Rezensent: Arha

The Charwoman's Shadow von Lord DunsanyDer junge Ramon Alonzo wird von seinem Vater, dem verarmten Lord of the Tower and Rocky Forest, zum Haus eines Magiers tief im Wald geschickt, um dort die Kunst des Goldmachens zu erlernen. Dort als Lehrling aufgenommen, erfährt Ramon Alonzo gleich am ersten Abend die Geschichte der alten Scheuermagd: einst gab sie dem schwarzen Magier ihren Schatten im Tausch für ein ewiges Leben, aber seitdem ist sie an dessen Haus gebunden. Ramon Alonzo schwört sich, ihren Schatten zu retten und sie zu erlösen. Doch der Magier verlangt auch von Ramon Alonzo eine Bezahlung für das erteilte Wissen.

-Picture a summer evening sombre and sweet over Spain, the glittering sheen of leaves fading to soberer colours, the sky in the west all soft, and mysterious as low music, and in the east like a frown. Picture the Golden Age past its wonderful zenith, and westering now towards its setting.-
Chapter 1 – The Lord of the Tower Finds a Career for His Son

The Charwoman’s Shadow (Der Schatten der Scheuermagd) ist eine relativ kurze Geschichte, was nicht heißt, dass man sie schnell gelesen hätte. Man muss sich viel Zeit nehmen, um die Sprache nachzuvollziehen und auf sich wirken zu lassen. Das englische Original ist leider nur etwas für wirklich gute Englisch-Leser. Nicht so sehr wegen schwerer Vokabeln, sondern mehr aufgrund komplexer Satzstrukturen, für deren Erfassung man ein wenig Muße benötigt. Anfangs hatte ich beim Einlesen große Probleme, doch wenn man das Buch ganz in Ruhe (und vielleicht ein zweites Mal) angeht, kann das Geschriebene einem den Atem rauben.

Man verliert sich im Spanien am Ende des Goldenen Zeitalters mit seinem Spiel aus Licht und Schatten – dafür sorgt allein schon der erste Satz. Eine konkrete, besonders schöne Textstelle ist zum Beispiel, wenn der Zauberer seinen Schüler in das größte Mysterium seiner Magie einführt: das Lesen. Darüber hinaus beruht diese Magie sehr auf der mittelalterlichen Alchemie mit Lebenselixieren und der Herstellung von Gold. Und ähnlich wie im Mittelalter wird diese Magie mit dem Teufel in Verbindung gebracht; demgegenüber steht die Kirche, die beim einfachen Volk großen Einfluss besitzt, und deren Vertreter das Gute verkörpert.

Angesichts der Sprache und Atmosphäre spielt es dann keine Rolle mehr, ob uns die Geschichte selbst einfach erscheint: der Held tritt gegen den schwarzen Magier an, um ein unschuldiges Opfer zu retten. Viel spannender ist dabei, dass der Held selbst weniger durch Scharfsinn denn Beharrlichkeit und Großmut auffällt, und dass das unschuldige Opfer eine hässliche, alte Scheuermagd ist. Und die eigentlich interessanteste Figur ist Ramon Alonzos wesentlich intelligentere Schwester Mirandola: obwohl sie den reichen, unsympathischen Nachbarn heiraten soll, verfolgt sie unauffällig ihre ganz eigenen Hochzeitspläne.

Fire Logic von Laurie J. MarksIm Land Shaftal herrscht Chaos. Der Herrscher ist schon vor Jahren ohne einen Erben verstorben, was es dem Volk der Sainniten leicht macht, Shaftal zu erobern, zu unterdrücken und auszubeuten. Der Widerstand Shaftals stützt sich mehr und mehr auf eine Guerilla-Armee, der auch zwei der Hauptpersonen angehören: Zanja, letzte Überlebende eines abgeschlachteten Stammes aus den Bergen, und Emil, mehr Gelehrter denn Krieger. Beide besitzen mit dem Feuer-Talent der Intuition große Macht im Kampf gegen die Eindringlinge. Doch ohne eine starke Erdhexe an der Spitze der Shaftali, die das Land wieder einen und heilen könnte, ist der Widerstand aussichtslos.

-In the border regions of northern Shaftal, the peaks of the mountains loom over hardscrabble farmholds. The farmers there build with stone and grow in stone, and they might even be made of stones themselves.-
Chapter One

Die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde stehen im Land Shaftal für die intellektuellen Gaben und magischen Kräfte der Intuition, Freude, Wahrheit und Heilung. Fällt also zum Beispiel der Begriff “Feuer-Talent”, ist hier nicht die Rede von Feuerball-werfenden Hexen, sondern von Menschen, die sich mit ihrer Intuition so in andere Personen und Ereignisse hineinversetzen können, dass dies oft an Hellseherei grenzt. Leider kann die Darstellung dieser komplexen Talente hier lange nicht so intelligent und umfassend ausfallen, wie es im Buch geschieht …

Die Figuren sind eigenwillig und untypisch – bestes Beispiel ist die Halbriesin, Schmiedin und Erdhexe Karis, die eigentlich Shaftals Hoffung auf Heilung erfüllen könnte, wenn sie den größten Teil ihrer Zeit nicht einer tückischen Droge widmen müsste. Die Gesellschaft ist emanzipiert; sowohl Frauen als auch Männer sind Anführer, Krieger, Gelehrte oder kümmern sich auch “nur” um Haushalt und Kinder. Zusammen mit den auffallend häufigen homosexuellen Beziehungen der Hauptpersonen ist es also kein Wunder, wenn eine Internetsuche zum Buch oft zu Seiten von feministisch und homo-/bisexuell Engagierten führt. Aber keine Angst: keines der beiden Themen wird mit erhobenem Zeigefinger zum inhaltlichen Gegenstand des Buchs gemacht, beide machen bloß einen Aspekt dieser Welt aus. Die Liebesbeziehungen wirken unabhängig von der Orientierung trotzdem irritierend, da sie nur lieblos geschildert werden, ohne dem Leser entsprechende Gefühle nahezubringen oder ihn gar selbst ein wenig in die Figuren verliebt zu machen.

