: Orient & Wüstenabenteuer

The Assassin's Curse von Cassadra Rose ClarkeAnanna von den Tanarau ist eine Piratin und Tochter eines hochgestellten Kapitäns. Ihr Leben lang träumte sie davon, eines Tages selbst Kapitänin eines Schiffes zu sein. Als ihre Eltern jedoch entscheiden, sie mit dem Sohn eines anderen Piratenkapitäns zu verheiraten, brennt die junge Frau an ihrem Hochzeitstag kurzerhand auf einem gestohlenen Kamel durch. Im Stolz verletzt schickt die Familie ihres Verlobten einen Assassinen aus, um Ananna zu töten. Doch es kommt alles ganz anders, als sie dem Auftragsmörder versehentlich das Leben rettet und damit einen alten Fluch auslöst, der Ananna und den Assassinen aneinander bindet.

– I ain’t never been one to trust beautiful people, and Tarrin of the Hariri was the most beautiful man I ever saw. (…) Golden skin and huge black eyes and this smile that probably worked on every girl from here to the ice-islands. I hated him on sight. –
Kapitel 1

The Assassin’s Curse ist der Debütroman der Autorin Cassandra Rose Clarke, die gleich in ein ungewöhnliches Setting eintaucht. Piraten auf hoher See treffen auf die Wüste des historischen Orients, wo man wiederum auf Ninja-mäßige Assassinen treffen kann, wenn man Pech hat. Ein wilder Mix von Inhalten und Persönlichkeiten, der jedoch gut funktioniert und sich von den üblichen Handlungsorten klassischer Fantasy positiv abhebt. Dieses Buch mutet an wie ein Crossover von Fluch der Karibik, Prince of Persia und Assassin’s Creed.

Man darf sich dabei über ein subtiles Magiesystem freuen, über Erdmagie, Wassermagie und vor allem die dunkle Blutmagie der Assassinen. Subtil deswegen, weil sich nicht alle Probleme durch Magie lösen lassen und sie eher ein Hilfsmittel im Hintergrund darstellt. Perfekt ausgereift ist das Ganze noch nicht, und bisher steht vor allem die Blutmagie im Vordergrund, doch das Potential ist da und lässt darauf hoffen, dass Band 2 dieser Reihe, The Pirate’s Wish, hier noch mehr ins Detail gehen und die restlichen Magiearten weiter ausarbeiten wird.

Was die Charaktere angeht, so sind diese im doppelten Sinne nicht perfekt. Ananna ist eine starke Frauenfigur, die man im heutigen Jargon mit “kickass” beschreiben würde. Sie weiß, was sie will, sie weiß nicht genau, wie sie es kriegt, aber wie sie es nicht erreichen kann, ist ihr stets klar, und entsprechend praktisch handelt sie. Sie ist bewaffnet mit Dolch, Schwert, schlagfertigem Mundwerk und kann sich mit Fäusten wehren. Auf der anderen Seite ist Ananna aber keine unverwundbare, perfekt gezeichnete Superheldin, die nicht gelegentlich auch mal schwache Momente hätte. Ihre Entscheidungen sind nicht völlig makellos, sie macht ihre Fehler, manchmal wirkt sie dabei etwas zu egoistisch und gedankenlos, andererseits … sie ist Piratin. Taktgefühl und Höflichkeit sind vermutlich nichts, was man auf einem Piratenschiff beigebracht bekommt.
Naji, der Assassine, ist Anannas Gegenteil. Er kommt einem wie ein magisch bewanderter Ninja vor, der sich unsichtbar durch Schatten bewegen kann und der nicht so eiskalt mordet, wie man von einem Assassinen erst einmal erwarten würde. Tatsächlich erinnern er und sein Orden ein wenig an Assassin’s Creed (s.o.), dessen Auftragskiller auch nicht so richtig blutrünstig sind und eher als Instrumente politischer Geplänkel benutzt werden, während sie darüber hinaus auch eine menschliche Seite haben und von eigenen Beweggründen getrieben werden. Naji ist der klassische Eigenbrödler mit einem gut gehüteten Geheimnis (vielleicht auch zwei oder drei …) , der von einer dunklen Aura umgeben wird und die gefürchtete Blutmagie beherrscht. Irgendwo in ihm aber versteckt sich auch noch ein Hauch kindlicher Verwundbarkeit, die ab und an aufblitzt und Naji Menschlichkeit verleiht.
Zusammengenommen sind Clarkes Charaktere durchaus sympathisch, vor allem weil sie nicht vollkommen sind und gerne mal aus stereotypen Rollen ausbrechen. Sie sind aber auch noch nicht völlig ausgereift und bieten genügend Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.

Wenn es nun einen männlichen und einen weiblich Protagonisten gibt, die unfreiwillig zusammengewürfelt werden, ist natürlich zunächst auch schnell klar, wo das vermutlich mal enden wird. Auf der Pro-Seite steht dabei immerhin, dass das Abenteuer, die Aufgabe den Fluch zu brechen, im Vordergrund steht und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Ananna und Naji sich mehr nebenbei und nur sehr langsam einschleicht. Es wird zwischen den beiden nie zum Thema, was und ob überhaupt sie füreinander empfinden, man kann lediglich erahnen, was sich höchst wahrscheinlich entwickeln wird. Die Schmachtalarm-Glocke braucht man für dieses Buch erst einmal nicht, und so kann man sich in Ruhe an dem ungewöhnlichen Setting erfreuen.

Um die größten Mängel dieses Romans aufzuzählen: die Sprache hinkt oft ein wenig und kann sich nicht ganz entscheiden zwischen modern und historisch. Oft fallen Begriffe wie “bullshit”, “fuck off” und dergleichen, was in diesem Zeitkontinuum leider völlig fehlplatziert wirkt. Des weiteren war der Verlag bei der Korrektur nicht sehr ordentlich und hat etliche Rechtschreib- und Satzfehler übersehen bis hin zu einem Buchstabendreher im Namen. Gerade im letzten Drittel des Buches fällt das verstärkt auf, als wäre den Korrektoren die Lust ausgegangen.

Trotz einiger typischer Anfängerschwächen in The Assassin’s Curse überwiegen letzten Endes die positiven Eigenschaften. Wer mal wieder mit Piraten reisen oder Wüsten durchqueren will und einem Jugendbuch nicht gänzlich abgeneigt ist, der kann nicht viel verkehrt machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Fortsetzung an die starken Elemente anzuknüpfen weiß und diese weiter ausbauen wird.

Castle in the Air von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

– In his daydreams, he was really the long-lost son of a great prince, which meant, of course, that his father was not really his father. It was a complete castle in the air, and Abdullah knew it was. –

Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) ist die indirekte Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers). Hierin wird es allerdings märchenhaft wie in einer Geschichte aus Tausendundeinernacht und der geneigte Leser muss sich recht lange gedulden, ehe die bekannten Protagonisten aus dem ersten Buch dieser locker verknüpften Reihe wieder in Erscheinung treten. Castle in the Air sollte man daher auch als einen eigenständigen Roman betrachten – in dem nur zufällig ein paar bekannte Charaktere wieder auftauchen – und keine richtige Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle erwarten.

Ganz so brillant wie sein Vorgänger ist Castle in the Air nicht, dennoch ist es wieder eine sehr phantasievolle und lebendige Geschichte, die Diana Wynne Jones hier erschafft und mit gewohntem Humor garniert. Letzterer kommt diesmal besonders bei Namensgebung und Wortwahl zum Tragen, denn die Autorin spielt wieder gerne mit Klischees und bedient sich hier bei den Vorstellungen vom Orient, wo Namen nicht nur Namen sind, sondern Bedeutungen haben. Dabei darf natürlich auch nicht die blumige Ausdrucksweise fehlen, die die Autorin jedoch in unseren Sprachgebrauch überträgt, was für viel Schmunzeln sorgt. So kommt es, dass eine Prinzessin den Namen Blume-in-der-Nacht/Flower-in-the-Night trägt oder Teppichhändler geradezu lyrische Verkaufsgespräche führen.
Darauf lässt die Autorin es freilich nicht beruhen und schickt zusätzlich wieder herrlich überzogene, schrullige, spießige oder hochnäsige Charaktere ins Rennen, die alle ein bisschen mehr sind, als man glaubt über sie zu wissen. So überzeugend sympathisch und lebendig wie Howl und Sophie in Howl’s Moving Castle werden Abdullah und Flower-in-the-Night aber leider nicht, und auch die beiden erstgenannten kommen in Castle in the Air nicht so richtig zu ihrem alten Glanz.

Kleinere Abzüge muss man ebenfalls bei der erzählerischen Dynamik machen, die sich mit Einschüben, die nicht zwingend nötig gewesen wären, leider immer mal wieder als etwas langatmig erweist. Es ist daher dringend ratsam, eine längere Pause zwischen Howl’s Moving Castle und Castle in the Air verstreichen zu lassen und die beiden Bücher nicht gleich nacheinander zu lesen. Auch sollte man davon absehen, die Bücher als normale Buchreihe zu betrachten, denn im direkten Vergleich haben sie wenig miteinander zu tun und gerade Castle in the Air wirkt dabei doch ein wenig enttäuschend. Für sich betrachtet und davon ausgehend, dass die wiederkehrenden Charaktere ein zusätzlicher Bonus, aber kein tragendes Element dieses Romans sind, ist Castle in the Air durchaus unterhaltsam und amüsant. Man muss sich lediglich klar machen, dass dies die Geschichte von Abdullah und Flower-in-the-Night ist und nicht die von Sophie und Howl.

City of Bones von Martha WellsKhat, ein Mann aus einem katzenhaften Wüstenvolk, lebt in den Elendsvierteln von Charisat, einer Stadt inmitten des Ödlandes, das einst die Heimat der fortgeschrittenen Kultur der Alten war. Seinen Lebensunterhalt verdient er halblegal als Relikthändler und –jäger. Normalerweise sind es harmlose Objekte von höchstens archäologischem Interesse, doch nicht so bei seinem jüngsten Auftrag: Er soll sich auf die Suche nach Gegenständen machen, mit denen sich die Magie der Alten wirken lässt. Dummerweise kann er den Auftrag nicht ablehnen, denn er kommt von ganz oben. Er muss sich also den Intrigen der Mächtigen und dem lebensfeindlichen Ödland stellen.

-Somewhere else, in a room shadowed by age and death, a man readies himself to look into the future for what maybe the last time.-
Chapter One

Wenn man Ideen aus Lobgesang auf Leibowitz, Picknick am Wegesrand und einer Reihe von postapokalyptischen Geschichten nimmt und zusammenwirft, könnte das böse ins Auge gehen. Aber 1995, als Martha Wells’ zweiter Roman City of Bones veröffentlicht wurde, war die Postapokalypse noch bunter und vielfältiger als heute, und die Autorin verfolgt mit den unverständlichen Relikten einer selbstzerstörerisch agierenden, aber auch sehr fremdartigen Zivilisation (die Erde, wie wir sie kennen, war auf jeden Fall nicht das Fundament, auf dem Charisat steht) und den von ihrer Tätigkeit geprägten Reliktjägern (und –anwendern) ganz eigene Ziele.
Die Weltschöpfung erstreckt sich dabei nicht nur auf die Wüste mit ihren giftigen Bewohnern und surrealen Stätten einer vergangenen Kultur, sondern vor allem auf das Leben, das sich danach angesiedelt und angepasst hat. In Charisat, einer Handelsmetropole mit verschiedensten Einflüssen, ist vor allem die soziale Komponente fein beobachtet – meist durch die Augen von Khat, der als Mitglied eines Wüstenvolks, das den Ödlanden besser trotzt als der Mensch, keine Chance hat, auch nur ein bisschen in der streng nach ihren Ebenen gegliederten Stadt (oben gibt es noch frisches Wasser) aufzusteigen. Selbst im Elendsviertel wird er teils nur gerade eben geduldet, ohne die Möglichkeit, einen ehrbaren Beruf auszuüben, und so verwundert es nicht, dass aus ihm ein ganz schön harter Kerl geworden ist. Gerade diese unteren Ebenen erfahren eine sehr differenzierte Darstellung – gnadenlos, aber auch herzlich, ein Ort, an dem man den nötigen Überlebenskampf auf unterschiedliche Weisen führen kann.
Erst nach und nach lernt man das ganze Ausmaß des perfiden Systems kennen, das im sozialen Gefüge Charisats jeglichen Aufstieg und jede Veränderung verhindert. Da ist es auch nur logisch, dass die obere Kaste ihre eigenen Spielchen treibt und vor allem an der Wahrung des Status quo und Machtzuwachs interessiert ist, während man unten nur an guten Tagen seinen Durst löschen kann.

