Zum 40. Geburtstag von Ben Peek

Bibliotheka Phantastika gratuliert nachträglich Ben Peek, der bereits heute vor einer Woche seinen 40. Geburtstag feiern konnte. Seine ersten literarischen Gehversuche machte der am 12. Oktober 1976 in Sydney im australischen Bundesstaat New South Wales geborene Benjamin Michael Peek ab 1996 in verschiedenen australischen Fanzines und Magazinen, wobei das inhaltliche Spektrum seiner Stories von SF über Horror und Fantasy bis hin zum Slipstream reichte. Ab Mitte der 00er Jahre wurde die eine oder andere Geschichte in den australischen Best-of-Anthologien nachgedruckt, und ungefähr um die gleiche Zeit erschienen auch seine ersten beiden Romane, von denen einer – nämlich Black Sheep (2007), in dem Peek das düstere Bild eines zukünftigen,von einem bizarren Apartheid-System beherrschten Australien entwirft – der SF zuzurechnen ist, während es sich bei Twenty-Six Lies/One Truth (2006) um eine fiktionale Autobiographie handelt.
The Godless von Ben PeekDanach wurde es – abgesehen von ein paar vereinzelten Stories – zunächst einmal ruhig um Ben Peek, bis 2014 mit The Godless der erste Band der The Children Trilogy auf den Markt kam. Auch wenn weder das Cover der englischen noch der amerikanischen Ausgabe darauf hindeuten, handelt es sich bei The Godless – bzw. der gesamten Trilogie, deren Einzelbände ursprünglich andere Titel tragen sollten* – um Epic Fantasy, die mit einem der originellsten, ehrgeizigsten und phantastischsten Konzepte, das man in den letzten Jahren in diesem Subgenre zu Gesicht bekommen hat, punkten kann (und in der Umsetzung bedauerlicherweise wieder ein paar Punkte verliert). Aber der Reihe nach:
The Godless spielt auf einer Welt, auf der es – Nomen est in diesem Fall nicht Omen – sehr wohl noch Götter gibt, allerdings sind diese seit einem fünfzehntausend Jahre zurückliegenden verheerenden Götterkrieg tot, und ihre gigantischen (manchmal dann doch nicht ganz so toten) Körper bilden zum Teil die geographischen Strukturen dieser Welt. Außerdem sickert aus ihnen so etwas wie ihre göttliche Essenz, die manchen Menschen merkwürdige Kräfte verleihen kann, was von deren nicht auf diese Weise “beglückten” Mitmenschen nur gelegentlich als Geschenk, sondern zumeist als Fluch betrachtet wird. In dieser Welt lebt die junge Kartographin Ayae, die plötzlich feststellen muss, dass sie nicht mehr durch Feuer verletzt werden kann, was ihre Situation in einer Zeit, in der ihre neue Heimat, die auf dem Körper eines toten Gottes erbaute Gebirgsstadt Mireea, von einem feindlichen Heer bedroht wird, nicht unbedingt leichter macht. Auch die Bekanntschaft mit dem viele tausend Jahre alten geheimnisvollen Zaifyr, der mehr über die Geschichte seiner Welt weiß als die meisten anderen Menschen, nützt ihr nicht viel, denn Zaifyr hat seine eigenen Pläne und Ziele – und er ist nicht der einzige. Und dann wäre da noch der Söldnerführer Bueralan, der versucht, mit seinen Männern die feindliche Armee zu infiltrieren, um etwas über deren Schwächen herauszufinden, und dabei viel mehr zu sehen bekommt, als er sich jemals gewünscht hat …
Das Konzept, das hinter The Godless steht, ist neu, faszinierend – und sehr ambitioniert. Und eigentlich macht Ben Peek auch Vieles richtig, entwirft nicht nur ein phantastisches, farbiges Setting, sondern stellt mit Ayae, Zaifyr und Bueralan auch drei Figuren in den Mittelpunkt der Handlung, die interessant genug sind – alle drei haben über ihre aktuellen Probleme hinaus eine Vorgeschichte, die z.T. in kurzen Rückblenden angerissen wird –, um die Geschichte eigentlich tragen zu können. Doch dazu verläuft ihre Entwicklung zu sprunghaft – oder, anders gesagt: alle drei haben innere Konflikte, doch diese Konflikte werden entweder im Off oder zu leicht gelöst. Zudem durchzieht das ganze Buch nicht zuletzt durch die schnellen Schauplatzwechsel und die extrem kurzen Kapitel eine gewisse Atemlosigkeit und Hektik, die – sofern man sich von ihr mitreißen lässt – genau das verhindert, was dieser gelegentlich sehr fragmentarisch erzählte Roman eigentlich braucht: dass man innehält, um selbst die Brücken zu schlagen, mit denen sich diese Fragmente verbinden lassen, und um den tieferen Schichten nachzuspüren, die unter der Oberfläche verborgen sind. Denn die gibt es sehr wohl – manche Autoren hätten aus dem, was Ben Peek in The Godless gepackt hat, locker eine Trilogie gemacht. Was letztlich auch bedeutet, dass dieser Roman ausnahmsweise mal eher zu dünn als zu dick ist (er ist – für Epic-Fantasy-Verhältnisse – tatsächlich nicht sehr dick).
Trotz der o.g. Einwände ist dieser erste Band der Children Trilogy ein lesenswerter Roman, dessen Stärken seine Schwächen mehr als aufwiegen. Darüberhinaus ist Ben Peek ein noch vergleichsweise junger, entwicklungsfähiger Autor, dem hoch anzurechnen ist, dass er nicht auf Nummer Sicher gegangen ist und einen GRRM- oder Joe-Abercrombie-Klon geschaffen hat, sondern versucht hat, seine originellen inhaltlichen Ideen auch erzählerisch ein bisschen anders als gewohnt umzusetzen. Und last but not least geht es in The Godless um eine Menge Themen, die weit über den Buchinhalt hinaus Relevanz besitzen (ohne dass die Analogien zum Hier und Heute allzu penetrant daherkommen).
Mit Leviathan’s Blood – zu dem es hier einen Trailer gibt – ist in diesem Jahr der zweite Band der Children Trilogy erschienen, der dritte Band mit dem Titel The Eternal Kingdom soll nächstes Jahr veröffentlicht werden. Fast zeitgleich mit den Originalausgaben sind hierzulande die Übersetzungen der ersten beiden Bände als Verflucht (2014) und Gefallen (2016) – unter dem Zyklustitel Ära der Götter – herausgekommen.

