Titelkatalog: u

Undersea von Geoffrey MorrisonNach einer Katastrophe, die das Leben auf der verstrahlten Erdoberfläche unmöglich macht, befinden sich die letzten Überlebenden der Menschheit auf zwei großen Unterseeschiffen. Generationen sind vergangen, als die Stadträtin Ralla eine Entdeckung macht, die das Überleben auf ihrem Schiff, der »Universalis«, gefährdet. Doch ihre Kollegen schenken ihr kein Gehör. Unterdessen schafft es der Fischer und gelangweilte Trunkenbold Thom Vargas, einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben zu tun und einen Posten als Shuttle-Pilot zu ergattern. Noch bevor er sich darüber freuen kann, bringt ihn sein erster Passagier, Ralla Gattley, in Schwierigkeiten, denen er sich in keiner Form gewachsen fühlt.

– In the darkness of the deep, Thom Vargas slept. The damp, cramped, cold cockpit pressed in around him, a dormant barrier to the sea beyond. At their dimmest, the backlit buttons on the console before him normally wouldn’t have looked lit at all. But at this depth, they pierced the darkness like suns. – Part I

Postapokalyptische Szenarien haben eine lange Tradition in Horror und Science Fiction. Mit Undersea kämpfen wir jedoch nicht in verfallen(d)en Städten gegen Zombies, Banden oder kanibalistische Stämme, sondern tauchen ab in die Tiefsee, wo riesige Unterwasserschiffe die Reste der Menschheit und eine funktionierende, moderne Gesellschaft beherbergen. Lange bleibt dabei unklar, was der Grund für den Rückzug ins Meer war. Ein Krieg? Eine Naturkatastrophe? In der nunmehr dritten Generation interessieren sich nur noch die wenigsten Nachkommen für die Gründe und gehen ihrem täglichen Leben nach. Undersea ist das ideale Buch für LeserInnen, die auf der Suche nach waschechter Unterwasser-Action und Tauchgängen in futuristischen Anzügen sind. Der einfache, aber wirkungsvolle Plot wird ausgeschmückt von zahlreichen U-Boot-Schlachten, politischen und militärischen Intrigen, einer stattlichen Anzahl von technischen Gadgets und einem manipulativen Gegenspieler, dessen blinde Machtgier die endgültige Auslöschung der verbliebenen Menschheit bedeuten könnte. Die technischen und wissenschaftlichen Details sind aus ästhetischer Sicht spannend und geben ein sehr interessantes Bild für Unterwasserfans ab. Ob sie dabei immer realistisch sind, allen voran die doch etwas wilde Konstruktion der beiden Stadt-Schiffe »Universalis« und »Population«, bleibt manchmal etwas fraglich. Wer von seiner Science Fiction absolut realistische Technik erwartet, wird hier vielleicht an die Grenzen seiner Toleranz geführt, wer sich dagegen mehr auf die Atmosphäre und den Unterhaltungswert der vorhandenen Technik konzentriert, statt sie zu intensiv zu hinterfragen, bekommt ein fulminantes Spektakel, das sich als Pageturner erweist. Kleine Details wie z.B. der Filmtitel »It came from the Surface II« sorgen außerdem für eine Prise Humor. Neben dem stimmungsvollen Weltenbau vermögen auch die Charaktere zu unterhalten. Frei nach dem Motto: ab ins kalte Wasser mit ihnen! – schickt Autor Morrison seine beiden Hauptfiguren in ansehnlichem Tempo von einem Problem ins nächste. Ralla Gattley hat ein gemütliches Leben, einen Partner, der ihre Zukunft schon geplant hat, und sie könnte sich eigentlich entspannt zurücklehnen, hätte sie da nicht diesen eigenwilligen Kopf und eine selbst auferlegte Mission vor Augen. Mit Fakten und starkem Willen kämpft sie gegen die Ignoranz der älteren Ratsmitglieder an und versucht schließlich auf eigene Faust das Überleben der Bewohner ihres Schiffes zu sichern. Dazu bereist sie die