In einen solchen Machtkampf gerät Khat, der mit seinem gebildeten menschlichen Partner sein kleines Relikt-Unternehmen betreibt – und beiden Seiten ist bei diesem Handel von Anfang an klar, welche Rolle den entbehrlichen und machtlosen Auftragnehmern zugedacht ist. Aufgelockert wird dieses (durch Khats Undurchsichtigkeit ohnehin nicht ganz so) schwarz-weiße Gemälde durch Elen, eine Wärterin, die Khat als Kontaktperson zugeteilt wird und die jung genug ist, sich ein Herz bewahrt zu haben, allerdings auch eine nicht immer gesunde Naivität gegenüber den harten Realitäten ihrer Welt.
Die Figurenzeichnung ist eher subtil, es gibt kaum Extreme: Der harte Knochen Khat wird eigentlich niemals ein überzeugender cooler Draufgänger, sondern offenbart recht rasch seinen verletzlichen Kern, so dass er auch Elen als kompetente, aber eher zurückhaltende Frauenfigur nicht in den Schatten stellt. Manchmal wirken die Emotionen der Figuren ein wenig forciert und übermotiviert, vielleicht gerade weil Khat und Elen eher ruhige und besonnene Personen sind.

Mit seinen Geistern, den Handels- und sonstigen Aufsehern, die dafür sorgen, dass jeder auf seiner Ebene der Stadt bleibt, und den unteren Bereichen mit ihrer Platznot und Kriminalität ist Charisat ein Ort, der wie geschaffen ist für eine Abenteuerhandlung – und das ist die Reliktjagd von City of Bones letztlich, ob nun in ein Herrenhaus eingebrochen oder ein altes Heiligtum in der Wüste geplündert werden muss.
Trotzdem liegt der Fokus ein wenig anders als erwartet, denn die Intrige (die man vermutlich sehr, sehr früh in der Handlung durchschaut), der soziale Zündstoff und die Abenteuer sind vor allem Kulisse für eine Geschichte, bei der Forschung und die Aufdeckung alter Geheimnisse im Mittelpunkt stehen: Nachdem man einmal (mithilfe einer großartigen Gelehrten-Nebenfigur) erkannt hat, wie sehr die Vergangenheit in die Handlung drängt, wird aus der kleinen Geschichte etwas wirklich großes mit einer beeindruckenden Auflösung, das die detaillierten Ideen der Weltschöpfung am Ende zu einem runden Ganzen zusammenführt.
Auf dem Weg dahin mag es die ein oder andere Länge geben, aber bei dieser innovativen Weiterentwicklung macht sich der feine Aufbau der Geschichte bezahlt, und richtig langweilig wird es mit Khats Gratwanderung in Diensten der Obrigkeit, bei der er vor allem anderen seine eigene Haut retten will, eigentlich nie.

Eiserne Dämmerung von Matthew Woodring StoverNachdem der piktischen Söldnerin Barra von Piraten übel mitgespielt wurde, zieht sie sich zusammen mit ihren beiden Gefährten, dem Krieger Leucas und dem früheren Priester Kheperu, in die Handelsmetropole Tyrus zurück, in der ihre Zieheltern leben.
Auf der Suche nach neuen Aufträgen geraten sie schnell in eine Intrige, die zwischen all den mächtigen Handelsfamilien, Massen von Söldnern, Kaufleuten aus sämtlichen mediterranen Staaten und Glückssuchern in Tyrus droht: Der verstoßene ägyptische Prinz Meremptah-Sifti kommt zwar mit einem Lächeln, um die Handelsherren der Stadt zu betören, hat aber zwielichtige Pläne, und ist ein Gegner, der für Barra und ihre Männer vielleicht eine Nummer zu groß ist.

-Lieber Chryl, lieber Antiphos,
dies wird wahrscheinlich der letzte Brief in diesem Paket werden; wenn wir Tyros noch erreichen, ehe der Winter dem Handel ein Ende setzt, solltet ihr diese Zeilen vor der Sonnenwende lesen.-
Prolog

Die antike Welt, genauer gesagt die im Titel von Matthew Woodring Stovers Debutroman heraufdämmernde Eisenzeit, dient der Fantasy zwar häufig als Fundgrube für Ideen, als Setting dagegen taucht sie erstaunlich selten auf. Schade eigentlich, denn der erste Band der Reihe um die Söldnerin Barra besticht durch eine sehr anschauliche, unverbrauchte Kulisse, in der die Erinnerung an Troja noch lebendig ist, übrig gebliebene achaische Helden den Preis auf dem Söldnermarkt drücken und Handelszentren im Morgenland Wohlstand versprechen. Historische Akkuratesse sollte man sich von diesem furiosen Abenteuerreigen allerdings nicht unbedingt erwarten – mit der Einordnung der Epoche durch eher mythologisch als historisch konnotierte Ereignisse wie dem Fall von Troja oder Jericho ist die Zielrichtung von Eiserne Dämmerung hin zur Fantasy und weg vom historischen Roman ganz gut wiedergegeben. Mit vielen Details aus der Sachkultur beweist Stover allerdings, dass er weiß, worüber er schreibt, und sich seine Freiheiten wohl relativ bewusst wählt.
Schauplatz beinahe der gesamten Handlung ist die politisch unabhängige Handelsmetropole Tyrus, deren Unabhängigkeit akut von einem ägyptischen Prinzen bedroht wird, dem alle Mittel (auch Nekromantie) zur Erreichung seiner Ziele recht sind.

Die Struktur des Romans ist eindeutig dem Rollenspiel verhaftet (auch ganz konkret: Barra war ein Charakter von Stovers Frau): Man findet eine Gruppe, lernt sich besser kennen, kehrt in Gasthäuser ein und sucht sich Unterkünfte, und nebenher treibt man einen Auftrag voran, den man sich als arbeitslose Söldnertruppe gerade geholt hat und der einem natürlich alsbald über den Kopf zu wachsen droht.
Herzstück von Eiserne Dämmerung sind die liebenswerten Figuren: Der zaubermächtige ägyptische Ex-Priester Kheperu, ein zwielichtiger Feigling mit jeder Menge Dreck am Stecken (und Körper), der mehr in sich hat, als man ihm auf den ersten Blick abnehmen möchte; Leucas, ein Veteran der Belagerung Trojas – der typische Riesenkrieger, der durch Muskeln besticht, sich aber als nachdenklich und traumatisiert erweist; und schließlich die axtschwingende Piktenprinzessin Barra mit ihrem Wolf Graegduz, eine wunderbar gelungene Kriegerinnenfigur, die weder als Mannfrau fungiert noch chicks-in-chainmail-Klischees bedient und als Kopf der Söldnertruppe Führung („Bist du mit mir oder bist du tot?“) und gemeinsame Ziele (Reichtümer!) vorgibt.
Die aus dem Rollenspiel entlehnte Gruppendynamik steht fast durchgehend im Mittelpunkt, bleibt aber weitgehend klischeefrei, wie schon die herrlich widersprüchlichen Briefe Barras in die Heimat zeigen, die den Roman einläuten und ausklingen lassen. Durch den Abenteuercharakter und den lockeren Pragmatismus der Söldnerprotagonisten liest sich Eiserne Dämmerung ein wenig wie eine dreckigere und gewitztere Version von Richard Schwartz’ beliebten Askir-Romanen, vor allem wenn die drei ungleichen Gefährten sich in verbalem Schlagabtausch ergehen und sich langsam, trotz vieler zurückgehaltener Geheimnisse zusammenraufen. Das Tempo der Haupthandlung leidet allerdings zu Beginn unter diesem launigen Gekabbel.

Stovers Stärken, wenn auch noch nicht voll ausgeprägt, zeichnen sich in seinem Erstling bereits ab und man erkennt sowohl am nach dem Warmlaufen schnell die Richtung wechselnden Plot als auch an den explosiven, brutalen Kampf- und Actionszenen, dass ein angehender Meister der Sword & Sorcery am Werk war, auch wenn Eiserne Dämmerung längst nicht so ausgereift wie die späteren Caine-Romane ist.
Die realistischen Kämpfe, ein Markenzeichen des Autors, stehen dabei oft dicht an dicht mit dem (teils derben) Humor, und auch dieser Stover ist kein Sonntagsspaziergang für zartbesaitete Leser. Die Bildsprache, der der Autor sich bedient, stammt in den brutaleren Szenen eher aus dem Horror oder dem Psychothriller als aus der Fantasy – allerdings begehen diese Taten hier keine Perverslinge, von denen man sich nicht großartig abgrenzen muss, sondern einfach … Menschen.
Zum Ausgleich sorgt allerdings auch eine breite Palette des Heldentums für die richtige Prise Pathos, Figuren wissen zu überraschen, ihre Cleverness ist fast genauso wichtig wie ihre Schlagkraft, auch wenn sie nicht selten falsch gewickelt sind und dadurch erst in die unangenehmen Situationen geraten – und vor allem sind immer wieder für einen Lacher gut.

Abzüge in der B-Note gibt es für die Sprache, die auch ein wenig unter der Übersetzung leidet. Auch im Original schlägt Stover nicht den feinsten Ton an, so dass man sich über Arschlöcher und Konsorten nicht zu wundern braucht, doch gerade in den Dialogen fallen die Modernismen im Deutschen wohl eher ins Gewicht, schnurzpiepegal muss es im alten Orient z.B. nicht unbedingt gleich sein.
Ansonsten bekommt man mit Eiserne Dämmerung herrliche Figuren in einem Setting, das mit seinen Details und zahlreichen Referenzen auf aktuelle Geschehnisse im Handlungsraum (etwa die Wüstenwanderungen dieses seltsamen Stammes, der seinen Gott in einer Truhe mit sich herumträgt) viel orientalisches Flair versprüht und saftige Actionszenen (ja, auch mit Streitwagen 😉 ) bietet.

