Quantum

Cover von Quantum von Hannu RajaniemiMeisterdieb Jean le Flambeur sitzt in einer Erziehungsanstalt, deren Methoden sich auf (zum Teil) virtuell tödliche Spiele beschränken. Dies soll die Insassen zu besseren Menschen machen. Bevor dies bei le Flambeur tatsächlich eintritt, wird er jedoch glücklicherweise von der Kriegerin Mieli aus dem Cyber-Gefängnis gerettet, damit er etwas für sie von der Oubliette, der Metropole auf dem Mars, stiehlt. Der Auftrag erweist sich jedoch nicht nur als wahre Herausforderung für den Meisterdieb, sondern auch als Reise in seine Vergangenheit. In der Oubliette verdient sich parallel dazu ein junger Detektiv seine Sporen im Dienste des geheimnisvollen „Gentleman“.

-Bevor das Kriegerhirn und ich aufeinander schießen, versuche ich, wie jedes Mal, Konversation zu machen.- S. 6

Mit seinem Debutroman Quantum stürzt der studierte Mathematiker und Physiker Hannu Rajaniemi den Leser/die Leserin unvermittelt in ein facettenreiches Science-Fiction-Universum. Mit Erklärungen hält er sich dabei jedoch nicht lange auf, stattdessen werden einem Fraktionen, neue Gesellschaftssysteme und eine Unzahl von Technologien an den Kopf geworfen; erst ungefähr zur Hälfte des Buches beginnt sich ein Bild abzuzeichnen, vieles bleibt jedoch bis zum Ende des Romans rätselhaft – vielleicht schaffen hier die folgenden Bände Abhilfe.

Rajaniemi schafft es so aber auch ein Gefühl zu wecken, das die Science Fiction für mich schon beinahe verloren hatte: Faszination ob der Technologien und Anwendungsbereiche, die der Autor mithilfe der Quanten aus dem Hut zaubert. Diese, gepaart mit großem Entdeckerdrang, ist es auch, die einen durch die erste Hälfte des Buches trägt, wenn man jedes Informationsschnipselchen in sich aufsaugt, um das Setting besser zu verstehen. Der Roman erweckt stellenweise den Eindruck einer tour de force durch einen Jahrmarkt der Zukunftstechnologie. Die Attraktionen sind teilweise beeindruckend, teilweise erschreckend, immer jedoch faszinierend – man kommt jedoch nicht dazu, sie sich genauer anzuschauen, denn kaum hat man die eine betrachtet, folgt schon die nächste. Mit den Milieus der marsianischen Oubliette erfahren diese Technologien eine faszinierende soziale Einbettung. Bei manchen der auftretenden Gruppierungen werden sogar ihre Ursprünge in heutigen Subkulturen angedeutet und auch sonst verbergen sich in den Namen und Bezeichnungen zahlreiche Anspielungen und Hinweise.

Leider zeigt Rajaniemi bei seinen Figuren nicht dieselbe Kreativität, diese bleiben Stereotype (der sympathische Gentleman-Gauner, die spröde Amazone, etc.), obwohl sie in der zweiten Hälfte des Romans etwas mehr Substanz gewinnen, und auch die Auflösung einiger Beziehungen ist erschreckend vorhersehbar. Sie erfüllen jedoch durchaus ihren Zweck, vermögen Sympathie zu wecken und die Handlung mit Leben zu füllen. Leider nimmt genau dann, als man mehr über die Vergangenheit Jean le Flambeurs erfährt, die Geschichte deutlich mehr an Fahrt auf und läuft dem (etwas überhasteten) Ende entgegen.
Trotzdem ist der Roman eine Empfehlung für all jene, die nicht genug von sympathischen Gentleman-Gaunern kriegen können und Freude am Entdecken haben!

Stand: 05. März 2013
Originaltitel: The Quantum Thief
Erscheinungsjahr: UK 2010, D 2011
Verlag: Piper
Übersetzung: Irene Holicki
ISBN: 9783492268752
Seitenzahl: 432