* – die ursprünglich geplanten Titel lauteten Immolation, Innocence und Incarnation

3 Kommentare zu Zum 40. Geburtstag von Ben Peek

  1. Pogopuschel sagt:

    Das liest ja doch ganz interessant. Bisher hatte mich (ich weiß, ich weiß: don’t judge a book by it’s Cover) das Cover der deutschen Ausgabe eher abgeschreckt (nicht, dass die englischsprachigen da eine andere Wirkung erzielt hätten, wären sie mir vor diesem Artikel zu Augen gekommen. Ich werde mir den Titel mal auf meiner Leseliste notieren, die allerdings schon so unendlich lang ist, dass nur Chuck Norris sie noch zu Lebzeiten unseres Universums gelesen bekäme (und das auch nur einmal!).

    Vielen Dank für diesen Beitrag, gero. Bin froh, dass ich ihn lesen konnte.

  2. Elric sagt:

    Hm, ist zu hoffen, dass es den dritten Band dann auch auf deutsch geben wird? Dann wäre das ja durchaus mal wieder eine Reihe, die vollständig auf deutsch erschienen ist und sich lesen lässt… 🙂
    Ja, kommt bei mir auch auf die (ewig lange) Liste…

  3. gero sagt:

    @ Pogo:

    Ja, so richtig viel Glück hatte Ben Peek mit den Titelbildern von The Godless bzw. dem von Verflucht mMn nicht, andererseits ist das natürlich auch immer Geschmackssache (einem Daniel Abraham z.B. haben die – wieder mMn – großartigen Martinière-Cover nicht viel genützt). Immerhin hat mich die Tatsache, dass die jeweiligen Cover so gar nicht auf das hindeuten, was sich hinter dem Buchdeckel verbirgt, dazu ermuntert, endlich mal wieder einen Text fürs Blog zu schreiben … 😉
    Was die englischsprachigen Ausgaben angeht, sieht Band zwei übrigens schon deutlich besser aus, und erste Reaktionen deuten darauf hin, dass Peek ein paar der Schwächen des ersten Bands ausgemerzt hat. So oder so – Leviathan’s Blood steht auf meiner (ebenfalls viel zu langen) Leseliste, und wenn ich mal dazu komme, das Buch tatsächlich zu lesen, werde ich kundtun, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Das kann allerdings dauern …

    @ Elric:

    Da der dritte Band der Children Trilogy auch im Original erst nächstes Jahr erscheinen wird, müssen wir wohl noch ein Weilchen warten, bis klar wird, ob Piper den auch auf Deutsch bringen wird.

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