Flammenwüste von Akram El-BahayDas Sultanat Nabija macht schwere Zeiten durch: Nicht genug damit, dass der finstere Sarraka die Beduinen zur Rebellion aufstachelt, seit kurzem häufen sich auch noch Berichte über Drachenangriffe. Dem jungen Anûr und seinem Großvater Nûr ist das nur recht, finden sie jetzt doch als Geschichtenerzähler ein dankbares Publikum für die alten Drachensagen. Als sogar der Sultan Nûr zu sich bestellen will, gibt der unternehmungslustige Anûr sich spontan selbst für den berühmten Erzähler aus und ahnt nicht, was er sich damit einhandelt: Bald findet er sich an der Seite des Prinzen Masul auf Drachenjagd wieder und muss erkennen, dass in der Wüste noch ganz andere Gefahren lauern …

“Die Flammen loderten auf, als der Kaffeemeister das langstielige Mokkakännchen von der Feuerstelle nahm. Rasch füllte er die tiefschwarze Flüssigkeit in eine kleine Tasse und bahnte sich mit ihr seinen Weg durch die dichte Menschenmenge, die sich im hinteren Teil des Kaffeehauses versammelt hatte.”
(1. Eine folgenschwere Entscheidung)

Flammenwüste – dem relativ offenen Ende nach zu urteilen wohl als Auftakt zu einer Reihe gedacht – ist ein charmanter All-Age-Roman, der mit sympathischen Helden und einer ansprechenden orientalischen Kulisse angenehme Unterhaltung bietet und der altvertrauten Handlung um den jugendlichen Auserwählten, der in eine gefährliche Queste hineinstolpert, neues Leben einhaucht. Dass es hier und da ein paar kleine sprachliche Unebenheiten gibt (z.B. häufig “scheinbar” statt “anscheinend”), verzeiht man deshalb gern.
Der märchenhafte Orient, in den Akram El-Bahay einen entführt, erinnert an die Welt von Tausendundeiner Nacht und bezaubert einen von der ersten Seite an durch seine liebevolle Ausarbeitung, die den Streifzug durch Souk und Kaffeehaus, Sultanspalast und Oasen auch unabhängig vom Plot sehr vergnüglich macht. Wann immer die Helden sich zum Essen niederlassen, werden die Gaumenfreuden so greifbar heraufbeschworen, dass man als Leser Gefahr läuft, selbst Appetit zu bekommen, und den mehrfach eingeflochtenen Geschichten in der Geschichte würde man selbst gern am Lagerfeuer oder in einem üppigen Garten voller Jasminblüten lauschen.
Klug ausgenutzt ist vor allem der Kontrast zwischen der städtisch geprägten Zivilisation und der wilden Wüste, in der nicht nur bedrohliche Naturphänomene (wie etwa Sandstürme) auf die Reisenden warten, sondern neben Dschinnen, Ifriten und nach dem Prinzip Ameisenlöwe unter dem Treibsand auf menschliche Beute lauernden Ghoulas auch aus Ängsten erschaffene Schattenwesen ihre Heimstatt haben. Auch die entlegenen Wüstenstädte, in die Anûrs Weg führt, warten mit vielen netten Details auf. Besonders die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher, in der magisch jedes Buch Gestalt annimmt, das jemand zu schreiben gedenkt, aber noch nicht geschrieben hat, ist eine reizvolle Idee, die zudem das Gewissen jedes Lesers beruhigen dürfte, der selbst literarische Ambitionen hegt, aber nicht allzu diszipliniert bei der Sache ist.
Ohnehin gibt es zwischen allen Abenteuern immer wieder viel Anlass zum Schmunzeln, da Anûr und die Gefährten, die er im Laufe der Zeit gewinnt, ein lustiges Gespann bilden und auch manche Gegenstände, allen voran ein ebenso nützlicher wie unberechenbarer fliegender Teppich, so etwas wie rudimentäre Charakterzüge entwickeln. Auch eine Liebesgeschichte für Anûr darf natürlich nicht fehlen, und wie er sich, ganz schüchterner Teenager, der oft herrlich pragmatisch handelnden und wenig von übertrieben romantischen Vorstellungen belasteten Botin Shalia annähert, ist ebenfalls recht amüsant erzählt.
Ernster ist dagegen der zweite Handlungsstrang um den Thronfolger Masul aufgebaut, der den alten Erzählungen über Drachen und Magie zunächst äußerst skeptisch gegenübersteht, aber bald erkennen muss, dass doch mehr Wahrheit darin steckt, als er sich je hätte träumen lassen. In seinen Interaktionen mit dem Finsterling Sarraka gewinnt dieser erstaunlich viel Kontur für einen Fantasyschurken, so dass man sich bald schon auf seine Auftritte freut.
Differenziert gezeichnet sind auch die Drachen selbst, deren Verhältnis zu Menschen bzw. menschenähnlichen Wesen zahlreiche Facetten aufweist, so dass ihre Rolle sich weder auf die des todbringenden Ungeheuers noch auf die des willfährigen übergroßen Haustiers reduzieren lässt. Fast könnte man übrigens bedauern, dass das Cover nur einen Drachen in gewöhnlicher Haltung zu bieten hat, statt einen zu zeigen, der wie eine Fledermaus von der Decke hängt, denn von solch hübschen Einzelheiten lebt die Darstellung der Fabelwesen bei El-Bahay.
Dementsprechend freut man sich, wenn am Ende des Romans – wie in Eingangsbänden üblich – zwar die Schlacht, aber nicht der Krieg entschieden ist, durchaus auf eine Rückkehr nach Nabija, wenn irgendwann das nächste Buch der Serie erscheint. Wer entspannende und unterhaltsame Lektüre sucht, die sich gut “wegliest”, kann mit der Flammenwüste nicht viel falsch machen.

Der Geist des Speers von Alan Dean FosterIn der Nähe eines kleinen Küstendorfes werden die Leichen von hellhäutigen Fremden an den Strand gespült. Einer der Männer lebt noch und richtet seinen letzten Wunsch an den Dorfbewohner Etjole Ehomba: Eine Dame muss gerettet werden, eine Seherin, die von einem finsteren Zauberer entführt wurde. Etjole, der mit seiner Frau und seinen Kindern zufrieden als Hirte lebt, hat zwar kein großes Interesse an edlen Damen und abenteuerlichen Questen, doch für ihn ist es Ehrensache, den letzten Wunsch eines Sterbenden zu respektieren, und daher zieht er aus ins Ungewisse.

– Es geschah am Morgen nach dem sinnlichen zweiten Frühlingsmond von Telengarra, dem Vorboten des Frühlingsregens.-
I

Etjole Ehomba, der Hirte vom Volk der Naumkib, der ohne irgendein Eigeninteresse (sei es nun Gier, Abenteuerlust oder eine andere Art von Suche) nur aufgrund der letzten Worte eines Fremden Frau und Kinder zurücklässt und um die halbe Welt reist, um eine Seherin zu befreien, die ihm nichts bedeutet, hat sich einen ganz besonderen Platz in der Riege der unfreiwilligen Helden verdient. Auch im Angesicht der größten Gefahren und bezauberndsten Wunder der überbordend phantastischen Welt, die Alan Dean Foster in seiner Katechisten-Trilogie entwirft, bleibt er stets die Ruhe selbst (was nicht heißt, dass ihn die Umstände unbeeindruckt lassen, aber Etjole ist eher ein Mann stiller Freude) und zieht im richtigen Augenblick den richtigen Gegenstand aus seinem unerschöpflichen Repertoire an eigentlich ganz gewöhnlichen Reiseutensilien. Ist es nicht vernünftig, ein Säckchen Erde aus der Heimat mitzunehmen, um ihren Duft nicht zu vergessen? Oder den primitiven Jagdspeer, dessen Klinge aus dem Zahn eines ausgestorbenen Tieres besteht?
Etjole beharrt darauf, nicht mehr zu sein als ein einfacher Hirte, und schon gar kein Magier, auch wenn es der Leserschaft immer schwerer fällt, das zu glauben, genauso wie seinem späteren Reisegefährten, dem Schwertkämpfer Simna ibn Sind, der in allem Etjoles vollkommener Gegenpart ist – laut, geschwätzig, prahlerisch und immer zuallererst im eigenen Interesse (mehr Frauen, mehr Schätze, mehr Ruhm) unterwegs. Deus ex machina? Etjole hat sie zu Dutzenden in der Tasche.

Damit wird nicht nur klar, dass Leser und Leserinnen, die mit solchen Kniffen ein grundsätzliches Problem haben, mit Der Geist des Speers (Carnivores of Light and Darkness) wohl nicht glücklich werden, sondern vor allem, dass ein verwickelter Plot, bei dem man sich die Nägel abkaut, nicht das ist, was den Roman ausmacht. Er lebt vielmehr von seiner hochmagischen, prallbunten Welt, in der man mit Tieren sprechen kann, Kaninchen mit Riesenwuchs und Mauern mit Beinen auftreten und das Land Naturphänomene mit eigenem Bewusstsein hervorbringt. Das vage an Afrika angelehnte Setting ist erfreulich frei von problematischen Exotismen und bringt vielmehr durch überschäumenden Ideenreichtum das Phantastenherz dazu, schneller zu schlagen. Zwischen den Buchdeckeln von Der Geist des Speers macht man so viele umwerfende Entdeckungen, dass man sich angesichts der aktuellen Zurückgenommenheit (sprich: des Realismus) der epischen Fantasy nach Autoren und Autorinnen wie Alan Dean Foster sehnt, die Bizarres und Wunderbares wagen.
Die einfache Erzählstruktur kommt diesen Stärken entgegen: Der Geist des Speers ist eine episodenhafte Abenteuerreise, die sich über viele Hindernisse hinweg langsam auf ein fernes Ziel zubewegt, und jedes Kapitel enthält ein neues Abenteuer, bei denen nicht selten bekannte Märchen- und Sagenmotive anklingen. Alan Dean Foster scheut dabei auch nicht vor verspielten Experimenten zurück – ein Kapitel wird etwa komplett aus der Sicht eines Baumes erzählt und kann durchaus als skurriler Höhenflug des Genres gewertet werden.

Doch bei aller Schrulligkeit kippt der Roman eigentlich nie ins Alberne. Wie bei jedem guten Märchen steht hinter jedem Abenteuer auch eine Erkenntnis, und wenn Etjole vielleicht auch kein Magier ist, so ist er doch wenigstens ein Philosoph, denn obwohl er dem Muster des simplen Helden folgt, der durch sein unschuldiges, reines und einfaches Denken alle Ziele erreicht, stellt er immer die richtigen Fragen und versucht auch die absurdesten Probleme erst einmal auszudiskutieren.
Damit man bei so viel Gelassenheit und Einsicht nicht einschläft, müssen aber natürlich dennoch immer wieder die Schwerter gezogen werden, und Etjole kann sich in herrlichen Gesprächen an den Gefährten reiben, die er unterwegs aufsammelt – neben dem egoistischen Simna rettet er auch die große Katze Einlöward (im Original Ahlitah – und das ist nicht der einzige Eigenname, der sich beim Übersetzen ein wenig sperrt), die fortan etwas widerwillig, aber doch aus freien Stücken eine Lebensschuld bei Etjole abträgt.

Von Der Geist des Speers muss man sich in erster Linie überraschen lassen und sich darauf einlassen, dass der Roman von der ungewöhnlichen Hauptfigur und den Reiseabenteuern getragen wird – hier ist eindeutig der Weg das Ziel, und etwas anderes sollte man auch nicht erwarten, wenn man mit Genuss von Ameisen, die Geschenke bringen, engagierten Affenanführern und aufgeblasenen Winden lesen will – und einer Fantasy-Welt, in der man es mit Freundlichkeit und Beharrlichkeit weit bringen kann.

