Während der Kuchen spricht, liest der Krümel

Man kann nur ahnen, was einen Journalisten dazu treibt, einen solchen Artikel zu verfassen: ist es Angst? Neid? Empörung darüber, dass die Klickzahlen auf Youtube die Auflage der FAZ überschreiten?
Schon längst erfahren nicht nur Elfriede Jelinek oder Herta Müller literarisches Lob, denn es ist eine Wendung eingetreten, die dem altehrwürdigen Feuilleton das wohlgehütete Meinungsmonopol aus der Hand reißt: der Leser hat seine Stimme erhoben. Allerorts erschallt die eigene Meinung, und plötzlich sieht sich das Feuilleton mit der Gefahr der Zweitrangigkeit konfrontiert: auf einmal lässt sich der Leser nichts mehr sagen. Er glaubt selbst zu wissen, was ihm gefällt, ohne auf ein fremdes Gut-oder-Böse-Urteil angewiesen zu sein. Welche Aufgabe bleibt da noch dem Feuilleton? Natürlich seine ureigene: den Untergang des Abendlandes einzuläuten.

Der Autor beschwört das Bild des Schmuddellesers herauf und bedient sich sogleich dessen Argumentationsstrategie: inhaltsleere und unreflektierte Phrasen werden aneinandergereiht, und während noch der Leser am Stuhl des Feuilletons sägt, greift der Autor zum letzten Mittel – der Beleidigung. Die entstandene Schmähschrift mit ihren Youporn-Vergleichen und Begriffen wie „Frauenliteratur“ und „Bestsellerschrott“ befindet sich auf dem Niveau, vor dem es dem gemeinen Feuilletonist so graust. Anderorts würde ich sagen: Chapeau für so viel Selbstironie. An dieser Stelle möchte ich es jedoch bei einem profanen „Eigentor“ belassen.

Was nun, neben den Ausdrucksschwächen, ist der Denkfehler des Autors? Graust es uns nicht auch manchmal vor unausgereiften Rezensionen? Haben wir nicht alle Angst vorm Amazonstern?
Der geneigte Leser weiß, dass die Bibliotheka Phantastika seit dem Relaunch mit strengen Qualitätskriterien arbeitet. Sätze wie „Das ist wirklich eine sehr süße Geschichte: es geht um Zeitreisen und natürlich jede Menge Liebe, erste-Liebe-mäßig“ würden den Weg in eine veröffentlichte Rezension nicht finden. Und dabei befinden wir uns schon im schmuddeligsten aller Genres. Weshalb nun können wir beruhigt schlafen, während Reni in ihrem Videoblog Literaturrezensionen verliest?

Die Antwort ist denkbar einfach: der Autor übersieht die enorme Wichtigkeit der Meinungspluralität. Ein 14-jähriges Mädchen in Pubertätswirren will nichts wissen von Lidderadur (eine 22-jährige Linguistikstudentin übrigens auch nicht). Der moderne Leser, egal welchen Alters oder Geschlechts, unterwirft sich nicht der Diktatur des Feuilletons, sondern lebt sein Bücherleben selbstbestimmt. Für eine lebendige Literaturlandschaft braucht es Leser, die eine Kerze am Max-Frisch-Altar im Wohnzimmer anzünden – und Leser, die Edward Cullen auf ihrem Twilight-Poster küssen. Und sie braucht Meinungen, die so vielfältig sind wie der Literaturmarkt selbst.

Nicht zuletzt formt sich im Umgang mit den mannigfaltigen Rezensionsangeboten des Internets auch die Fähigkeit, inhaltsleere Meinungen von inhaltsvollen zu unterscheiden. Das Prinzip der freien Meinungsäußerung ist nicht so verrückt, wie es im ersten Moment klingt. Der Leser braucht keine huldvolle Daseinsberechtigung. Er liest einfach. Probieren Sie es auch mal. Buchdeckel auf, erstes Kapitel. Und jetzt, ganz unter uns: wie fanden Sie’s?

36 Kommentare zu Während der Kuchen spricht, liest der Krümel

  1. sisterdew sagt:

    Chapeau;)

  2. Ivy sagt:

    Meine Güte, ich brauch ja gar nichts mehr zu schreiben. 😉 Sehr schön geworden.