Unterwasserproduktionsstätten, die sich am Grund der Meere in gigantischen Domkuppeln befinden, legt sich mit mächtigen Widersachern an und lässt sich auch in brenzligen Situationen nicht von Furcht oder Hoffnungslosigkeit übermannen. Gerade als man denkt, sie verfalle doch dem Klischee der Jungfrau in Nöten, packt sie die Ellbogen aus und nimmt das Problem einmal mehr selbst in die Hand. Es macht Spaß, ihre Bemühungen und Entscheidungen zu beobachten und sie als eine Frauenfigur zu erleben die intelligent, zielstrebig und gleichzeitig emotional glaubwürdig bleibt. Thom Vargas dagegen ist ein junger Mann, der sich bereits dem Schicksal ergeben hat, zur untersten Schicht der Gesellschaft zu gehören, und sein Glück allabendlich darin sucht, sich zu betrinken, um die Ödnis für eine Weile vergessen zu können. Er ist das ganze Gegenteil eines weißen Ritters und von willentlichem Engagement kann schon gar nicht die Rede sein. Seine Versuche, seiner Herzdame zur Rettung zu eilen, enden meist auch noch darin, dass er zu spät kommt und nur noch zusehen kann, wie sie Chaos schaffend voran eilt. Im Laufe des Romans macht er eine rasante Entwicklung durch, die ab und an etwas zu übereifrig und einfach wirkt. Andererseits ist der Roman auch in drei Abschnitte unterteilt, die längere Zeiträume überbrücken, um direkt weiter zum interessanten Part zu springen. Im Krieg herrschen zudem sicher Zustände, die eine lange Akzeptanz- und Entwicklungsphase nicht ermöglichen. Alles in allem ergeben Ralla und Thom letztlich ein ungleiches Gespann mit Unterhaltungswert, das seine Leser zu interessieren versteht. Es gibt bei Undersea sicher auch einiges, dass man als Manko nennen muss. Der Roman ist in Eigenregie von Autor Geoffrey Morrison herausgegeben worden, und man merkt es dem Text gelegentlich an. Ein professioneller Lektor hätte hier sicher noch ein paar Details perfektionieren können, doch das sind letztlich Kleinigkeiten. Mit den vorhanden Rechtschreibfehlern verhält es sich ähnlich. Obwohl ein Korrektor bemüht wurde, der im Anhang genannt wird, finden sich gelegentlich fehlende Buchstaben, Satzzeichen oder Buchstabendreher, jedoch nicht mehr, als es nicht auch schon bei bekannten Verlagen vorgekommen wäre. Den Lesefluss stören diese Fehler nur selten. Daneben ist der Buchsatz lesefreundlich gestaltet und auch beim Buchcover hat man sich offenkundig Mühe gegeben, das sind zusätzliche Pluspunkte. Zusammenfassend kann man sagen, dass Undersea trotz einiger Anfängerschwächen ein gelungenes Beispiel für einen selbstpublizierten Roman darstellt. Gerade wenn man auf der Suche nach Unterwasser-Science-Fiction ist, wo die Auswahl aktuellerer Bücher bisher doch stark begrenzt ist, sollte man dem Roman eine Chance geben und den abenteuerlichen Ausflug in das Reich der Tiefsee genießen.

Unschöne Dinge von Mark Del FrancoNach einem epochalen Ereignis ist die Welt der Feen mit der unseren verschmolzen und allerlei Fabelwesen mussten in die Gesellschaft der Menschen eingegliedert werden. Auch nach mehreren Jahren herrscht noch immer Argwohn vor und die Zuständigkeiten sind nicht immer so klar wie sie sein sollten. Als ein Elfenstricher ermordet aufgefunden wird, schiebt die Polizei den Fall Connor Grey zu, einem Druidenermittler, der seine Fähigkeiten nach einem missglückten Einsatz fast vollständig verloren hat und sich nun als Detektiv durchschlägt. Bald schon geschehen weitere ähnliche Morde und Connor Grey erkennt nicht nur die Eigenschaften von Ritualmorden, sondern auch einen fatalen Zusammenhang, der eine weltweite Katastrophe auslösen könnte.