Cover von Der Gejagte von Wolfgang HohlbeinAndrej und Abu Dun haben nach vielen Jahren der Verfolgung und Ruhelosigkeit endlich einen Ort der Zuflucht gefunden. Malta ist für sie eine neue Heimat geworden. Doch der Friede währt nicht lange. Im Jahr 1565 bedroht das Osmanische Reich das christliche Abendland. Die übermächtige türkische Flotte bereitet einen Angriff auf die kleine Insel im Mittelmeer vor, der das endgültige Ende von Ruhe und Frieden für ihre Bewohner, aber auch für die beiden Unsterblichen bedeutet. Denn die Ordensritter kämpfen nicht nur gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen Gegner, sondern auch gegen einen ungeheuer mächtigen Vampyr …

-Es war nicht das erste Mal, dass er gegen ein Wesen seiner eigenen Art antrat, auch nicht das erste Mal, dass er es mit einem Gegner zu tun bekam, der ihm überlegen war, und doch hatte er noch niemals eine solche … ja, es hatte keinen Sinn zu leugnen: Angst gehabt.-
20. Mai 1565, Seite 216

Das Zitat oben sagt eigentlich so ziemlich alles aus. Andrej und Abu Dun haben es (man staune!) schon wieder mit einem mächtigen Gegner zu tun, dem sie nicht gewachsen sind. Nebenbei wird noch die Geschichte eines aussichtslosen Krieges des Johanniterordens gegen die Türken beschrieben, der aber im ganzen Buch weder richtig in Fahrt kommt, noch irgendwie Spannung erzeugt. Und da wären wir auch schon beim eigentlichen Manko, denn eines ist der Roman auf keinen Fall: spannend. Die Handlung ist vorhersehbar, die Personen sind nach Schema F konstruiert – es kann einfach keine Spannung aufkommen. Hier und da werden ein paar Antworten auf das Wesen des Vampyrs (wonach Andrej ja seit Anfang des Zyklus sucht) eingestreut, aber natürlich erfährt weder Andrej noch der Leser wirklich etwas über den Vampyr. Und auch der übermächtige Gegner der beiden Gefährten gibt natürlich keine Antworten, sondern wirft weitere Fragen auf, die unbeantwortet bleiben. Am Ende weiß man weder, wer der Vampyr war, noch welche Motive er hat oder was er letztendlich ist. Auch die anderen Personen, die vorkommen, sind sehr streng durchkonstruiert: der alte, aber weise Großmeister, sein ebenso weiser Sekräter, der skeptische (und später böse) Widersacher aus den eignen Reihen und schließlich die armen Opfer des Vampyrs, die Andrej und Abu Dun retten müssen. Und im Hintergrund natürlich die grauenhafte türkische Armee, die aber ohnehin nur wie eine Wolke am Rand des Lesehorizonts auftaucht. Versuche, die menschlichen Schicksale von Belagerung und Krieg zu beleuchten, sind zum Scheitern verurteilt, einfach aus dem Grund, weil Hohlbein es nicht ernsthaft versucht – die Leiden von Andrej (die er seit Jahrhunderten mit sich herumträgt und die mehr als einmal ausführlich erklärt wurden) und später Abu Dun sind ja auch viel interessanter.
Einzig der Schluss rettet das Buch doch noch irgendwie vor dem totalen Absturz, wird doch zumindest die Tragik der Lage deutlich und wie sehr die Unsterblichen eigentlich unter ihrer Unsterblichkeit leiden. Das reicht aber bei weitem nicht aus um das Buch weiterzuempfehlen, einzig eingefleischte Hohlbeinfans, die wissen wollen, wie es weitergeht, könnten es sich überlegen, es zu kaufen. Ein Muss ist es nicht.

The Grimoire of the Lamb von Kevin HearneAls ein ägyptischer Hobbykoch den weiten Weg nach Arizona unternimmt, nur um ein uraltes Rezeptbuch aus Atticus Sammlung zu erwerben, ahnt der Druide bereits, dass hier etwas im Argen liegt, und lehnt den Verkauf ab. Sein Besucher erweist sich prompt auch als Hobbydieb und klaut Atticus das Buch vor der Nase weg. Grund genug, die Verfolgung aufzunehmen und eine Reise ins Land der Pharaonen zu anzutreten.

– People today think ancient Egypt was ineffably cool. I blame this misconception on hieroglyphics and (to a lesser extent) on the Bangles. –

Grimoire of the Lamb (IDC #0.4) ist ein Buch über ein Buch! Jawohl, liebe Leseratten, eine doppelte Versuchung! Einziger Wermutstropfen ist, dass diese neuerliche Kurzgeschichte nur als eBook erhältlich ist und nicht auf raschelndem Papier erscheint. Das tut dem genussvollen Inhalt aber keinen Abbruch, also auf in das nächste Abenteuer von Druide Atticus!

Wir sind zurück in Tempe, Arizona (pre-Hounded, dem ersten Band der Iron Druid Chronicles) und gleich vorweg: es ist nicht empfehlenswert, schon hier mit der Buchreihe einzusteigen, auch wenn es die chronologisch korrekte Abfolge wäre. Wie schon bei Hearnes anderen Kurzgeschichten fehlt es, ohne die Buchreihe nicht wenigstens teilweise schon zu kennen, an Hintergrundwissen beim Leser. Der Autor schreibt hier ganz klar für die Kenner seiner Bücher, nicht für Neueinsteiger.
Kenner der Iron Druid Chronicles werden schnell wieder in die neue Handlung hineingezogen. Das »Grimoire of the Lamb« enthält angeblich bloß ein paar harmlose Rezepte zur Zubereitung von Lamm, und als Atticus es seinerzeit selbst aus der Bibliothek in Alexandria stahl, geschah das doch nur aus Versehen. Komisch bloß, dass ca. zweitausend Jahre nach Atticus’ unrechtmäßigem Erwerb plötzlich ein wenig freundlicher Anhänger des ägyptischen Krokodilgottes derart großes Interesse dafür zeigt und sich das Buch zurück klaut. Schnell ist daher klar, dass es sich bei dem angeblichen Kochbuch in Wahrheit um eine der gefährlichsten Sammlungen blutiger Rituale handelt und Atticus die Verfolgung nach Ägypten aufnehmen muss.
Wie gewohnt geizt Autor Kevin Hearne nicht mit humorvollen Ideen, popkulturellen Zitaten, Anspielungen auf Film und Fernsehen und taucht in den Mythos der Pharaonen und alten ägyptischen Götter ein. Man fühlt sich ein wenig wie im Jäger des verlorenen Schatzes zu Gast, kreuzt die Klingen mit der Mumie, entdeckt Sarkophage, schleicht durch unterirdische Opferkammern und findet blutige Wahrheiten. Außerdem erfahren wir, wie sich eine Horde stalkender Katzen auf lautlosen Pfoten auf die Gesundheit auswirkt. Bücher stehlen zahlt sich ganz offensichtlich nicht aus, vor allem nicht, wenn die einstige Besitzerin Katzengöttin Bast ist und nur zu froh darüber scheint, den diebischen Druiden wieder auf ihrem Jagdgrund zu wissen.
In Grimoire of the Lamb sind eine Menge hin und her gestohlener Bücher im Umlauf, und das sorgt für die ein oder andere zusätzliche Ironie.

Fans der Buchreihe um Atticus O´Sullivan werden Grimoire of the Lamb wieder in vollen Zügen genießen können, obwohl einem die später eingeführten Figuren doch deutlich fehlen. Außerdem scheint Hearne in seinen Kurzgeschichten etwas mehr Freiheiten zu haben als bei den Romanen, vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass Grimoire of the Lamb blutiger, böser und insgesamt weniger »entschärft« wirkt. Wartet man gerade ungeduldig auf die Veröffentlichung des nächsten Bandes, so kommt einem die Kurzgeschichte mehr als recht und sollte nicht auf dem Leseplan ausgespart bleiben.

Cover des Buches "Die Handschrift von Saragossa" von Jan Graf Potocki Im Jahre 1739 macht sich der junge flämische Edelmann Alfons van Woerden, Sohn eines berühmten Fachmanns für Zweikämpfe und Ehrenhändel, auf den Weg, in die Dienste des Königs von Spanien zu treten. In der Sierra Morena wird er Zeuge mysteriöser Ereignisse und trifft auf Vagabunden, maurische Weise, den Ewigen Juden, wirrköpfige Gelehrte, Don Belial de Gehenna, Überlebenskünstler, frühe Mafiosi und zauberkräftige Kabbalisten, die allesamt voller Geschichten stecken. Alfons lauscht fasziniert und verliert sich in dem Labyrinth der Worte, bis er hinter all den Erzählungen die Umrisse einer gewaltigen Verschwörung erblickt, die mit seiner familiären Herkunft verknüpft ist …

Es war ein spanisch geschriebenes Manuskript; ich hatte nur geringe Kenntnisse des Spanischen, dennoch wusste ich genug, um zu begreifen, dass dieses Buch unterhaltsam sein konnte: es handelte von Räubern, Gespenstern, Kabbalisten, und nichts war besser geeignet, mich nach den Strapazen des Feldzuges zu zerstreuen, als die Lektüre eines Romans, der von seltsamen, ungewöhnlichen Dingen berichtet. (Seite 13)

Kann ein solcher Roman echt sein? Schon die Umstände seiner Entstehung erinnern an einen geschickt arrangierten Plot, wie er von Umberto Eco oder einem anderen Meister der Postmoderne nicht kunstvoller hätte erdacht werden können: Jan Graf Potocki (1761 – 1815), polnischer Aristokrat, Geheimrat des Zaren und heimlicher Anhänger der französischen Revolution, las seiner schwer erkrankten Frau aus Tausendundeine Nacht vor. Sie äußerte den Wunsch, mehr solche Geschichten zu hören. Der Graf setzte sich ans Schreibpult und las abends vor, was er geschaffen hatte. Nachdem die Gräfin verschieden war, feilte Potocki so lange an einer Silberkugel herum, die er von einem Samowar (ein Familienerbstück) abgebrochen hatte, bis sie in den Lauf seiner Pistole passte, und erschoss sich.
Wahrheit oder Legende? Wir wissen es nicht, doch es ist anzunehmen, dass Graf Potocki es wie jeder gute Geschichtenerzähler verstand, sich in einen Schleier von Geheimnissen zu hüllen.

Die Abenteuer in der Sierra Morena ist also im Gegensatz zu  Der Name der Rose und ähnlichen Büchern eine wirkliche Handschrift. Zunächst wurden Auszüge veröffentlicht, und einige Kapitel sind nur in einer polnischen Übersetzung erhalten. (Der Graf schrieb französisch.) Erst seit einigen Jahren liegt der Roman komplett vor – das heißt, in der Gestalt, die er zum Todeszeitpunkt des Autors hatte. Die Ausgabe im Haffmans Verlag enthält sämtliche erhaltenen Kapitel, außerdem eine Karte der Sierra Morena, ein Faksimile, einige unveröffentlichte Parallelstellen und umfangreiche Erläuterungen und Anmerkungen.

Es handelt sich um einen klassischen Schachtelroman in der Tradition des Decamerone und der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Im Unterschied zu diesen gewichtigen Vorläufern sind die einzelnen Erzählungen, die die Handschrift ausmachen, allerdings lose miteinander verbunden, wodurch sich eine äußerst komplexe Handlung ergibt. Der Leser läuft Gefahr, sich selbst im Labyrinth der Geschichten zu verlieren, welches er so bereitwillig betreten hat. Nach jeder Biegung, hinter jeder Tür tun sich neue erzählerische Räume auf, hier eine Liebesgeschichte, dort eine Räuberpistole, jenseits einer verborgenen Tür eine fein gesponnene Intrige, in einer finsteren Höhle eine Geistererscheinung. Man kann in diesem Labyrinth Jahre zubringen …

Graf Potocki war ein glühender Bewunderer der Aufklärung. Seine Liebe galt der Slawistik, der er erstmals wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse brachte. Er unternahm mehrere Reisen, förderte die polnische Kultur und verfolgte aufmerksam den Verlauf der französischen Revolution. Dem zeitgenössischen Ideal des Universalgelehrten kam er sehr nahe. All dies eröffnet noch eine weitere, völlig unerwartete Dimension in Potockis gewaltigem Werk: Es handelt sich um nichts geringeres als eine Enzyklopädie der Aufklärung, den Roman einer Epoche. Deismus, Hobbessche Staatsphilosophie, Religionskritik, materialistische Naturbetrachtung, Rationalismus, satirische Bloßlegung des überkommenen aristokratischen Ehrbegriffs – alles legt Potocki seinen Protagonisten in den Mund, wird diskutiert und erläutert. Und das in einer gleichzeitg eleganten und fieberhaft-phantastischen Weise, wie man sie einem trockenen und nüchternen Aufklärer nie zugetraut hätte.