  3. 'Pingback: Steinewerfen im Elfenbeinturm « madamebooks

  4. Elric sagt:

    Wie schon an anderer Stelle beschwert: man kann diesen Artikel nicht kommentieren! Warum nur? Haben die beiden Herren Angst? Kamen schon zu viele Reaktionen? Oder möchte man das “einfach so” stehen lassen und gar keine andere Meinung hören?
    Tja, dann entstehen eben solche Kommentare wie hier und bei Ivy.
    Ihr habt beide Recht! Aber ob die Herren Feuilletonisten überhaupt realisieren, was für einen Humbug sie da geschrieben haben, steht wohl für immer als Frage im Raum!
    Danke Colo und Ivy! 😀

  5. Ivy sagt:

    Ist mir völlig egal, ob die das lesen oder nicht. Aber immer nur die Schnauze halten und achselzuckend weitermachen führt auch zu nichts. Es geht dabei ja auch um die Zukunft von Institutionen wie eines Feuilletons – und die BP ist ja auch eine solche und braucht engagierte Leute.

  6. Sebert sagt:

    Hallo Colophonius,
    danke für diesen Beitrag, und natürlich auch für den FAZ Artikel, der war mir entgangen.
    Da hat bei der FAZ wohl jemand Angst um seine poröse Meinungshoheit. Dazu kommt halt noch die allgemeine deutsche Ablehnung von allen Genres die nicht in den Dünkel der selbstverordneten Hochkultur passen. (Ausnahme: Denis Scheck)

  7. Colophonius sagt:

    @ Elric: Ich nehme nicht an, dass der Autor Interesse an einer Diskussion hat, hätte er nicht sonst wenigstens die Kommentare zu seinem Artikel losgelassen? Aber auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass meine Antwort sie nicht im mindesten juckt, sollte man trotzdem darauf reagieren, wie Ivy schon geschrieben hat. Nicht-sagen wird allzu oft als Zustimmung gewertet. 😉

    @ Sebert: Sehr gern. Ja, genau dieses Gefühl habe ich auch: da spukt die elitäre Angst in den Köpfen der Feuilletonisten.

  8. molosovsky sagt:

    Ich weiß nicht, was an dem Gespräch zwischen Harun Maye und Oliver Jung nun sooo schlimm sein soll.

  9. Colophonius sagt:

    Dann frage ich dich: was haben handfeste Diffamierungen und solch hanebüchenen Argumenationsversuche in einer renommierten Tageszeitung verloren (die nicht die BILD ist)? Das oben verlinkte als “gelungene Provokation” o.ä. abzutun, spielt solchem elitären Gehabe nur in die Hand.
    Als Rezensions-Schaffende finde ich es wichtig, die eigene Bücher-Zielgruppe zu vertreten und mir ist es wichtig, auf Buchperlen abseits des “Mainstreams” hinzuweisen; den Blick jedoch so einzuschränken und allem, was vom eigenen Dünkel abweicht, mit Häme und Verachtung zu begegnen, ist der völlig falsche Weg, um seinen eigenen Standpunkt zu festigen.

  10. molosovsky sagt:

    Ich finde nicht, dass die ollen Herren ›handfeste Diffamierungen‹ austeilen. In der Sprache der kritischen Theorie, bzw. der Warenfetish- und Konsumindustrie-Kritik beschreiben die Herren schlicht, was sie sehen und halten von VBloggerinen wie der Reni (die ja auch nur ab und zu Bücher *rezensiert* und sich eigentlich eher um Style- und Beauty-Tips kümmert und durchgibt, welche Esprit-Schnäppchen es grad gibt).

    Dünkel sind wohl auf beiden Seiten zu finden, wenn, wie Du schreibst, sich weder 14jährige Mädchen noch 22jährige Linguistigstudentinnnen für › Lidderadur‹ interessieren.

  11. Colophonius sagt:

    Die Youporn-Anspielung ist in meinen Augen eine Diffamierung. Was soll diese Verachtung, die, pardon, auch bei dir durchklingt?
    Ich kann übrigens mit der Kosmetikindustrie und Schminktipp-Videos ebensowenig anfangen, wie du. Doch diese bequemen Pauschalurteile nutzen wirklich keinem was. Was genau sagt es aus, dass Reni eine Lippenstiftsammlung hat? Ja, was?