– Der nackte Leichnam lag auf dem Rücken und starrte in den leeren Nachthimmel. Es war ein hellhäutiger Elf, nicht besonders gut gebaut, wenngleich sich so etwas nur bedingt beurteilen lässt, wenn jemand tot ist und Blut in alle Richtungen fließt. –
Kapitel 1, S.5

Bei Unschöne Dinge (Unshapely Things) handelt es sich um den 1. Teil einer Reihe paranormaler Detektivromane, in dem die sonst so elegant geschilderten Elfen- und Feenwesen genauso menschlich und verwundbar werden, genauso schmutzig, unschön, verbittert und wenig märchenhaft, wie ein gewöhnlicher, am Leben gescheiterter Mensch. Inhaltlich durchaus solide angelegt, kommt die Handlung zunächst aber nur schleppend in Gang und tut sich schwer damit Atmosphäre zu erzeugen.
So richtig warm wird man daher auch mit den Charakteren nicht. Sie bleiben ein wenig blass und vermögen es nicht, Sympathie oder auch Antipathie zu wecken. Einzig Connor Grey selbst gewinnt gegen Ende ein wenig Substanz und schafft es, die Neugier des Lesers doch noch für einen Moment herauszukitzeln.

Man merkt diesem Roman deutlich an, dass er das erste Werk des Autors Mark Del Franco ist. Die Erzählung holpert hier und da ein wenig, doch vor allem der viel zu bemühte Versuch, humorvoll zu sein, fällt negativ auf. Obwohl die Ideen zu den Figuren und ihrer Welt oft einen interessanten Ansatz bieten und in der Theorie auch witzig sein könnten, fehlt letztlich die richtige Ausarbeitung, um das Ganze funktionieren zu lassen und dem Roman zu einem harmonischen Gesamtgefüge zu verhelfen. Man hat den Eindruck, der Autor wollte hier mit allem Eifer etwas wirklich Lustiges und Spannendes erschaffen, scheitert dabei aber an seiner mangelnden Erfahrung darin, Geschichten lebendig zu erzählen.

Um es kurz zu sagen, dieses Buch weiß nicht recht was es will und dennoch, so richtig schlecht ist es auch nicht. Wenn man den langatmigen Anfang erst einmal überwunden hat, wird die Rahmenhandlung doch ausreichend spannend, sodass man trotz der Mängel weiterlesen möchte; vor allem aber will man mehr über Connor Greys Vergangenheit erfahren.
Ein Must Have ist Unschöne Dinge daher vielleicht nicht, aber wer Detektivgeschichten zu schätzen weiß und das Bedürfnis nach leichter Lesekost verspürt, für den dürfte dieser Roman genau das Richtige sein.

Eine kleine Warnung sollte zum Schluss noch mit auf den Weg gegeben werden: man muss für diesen Roman bereit sein, sich auf homosexuelle Beziehungen zwischen Männern einzulassen. Wer dafür keine Akzeptanz oder Toleranz aufbringen kann, der sollte wirklich die Finger davon lassen. Denn auch wenn Unschöne Dinge keine expliziten Szenen schildert, so ist die romantische Orientierung des Autors doch auf subtile Art allgegenwärtig und erfordert bei manchen Lesern und Leserinnen unter Umständen ein gedankliches Ausbrechen aus den eigenen, konventionellen Bahnen.