Wer Umberto Eco, Jorge Luis Borges und Patrick Süskind liebt, wird von der Handschrift begeistert sein.

Le peuple turquoise von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

Le niveau de l’eau montait, atteignant maintenant la poitrine des prisonniers des derniers rangs. Les rayons du soleil chauffaient les visages, murmurant des promesses de printemps.
Puis la galère se renversa et Arekh se retrouva sous l’eau.
Chapitre 1

Französische Fantasy steht in dem Ruf, zwar gelungene Comics hervorzubringen, im Romanbereich aber bestenfalls Durchschnittliches zu bieten. Gelegentlich stößt man jedoch auf ein Buch, das einen eines Besseren belehrt –  und das trifft auf Ange Guéros Le peuple turquoise (in deutscher Übersetzung als Rune der Knechtschaft erschienen) voll und ganz zu. Unter dem sonst gemeinsam mit ihrem Mann Gérard genutzten Pseudonym Ange entwirft Anne Guéro das düstere Bild einer von Religiosität und Rassismus ebenso wie von Lebensfreude und Dekadenz geprägten Gesellschaft, die lange die Gefahr verkennt, in der sie schwebt. Das orientalisch inspirierte Tanjor mit seinen Palästen, Städten, grandiosen Landschaften und unterirdischen Gangsystemen ist dabei bis ins Detail liebevoll und plastisch ausgestaltet und von einer Vielzahl glaubhaft geschilderter Ethnien bevölkert, so dass sich wirklich das Gefühl einstellt, Einblicke in eine fremde Welt zu erhaschen, statt es nur mit der Kulisse einer Romanhandlung zu tun zu haben.  Auf allzu viele Fantasyelemente sollte man allerdings nicht hoffen, denn wann immer Übernatürliches ins Spiel zu kommen scheint, sind dem religionskritischen Unterton des Romans gemäß auch ganz profane Erklärungen für die Vorgänge denkbar.

Diese Abwesenheit von Magie mindert jedoch keinesfalls die Faszination des Settings, dessen ausführliche Hervorhebung in dieser Rezension nicht überraschen sollte: Da die ersten zwei Drittel des Buchs ausschließlich aus einer Reiseschilderung bestehen, sind die Handlungsorte, mit denen sich die Protagonisten teilweise durchaus intensiv auseinandersetzen, statt sich nur hindurchzubewegen, für die Atmosphäre weit bestimmender als der eigentliche Plot, der zwar erwartungsgemäß nicht mit Verfolgungsjagden, Kämpfen, Intrigen, Mord und Totschlag geizt, aber nicht den hauptsächlichen Reiz der Geschichte ausmacht.

Denn vor allem lebt dieser erste Band der Trilogie Les Trois Lunes de Tanjor (deutsch: Die Legende von Ayesha) von dem sperrigen Antihelden Arekh, dessen Verurteilung zur Galeerenstrafe durchaus nicht unverdient ist und der auch nach seiner Befreiung immer wieder moralisch ambivalent agiert. Obwohl er also nicht als klassischer Sympathieträger angelegt ist, gelingt Guéro mit ihm die fein beobachtete Charakterstudie eines Menschen, der sich zwar zynisch gibt, unbewusst aber zutiefst von den Moral- und Glaubensvorstellungen der Gesellschaft, in der er lebt, beeinflusst wird. Die philosophischen Rededuelle, die er sich immer wieder mit der idealistischen Marikani liefert, führen in die zunächst recht generisch wirkende Flucht- und Abenteuerhandlung früh die Themen ein, die im weiteren Verlauf der Trilogie an Bedeutung gewinnen: Besonders am Beispiel von Sklaverei und Götterglauben geht es um äußerliche wie innere Abhängigkeit und nicht zuletzt auch um die Frage, inwieweit das persönliche Schicksal von übernatürlichen sowie irdischen Faktoren vorherbestimmt oder aber vom Einzelnen frei zu gestalten ist.

Dementsprechend ist es auch kein Wunder, dass die zahlreichen äußerlichen Bewährungsproben eigentlich fast sekundär sind und vor allem die Folie für die Entwicklung eines nicht unkomplizierten Beziehungsgefüges bilden, in dem Misstrauen, Sympathie und wechselseitige Verpflichtungen sich die Waage halten. Die pessimistische Erkenntnis, dass gemeinsam durchgestandene Widrigkeiten beileibe nicht immer Anlass genug sind, über den eigenen Schatten zu springen, zieht sich dabei fast leitmotivisch durch den Roman und führt als zentrales Element des nachdenklich stimmenden Endes zu den noch weit stärker von einer sehr abgeklärten Weltsicht geprägten Folgebänden hin.

The Pirate's Wish von Cassandra Rose ClarkeAnanna und Naji sitzen noch immer auf der geheimnisvollen Insel fest und sind durch den Fluch aneinander gebunden. Mit Hilfe einer unerwarteten Verbündeten gelingt es ihnen, die Insel schließlich zu verlassen und sich auf die Suche nach Wegen zu machen, die drei unmöglichen Aufgaben zu erfüllen. Die Lage zwischen den beiden ist angespannt und wird nicht leichter, denn beide werden von alten Feinden verfolgt.

– When it comes to dealing with people who think of themselves as important, it’s usually best to keep your mouth shut. –

The Pirate’s Wish setzt The Assassin’s Curse erfolgreich fort und macht vieles noch besser als im Vorgänger. Es gibt noch mehr Piratenatmosphäre, Abenteuer auf See und darunter, Wüstenstädte, Verfolger aus allen Richtungen, unterhaltsame Dialoge und außergewöhnliche Bündnisse. Besonders hervorzuheben neben einer interessant gezeichneten, exotischen Welt, sind die Charaktere.

Ananna ist, mehr noch als Naji, die Hauptfigur dieses Romans und mit ihr kann man den Charakter der jungen, selbstständigen Frau in einem Jugendbuch endlich einmal ernst nehmen. Mit ihren siebzehn Jahren ist sie nicht immer auf der Spur der vernünftigsten Entscheidung, aber wer ist das schon? Die Autorin zeichnet Ananna als selbstbewusste junge Frau, die ihren Zielen treu ist, ungeachtet der Ablenkungen, die ihr auf ihrem Weg begegnen.
Durch den Fluch gebunden, ist die Piratin widerwillig in der Rolle der Damsel in Distress gerutscht, was sie nur hinnimmt, um Naji körperliche Schmerzen zu ersparen, die er jedesmal erfährt, wenn sie sich in Gefahr befindet. Es hält sie jedoch nicht immer davon ab, auch einmal selbst zum Schwert zu greifen oder auf dem Rücken eines Mantikor wie eine wilde Furie in die Schlacht zu reiten. Eine der positiven Eigenschaften von The Pirate’s Wish ist die, dass sich Ananna und Naji ähnlich oft regelmäßig gegenseitig retten und beschützen und beide Stärke beweisen. Naji ist dabei weder ein übertrieben unfehlbar gezeichneter Traumprinz, noch ein mit Muskeln bepackter Schönling, bei dem Frau sofort in die Knie gehen möchte und sich bereitwillig retten lässt. Er hat Schattenseiten, Makel, Gelüste und gegensätzliche Emotionen die er, man mag es “typisch Mann nennen”, eher selten nach außen hin zeigt.
Was die Genderfrage angeht, schafft es Cassandra R. Clarke sehr authentisch wirkende Personen zu schreiben, die weder völlig utopisch erscheinen, noch in die Formen gängiger Klischees gepresst werden. Ananna und Naji wirken wie zwei Menschen von nebenan. Normal. Durchwachsen.
Die wenigen Nebenfiguren bleiben teilweise etwas blass hinter den beiden Hauptfiguren, sind aber solide aufgebaut und verstehen den Leser an den richtigen Stellen zu packen. Sie sorgen für Überraschungen, wenn man es nicht erwartet, und verhindern oft, dass der Roman eine reine Romanze wird.

Womit die Autorin ganz klar einen weiteren Sack voller Sympathiepunkte gewinnt, ist ihr offener Umgang mit der Sexualität ihrer Figuren. Ohne wirklich in Details zu gehen, werden hier Themen angesprochen, die in fast allen anderen Jugendbüchern dieser Tage zugunsten einer altbackenen Prüderie und unerfüllbaren romantischen Vorstellung von Beziehungen vermieden werden. Sex vor der Ehe, Sex mit verschiedenen Partnern im Leben, ja gar die Möglichkeit sexueller Selbstbefriedigung werden ohne falsche Scham angesprochen. Es ist schlicht erfrischend, mal zu lesen, dass beinahe volljährige (oder bereits eindeutig volljährige) Charaktere auch menschliche Eigenschaften, Bedürfnisse und Phantasien haben dürfen, die in der heutigen Zeit ein ganz normaler und gesunder Teil des Erwachsenwerdens sein sollten.
Frau Clarke überschreitet dabei nie die Grenze zum Abstoßenden oder nicht Jugendfreien. Sie erwähnt Möglichkeiten, deutet manches mal mehr, mal weniger an, überlässt die Details jedoch der Phantasie des Lesers und bricht ihre Schilderungen an der entsprechenden Stelle ab. Wer es leid ist, sich andauernd mit den Boyfriend-Issues einer flachen Protagonistin in Nöten und unwirklichen Männerfiguren, die zur Rettung angeeilt kommen, konfrontiert zu sehen, sobald man ein Jugendbuch aufschlägt, der wird von The Pirate’s Wish positiv überrascht. Wenn man Vorbildfiguren suchen sollte, dann lieber Ananna & Naji als Bella & Edward und andere weinerliche Pseudo-Paare.
In The Pirate’s Wish ist die Liebe eine Möglichkeit und eine Entscheidung, aber nicht die einzige Option, für die alles andere unwichtig wird. Wenn einen dieser Roman etwas lehrt, dann, dass alles möglich ist, wenn man bereit ist, Kompromisse einzugehen, um Liebe und persönliche Lebensziele unter ein Dach zu bringen.

The Pirate’s Wish macht von Anfang bis Ende Spaß. Es gibt vielleicht eine Stelle, die etwas mehr Kritik ertragen muss, doch die tut dem Lesegenuss keinen Abbruch. Die Magie bleibt wie in The Assassin’s Curse eher subtil im Hintergrund und das Ende kommt bittersüß, aber sehr passend daher. Entsprechend gibt es für diese Duologie eine klare Leseempfehlung.

Cover von Der Prinz und der Feuervogel von Patricia A. McKillipDer Feuervogel ist ein prächtiges Wesen voller magischer Kräfte. Mit einem Schrei, der so schrecklich ist, daß kein menschliches Ohr ihn erträgt, verwandelt er alles, was ihm in die Quere kommt, in Gold und Edelsteine. Als aber der Mond über den Mauern von Ro Haus aufgeht, verwandelt sich dieser seltsame Vogel in einen jungen Mann, auf dem ein dunkler Fluch lastet. Fast zur selben Zeit stört noch jemand den Frieden von Ro Haus: Ein fremder Magier, der die Gestalt eines weißen Drachen annehmen und die Zeit anhalten kann. Er benötigt einen Schlüssel, der in Ro Haus versteckt gehalten wird, und will ihn unbedingt an sich bringen. Dazu entführt er Meguet, die Wächterin des Jungen Schwans, in seine Heimat, wo unsichtbare Drachen das Land beherrschen.