    Jeder hat das Recht, mit manchen Sachen nix am Hut zu haben. Ich liebe viele Bücher, aber nicht “Lidderadur” oder “Fantasy” in ihrer Gesamt- oder Gar-nicht-heit, sondern Werke nach meinem Geschmack, mein ganz eigenes Leseuniversum eben. Oh ja, da ist auch ‘ne Menge dabei, was unter “Lidderadur” läuft, aber die Schublade und das Auftreten ihrer Vertreter behagt mir nicht. Wie immer macht der Ton die Musik.

  12. Peter sagt:

    Auch ich kann die Aufregung um diesen FAZ-Artikel nicht so ganz nachvollziehen. Die Verachtung für den (weiblichen) >PöbelLiteraturthorieTheorienGebildetenEingeweihten< zu dienen haben.

  13. TeichDragon sagt:

    Ähhh… wie bitte?
    Kann der Autor dieses Eintrag mal den Satz erklären/ergänzen/erläutern?

  14. Elric sagt:

    @Peter und Molo:
    Habt ihr das wirklich richtig gelesen?
    Habt ihr ganz am Anfang auch das verpasst:
    “Man muss akzeptieren, dass Literaturkritik heute so klingt: „Das ist wirklich eine sehr süße Geschichte: es geht um Zeitreisen und natürlich jede Menge Liebe, erste-Liebe-mäßig“ oder „Da ist übrigens ein sehr süßes Zitat im dritten Band, das ich Euch gerne vorlesen möchte: Für alle Marzipanherzen-Mädchen dieser Welt – und ich meine wirklich alle Mädchen. Es fühlt sich nämlich immer gleich an, egal ob man 14 Jahre alt ist oder 41.“ Oder auch: „Und dann stand da auch so eine total schöne Textstelle, so von wegen Edwards Hände wären nicht mehr beschützend, sondern hindernd.“ ”

    Gerade bei dir, Molo, müsste das doch aufstoßen?! Du schreibst selbst Rezis. Und die Herren behaupten, dass nur sie richtig Rezis schreiben können – also auch nur ihre Meinung fundiert ist! Jedenfalls kommt ein solcher Artikel bei mir so an! Dass ich darüber lachen kann, liegt daran, dass die Autoren bei mir wie zwei alte Herren ankommen, die lästern, dass früher (als sie das noch machten) alles besser war.

  15. Anubis sagt:

    Das Gespräch wird ja durch seine Bezugnahme auf die Kritische Theorie immerhin interessant. Trotzdem sehe ich darin nichts als Dünkel:

    „Alles, was man einmal als ästhetische Ideologie oder den Warencharakter der Literatur bezeichnet hat, wird ganz unbefangen gepriesen. Natürlich nicht aus einer theoretisch avancierten Einsicht, sondern aus Unbedarftheit.“

    Das scheint mir der Schlüsselsatz zu sein. Man darf durchaus den Warencharakter der Literatur preisen, man muss es aber aus theoretisch avancierter Einsicht tun. Dann gehört man nämlich zu den brusttoupierten Goldkettenträgern in Literaturkritik und Medientheorie, so à la Norbert Bolz. Nur aus Unbedarftheit darf man es nicht tun, denn damit könnte ja jede (sic) kommen…

  16. Stephan sagt:

    Die Furcht der Fische vor dem Land (Silly, Alles Rot)…

    “Die Doktrin bindet die Individuen an bestimmte Aussagetypen und verbietet ihnen folglich alle anderen; aber sie bedient sich auch gewisser Aussagetypen um die Individuen miteinander zu verbinden und sie dadurch von anderen abzugrenzen. Die Doktrin führt eine zweifache Unterwerfung herbei: die Unterwerfung der sprechenden Subjekte unter die Diskurse und die Unterwerfung der Diskurse unter die Gruppe der sprechenden Individuen.” M. Foucault, Die Ordnung des Diskurses, München 2007; S.29

    Und ich kann den Artikel doch kommentieren! Ha!

  17. molosovsky sagt:

    @Elric:
    Ich wäre nie auf die Idee gekommen, die Rezis von Reni für die »Hallo Ihr Schönheiten«-Zielgruppe mit den meinen zu vergleichen. Mich wundert ja schon die Solidarisierung von Colo, bzw., dass Colo einen Bezug zwischen BibPhant und VBlogger-Rezis a la Reni herstellt.