Cover von Unterland von Wolfgang und Heike HohlbeinAls Michael auf einem Fest des Schriftstellers Herny Wolf eingeladen ist, fühlt er sich unwohl, fürchtet sich vor den Dekorationen, und schließlich ereignet sich dort eine schreckliche Katastrophe. Und Michael erinnert sich an das, was er zusammen mit Wolf erlebt hat: Als er sich während eines Schulausflugs in die Katakomben der Stadt davonstiehlt und auf den Schriftsteller trifft, brechen sie durch eine Kammer und gelangen in ein Labyrinth voll von endlosen Gängen und unheimlichen Monstern. Und tief unter der Erde entdecken sie eine Stadt und Menschen, die ein Leben wie in vergangenen Zeiten führen. Doch Böses bedroht diese Stadt, und auf ihr, Michael und Wolf lastet ein schreckliches Geheimnis …

-Es war ein Gesicht wie aus einem Alptraum; einem jener Alpträume von der ganz besonders unangenehmen, hartnäckigen Sorte, die normalerweise von Schüttelfrost und Krämpfen begleitet kommen und im Grunde schon ins Reich der Fieberphantasien gehören …-
Das Fest

Hätte ich das Buch nicht geschenkt bekommen und mich irgendwie verpflichtet gefühlt, es zu lesen, hätte ich es wohl irgendwann abgebrochen. Aber so hab ich mich überwunden und irgendwoher die Geduld aufgebracht, es zu Ende zu lesen.
Über 700 Seiten lang verfolgt man das Umherirren von Michael in der oberen und unteren Welt. Die Handlung ist dabei genauso hanebüchen wie langweilig. Allein die glücklichen Zufälle treiben einen fast zum Wahnsinn, denn egal welche Gefahr auch immer auftaucht, stets entkommt der Held in letzter Sekunde oder wird gerettet. Klar, dass da keine Spannung aufkommen kann. Ein paar durchaus lustige Stellen (wenn z.B. ein Irrlicht seinen “Bruder” aus einem Fernseher befreien will) können hier aber auch nicht viel retten. Das große Finale am Ende kommt dann ebenso lasch und fade daher wie der Rest des Buches. Die “große Offenbarung”, mit der die Handlung aufgelöst wird, wird vom Leser nach den endlosen Seiten klaglos hingenommen, egal wie seltsam sie auch ist. Bei einem Fantasyroman ist ja man durchaus gewillt, sich “fantastischen” Möglichkeiten zu öffnen, das ist aber noch lange kein Freibrief, alles Mögliche (und Unmögliche) irgendwie zu verarbeiten und dabei mangelnde Logik mit Magie auszugleichen.
Die Figuren bleiben ebenso blass wie die Handlung, selbst an Michael geht die Handlung fast spurlos vorüber. Die Aktionen Henry Wolfs sind bar jeder Logik, zwar wird am Ende einigermaßen deutlich, worum es geht, dennoch würde kein normal denkender Mensch sich so verhalten.
Hohlbeins Stil ist der jugendlichen Zielgruppe angepasst, einige Stellen und Ausdrücke erscheinen recht eigenwillig und das allgegenwärtige “weißt du?” am Ende eines Satzes nervt auf Dauer. Selbst die Unterweltler hängen es an ihre Sätze. Nebenbei fragt man sich, wie eine seit fünfhundert Jahren unter der Erde lebenden Kulur, die äußerlich im Mittelalter stehen geblieben zu sein scheint, auf moderne Begriffe wie terrorisieren kommt.
Alles in allem ein “unterirdischer” Roman, den man nicht kennen muss.

Usagi Yojimbo: The Special Edition von Stan SakaiSeitdem Miyamoto Usagi, ein Samurai und Leibwächter, in einer Schlacht seinen Herrn verloren hat, streift er als herrenloser Ronin durch die Lande, seinem Ehrenkodex nach wie vor fest verpflichtet. Er gerät in politische Intrigen, bekommt es mit Banditen, Dämonen und Kopfgeldjägern zu tun und muss sich auch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen.
Ungewollt wird er in Konflikte gezogen und hält das Schwert öfter in der Hand, als ihm lieb ist.