-“Ja”, flüsterte er. “Der Vogel schreit um Hilfe – er verwandelt seine Schreie in Edelsteine, Gold, in irgend etwas Wertvolles, das ins Auge fällt.” “Woher wußtest du, daß du hier Hilfe finden kannst?” “Der Vogel wußte es.”-
Kapitel 3

Man könnte den Roman Der Prinz und der Feuervogel (The Cygnet and the Firebird) durchaus unabhängig vom ersten Teil des Cygnet-Zyklus Die Zauberin und der Schwan (The Sorceress and the Cygnet) lesen. Die beiden Bände hängen nur relativ lose miteinander zusammen, und man dürfte kaum Verständnisschwierigkeiten haben, wenn man den ersten Band nicht gelesen hat.
Für den Lesegenuß und das Verständnis ist es jedoch besser, die chronologische Reihenfolge einzuhalten.
Die Geschichte wird vom englischen Originaltitel The Cygnet and the Firebird (“Der Junge Schwan und der Feuervogel”) wesentlich besser umrissen, der verwendete deutsche Titel ist etwas irreführend. Die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches ist ebenfalls verdreht und bringt Patricia McKillips poetischen Roman erheblich durcheinander. Genau genommen stimmt eigentlich gar nichts von dem, was da zusammenfassend auf der Buchrückseite vom Verlag geschrieben wurde, und man hat, wie auch beim ersten Teil, das Gefühl, dass dieser Band wohl eher für den Bahnhofsverkauf konzipiert wurde. Diese Ausgabe dürfte auch kaum von einem Lektor mit großem Aufwand nachbearbeitet worden sein, denn es häufen sich auch hier zum Teil gravierende Rechtschreibfehler. Darüber hinaus wurde qualitativ schlechtes Papier verwendet und auch das nicht eben gelungene Cover vervollständigen den Eindruck einer lieblosen Produktion.
So wenig das Äußere dieses Taschenbüchleins zum Schmökern und Lesen einlädt, so schade wäre es, ließe man es sich entgehen:
Die Handlung des zweiten Teils spielt in einem Land, das von seinen Gegebenheiten ein wenig an den vorderen Orient erinnert, und seine magische Natur, die sich vollständig von jener in Ro Holding unterscheidet, ist das zentrale Thema dieses Buches:
Es ist ein Roman voller Exotik, und dem Zauber, den eine Kultur auf einen fremden Besucher ausüben kann, nämlich die des Landes Saphier und der Wüste Luxour, in der immer wieder Schatten von Drachen beobachtet werden. Die geisterhafte Anwesenheit dieser legendären Geschöpfe macht die Luxour zu einem Ort voller traumgleicher, geheimnisvoller Magie.
Patricia McKillip beschreibt das Wesen der Drachen auf eine neue und eigentümliche Weise. Ihre Drachen sind keine “greifbaren” Geschöpfe, wie sie sonst in den Märchen, Sagen und Legenden der Welt vorkommen. Man ahnt hier lange Zeit nur ihre Präsenz, man glaubt zum Beispiel “aus dem Augenwinkel” hier mal eine Flügelspitze zu entdecken oder dort mal ein Auge oder eine Klaue aufblitzen zu sehen. Sie tauchen in den Träumen einiger weniger auf und hinterlassen geheimnisvolle Botschaften. Bei manchen ist es eine unbestimmte Sehnsucht – bei anderen eine namenlose Furcht. Bei McKillip sind sie sehr mächtige magische Wesen, die nicht eindeutig gut oder böse sind, und die sich nicht für die armseligen menschlichen Begierden und Leidenschaften interessieren oder gar benutzen lassen.
Auch das mystisch-mythische Moment der menschlichen Protagonisten bleibt in diesem Teil des Romans erhalten, so dass man die typisch menschlichen Regungen nach wie vor fast vergebens sucht. Viele Figuren bleiben unnahbar und deren Beweggründe für ihre Handlungsweise sind genauso selten wirklich zu verstehen, wie das bei den meisten Figuren des ersten Teils der Fall war.
Patricia McKillip versteht es, ihre Romane so zu schreiben, als erzähle sie einen Traum: Ihre menschlichen Figuren sind meist halb feenhafter Natur mit Fähigkeiten, die weit jenseits unseres alltäglichen Erfahrungshorizontes liegen, und ihre Drachen sind keine unförmigen, häßlichen und grünbeschuppten Ungeheuer. Ihre Drachen sitzen nicht Jungfrauen verspeisend, Feuer spuckend und Angst und Schrecken verbreitend groß und plump auf irgendwelchen unermesslichen Schätzen, sondern sie schafft es mit ihrem magisch-poetischen Stil, sogar solche riesigen und beeindruckenden Wesen wie die Drachen in gleichsam nebelhafte Magie zu verwandeln …

Pyramiden von Terry PratchettTeppic, der Sohn des Königs von Djelibeybi, wird bei der Assassinengilde von Ankh-Morpork ausgebildet. Doch sein Vater stirbt früher als geplant, und so muß Teppic in den anachronistischen Wüstenstaat zurückkehren und König werden, was eigentlich nicht seinem Willen entspricht.
Zum Gedenken seines Vaters (der sich auch immer wieder mal zu Wort meldet) soll die größte Pyramide aller Zeiten gebaut werden, was etliche Architekten, Arbeiter und Bauherren die Nerven kostet. Zu allem Überfluß muß Teppic auch noch feststellen, daß sein Amt ihm nicht gestattet, zu tun, was er will, denn der königliche Tagesablauf und die königlichen Entscheidungen werden maßgeblich vom Hohepriester Dios beeinflußt …

– Nur Sterne, in der Schwärze verstreut – als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne daß sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln. –

Dieses Buch ist besonders für Leser geeignet, die es makaber lieben und sich für Dinge interessieren, die sich ein paar tausend Jahre vor Christi Geburt abgespielt haben.
Es gibt viele Bücher, in denen erzählt wird, wie einem Mörder das Handwerk gelegt wird, wer aber wissen will, wie ein Meuchelmörder sein Handwerk lernt, der muß Pyramiden (Pyramids) lesen. Im ersten Kapitel werden alle möglichen Arten gelehrt, einen Menschen zu inhumieren. Falls Ihnen nicht sofort klar ist, was dieses Wort bedeutet, denken Sie einfach über den Begriff “exhumieren” nach und stellen sich das Gegenteil vor. Genau! Da der größte Teil des Romans im Land der Pyramiden spielt, wird auch ganz exakt geschildert, wie man einen Leichnam zur Mumie macht. Der Einbalsamierer entnimmt die Organe vorzugsweise durch die Nase und verteilt sie in verschiedene Krüge. Sie finden das eklig? Aber nur, weil sie noch nicht gelesen haben, wie der Pharao erwacht und seine Organe eigenhändig wieder einsammelt. Sooooo schlimm ist das alles nun auch wieder nicht. Schließlich handelt es sich um einen Roman von Terry Pratchett und all diese Szenen sind weitaus komischer als gruselig. Selbst wenn ein Heer von Mumien wie in einem drittklassigen Horrorfilm durch das Land zieht ist das nicht so furchterregend, daß man beim Lesen die Augen schließen müßte. Außerdem liefert Pratchett eine urkomische Parodie auf das Bestattergewerbe und witzige Anspielungen auf den trojanischen Krieg, das Alte Testament, die antike Sagenwelt, Cäsar und Kleopatra und einige andere Sachen, die Sie am besten selbst herausfinden. Der Roman hat zwei, drei Längen, die jedoch durch die Komplexität der parodierten Themen mehr als wett gemacht werden.

Rune der Knechtschaft von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

– Die Galeere sank langsam, als täte sie es nur widerwillig. Die Besatzungsmitglieder waren schon in den ersten Minuten getötet worden; dann hatte sich die Schlacht zum Südufer des Sees verlagert, und das Schiff und die Sträflinge blieben ihrem Schicksal überlassen. –
Kapitel 1

Zu Rune der Knechtschaft liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Stimme der Finsternis von Tad Williams und Nina Kiriki HoffmanMasrur al-Adan ist Teil eines Soldatentrupps, der eine Karawane seines Kalifen sicher zu ihrem Ziel geleiten soll – einem benachbarten Fürsten im hohen Norden. Die Route wird als sehr gefährlich und unüberwindbar beschrieben, doch dies und auch ein vernichtender Überfall eines Banditentrupps sind nicht das schlimmste, was den Soldaten auf ihrer Reise bevorsteht. Es heißt, ein fürchterlicher, unbezwingbarer Vampir treibe genau in dem Tal sein Unwesen, durch das die Karawane reisen muss, um an ihr Ziel zu kommen. Bald schon ist ihre einzige Chance zu überleben das Erzählen von Geschichten …

-Der flackernde Schatten, den das Geschöpf an die Bäume warf, schien voller böser Absichten. Ich dachte an all die Dinge, die ich noch nie getan, all die Freuden, die ich noch nie genossen hatte. Dann trat das Wesen näher ans Feuer.-
Kapitel 5

Die Stimme der Finsternis basiert auf Williams‘ erster Kurgeschichte und wurde mit Hilfe von Nina Kiriki Hoffman in eine Novelle ausgestaltet. Hierbei wandelte sich der ursprüngliche Fokus weg vom Monster hin auf die Bedeutung des Erzählens von Geschichten. Etwas, das laut Williams der Kern vieler seiner Bücher ist:
„[…], like a lot of my work, storytelling became what the story itself was about.
Die Stimme der Finsternis ist wie eine Lagerfeuergeschichte aus Tausendundeiner Nacht. Damit ist jedoch nicht nur das Setting gemeint, sondern auch der gesamte Aufbau der Novelle. Innerhalb einer kurzen Rahmenhandlung baut sich die eigentliche Geschichte auf, in der noch einige weitere kurze Erzählungen verschachtelt sind. Erzählungen über Liebe, Trauer, Verlust und Fehlbarkeit, meist gekoppelt mit einer zugrunde liegenden Moral – sie sind der eigentliche Kernpunkt des Werkes, wenngleich sie auch erst im letzten Drittel aufkommen.

Die Figuren sind zum Großteil lediglich Namen mit ein oder zwei zugeordneten Attributen, die sich im Laufe der kurzen Geschichte auch nicht ändern oder weiter entwickeln. Man muss sogar sagen, dass der Vampir hierbei am detailliertesten ausgearbeitet ist. Und dieser gleicht zum Glück keinesfalls der modernen Ausprägung des heimlichen Geliebten.
Aber auf die Figuren per se zielt Die Stimme der Finsternis auch nicht ab. Hier geht es lediglich um Geschichten und Erfahrungen, die eine Person gemacht hat und von denen sie vielleicht sogar geprägt wurde. Das Leben schreibt die schönsten und grausamsten Geschichten, doch so oder so, der Mensch wird geformt von diesen Erfahrungen, zieht in weniger schönen Zeiten Kraft daraus, oder genießt es einfach, seine eigenen Erlebnisse im Kreise seiner Freunde oder Familie weiterzugeben oder einfach nur anderen Geschichten zu lauschen.

Bis auf die Rahmenhandlung ist Die Stimme der Finsternis aus der Ich-Perspektive erzählt, wie es jede gute Lagefeuergeschichte auch sein sollte. Doch die damit einhergehende Problematik eines gewissen Spannungsverlustes hinsichtlich der Hauptperson der jeweiligen Geschichte ist auch hier nicht zu vermeiden. Der Makel ist allerdings definitiv verschmerzbar. Der Weg ist das Ziel – es ist nicht eine Frage darüber, ob das Ziel erreicht wird, sondern wie, und das ist die Reise allemal wert.
Die Stimme der Finsternis ist recht einfach und direkt geschrieben – kein Vergleich zu den ausufernden, blumigen Beschreibungen wie z.B. im Osten-Ard-Zyklus von Williams. Während das in den größeren Reihen gut funktionieren mag, hätten seitenweise Beschreibungen der Umgebung hier eigentlich nur geschadet und die Dringlichkeit der Situation abgeschwächt. So kann man sagen, dass die knapp 160 Seiten wie im Flug vorbei gehen. Eine nette, kurzweilige Geschichte für zwischendurch, mit der man mit den richtigen Erwartungen eigentlich nichts falsch machen kann.

