsch verpackten, zweibändigen Hardcover-Ausgabe im Schuber und eignet sich damit als hervorragender Einstieg in Usagis Abenteuer.

In den beiden Bänden finden sich natürlich die Einführungs- und Hintergrundgeschichten und ansonsten eine bunte Mischung aus nachdenklichen, lustigen, actionreichen und manchmal, ganz selten, sogar romantischen Episoden. Kürzere Abenteuer wechseln sich mit groß angelegten, mehrteiligen Epen ab (etwa der komplette Zyklus um die Dragon Bellow Conspiracy), so dass es mitnichten nur um Kämpfe und Kurzweil geht. Zwar weisen die Geschichten häufig ähnliche Elemente auf – Banditenschikane in kleinen Dörfern, Verschwörungen gegen Herrscherhäuser, ungerechte Magistrate, zu unrecht verfolgte und verratene Krieger, Aufarbeitung von ungelösten Problemen aus der Vergangenheit – doch durch die unterschiedliche Ausrichtung der Geschichten gewinnt der Texter und Zeichner Stan Sakai den Konstellationen immer wieder etwas Neues ab: Manchmal liegt der Fokus auf Recherche, wie etwa in der Geschichte über das Drachenfest, manchmal auf slapstickartigem Humor, so dass am Ende ein kleiner Schwank vorliegt, hin und wieder gibt es eine waschechte Räuberpistole oder ein akribisch inszeniertes Drama, bei dem jedes Bild und jede Textzeile zum bitteren Ende vorandrängt.

Die Stoffe von Usagi Yojimbo stammen aus Geschichte und Gegenwart des japanischen Kulturkreises, historische Anspielungen und Verweise und Zitate aus Filmen von Kurosawa bis Godzilla tauchen auf, die Vorbilder für Figuren reichen von Miyamoto Musashi über Toshiro Mifune bis hin zu rein fiktiven Figuren wie dem blinden Masseur Zatoichi (der hier als Zato-Ino, das blinde Schwertschwein, verewigt worden ist und in einigen der besten Usagi-Geschichten auftritt) und Itto Ogami aus dem Manga Lone Wolf & Cub. Auch die Geister- und Dämonenwelt Japans spielt hin und wieder eine Rolle, allerdings sind die Geschichten abgesehen von den tierischen Protagonisten nur marginal phantastisch angehaucht, oft bleibt die Frage, ob das Erlebte Wahrheit oder Traum ist, im Raum stehen.

Usagi Yojimbo ist trotz seiner vielen Kämpfe ein Comic, das man jungen und älteren Lesern ans Herz legen kann. Die Kämpfe sind nur sehr selten blutig und werden meist geschickt durch die Gegenüberstellung des Vorher und Nachher dargestellt, ohne die eigentliche Kampfbewegung zu zeigen. Dennoch sollte man beim Lesen kein grundsätzliches Problem mit Gewaltdarstellung haben, immerhin geht es um einen Krieger, der durch das feudale Japan zieht und seiner Profession gemäß handelt. Auch wenn Usagi immer seinem Samurai-Kodex verpflichtet und damit ein perfekter Vertreter des Systems ist, stellen die einzelnen Geschichten die kriegerische Tradition und die Bindung durch Ehre immer wieder in Frage. Den nachdenklicheren und tragischeren Geschichten liegt häufig ein ethisches Dilemma zugrunde, das sie auch für erwachsene Leser interessant macht, und als herrenloser Samurai kann sich Usagi meist frei entscheiden, wie er eine Situation löst, was gerade in Fällen, in denen es keine gute Lösung gibt, für Spannung sorgt.
Dazwischen finden sich genauso häufig unbeschwerte Geschichten, etwa Usagis Eskapaden mit dem schlitzohrigen Kopfgeldjäger Gen (einem Nashorn) oder reinrassige Abenteuer mit vielen Verwicklungen.

Nebenfiguren wie Gen oder Zato-Ino trifft man im Laufe der Geschichten immer wieder an, so dass sich auch ihre Entwicklungen verfolgen lassen und sich nach den 1200 Seiten der Special Edition auch schon eine Art Mosaik aus den Einzelabenteuern bildet, das die Veränderungen durch Usagis Taten nachvollziehbar macht, einige länger laufende Handlungsstränge abschließt und politische Entwicklungen verfolgt.
Usagi wandert im Lauf seiner Abenteuer durch eine lebendige Welt, in der sich politische Allianzen verschieben und Figuren weiterentwickeln. Herrschaftsverhältnisse und Gesellschaft im feudalen Japan sind korrekt und differenziert wiedergegeben, man bekommt nach und nach auch ein Bild davon, was die Konsequenzen einer Kultur mit so ausgeprägter Kriegskunst sind.
Die schwarzweißen Zeichnungen von Usagi Yojimbo wirken vielleicht auf den ersten Blick simpel, stellen sich allerdings als sehr detailreich und gut recherchiert heraus, besonders in der Darstellung von Sachkultur wie Nahrung, Kleidung oder Gebäuden. Auch stilistisch bedient sich Stan Sakai häufig interessanter Elemente, etwa der Einbindung von Geräuschen über mehrere Panels, einer grandiosen Nutzung des Wetters zum Schaffen von Atmosphäre oder Spielen mit Licht und Schatten.
Die Special Edition bietet außerdem eine Menge Extras wie eine Cover-Galerie, einige zusätzliche Episoden, die außerhalb der normalen Veröffentlichung stehen, ein Making-of und ein (leider nicht ganz aktuelles) Interview.