  18. Elric sagt:

    @Molo: nun, genau diese Verbindung schlägt aber doch der Verfasser des Artikels selbst, in dem er verallgemeinert, dass “alle im Internet” jetzt ihre Meinung kundtun können und das eben nicht so können wie er selbst – also nicht so wie sich das gehört. Ich sehe darin sehr wohl eine Einbeziehung von BP, von seriösen Bloggern und eben auch von Reni… Deswegen kann ich die Entrüstung sehr gut verstehen.
    Das dürfte so das Problem an der Sache sein: man kann das Ganze so lesen, dass vielleicht “nur” Reni und Ihresgleichen angegriffen werden – oder halt alle. Und so kommt es bei mir an, weil eben doch zu viele allgemeine Phrasen eingefügt wurden.

  19. Colophonius sagt:

    Ich weiß nicht genau, welchen Bezug du meinst, Molo, außer den, dass sowohl die BP, als auch Reni, Literaturezensionen im Internet veröffentlichen (was tatsächlich der gemeinsame Teiler ist, auch mit dir). Der Artikel richtet sich gegen das Gros, was es wagt, ebendieses zu tun.
    Aber selbst wenn “nur” Reni & Co. angegriffen werden, verstehe ich die Verwunderung über meine “Solidarisierung” nicht. Wie ich schon dargelegt hatte, sehe ich den Atrikel als üble Beleidigung, der eine Menge Spitzen in alle Richtungen verschießt. Den angeschlagenen Ton, der von der FAZ augenscheinlich geduldet wird oder erwünscht ist, finde ich inakzeptabel – die Annahme, dass die Diffamierung der jungen Dame akzeptabel ist, weil sie “nunmal so ist und sich schminkt” jedoch ebenso. Seit wann ist ein solcher Ton denn gesellschaftsfähig? Das ist Privatfernsehnniveau im Printbereich.

  20. molosovsky sagt:

    Die F.A.Z. hat zwar bekannterweise eine Schlagseite, wenn es um gewisse Internetentwicklungen geht, ich selbst kann dem Gespräch zwischen Junge und Haye iGuG aber eher zustimmen, als Übles daran zu finden.

    Colo, Du empörst Dich über die Youporn-Vergleiche, dabei wird ja gesagt, dass es bei den Mädels eben nicht aussieht, wie bei Youporn-Personæ, sondern wie bei Bronte-Schwestern, Marlitt und S. Meyer.

    Dann: ich finde es seltsam, dass man gewissen Schrott nicht als solchen bezeichnen darf. Ich selbst habe mich u.a. mit Dan Brown- oder Marian Keyes-Büchern vergnügt, käme aber nie auf die Idee mich zu empören, wenn man deren Produkte berechtigterweise als Bestsellerlistenschrott und Frauenliteratur diffamieren würde.

    Meinungsvielfalt ist gut und schön, die ändert aber nichts daran, dass es unterschiedliche Arten von Literatur gibt, unterschiedliche Lesehaltungen, unterschiedliche Arten, mit Texten umzugehen. Und so wie es richtige und falsche Verwendung von Schusswaffen gibt, gibt es auch (eher) richtigen und (eher) falschen Umgang mit (Unterhaltungs-)Literatur. Und Reni ist nun mal ein durchaus passendes Beispiel für kritische Thesen über die Dominanz von Trend, Mode, von Wellness auf dem Gebiet der Literatur, auf dem dann Sprache und vernünftiger Konstruktion nur noch mindere Bedeutung inne haben, vielmehr nun Visiotypen und Impulsgesten als wichtig gelten.

    Natürlich finde ich, dass die großen ›Qualitätsmedien‹, vor allem die überregionalen Tages- und Wochenzeitungen noch viel aufholen können, wenn es darum geht, aufzuhören bestimmte Nischenliteratur zu bevorzugen, bzw. Gescheiteres über Genre-Literatur (außerhalb des Krimi- und Thrillerbereiches) zu schreiben.