-“The sword is not just a weapon … It’s also a mirror. It reflects the soul of the samurai. It is the soul of the samurai. … Remember, a true samurai does not look for a fight but tries to avoid it. The best souls are those which are kept in their scabbards.”
“Huh?”-
Samurai, Part II

Ein Hase als Held ist vielleicht, nachdem Usagi Yojimbo stramm auf sein dreißigstes Veröffentlichungsjahr zumarschiert (und nicht zu vergessen kurz vor dem vierzigsten Jubiläum von Watership Down), nicht mehr erklärungsbedürftig, aber immer noch erwähnenswert: Der Hasen-Leibwächter, der durch ein von anthropomorphisierten Tieren bevölkertes Japan der Edo-Periode streift und dabei häufig gezwungen ist, Massen von Gegnern niederzumetzeln, verleiht mit seiner Langohrigkeit und seiner hasengemäßen Bescheidenheit den Geschichten den nötigen Charme und die Zurückhaltung, die Usagi Yojimbo von eintönigeren Action- und Abenteuercomics abhebt und zu einer der ganz großen Comic-Geschichten mit einem liebenswerten, unbeugsamen und tragischen Protagonisten macht.
Durch die lange Veröffentlichungsgeschichte steht man als interessierter Leser vor einer großen Anzahl an Bänden, die in unterschiedlichen Verlagen erschienen sind. Die Special Edition vereint die ersten sieben Sammelbände der Serie in einer hübsch verpackten, zweibändigen Hardcover-Ausgabe im Schuber und eignet sich damit als hervorragender Einstieg in Usagis Abenteuer.

In den beiden Bänden finden sich natürlich die Einführungs- und Hintergrundgeschichten und ansonsten eine bunte Mischung aus nachdenklichen, lustigen, actionreichen und manchmal, ganz selten, sogar romantischen Episoden. Kürzere Abenteuer wechseln sich mit groß angelegten, mehrteiligen Epen ab (etwa der komplette Zyklus um die Dragon Bellow Conspiracy), so dass es mitnichten nur um Kämpfe und Kurzweil geht. Zwar weisen die Geschichten häufig ähnliche Elemente auf – Banditenschikane in kleinen Dörfern, Verschwörungen gegen Herrscherhäuser, ungerechte Magistrate, zu unrecht verfolgte und verratene Krieger, Aufarbeitung von ungelösten Problemen aus der Vergangenheit – doch durch die unterschiedliche Ausrichtung der Geschichten gewinnt der Texter und Zeichner Stan Sakai den Konstellationen immer wieder etwas Neues ab: Manchmal liegt der Fokus auf Recherche, wie etwa in der Geschichte über das Drachenfest, manchmal auf slapstickartigem Humor, so dass am Ende ein kleiner Schwank vorliegt, hin und wieder gibt es eine waschechte Räuberpistole oder ein akribisch inszeniertes Drama, bei dem jedes Bild und jede Textzeile zum bitteren Ende vorandrängt.

Die Stoffe von Usagi Yojimbo stammen aus Geschichte und Gegenwart des japanischen Kulturkreises, historische Anspielungen und Verweise und Zitate aus Filmen von Kurosawa bis Godzilla tauchen auf, die Vorbilder für Figuren reichen von Miyamoto Musashi über Toshiro Mifune bis hin zu rein fiktiven Figuren wie dem blinden Masseur Zatoichi (der hier als Zato-Ino, das blinde Schwertschwein, verewigt worden ist und in einigen der besten Usagi-Geschichten auftritt) und Itto Ogami aus dem Manga Lone Wolf & Cub. Auch die Geister- und Dämonenwelt Japans spielt hin und wieder eine Rolle, allerdings sind die Geschichten abgesehen von den tierischen Protagonisten nur marginal phantastisch angehaucht, oft bleibt die Frage, ob das Erlebte Wahrheit oder Traum ist, im Raum stehen.

