Zum 85. Geburtstag von Ursula K. Le Guin

Ursula K. Le Guin wurde heute vor 85 Jahren in Kalifornien geboren und kann auf ein schriftstellerisch derart bewegtes Leben zurückblicken, dass die bp-Chronisten im Vorfeld um die Freizeit der nächsten 2 Jahre bangen mussten. Le Guin veröffentlichte Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Sachbücher, gewann vom Hugo über Nebula bis zum Locus Award alle bedeutenden Preise und wird bisweilen sogar im, Schauder, Feuilleton besprochen.
Ihr Erdsee-Zyklus hat es in die Kinos geschafft, und wer sich, von ihrem Schaffen inspiriert, selbst an der Schreibfeder versuchen möchte, kann als Starthilfe ihren Kleinen Autoren-Workshop nachlesen – Es gibt wenig große Themen, die die Autorin mit ihrem Schaffen nicht berührt hat.
„Fantasy is hardly an escape from reality. It’s a way of understanding it.“ – Der Ausspruch von Lloyd Alexander trifft auf wenige so zu wie auf die Werke von Le Guin, die in ihrem Oeuvre sozio-kulturelle Studien, psychologische Analysen, Genderstudies und Utopievorstellungen vereint. Doch neben den akademischen Lesarten bieten die Romane von Le Guin auch beste Unterhaltung: Es ist die einzigartige Kunst der Le Guin, den Bogen vom politischen Traktat zur good ol’ Actionszene mit Blutverlust in einem Buch zu schlagen; dies gelingt nicht immer in gleichbleibender Qualität, aber nach der Lektüre eines Meisterwerkes wie Winterplanet steigen die Leseransprüche zugegebenermaßen beinah unfair an.

Le Guin selbst hat sich immer gegen Genreschubladen oder Botschaftspropheterei gewehrt: „Es gibt keine Botschaften in diesen Geschichten. Es sind keine Glückskekse, es sind Geschichten“ schreibt sie im Vorwort ihres Kurzgeschichtenbandes Ein Fischer des Binnenmeeres, und tatsächlich lassen sich auch in thematisch sehr fokussierten Werken wie Das Wort für Welt ist Wald, dessen Plädoyer für Umweltschutz und -bewusstsein leidenschaftlichst ausfällt, die Botschaften nie eindeutig oder einfach formulieren. Denn bei Le Guin ist die Suche der Protagonisten nach Antworten immer eine Einladung an die Leser, sich nicht im Lesesessel zurückzulehnen, sondern gemeinsam aufzubrechen in die Wildnis von Athshe, in die Umlaufbahn von Hain oder die Weiten der Erdsee.

Wer sich immer noch nicht sicher ist, ob er oder sie dieses Lese-Abenteuer angehen möchten, dem geben wir – ausnahmsweise – dann doch einen Glückskeksrat ganz im Sinne des Geburtstagskindes mit auf den Weg:

Glueckskeks

2 Kommentare zu Zum 85. Geburtstag von Ursula K. Le Guin

  1. Timpimpiri sagt:

    Schöner Artikel 😉

    Wenn ich an Ursula Le Guin denke, habe ich allerdings immer ein leichtes schlechtes Gewissen, denn ich habe anscheinend verhindert, dass sie 1993 oder ’94 beim NRW-Con in Düsseldorf in das (ja, fiktive) politische Team gewählt wurde … weiß nicht mehr, wie das damals entstanden ist, aber plötzlich wurde abgestimmt, welche SF- und Fantasy-Autoren welche politischen Ämter bekommen sollten und … Freunde bedrängten mich, für Ursula Le Guin als Außenministern (?) zu stimmen, aber da ich nichts von ihr kannte, gerade neu in der Szene war, blieb ich stur (man weiß schließlich nie 😉 ), und ihr fehlte … 1 Stimme.

    Hm. Ich versuche inzwischen, es wiedergutzumachen, indem ich ihren Blog lese. Und da sie am Vorabend ihres Geburtstags was gepostet hat, was sich auf ihren Geburtstag bezieht, verlinke ich das mal einfach hier:

    http://ursulakleguin.com/Blog2014.html#90CatchingUp

  2. gero sagt:

    Ah, ja, ich erinnere mich. 😉 Wobei man sich natürlich auch fragen kann, wieso wir nicht überzeugend genug rüberbringen konnten, dass es richtig ist, für Ursula Le Guin zu stimmen.

    Meine erste Begegnung mit Le Guins Werk – zumindest die erste, an die ich mich erinnern kann – war 1974 “Winterplanet”, die deutsche Ausgabe von “The Left Hand of Darkness”, und dieser Roman hat (vermutlich zusammen mit Zelaznys “Die Insel der Toten” und ein paar anderen Werken, die mir erst wieder einfallen, wenn ich die Titel lese) einen gewaltigen Einfluss auf meine “Leserkarriere” gehabt, weil es eines der Werke war, die mir gezeigt haben, dass SF unendlich viel mehr sein kann als zwar spannende, aber letztlich nicht sonderlich tiefgehende Weltraumabenteuer – und dabei ebenso unterhaltend und aufregend wie besagte Weltraumabenteuer.

    Allein dafür, mir diese Tür geöffnet zu haben – und natürlich auch für viele Stunden spannender, anregender, nachdenklich machender Lektüre -, werde ich ihr ewig dankbar sein.

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