    Vergessen wird von Colo auch, dass die beiden Herren sich am Ende auch kritisch mit den Medienstrukturen als ganzes auseinandersetzten (Frage von Jung: Wer ist denn schuld? Die Medien? — Antwort von Haye: Schuld ist man immer selbst.)

    Wenn es etwas gibt, was mich an dem Text ärgert, dann die Gedrängtheit, mit der nach diesem Schuldeingestädnis dann der eigentlich interessante Hintergrund nur schnell mal angerissen wird. Aber man kann nicht immer alles haben, was man will. — Ausführlicheres in brillanter Form zu dem Themenkomplex kann man in dem fulminanten und enorm erhellendem Werk »Blödmaschinen – Die Fabrikation von Stupidität« von Markus Metz und Georg Seeßlen nachlesen.

  21. Wulfila sagt:

    Und so wie es richtige und falsche Verwendung von Schusswaffen gibt, gibt es auch (eher) richtigen und (eher) falschen Umgang mit (Unterhaltungs-)Literatur.

    Abgesehen davon, dass ich den Vergleich zwischen Schusswaffen und Literatur nun arg weit hergeholt finde, erscheint mir an der Aussage über den “richtigen” und “falschen” Umgang mit Literatur eines problematisch: Er impliziert, dass es im Umgang mit Literatur eine objektive Deutungshoheit gibt, und dahinter möchte ich dann doch lieber ein Fragezeichen setzen.

    Natürlich ist es, sobald man selbst über ein gewisses Maß an Bildung verfügt, leicht (und irgendwo auch verführerisch), in eine gewisse intellektuelle Arroganz zu verfallen und tatsächlich oder vermeintlich naivere Arten, sich Literatur zu nähern, zu belächeln. Aber ob es deshalb auch immer gleich gerechtfertigt ist?

  22. gero sagt:

    @ Wulfila:

    Aber darum geht es in diesem Spiel doch immer: um die Deutungshoheit. Und wenn jemand wie molo/Alex diese Deutungshoheit einem Feuilletonario wie dem Medienphilosophen (gute Güte, geht’s vielleicht noch ein bisschen kugelfischiger?) Harun Maye zugesteht – tja, dann hat der Harun eben auch recht.

    Ich hingegen finde es reichlich armselig, dass jemand, der sich als Medienphilosoph bezeichnet, diese billige Art der Attacke wählt und sich ein Zielobjekt sucht, das nach seinen eigenen Kriterien vermutlich weit, weit unter ihm steht. Dass der Harun dann noch den Oliver (der – @ molo – übrigens Jungen und nicht Jung heißt) als Stichwortgeber braucht und dass er in einem auf Interaktivität ausgerichteten Medium die Kommentarfunktion ausschaltet (weil er vermutlich gar nicht interagieren, sondern sich nur darstellen will) – tja, das zeigt mir mal wieder, warum ich sowohl viele Feuilletonisten als auch so manche Dauerbewohner universitärer Biotope nur noch als Karikaturen ihrer selbst betrachten kann.

  23. molosovsky sagt:

    Auf das Deutungshoheitsgerangel lässt sich die ganze Problematik »Feuilletonmados & Medien-Experten versus unbedarfte VBloggerei« unter anderem zusammendampfen. Obwohl ich es selbst oftmals nur noch händeringend zur Kenntnis nehmen kann, wenn Feuilleton und akademischer Betrieb in Sachen z.B. Populärliteratur wieder mal nur mit Ungeschick hantieren, komme ich nicht umhin, nach dem Gucken einiger Reni-Youtube-Beiträge zu Literatur und Film (»Black Swan«) eher den beiden ollen Herren aus der Arroganz-Loge zuzustimmen. Vielleicht liegt das aber weniger an meinem mehr als latenten Kultur-Elitarismus als vielmehr meiner Frauenfeindlichkeit (was einen bestimmten Püppie-Frauentyp angeht).

    Schande über mich.

  24. Fremdling sagt:

    Jetzt doch noch ein paar Fragen von mir: Wer hat sich eigentlich schonmal gefragt, warum hier explizit nur Vloggerinnen angesprochen werden? Machen Männer keine Vlogs zu Büchern/Filmen/whatever? Sind die alle hochgeistig und literaturkritisch lupenrein?