Usagi Yojimbo ist trotz seiner vielen Kämpfe ein Comic, das man jungen und älteren Lesern ans Herz legen kann. Die Kämpfe sind nur sehr selten blutig und werden meist geschickt durch die Gegenüberstellung des Vorher und Nachher dargestellt, ohne die eigentliche Kampfbewegung zu zeigen. Dennoch sollte man beim Lesen kein grundsätzliches Problem mit Gewaltdarstellung haben, immerhin geht es um einen Krieger, der durch das feudale Japan zieht und seiner Profession gemäß handelt. Auch wenn Usagi immer seinem Samurai-Kodex verpflichtet und damit ein perfekter Vertreter des Systems ist, stellen die einzelnen Geschichten die kriegerische Tradition und die Bindung durch Ehre immer wieder in Frage. Den nachdenklicheren und tragischeren Geschichten liegt häufig ein ethisches Dilemma zugrunde, das sie auch für erwachsene Leser interessant macht, und als herrenloser Samurai kann sich Usagi meist frei entscheiden, wie er eine Situation löst, was gerade in Fällen, in denen es keine gute Lösung gibt, für Spannung sorgt.
Dazwischen finden sich genauso häufig unbeschwerte Geschichten, etwa Usagis Eskapaden mit dem schlitzohrigen Kopfgeldjäger Gen (einem Nashorn) oder reinrassige Abenteuer mit vielen Verwicklungen.

Nebenfiguren wie Gen oder Zato-Ino trifft man im Laufe der Geschichten immer wieder an, so dass sich auch ihre Entwicklungen verfolgen lassen und sich nach den 1200 Seiten der Special Edition auch schon eine Art Mosaik aus den Einzelabenteuern bildet, das die Veränderungen durch Usagis Taten nachvollziehbar macht, einige länger laufende Handlungsstränge abschließt und politische Entwicklungen verfolgt.
Usagi wandert im Lauf seiner Abenteuer durch eine lebendige Welt, in der sich politische Allianzen verschieben und Figuren weiterentwickeln. Herrschaftsverhältnisse und Gesellschaft im feudalen Japan sind korrekt und differenziert wiedergegeben, man bekommt nach und nach auch ein Bild davon, was die Konsequenzen einer Kultur mit so ausgeprägter Kriegskunst sind.
Die schwarzweißen Zeichnungen von Usagi Yojimbo wirken vielleicht auf den ersten Blick simpel, stellen sich allerdings als sehr detailreich und gut recherchiert heraus, besonders in der Darstellung von Sachkultur wie Nahrung, Kleidung oder Gebäuden. Auch stilistisch bedient sich Stan Sakai häufig interessanter Elemente, etwa der Einbindung von Geräuschen über mehrere Panels, einer grandiosen Nutzung des Wetters zum Schaffen von Atmosphäre oder Spielen mit Licht und Schatten.
Die Special Edition bietet außerdem eine Menge Extras wie eine Cover-Galerie, einige zusätzliche Episoden, die außerhalb der normalen Veröffentlichung stehen, ein Making-of und ein (leider nicht ganz aktuelles) Interview.

Der Hasen-Samurai füllt das universelle Thema des einsamen Kriegers, der nur selten seinen Frieden findet, perfekt aus, und wer nicht ohnehin schon vom Hintergrund und der vielfältigen Einbindung der japanischen Kultur fasziniert ist, sollte sich Usagi Yojimbo vielleicht ansehen, weil es nur sehr wenige Comics gibt, die häufig heiteren und vordergründig sogar einfachen Geschichten eine so nachdenkliche Note verleihen können, ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln oder zu sehr ins Tragisch-Überzogene abzukippen. Mit Usagi wird man immer öfter lachen als weinen, aber auch immer verstehen, weshalb der langohrige Krieger dem Leser meistens ernst entgegenblickt.