Tor der Verwandlung von Carol BergSeyonne gehörte einst einem Volk aus mächtigen Zauberern und Kämpfern an, doch ist er seit sechzehn Jahren Sklave im Imperium der Derzhi, seiner Kräfte beraubt. Abgestumpft und ohne Hoffnung beginnt er den Dienst bei seinem neuen Herrn Aleksander, dem Kronprinzen der Derzhi, der sich als grausamer und unbedachter junger Mann entpuppt. Doch eines Tages entdeckt Seyonne in ihm mit den Resten seiner früheren Fähigkeiten die Kraft, die Welt zu verändern – und genau dies hat er einst geschworen zu beschützen. Denn die Dämonen, die aus ihrer eisigen Heimat in die Seelen der Menschen eindringen, um sich an menschlichem Leid zu nähren, haben die außergewöhnliche Seele des Prinzen schon entdeckt und trachten danach, sie sich zu Nutzen zu machen.

– Die ezzarischen Propheten sagen, dass die Götter ihre Schlachten in den Seelen der Menschen austragen und dass sie das Schlachtfeld gemäß ihrem Willen neu gestalten, wenn es ihnen nicht gefällt. –
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Zu Das Tor der Verwandlung liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Transformation von Carol BergSeyonne gehörte einst einem Volk aus mächtigen Zauberern und Kämpfern an, doch ist er seit sechzehn Jahren Sklave im Imperium der Derzhi, seiner Kräfte beraubt. Abgestumpft und ohne Hoffnung beginnt er den Dienst bei seinem neuen Herrn Aleksander, dem Kronprinzen der Derzhi, der sich als grausamer und unbedachter junger Mann entpuppt. Doch eines Tages entdeckt Seyonne in ihm mit den Resten seiner früheren Fähigkeiten die Kraft, die Welt zu verändern – und genau dies hat er einst geschworen zu beschützen. Denn die Dämonen, die aus ihrer eisigen Heimat in die Seelen der Menschen eindringen, um sich an menschlichem Leid  zu nähren, haben die außergewöhnliche Seele des Prinzen schon entdeckt und trachten danach, sie sich zu Nutzen zu machen.

-Ezzarian prophets say that the gods fight their battles within the souls of men and that if the deities mislike the battleground, they reshape it according to their will.-
Chapter 1

Dieses ungewöhnliche Erstlingswerk hat viele Stärken, eine davon ist das an klassische Abenteuerromane erinnernde Wüsten-Setting, in dem das Geschehen angesiedelt ist und das Carol Berg auch gut zu nutzen weiß. Jenseits von allen Elfen-und-Zwerge-Stereotypen wird zwar nicht bis ins Kleinste ausgearbeitet, aber stimmig und überzeugend  eine Wüstenkultur dargestellt; nebst dieser alt-orientalisch angehauchten Umgebung spielt noch ein keltisch anmutendes Volk eine Rolle, das aber so eigenständig entwickelt ist, daß die Ursprünge am ehesten noch in der Namensgebung und einer magielastigen Lebenswelt zu finden sind.

Die Darstellung von Magie folgt in Transformation (Das Tor der Verwandlung) ohnehin einem eigenen Konzept – magische Handlungen sind zweckgebunden und streng reglementiert und definieren sich aus kulturellen und mythologischen Mustern (etwa die Waffen des ‘Wächters’, der Seelen vor Dämonen schützt: Spiegel und Silbermesser).
Diese Magie ist Kern der Handlung und folgt damit keinen ausgetretenen Pfaden – der Sklave entpuppt sich weder als heimlicher König noch als formbarer Held,  sondern ist vielmehr längst nicht mehr der Jüngste und benimmt sich auch dementsprechend sklavenhaft, was dem Leser zu Beginn einen sehr desillusionierten Hauptcharakter beschert, der sich mit trockenem Humor mehr schlecht als recht über Wasser hält. Die Geschichte gewinnt aber schnell an Dynamik und Spannung und schaukelt sich zu einem furiosen Finale auf, das von einem stimmigen Schluß abgerundet wird.

Der Protagonist berichtet seine Abenteuer als Ich-Erzähler , und diese Technik beherrscht Carol Berg so gut, daß selbst eingefleischte Verächter dieses Stils hier zugreifen dürfen. Seyonne erweist sich als vielseitig genug, um Einseitigkeit zu vermeiden. Man erlebt die Ereignisse aus erster Hand, ohne daß die üblichen Schwächen des Ich-Erzählers wie unglaubwürdiger Spannungsaufbau ins Gewicht fallen würden. Die Charaktere sind extrem plastisch, die Entwicklungen, die sie durchmachen, glaubhaft – in der Wandlung der Hauptcharaktere liegt die große Stärke der Autorin.
Bleibt nur zu sagen, daß der Band zwar als erster Teil einer  Trilogie fungiert, aber in sich abgeschlossen ist und duchaus als Stand-Alone gelesen werden kann.

Two Serpents Rise von Max GladstoneDie Wüstenmetropole Dresediel Lex ist abhängig von Magie und der Kraft gefallener Götter, um den Durst der Stadt zu stillen. Als Dämonen im Wasserversorgungsreservoir auftauchen, muss Red King Consolidated – ein Unternehmen, das die Funktion der gefallenen Götter ersetzt – herausfinden, ob es sich um einen terroristischen Anschlag handelt oder um einen gewöhnlichen Konkurrenzkampf. Caleb Altemoc, Risk Manager bei RKC und Sohn des letzten Hohepriesters, wird beauftragt herauszufinden, was hinter dem verseuchten Wasser steckt. Was zunächst nach einem einfachen Fall klingt, wird plötzlich zu einer halsbrecherischen Jagd über den Dächern der Stadt.

– A carved black stone altar rose from the center of the roof, large enough to hold a reclining man, or woman, or child. From the iron fence around the altar hung a bronze plaque embossed with a list of dates an victims’ names. –
Book One, Cliff Running

Mit Two Serpents Rise reisen wir erneut in die Welt von Alt Coulumb – dem Handlungsschauplatz in Three Parts Dead – wenn auch nicht zu dessen Charakteren. Autor Max Gladstone bricht mit der gängigen Tradition der meisten Autoren und konzentriert sich in seiner Reihe nicht auf einzelne Figuren, sondern auf die Welt, die er erschaffen hat. In Two Serpents Rise lernen wir daher nicht nur neue Figuren kennen, sondern auch eine gänzlich andere Landschaft und andere Sitten, eben einen anderen Teil von Gladstones vage vertrauter Parallelwelt, die einem ebenso traditionell wie fortschrittlich erscheint.

Dresediel Lex, der Schauplatz dieses Romans, ist anders als Alt Coulumb: eine Stadt, die mitten in der Wüste von Göttern erschaffen und durch Menschenopfer am Leben erhalten wurde. Die beschriebene Architektur und die rituellen Opferungen, die bis zum Sturz der Götter an der Tagesordnung waren, erinnern stark an ein präkolumbisches Vorbild, so dass man als LeserIn unweigerlich die Maya im Sinn hat. Inzwischen sind die Götter abgelöst und Red King Consolidated hat das Sagen. RKC schließt nun als modernes Unternehmen die Lücke, welche die Götter unfreiwillig hinterlassen haben. Keine Menschenopfer, keine persönlichen Verluste mehr, damit die Stadt zu trinken bekommt, sondern moderne Technik und die Magie der Crafter. Man reist entweder per Bus durch die 17-Millionen-Metropole oder, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt, per Opteran. Was ein Opteran ist? Ach, Entomologen werden jetzt glänzende Augen kriegen, denn der Opteran ist ein überdimensional großes Fluginsekt, das einst den Göttern diente und nach deren Fall von den Craftern dressiert und zum Flugtransporter umerzogen wurde. Wer es sich leisten kann, chartert also eines dieser langbeinigen Tierchen, lässt sich von ihm in sechs Arme bzw. Beine schließen und bequem über die Stadt fliegen. Es ist vermutlich eine ebenso geniale wie gruselige Idee, je nachdem, wie sypathisch einem die Krabbler sind …
Außerdem wird der (Welt-)Krieg zwischen Göttern und Menschen in diesem Roman zu einem weniger flüchtigen Ereignis, was im dritten Band Full Fathom Five hoffentlich noch weiter ausgebaut wird.

Die Charaktere in Two Serpents Rise haben auch wieder einiges zu bieten. Humor, Vielschichtigkeit, ernsthafte Gedanken, Ängste und mutige Entscheidungen. Egal ob männlich oder weiblich, die Figuren haben es in sich. Allen voran steht natürlich Hauptfigur Caleb Altemoc, der Sohn des letzten Eagle Knight, des letzten Hohepriesters der alten Götter. Ein junger Mann, dessen Körper von rituellen Narben übersät ist und der ein fester Anhänger der modernen Entwicklung ist. Während sich Vater Temoc auf der Flucht vor dem Gesetz befindet und immer mal wieder terroristische Anschläge gegen RKC verübt, hat sich Sohn Caleb also der modernen Entwicklung verschrieben und arbeitet noch dazu für RKC. Man kann also schon erahnen, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ein angespanntes ist, und auch die immer mal wieder auftauchenden Einblicke in Calebs Vergangenheit vergrößern die Kluft zwischen diesen beiden Menschen, die doch nicht ganz voneinander lassen können. Max Gladstone schafft es, auch in Two Serpents Rise wieder solide Charaktere zu erschaffen, die alle nicht ganz schwarz oder weiß sind. Als LeserIn wird man regelmäßig gezwungen, die eigene Perspektive zu überdenken und sich die Beweggründe und Argumente aller Parteien einzuverleiben. Es gibt keinen eindeutigen Feind in diesem Roman, so wie es keinen eindeutig guten Retter gibt. Alle Beteiligten agieren meist mit guten Absichten und haben nachvollziehbare Argumente, auch wenn manches Ergebnis zu Lasten anderer geht.
Die traditionellen Menschenopfer spielen eine große und wichtige Rolle in Two Serpents Rise, denn sie sind das Kernelement der Gesellschaft, auf der Dresediel Lex beruht. Durch den Wegfall der Götter entstehen spannende Konflikte in der Gemeinschaft und zwischen den vorgestellten Charakteren. Stärker noch als in Three Parts Dead macht der Autor in seinem zweiten Roman auf die sozialen und psychischen Folgen aufmerksam und wirft dabei interessante Fragen auf. Ist der Kapitalismus wirklich besser als das alte Blutopferverfahren, oder ist er letztlich nur eine andere, eine stillere Form des Menschenopfers?

Wer in Three Parts Dead aufgepasst hat, wird sich außerdem an die Erwähnung der unsterblichen Skelettkönige erinnern. Die wenigen Sätze, die ihnen in Three Parts Dead zugestanden wurden, zeichneten ein recht düsteres Bild dieser Kreaturen. Im zweiten Teil nun lernen wir einen dieser Skelettkönige, den Red King Kopil kennen, und man ist zunächst überrascht, wie menschlich er noch immer ist. Anfangs bleibt Kopil nur der Arbeitgeber, der mächtige Vorstand eines Unternehmens, das die Stadt am Leben hält. Gefürchtet von denen, die nur seinen Namen hören. Doch Max Gladstone haucht diesem Skelett nach und nach eine überraschende Vergangenheit ein, eine leidenschaftliche Überzeugung und eine Suche nach Gerechtigkeit. Es sammeln sich kleine Hinweise darauf, was Kopil dazu getrieben hat, sich gegen die Götter zu erheben und ihren Platz einzunehmen, und man fängt an, ihn nur zu gut zu verstehen.