    Warum wird die Kritik am Inhalt der Vlogs so eng gekoppelt mit dem Äußeren der Damen? (Bzw. warum beschreiben die Herren nicht mal, wie sie so ausschauen und wie der Interviewraum gestaltet war?)
    Und damit zusammenhängend (aber nachgereicht, weil beim ersten Mal vergessen): Was soll der Hinweis auf ihre Schminktipps? In welcher Hinsicht disqualifiziert es eine Frau literaturtechnisch, dass sie sich gut schminken kann? (Man bedenke bitte auf welch grundlegendem Niveau die Gesellschaft die Veränderung des weiblichen Äußeren quasi vorschreibt und wie wenig Gestaltungsraum Frauen in dieser Hinsicht haben bzw. wie viel Mut es erfordert aus diesen Normen auszubrechen.)

    Wird hier von einem Medienphilosoph die Bedeutung des Mediums ignoriert? (Obwohl er eh mit McLuhan daherkommt.) Ist ein Vlog notwendigerweise anders gestaltet als ein Feuilleton in einer renommierten Zeitung? (Auch unter dem Aspekt, was die KonsumentInnen von dem jeweiligen Medium erwarten – wie viele klassische FAZ-LeserInnen würden die FAZ noch lesen, wenn Herr Maye seine Überlegungen in einem FAZ-Vlog dementsprechend präsentiert hätte?)

    Und Anmerkungen: Ich finde den Begriff “Frauenliteratur” a) unreflektiert und b) grauenhaft, das ist ein selbst-reproduzierendes Schema und mal prinzipiell zu hinterfragen. Aber als Mann kann sich der Herr Medienphilosoph ja leicht von der “Frauenliteratur” distanzieren, schließlich liegt sie ihm schon aufgrund der Bezeichnung fern.
    @ Molo spezifisch: Gerade weil er seinen youporn-Vergleich dann selbst verneint, ist die Frage mehr als berechtigt, warum er dann überhaupt gemacht wird? Frau im Internet = Porno? Dass der ganze Satz rhetorisch an diesem – warum auch immer gesetzten – Namen/Wort hängt, ist unabhängig von der Verneinung ganz klar ersichtlich.

  25. Anubis sagt:

    »Gerade weil er seinen youporn-Vergleich dann selbst verneint, ist die Frage mehr als berechtigt, warum er dann überhaupt gemacht wird? Frau im Internet = Porno? Dass der ganze Satz rhetorisch an diesem – warum auch immer gesetzten – Namen/Wort hängt, ist unabhängig von der Verneinung ganz klar ersichtlich.«

    Ganz genau. Wenn ich so etwas sage wie »Letztens war ich zum ersten Mal bei Dietrich zu Hause, und stell dir vor, es sieht bei ihm gar nicht so asozial aus« ist das ja wohl eine kaum zu missverstehende Diffamierung.

  26. molosovsky sagt:

    Das kommt darauf an. Hier haben selbst einige Stimmen davon gesprochen, wie das (dumme) Gerede der Öffentlichkeit, der Medien, der Rollenbildbestimmer und Verkäufer es Frauen schwer machen, eine eigene Person zu sein und als solche aufzutreten. Wenn junge Frauen im Internet sich stark mit Schinke auseinandersetzen, sich peinsam um ihr Äußeres sorgen und dabei aus ihrem Wohnzimmer etwas anpreisen, kommen viele auf den Gedanken, dass es sich dabei um etwas wie Youporn handeln könnte (und eben nicht nur um ›langweiligen‹ Bücherkram). — Insofern leistet ein Artikel wie der hier angeprangerte sogar gute Aufklärungsarbeit (hört Ihr meinen leisen Spott?), denn unter der ›typischen F.A.Z.‹-Leserschaft (sprich: konservative, neophobe Dolme) sind vermutlich einige, die mit Internet nur Kinderporno, Porno, Datendiebstahl und Kriminalität assoziieren.

  27. gero sagt:

    Zitat molo: “Wenn junge Frauen im Internet sich stark mit Schinke auseinandersetzen, sich peinsam um ihr Äußeres sorgen und dabei aus ihrem Wohnzimmer etwas anpreisen, kommen viele auf den Gedanken, dass es sich dabei um etwas wie Youporn handeln könnte (und eben nicht nur um ›langweiligen‹ Bücherkram).”