Störend wirkt auch der Aufbau des Buches. Die ersten Kapitel spielen zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils einige Jahre vor dem Hauptteil der Geschichte und sollen den Leser wohl in die Welt, die allmähliche Entwicklung des Krieges und in den Charakter der Hauptperson Zanja einführen, ohne auf eventuell lästige Rückblenden zurückgreifen zu müssen. Dies gelingt in gewissem Maße, allerdings erfolgen auch im weiteren Verlauf immer wieder Zeitsprünge durch Überwinterungsphasen oder ähnliches, wodurch die Handlung einerseits zwar an Realismus gewinnt (schließlich lässt sich ein solcher Krieg nicht in zwei Wochen führen). Andererseits lässt den Leser die Zerrissenheit, die bereits am Anfang geschaffen wird, bis zum Ende des Buches nicht los.
Wahrscheinlich (oder hoffentlich?) soll Fire Logic demnach nur eine Einführung zu den geplanten Folgebänden darstellen. Zumindest lässt der Anfang des zweiten Teils Earth Logic, der zunächst wieder nach mehreren Jahren ohne nennenswerte Entwicklung ansetzt, auf ein wenig zusammenhängende Handlung hoffen.

Cover von Timeline von Michael CrichtonITC, eine Firma, die Anwendungen der Quantentechnologie entwickelt, sponsort archäologische Ausgrabungen an der Dordogne in Frankreich. Geleitet werden diese von einem amerikanischen Historikerteam, das die mittelalterlichen Gebäude rekronstruieren soll. Doch ITC weiß bereits bestens Bescheid, wie die Anlagen auszusehen haben, denn die Firma verfügt über Zeitmaschinen. Und bald findet sich eine Gruppe Geschichtsstudenten mit einem gefährlichen Auftrag mitten im Frankreich des Jahres 1357 wieder.

-Er hätte diese Abkürzung nie nehmen dürfen.-

Ich verstehe nicht viel von Quantenphysik oder mittelalterlicher Geschichte, aber dieser Roman macht einen gut recherchierten Eindruck auf mich (könnte an den sieben Seiten Bibliographie liegen). Gefallen hat mir die Darstellung des Lebens im Mittelalter – nicht als “statisch, grausam und rückständig”, sondern als “dynamisch” und “Zeit rasanter Entwicklungen”, wie Historiker inzwischen auch der Meinung sind (so der Autor).

Ansonsten hat mich Timeline aber eher zum Erbrechen gebracht (Entschuldigung). Als Fantasy-Leser ist man ja völlig unrealistischen Ausgangssituationen durchaus gewogen (also keine Kritik an Zeitreisen etc.), aber ich erwarte dann doch eine nachvollziehbare Entwicklung von Charakteren und Story. Beides ist hier leider nur unglaublich platt und klischeehaft dargestellt.
An Personen wäre da der gutaussehende Möchtegern-Frauenheld Chris, dessen Eltern zu Beginn seines Studiums tragischerweise starben, und dessen Professor (der, der aus der Vergangenheit gerettet werden muss) sich dann väterlich seiner annahm (nicht dass diese Infos, die bei Chris’ Einführung runtergerattert werden, später jemals auch nur irgendeine Rolle spielten!). Dann ist da der noch besser aussehende Dozent André, der am liebsten im Mittelalter leben würde und total gut mit Pfeil, Bogen und Breitschwert (das Wort “Breitschwert” kommt mir im ganzen Buch etwas zu oft vor. Es scheint im 14. Jh. keine anderen Schwerter zu geben) umgehen kann. Und was für ein glücklicher Zufall, dass die hübsche Kate passionierte Freeclimberin ist! Denn irgendwie muss sie enorm viel herumklettern.

Zur Story: natürlich geht alles schief, was schief gehen kann. Ereignisse und Personen (z.B. der “Grüne Ritter”) werden so konstruiert eingebaut, dass die Figuren ständig aufgehalten werden und die knapp bemessene Zeit (warum ausgerechnet exakt 37 Stunden?!) immer noch knapper wird. Außerdem finden auftretende Fragen oft genug keine Antwort, angefangene Handlungsstränge kein Ende, und scheinbar wichtige Details spielen später keine Rolle mehr. Und, achja, wir sind im Mittelalter! Also kann das größte Klischee gar nicht ausgelassen werden, so dass die Herren, kaum angekommen, auch schon an einem Ritterturnier teilnehmen müssen!
Na, so ist es auch kein Wunder, dass Hollywood das Ganze verfilmt hat. Platte Geschichte, gutaussehende Menschen ohne tieferen Charakter, Happyend – alles was ein guter Blockbuster braucht!