Auch die weiblichen Heldinnen kommen selbstverständlich nicht zu kurz. Was an der Stelle wieder positiv auffällt, ist, wie wünschenswert alle Charaktere miteinander umgehen. Ob es nun um die sexuelle Orientierung geht oder Geschlechterrollen, irgendwie schafft es der Autor, alle ganz selbstverständlich miteinander leben zu lassen, ohne dass sie dabei unecht oder konstruiert wirken oder in traditionelle Klischees gesteckt werden.

Wem Three Parts Dead gefallen hat, dem ist auch Two Serpents Rise zu empfehlen. Zwar ist die sandige Atmosphäre ortsbedingt eine gänzlich andere, wirkt überschaubarer, weniger monolithisch, aber man ist doch eindeutig noch immer in derselben spannenden Welt.

Who Fears Death von Nnedi OkoraforOnyesonwu ist die Außenseitern ihres Dorfes, denn sie ist ein Mischlingskind der beiden verfeindeten Volksgruppen ihrer Heimat, das durch Vergewaltigung entstanden ist und dem Volksglauben nach selbst zur Gewalt neigt. Sie versucht sich mit allen Mitteln in die Dorfgemeinschaft einzufügen, doch ihre Bemühungen sind zum Scheitern verurteilt, weil in ihr obendrein magische Kräfte schlummern: Was damit beginnt, daß sie mit ihrem Gesang Tiere anlocken kann, gipfelt schließlich in der Fähigkeit zum Gestaltwandel und weiterreichenden Kräften. Der Dorfmagier Aro will Onyesonwu trotzdem nicht ausbilden, denn sie ist eine Frau.
Derweil tobt nicht allzu weit entfernt der Krieg weiter, und Onyesonwus brutaler Vater steht im Mittelpunkt …

-My life fell apart when I was sixteen. Papa died. He had such a strong heart, yet he died.-
Chapter 1: My Father’s Face

Who Fears Death, dessen Titel (übrigens die Übersetzung des Namens der Heldin) schon andeutet, daß es sich womöglich um nicht ganz leichte Kost handelt, stellt einen von den ersten Seiten an vor die Herausforderung, daß hier Dinge zusammenkommen, die man in der Regel nicht in einem Roman vereint vorfindet: Erzählt wird eine ganz und gar typische Jugendbuchgeschichte – das Coming of Age, die Initiation in die Welt der Magie, das Finden von Freunden und Feinden und das Kennenlernen der Welt, und schließlich die Queste, bei der mehr als die Ausbildung zum Einsatz kommt und viel auf dem Spiel steht. Das post-apokalyptische und phantastisch-verfremdete Afrika, in dem Who Fears Death angesiedelt ist, wartet allerdings ungeschönt mit ziemlich allen heiklen Themen auf, die im Kontext mit Afrika häufig zur Sprache kommen. Schon die Abstammung der Protagonistin spricht Bände – wer etwas über systematische Vergewaltigungen zur Demoralisierung von ethnischen Gruppen gehört hat, kann sich ungefähr vorstellen, was bei der Lektüre auf ihn oder sie zukommt.
Dieses Thema und viele weitere – Beschneidung von Mädchen, Steinigung, Kindersoldaten und eine Gesellschaft, die vom Mystizismus, aber auch von starken Vorurteilen durchdrungen ist – werden einfühlsam beschrieben, aber weder pathetisch noch reißerisch; sie sind einfach, gehören zur Realität der Protagonistin. Vor allem werden sie, etwa im Falle der Beschneidung, nicht einseitig mahnend und verdammend dargestellt, sondern aus einer Perspektive, die verständlich macht, welche Gründe es für die Beteiligten geben könnte (aber auch diskriminierende und misogyne Aspekte werden keineswegs ausgespart). Je mehr man von Nnedi Okorafors Welt kennenlernt, desto deutlicher wird, daß man nicht nur über “Afrika-Probleme” liest, sondern über die universelle Erfahrung von Diskriminierung und gesellschaftliche Mißstände, über (pseudo-)moralisch legitimierte Gewalt.

Who Fears Death ist ein feministischer Roman, mit einer Heldin, die ganz angry young woman ist, andere ständig vor den Kopf stößt, impulsiv und unerschrocken handelt und gegen einengende Umstände aufbegehrt. Auch dieses Thema wird aus verschiedenen Perspektiven ausgeleuchtet, sei es durch Onyes Freundinnen, die ihre Emanzipation individuell anders (oder gar nicht) vollziehen, sei es durch die feinsinnige Schilderung ihrer großen Liebe, die trotz aller Voraussetzungen, über Diskriminierung und Ungleichheit hinwegzugehen, im Beziehungsalltag (sofern ihnen überhaupt einer gegönnt ist) auf Schwierigkeiten mit der Gleichstellung stößt. An dieser Stelle sollte auch erwähnt werden, daß Körperlichkeit trotz der geschilderten Brutalitäten nicht nur negative Komponenten aufweist, sondern als wichtiger Bestandteil des Soziallebens viel Raum einnimmt.

Als Onyes Sturheit dafür sorgt, daß sie auch als Frau ihre Ausbildung zur Magierin erhält, tritt eine der großen Stärken des Romans hervor: Mythen mischen sich nahtlos mit der harten Realität, die Geisterwelt fließt in den Alltag, ohne grundsätzlich für hochgezogene Augenbrauen zu sorgen – etwa in Form des von allen akzeptierten Versammlungshauses der Ältesten, des Osugbo, das einen starken Eigenwillen besitzt und Besucher mitunter stundenlang herumirren läßt oder gleich wieder ausspuckt.
Gestaltwandel, Geister, die alten Mythen der Wüste und sogar ein afrikanischer Drache tauchen auf, als die Heldenreise Onyesonwus ihren Lauf nimmt, immer mit dem Gefühl, von einer lebenden, vielschichtigen Welt zu lesen und nicht nur puren Exotismus zu bestaunen.
Die Magie deckt dabei die spirituelle und körperliche Ebene ab und arbeitet mit Übertragungen, um beide zu verbinden, wobei sehr erfrischende Effekte zum Einsatz kommen. Spirituelle und kulturelle Begriffe sind größtenteils der Kultur der Igbo entnommen, in der auch die Wurzeln der Autorin liegen.

Achronologische Einschübe stecken Rahmen innerhalb der Erzählung ab, die die Dynamik einer sich immer schneller drehenden Spirale besitzt – Kindheit und Jugend, die die Heldin prägen, werden mit langen ruhigen Passagen erzählt, die trotzdem von Beginn an etwas Zwingendes haben, ihre Ausbildung beschleunigt sich zusehends, und die Queste nimmt als actionreiches, intensives Finale das letzte Stück des Romans ein.
Mit seiner Rahmengeschichte, dem Werdegang der Heldin und der Mythenbildung um die starke und bewußte Ich-Erzählerin, der schillernden Welt mit den realen Problemen und nicht zuletzt Okorafors wunderschönen, teils angemessen knappen und teils lyrischen Sprache ist Who Fears Death tatsächlich so etwas wie ein “afrikanischer” Name des Windes – und eine lohnende, verzaubernde Lektüre, die beim Lesen immer wieder an die Nieren geht.

Ziemlich viele Prinzessinnen von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

Zu Ziemlich viele Prinzessinnen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Zweite Legion von Richard SchwartzHavald und seine Gefährten beschließen, nach den Ereignissen im Wirtshaus Hammerkopf die magischen Tore zu benutzen, um in das legendäre Reich Askir zu reisen, und dort um Hilfe gegen die Invasoren zu bitten. Doch ein seltsamer Wanderer, der im Gasthaus eintrifft, erzählt Havald, daß die Länder, aus denen Askir bestand, inzwischen uneins sind. Trotzdem bekräftigt er Havald in seinem Vorhaben, in Askir vorzusprechen.
Um eines der Tore benutzen zu können, müssen die Gefährten hoch in das eisige Gebirge reisen, wo ihnen etliche Gefahren drohen – denn schon ist der Feind auf ihrer Spur, ohne daß sie es ahnen …
Nach etlichen Strapazen gelangen sie in das Wüstenreich Bessarein und etliche politische Verstrickungen.

-Ich lehnte mich zufrieden in meinen Stuhl zurück, Eberhard, der Wirt des Gasthofs Zum Hammerkopf, hatte sich in der Küche selbst übertroffen, und ich fühlte mich angenehm gesättigt.-
1. Tore und Steine

Nachdem Das Geheimnis von Askir mit Das Erste Horn im Auftakt als eisiges, atmosphärisches Kammerspiel fesseln konnte, geht es nun aus dem beklemmenden Wirthaus für die Gefährtengruppe hinaus in die weite Welt – die Queste, Verstärkung gegen die einfallenden Feinde zu holen, wartet. Und kaum ist man ein Stück weit unterwegs, präsentiert Richard Schwartz ganz gelassen und selbstverständlich einen actionlastigen Universal-Fantasy-Mischmasch, in dem unsere Helden Unterweltpanther, Riesenkakerlaken, Lindwürmer und eine Spinnenkolonie bekämpfen müssen – als wären im Hintergrund die Würfel unter der Prämisse gerollt, nur ja kein Höhlengewürm auszulassen, das man in einer “best of”-Sammlung eines beliebigen Rollenspiels finden könnte.
Daß das Geschnetzel – verglichen mit ähnlichen Werken – tatsächlich leidlich unterhaltsam ist (und nach der ersten ermüdenden Höhlenpartie sogar einigermaßen mitreißend wird), liegt an Schwartz’ unbestreitbarem Erzähltalent: Die Erzählperspektive des alten Recken Havald geht ihm derart gut von der Hand, daß man auch das knietiefe Waten im Klischeesumpf ertragen kann, und der Stil liest sich flüssig und schön (von ein paar Macken wie einer häufig verschusselten Zeitenfolge, wenn in der Vorvergangenheit berichtet wird, einmal abgesehen). Um den jovial vorgetragenen Sexismus, in dem der Erzähler sich häufig ergeht, zu ertragen, muß man allerdings schon mehr als ein Auge zudrücken.

Die einzelnen Kurzkapitelchen machen meistens Spaß, lesen sich locker und flott und lassen Die Zweite Legion zu einer soliden Unterhaltungslektüre werden, doch aus dem Mittelfeld würde die Reihe nur herauskommen, wenn man in den Ideen in Sachen Setting und Handlung endlich einmal Schwartz’ eigene Hand erkennen würde und nicht das Gefühl hätte, alles wäre etwas lieblos aus Versatzstücken zusammengepinselt. Die Handschrift des Autors in Welt und Ideenfindung gehört mit zur eigenen “Poesie” der Fantasy und ist oft Teil des Lesevergnügens – hier leider mehr als blaß umgesetzt.

Und man muß davon ausgehen, daß dies genau so Absicht ist, denn in anderen Gebieten zeigt sich Schwartz durchaus erfinderisch: Kann man die Ansprüche an Weltenbau & Konsorten etwas herunterschrauben, wird man nämlich prächtig von den humorigen Streitigkeiten innerhalb der Gefährtengruppe unterhalten – in diesem Band hat sich Schwartz besonders der spröden Dunkelelfe Zokora angenommen, deren trockener Humor fast in jedem Kapitel Lacher garantiert. Damit präsentiert der Autor seine Helden auf warme und trotz der Klischees eigene Art, so daß man mit den Schwächen Nachsicht üben kann.
Mag auch die Handlung kein Knüller sein, ebensowenig die Welt, aber die Charaktere und ihre Interaktionen sind meistens ein herrlicher, lebendiger Spaß und sorgen für ein kurzweiliges Lesevergnügen.