    Ach ja? Tun das tatsächlich “viele”? Und diese “vielen”, die klärt der Harun jetzt auf?

    Ich finde es schade, Alex, dass du meinst, die Diskussion jetzt ins Lächerliche ziehen zu müssen. Aber sei’s drum. (Den Eimer Schande kann ich allerdings erst zum nächsten BuCon mitbringen.)

  28. molosovsky sagt:

    Ich muss und will nichts ins Lächerliche ziehen (bis auf den extra ausgeschilderten leisen Spott oben), sondern darauf hinweisen, dass es noch andere Lesarten für den beanstandeten Text gibt, außer der, ihn einfach nur diskriminierend zu finden.

  29. TeichDragon sagt:

    Echt Molo, ne…

    Ich weiss sowieso nicht, warum Du da halb auf Seite der FAZ stehst.
    Da ist ein (in meinen Augen) verdammt junges Mädel, das sich wahrscheinlich nicht ernsthaft mit Literatur und Literaturkritik auseinander setzt. Sondern das einfach und (scheinbar) ehrlich einfach drauflos erzählt, warum ihr dieses oder jenes gutes Buch gefallen hat oder auch nicht.

    Ganz Deutschland jault darüber, das die Jugend nicht mehr liest.
    Und dann kommt dieser Mensch von der FAZ daher und kanzelt die junge Dame (und de facto 100% der restlichen VLogger) mit einem Artikel ab, der einfach unter aller Kanone ist.

    Das ist es, was MICH so richtig auf die Palme bringt.
    Mit Wortspielereien (der Youtube-Hinweis) der so unter der Gürtellinie ist, und der letzte Absatz bringt meinen Blutdruck dann richtig zum kochen:

    Zitat “Da sieht man an jedem Detail der Sprache, der Klamotten und des Zimmers das gute Elternhaus, in dem sie behütet aufgewachsen ist, das ist einfach faszinierend unsympathisch. Ein Satz wie „Hallo Schönheiten“ oder „Hallo Ihr Lieben“ eröffnet eine endlose Tour de Force durch ihre Lippenstiftsammlung, Lieblingslacke im Herbst und Lieblingsbücher. Nebenbei studiert sie noch irgendwas.

    Wahrscheinlich ist der Typ schon als Professor aus dem Mutterbauch gepurzelt und hat mit 12 Jahren nur mit mindestens 20 Fremdwörtern pro Satz geredet und Kant, Nietzsche und Voltaire studiert.
    *Kopf -> Wand*

  30. molosovsky sagt:

    Reni ist 1989er-Jahrgang und zusammen mit drei anderen Schönheiten Betreiberin der Schminkratgeber-Website »Frag die Gurus« (richtig mit GmbH & Co. KG). Der youtube-Kanal von Reni erfreut sich über 70.000 Abos. Geh ich also mal davon aus, dass sie macht was sie will und auch weiß, was sie macht.

    Bin inzwischen auf den Hauptdenkfehler des F.A.Z.-Artikels gekommen: Was Reni liefert, ist eben keine Literaturkritik, sondern zielgruppengerechtes Produktplacement.

  31. gero sagt:

    Äh … das fällt dir jetzt erst auf? Und du meinst, der Herr Medienphilosoph hat das überhaupt nicht gemerkt?

    Ups.

  32. molosovsky sagt:

    Dann rennt aber die Kritik am F.A.Z.-Text in die falsche Richtung.

    Was mir gegen den Strich geht, ist die Degradierung von Literatur zu einem reinen Lifestyle-Produkt. (Aus dem Grund fühle ich mich auch mit der ganzen Karnevalisierung von Phantastik nicht so richtig wohl.)

  33. TeichDragon sagt:

    Da frage ich mich gerade, ob für den Hr. Lidderraddurr-Kritiker “echte” Literatur nicht auch nur Lifestyle-Produkte sind.
    Nur auf einer anderen Ebene. 🙂
    Die man nur in elitären Kreisen kennt.

  34. 'Pingback: Es lebe die Laienkritik! Wider das Qualitätsjournaillengejammer! | Fandom Observer

  35. Anubis sagt:

    Nach anfänglichem Unwillen nun auch von mir noch ein Krümel: „Die Vlogs und der Zauberstab“.

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