Der Hasen-Samurai füllt das universelle Thema des einsamen Kriegers, der nur selten seinen Frieden findet, perfekt aus, und wer nicht ohnehin schon vom Hintergrund und der vielfältigen Einbindung der japanischen Kultur fasziniert ist, sollte sich Usagi Yojimbo vielleicht ansehen, weil es nur sehr wenige Comics gibt, die häufig heiteren und vordergründig sogar einfachen Geschichten eine so nachdenkliche Note verleihen können, ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln oder zu sehr ins Tragisch-Überzogene abzukippen. Mit Usagi wird man immer öfter lachen als weinen, aber auch immer verstehen, weshalb der langohrige Krieger dem Leser meistens ernst entgegenblickt.

Wintertide von Michael J. SullivanDas nahende Winterfest soll der schurkischen Regentenclique des Kaiserreichs dazu dienen, ihren Triumph gebührend zu feiern: Der militärische Sieg über die letzten Widerständler ist in greifbare Nähe gerückt, die machtlose junge Kaiserin sieht einer Zwangsheirat mit einem politisch verlässlichen Mann entgegen, die unbequeme Prinzessin Arista und der Rebellenführer Degan Gaunt schmachten gebrochen im Kerker und Hadrian, der sie zu befreien versucht, wird prompt erkannt und zur Kollaboration erpresst. Um zumindest ihn retten zu können, lässt Royce sich widerstrebend auf einen riskanten Handel mit seinem Erzfeind Merrick Marius ein…

– Royce stood at the edge of the forest trying to decide between the road and the more direct route through the trees. Snow started to fall again, and the wind swept the flakes at an angle. The white curtain muted colors, turning the world a hazy gray. The thief flexed his hands. He had lost feeling in his fingers again. In his haste to find Gwen, he had once more neglected to purchase winter gloves.–
Chapter 5 – Footprints in the Snow

Mit Wintertide gelingt es Michael J. Sullivan nur teilweise, nach dem eher schwachen Vorgängerband The Emerald Storm zum ursprünglich hohen Unterhaltungswert seiner Serie zurückzufinden. Bedauerlich ist vor allem, dass er dem Plot eine der größten Stärken der Reihe opfert: Dadurch, dass Hadrian und Royce hier überwiegend getrennt agieren, fällt ihr freundschaftliches Geplänkel weg, das die Atmosphäre bisher entscheidend geprägt hat. Mit der über weite Strecken hilflos im Verlies dahinvegetierenden Arista ist auch die dritte zentrale Gestalt daran gehindert, für eine Kontinuität der gewohnten Elemente zu sorgen. Die neu eingeführten Charaktere – so etwa der Straßenjunge Mince und der edle Ritter Sir Breckton – bleiben typenhaft und werden oft in sehr generischen Situationen präsentiert, die auch den Weltenbau bestimmen.

Da das Setting in sich schlüssiger als im vierten Band wirkt, möchte man zunächst noch vermuten, dass die Rückkehr an vertraute Schauplätze wie die Kaiserstadt Aquesta dem Buch durchaus gut tut. Bald aber stellt sich ein gewisser Verdruss darüber ein, dass Sullivan den Kaiserhof samt Ritterturnier, Tafelfreuden, Falkenjagd und Schachbegeisterung etwas zu oberlehrerhaft schildert. Mit Hadrian und der aus einfachen Verhältnissen zur Sekretärin der Kaiserin aufgestiegenen Amilia sind zwei Figuren vorhanden, deren Unvertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen ihrer neuen Umgebung als Vorwand für weitschweifige Erklärungen dient, die versierteren Gesprächspartnern in den Mund gelegt werden. So entsteht eher der Eindruck eines sehr theoretisch angelegten Konstrukts als der einer glaubwürdigen Lebenswirklichkeit. Dass anlässlich eines höfischen Fests auch noch ein paar Liedzeilen auftauchen, die wie eine ungeschickt umformulierte Entlehnung aus Penelope’s Song von Loreena McKennitt klingen, macht die Sache nicht besser. Auch sprachlich holpert der eine oder andere Satz mehr als üblich.

Ihren gewohnten Charme kann die Geschichte nur in einigen kleinen Szenen am Rande entfalten, so etwa, wenn Royce zu seiner Verblüffung erlebt, dass eine schon halb vergessene gute Tat sich für ihn auszahlt. Ähnlich anrührende Momente gibt es auch in der Schilderung der rauen Welt der Straßenkinder, deren harter Überlebenskampf die Suche nach Freundschaft und menschlicher Wärme nicht ausschließt. Die große Rolle, die für die Jungen die alljährliche Schlachtwoche spielt, in der auch für die Ärmsten der Armen etwas abfällt, wirkt dabei fast wie ein Fanal für die Endphase des Romans, in der es für Sullivans Verhältnisse ungewöhnlich blutig zugeht. Zwar sind auch in den anderen Bänden Kämpfe und Morde keine Seltenheit, aber dass hier einer der Helden im Racherausch eher unbedeutende Helfershelfer der Schurken bei lebendigem Leibe zerstückelt, befremdet im Vergleich doch ein wenig.

Ohnehin kommt es in den letzten  paar Kapiteln zu einer Häufung gewaltsamer Todesfälle unter überwiegend schon seit Beginn der Serie relativ wichtigen Figuren. Es wirkt, als wolle der Autor unter dem Personal ebenso aufräumen wie auf der Handlungsebene, denn der Dauerkonflikt der Protagonisten mit den geistlichen und weltlichen Machthabern des Kaiserreichs wird zu einem wenig originellen Ende geführt, so dass der letzte Band sich wohl auf das immer noch ungeklärte Rätsel um den verschollenen Erben Novrons und die damit verbundene, bisher eher diffus angedeutete dunkle Bedrohung konzentrieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob daraus ein überzeugendes Finale oder doch nur eine allzu gewollt wirkende Auflösung wird.