Zum 65. Geburtstag von Sean McMullen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Sean McMullen, der heute seinen 65. Geburtstag feiert. Der am 21. Dezember 1948 in Sale, Victoria, Australien geborene Sean Christopher McMullen zählte zu der Reihe von SF- und Fantasy-Autoren vom fünften Kontinent, die sich ab Mitte der 1990er auf dem internationalen Markt etablieren konnten.
Sein erster in den USA veröffentlichter Roman war The Centurion’s Empire (1998), in dem der römische Centurio Vitellan Bavalius dank eines venenum immortale vom ersten nachchristlichen bis ins 21. Jahrhundert überlebt und – unterbrochen von langen, durch das Mittel erzwungenen Schlafpausen – immer wieder Anteil an geschichtlichen Ereignissen hat. Deutlich mehr Eindruck als dieser Roman machte allerdings Souls in the Great Machine (1999), die überarbeitete Ausgabe von McMullens australischem Debüt Voices in the Light (1994) und dessen Fortsetzung Mirrorsun Rising (1995) und zugleich der Auftakt der Greatwinter-Sequenz. Souls in the Great Machine (dt. Seelen in der Großen Maschine (2006) führt in ein Australien, das gut anderthalb Jahrtausende nach einem weltumspannenden Atomkrieg und dem nachfolgenden “Großen Winter” in unzählige Stadtstaaten zerfallen ist und in dem es weder Elektrizität noch Dampfmaschinen gibt, sondern stattdessen Lichtfunkverkehr, Galeerenzüge – und den Kalkulor, einen Eyes of the Calculor von Sean McMullenriesigen Computer aus menschlichen Komponenten. Natürlich gibt es auch in dieser Welt die anscheinend unvermeidlichen Machtkämpfe, und zudem droht der nächste “Große Winter”; darüber hinaus ergeht in regelmäßigen Abständen der geheimnisvolle “Ruf”, der Menschen und Tiere gleichermaßen wie in Trance zu einem tödlich endenden Marsch gen Süden aufbrechen lässt. Auch wenn die Folgebände The Miocene Arrow(2000) und Eyes of the Calculor (2001) dem Zyklus nicht zuletzt durch das Auftreten von Aliens einen deutlicheren SF-Touch verleihen, hat McMullen mit der Greatwinter Saga bewiesen, dass er nicht nur mit postapokalyptischen Szenarien etwas anfangen bzw. ihnen neue Impulse verleihen kann, sondern auch in der Lage ist, eine in sich stimmige vorindustrielle Gesellschaft zu entwerfen und zu schildern.
Für seine Fantasy-Reihe The Moonworlds Saga arbeitete er nicht nur eine Welt aus, die von den üblichen Versatzstücken der Fantasy sehr stark abweicht und nicht unmittelbar auf eine historische Epoche oder Landschaft zurückgreift, sondern machte sich mit den Gegebenheiten vertraut, denen er seine Figuren aussetzen wollte, indem er zum Beispiel in Rüstung durch die australische Wüste stapfte. Dass er auf Genre-Konventionen pfeift, wird schon im ersten Band der Reihe klar, The Voyage of the Shadowmoon (2002, dt. Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon (beide 2006)), wenn gleich zu Beginn eine Katastrophe über den Kontinent Torea hereinbricht, deren Verhinderung Stoff für so manche Queste geboten hätte. Auch im Nachfolger Glass Dragons (2004, dt. Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon (beide 2007)) ist sich McMullen nicht zu schade, den magischen Super-GAU, der sich anbahnt, auch wirklich eintreten zu lassen und seine liebevoll entworfene Welt, in der sich etliche religiöse und magische Orden, personifizierte Schicksalsmächte und verschiedenste Staatengebilde tummeln, ordentlich zu verwüsten. Mit humorvollen Charakterkonstellationen, wie etwa dem philantropen Vampir Laron oder der auf Süßspeisen versessenen Magierin Wensomer, aberwitzigen Abenteuern mit chaotischen Fraktionswechseln und Enthüllungen und einer Magie, die bisweilen an Technik erinnert, bewegt sich die Moonworlds Saga in einem Graubereich zwischen den Subgenres und etablierten Erzählstrukturen, was ein Grund sein könnte, weshalb der Reihe nie der richtig große Erfolg beschieden war. Nach zwei weiteren – diesmal direkt aufeinander aufbauenden – Bänden in der ansonsten eher lose zusammenhängenden Reihe, Voidfarer (2006) und The Time Engine (2008, der erste wurde Glass Dragons von Sean McMullennoch als Der Geist der Shadowmoon und Die Legende der Shadowmoon (2007, 2008) übersetzt), war vorerst Schluss, obwohl man das Gefühl hatte, Verral und seine Bewohner hätten noch eine Menge Geschichten zu bieten.
Bis auf eine nur in Australien veröffentliche Zeitreise-Reihe für junge Leser, von der bislang zwei Bände erschienen sind, scheint sich Sean McMullen mittlerweile vor allem auf Kurzgeschichten und Noveletten verlegt zu haben, die 2013 in den beiden Sammlungen Ghosts of Engines Past und Colours of the Soul versammelt wurden, und man kann es durchaus bedauern, dass damit ein experimentierfreudiger und unkonventioneller Autor mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden ist.

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