Zum 75. Geburtstag von Dennis Schmidt

Bibliotheka Phantastika erinnert an Dennis Schmidt, der heute 75 Jahre alt geworden wäre. Über den am 30. Januar im amerikanischen Bundesstaat Illinois geborenen Dennis Arthur Schmidt ist außer der Tatsache, dass er zwischen 1978 und 1990 zwei SF-Serien und einen Fantasyzyklus bei Ace Books veröffentlicht hat, kaum etwas bekannt. Während die beiden SF-Serien nur in den USA erschienen sind, hat es der von ihnen im Hinblick auf die Veröffentlichungsdaten eingerahmte Fantasyzyklus namens Twilight of the Gods immerhin auch nach England geschafft.
Als 1985 mit The First Name, dem Auftaktband von Twilight of the Gods, Schmidts erster Fantasyroman erschien, war für die Sword & Sorcery längst die im Zyklustitel beschworene Götterdämmerung angebrochen. Das ist vor allem deswegen bedauerlich, da das Subgenre zu diesem Zeitpunkt deutlich über die Conan-Epigonen der 70er Jahre hinausgewachsen war und neue, vielversprechende Autoren die Szene betreten hatten, die mit mehr als barbarischen Schwertschwingern (oder zumindest interessanten Variationen davon) aufwarteten, sich aber letztlich gegen die meist tolkieneske oder dynastische High Fantasy ebensowenig behaupten konnten wie viele andere, weitaus originellere Konzepte.
The First Name von Dennis SchmidtThe First Name scheint sich zunächst auf vertrautem Terrain zu bewegen, denn ein Blick auf die Karte zeigt aus der nordischen Mythologie bekannte Begriffe: von Asaheim (mit der Hauptstadt Asgard) über Vanaheim, Jotunheim, Alfarheim und Swartalfheim bis hin zu Muspellheim ist da Einiges vertreten, das man aus der Edda und ähnlichen Quellen kennt, und im beigefügten Glossar finden sich noch mehr bekannte Namen. Allerdings geht Schmidt sehr eigenwillig mit der nordischen Mythologie um und verschmilzt sie mit Elementen aus dem Kalevala, aus den Mythen Mesopotamiens und des Fernen Ostens und den Legenden der nordamerikanischen Indianer und inszeniert das Ganze wie eine – zugegebenermaßen reichlich blutrünstige – Wagner-Oper. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist gleichermaßen faszinierend wie irritierend, wenn immer wieder einmal eigentlich vertraut wirkende Figuren plötzlich in einem völlig neuen Kontext auftauchen. Leider wird das originelle Konzept auf der erzählerischen Ebene nicht entsprechend unterstützt, da Schmidts unentschlossener, mal gedrängter, mal “tönender” Erzählduktus weder dem Setting noch den Figuren ausreichend Raum zur Entfaltung gewährt. Im Zusammenhang mit den reichlich vorhandenen Sex- und Gewaltszenen verleiht das der Trilogie (die angesichts des abrupten Endes von Band drei vermutlich eine Tetralogie hätte werden sollen) einen kräftigen Trash-Faktor.
Die Geschichte selbst ist schnell umrissen: in The First Name lässt der Aesir-Krieger Borr (Borr Skullcracker, genauer gesagt) nach dem Überfall auf eine Karawane einen schwer verwundeten zeitweiligen Verbündeten zum Sterben zurück. Der Sterbende – ein nicht sonderlich mächtiger Magier namens Surt – verflucht ihn und sein Geschlecht … und stirbt anschließend keineswegs, da er einen Pakt mit dem Totengott schließt. Bald darauf ist er Priesterkönig von Muspellheim und macht sich daran, dafür zu sorgen, dass sein Fluch sich tatsächlich erfüllt, was nicht nur Borrs (auf dem Schlachtfeld gezeugten) Sohn Voden in diesem und den Folgebänden Groa’s Other Eye (1986) und Three Trumps Sounding (1988) einige Probleme bereitet, sondern dem ganzen Volk der Aesir und der mit ihnen verbündeten Vanir – und irgendwann steht noch sehr viel mehr auf dem Spiel. Im Laufe der Geschichte zieht Voden (der zwei familiars namens Hugin und Munin besitzt) quer durch die ganze Welt, findet Freunde, trifft auf Feinde und tut das, was die typischen Helden der Sword & Sorcery eben so tun – allerdings ist besagte Welt wie schon erwähnt eine reichlich bizarre Alternativwelt, in der die Mythen-Weber zumindest kurzfristig deliriert und ihre Mythen durcheinandergebracht haben.
Wer Sword & Sorcery mag und mit einem gewissen Trash-Faktor leben kann (wobei man sagen könnte, dass Erstere ohne Letzteres ohnehin nur schwer möglich ist) und sich auch an ein bisschen mehr Blut und Sex als bei den zahmeren Conan-Epigonen üblich nicht allzu sehr stört, dem könnte Twilight of the Gods durchaus Spaß machen. Denn trotz ihrer Schwächen ist die Trilogie durch ihre unbekümmerte, verfremdende Verwendung altbekannter Figuren und Motive deutlich farbiger und origineller als Vieles von dem, was das Subgenre sonst zu bieten hat, und mit ein bisschen mehr editorischer Sorgfalt und einer eventuell auf vier Bände gestreckten Handlung hätte sie sogar richtig gut werden können.
Nach seinem Ausflug in die Fantasy hat Dennis Schmidt sich wieder der SF zugewandt und eine vom Ansatz her ebenfalls ungewöhnliche dreibändige Space Opera verfasst; danach ist er als Autor praktisch verstummt (abgesehen von einer 2001 in einer Anthologie erschienenen Kurzgeschichte) – und am 29. Mai 2003 ist er im Alter von 64 Jahren verstorben.

3 Kommentare zu Zum 75. Geburtstag von Dennis Schmidt

  1. Elric sagt:

    Und warum hab ich jetzt das Gefühl, dass hier mal wieder eine Buchempfehlung für mich geschrieben wurde!? 😉
    Ich werd’s mir auf jeden Fall mal überlegen. Danke Gerd! 😀

  2. gero sagt:

    Für dich könnte das tatsächlich was sein … 😉

    Wobei der Zyklus schon sehr eigenwillig ist. (Genau genommen ist er so eigenwillig, dass ich mich schwer tue, ihn zu empfehlen, weil das mMn so eine Hit-or-miss-Geschichte ist – entweder man kommt mit ihr klar und hat dann auch seinen Spaß mit ihr, oder man wendet sich mit Schrecken ab. Ist bei Schmidt sicher extremer als bei allen anderen S&S-Autoren, um die es hier bisher gegangen ist … hm … vielleicht mit Ausnahme von Richard Tierney.)

    Aber so what. 😀

    Die englischen (= Orbit bzw. Futura Orbit) TBs sind recht günstig zu kriegen (wobei du z.B. bei Amazon den Autorennamen und den jeweiligen Band-Titel eingeben musst, um sie zu finden, unter dem Zyklustitel kommen nur die Ace-Ausgaben – nur, falls du dich wirklich auf die Suche begeben willst), so dass das Risiko letztlich nicht allzu groß ist.

  3. Elric sagt:

    Vielen Dank, Gerd.
    Ich werd mir das sicher mal ansehen, klingt soweit ja doch sehr gut! Und wenn da schon steht, dass es für mich was sein könnte… 😉
    Ich geb dann Bescheid!

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