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Wie ein Hauch von Eis von Peter JamesUnser Buch des Monats im August entführt über die Genregrenzen zu Science Fiction und Horror. 1995 erschien der auch als Techno-Thriller bezeichnete Roman Wie ein Hauch von Eis (Original: Host; 1993) von Autor Peter James.

Der erfolgreiche Wissenschaftler Joe Messenger ist überzeugt davon, Menschen unsterblich machen zu können. Die kryogene Konservierung des Menschen ist schon lange bekannt, doch Joe will einen Schritt weitergehen und forscht nach einer Methode, den Verstand eines Menschen in einen Computer mit biologischen Nerven-/Gehirnzellen herunterzuladen. Seine Forschung befindet sich an einem toten Punkt, als eine neue Studentin zu seiner Assistentin wird. Mit ihrer Hilfe gelingt Joe der lang ersehnte Durchbruch, doch was er damit erschafft, entpuppt sich als sein persönlicher Alptraum, der nicht nur ihn, sondern auch seine Familie in Lebensgefahr bringt und den Wahnsinn und Schrecken des menschlichen Verstandes offenlegt.
Man muss darauf gefasst sein, sich hier und da mit Unbehagen umzublicken und sich während der Lektüre zu fragen: würde ich mich in diesem Szenario für Leben oder Tod entscheiden? Denn trotz der beinahe phantastischen Vorstellung des Ganzen scheint Peter James’ Vision nicht völlig undenkbar, und es ist wohl eher eine Frage der Zeit, bis die Realität einen Joe Messenger hervorbringen wird.

Wie ein Hauch von Eis ist ein spannend geschriebener Roman, der sich im Verlauf der Handlung immer weiter steigert. Der Leser durchlebt mit Joe Messenger eine in der Gegenwart spielende Reise, die in der Normalität beginnt und in futuristischem Horror endet; von der Suche nach einem Segen für die Menschheit, über die Entdeckung der Lösung, bis hin zum Erkennen, welche Gefahr diese neue Entdeckung in sich birgt, wird Joe zum Gejagten seiner eigenen Erfindung. Deren scheinbar unaufhaltsame Allmacht lauert bald hinter jedem Bit und Byte, hinter jeder Ampel und jeder Telefonverbindung.

Obwohl der Roman aufgrund seines Alters inzwischen natürlich überholt ist, was manch technisches Detail angeht, ist es doch vor allem die Folge von Joes Entdeckung und nicht die Technik selber, die einem von Anfang bis Ende eine Gänsehaut beschert und daher, wenn man das ein oder andere Auge zukneift, auch 20 Jahre später noch genauso gut funktioniert wie 1993.

Für Liebhaber von Romanen, in denen es auch einmal eher technisch als magisch zugehen darf, ist Wie ein Hauch von Eis vor allem wegen der unheimlichen und realitätsnahen Atmosphäre zu empfehlen. Die inhaltliche Richtung dieses Buchs erinnert an Serien wie The Outer Limits oder Tales from the Darkside und dürfte dem bekennenden Geek/Nerd Herzklopfen bereiten. Leider scheinen solche Erzählungen ein wenig aus der Mode geraten zu sein oder zumindest keinen Anreiz mehr für Autoren und Fernsehsender zu bieten.

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Wie ein Hauch von Eis
(ISBN: 978-3442081257; Goldmann, 1995) ist leider nur noch antiquarisch zu bekommen. Wer es sich zutraut, kann das englische Original Host (ISBN: 978-0752837451; zuletzt neu aufgelegt bei Orion im Dez. 2000) dagegen noch problemlos im Neuzustand erhalten.

Buch des Monats

Dieses Mal kapert das Schneckerl die zwergische Kolumne und begibt sich in die Gefilde der Science Fiction und zwar mit Hiroshi Yamamotos The Stories of Ibis: Eine Anthologie, bei der mich schon das Cover neugierig gemacht hat. Sie enthält sieben Erzählungen, die schon zuvor in verschiedenen Magazinen veröffentlicht worden sind und die der Autor nun durch eine  Rahmenhandlung geschickt miteinander verknüpft hat. Darin nimmt er nicht nur das übergreifende Thema der Mensch-Maschine-Beziehungen auf, sondern präsentiert bereits im Rahmen des Textes erste Reflexionen über die Geschichten. Außerdem legt er darin einer der Figuren ein Plädoyer für phantastische Literatur in den Mund, das ich nur allzu gern dem Feuilleton unter die Nase halten würde.

Worum geht’s überhaupt? The Stories of Ibis beginnt mit einem terminatoresken Szenario: Maschinen haben (anscheinend) die Macht auf der Erde übernommen, die Menschen fristen abseits der Macht ihr Dasein, fühlen sich unterdrückt und verfolgt. Protagonist der Rahmenhandlung ist ein Geschichtenerzähler, dem von der titelgebenden Ibis, einer Androidin, wiederum Geschichten erzählt werden. Doch anstatt zur wohlbekannten Horrormär davon zu greifen, wie der Mensch Geister (in der Maschine) rief, die er nicht mehr loswurde, beleuchten die Erzählungen das Verhältnis von Mensch und Maschine in vielfältiger und einfühlsamer Weise.

Die Geschichten folgen dabei einer gewissen Chronologie, bauen aber nicht aufeinander auf, abgesehen von der siebten Geschichte, die sowohl in Beziehung zur Rahmenhandlung steht, als auch die anderen Erzählungen spielerisch aufgreift. Während die erste in der Gegenwart (mit entsprechender Technologie) angesiedelt ist und eine Online-Community unter einem anderen Gesichtspunkt als der sozialen Verwahrlosung betrachtet, wofür ich persönlich sehr dankbar war, steigt bei den weiteren Geschichten das Technologieniveau langsam an. Eine eigene Erzählung ist der Entstehung einer Künstlichen Intelligenz gewidmet und schließlich werden Androiden entwickelt und als Arbeitskräfte eingesetzt. Dementsprechend werden auch die Themen zunehmend philosophischer und entwickeln sich von der Interaktion von Menschen mithilfe von Maschinen zur Beziehung von Mensch und Maschine zueinander. Das heißt aber beileibe nicht, dass das Buch auch zunehmend langatmiger und schwerer wird. Die Geschichten bleiben spannend, ganz ohne Actionspektakel, tiefsinnig, ganz ohne Schlaftablettenwirkung, und behandeln große Themen, ganz ohne Epik.

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The Stories of Ibis erschien im Jahr 2006 unter dem Titel Ai no Monogatari auf Japanisch und wurde 2010 bei Haikasoru (VIZ Media LLC) in der englischen Übersetzung von Takami Nieda veröffentlicht. ISBN 13: 978-1421534404.

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