Das verlorene Land

Cover von Das verlorene Land von Michael A. StackpoleDas Land der Neun Dynastien wurde vor über 700 Jahren von einem magischen Kataklysmus verwüstet und erholt sich erst langsam davon. In Nalenyr leben die Brüder Keles und Jorim, beide gehören zur Anturasi-Familie, durch besondere Fähigkeiten in der Kartografie die mächtigste Familie neben dem Prinzdynasten Cyron. Eigentlich könnten sie ein angenehmes Leben führen, wäre da nicht Qiro, ihr Großvater, der seine Stellung als Oberhaupt der Familie behaupten will und seine Enkel deswegen auf gefährliche Missionen nach Osten und nach Westen schickt, wo noch immer wilde Magie tobt. Gleichzeitig hofft Prinz Cyron auf neue Handelswege, deren Reichtümer Nalenyr vor den expansionsfreudigen Nachbardynastien schützen sollen.

-»Falls ihr immer noch kämpfen wollt, nennt eure Bedingungen.«
Ich hab keine Angst vor euch.« Pavyntis braune Augen wurden schmal. »Natürlich bis zum Tod.«
Moraven nickt. »Zeichnet den Kreis.«-
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Der seitenstarke Auftakt des neuen Zyklus von Michael Stackpole platzt zwar nicht gerade vor Spannung, beweist aber, dass der Zyklus durchaus Potential hat und sich einiges daraus entwickeln kann. Besonders das Ende beinhaltet einige gemeine Cliffhanger, die einen neugierig auf den nächsten Teil machen. Aber erstmal zu diesem Buch:
Das schwierige an Auftaktbänden ist natürlich, dass der Leser in eine völlig fremde Welt eingeführt wird und sich zurechtfinden muss. Aber gerade da macht es uns der Autor nicht sonderlich einfach. Schon im ersten Kapitel wird man mit fremden Bezeichnungen überhäuft, ohne irgendeine Erklärung zu erhalten. Im Laufe des Buches erhält man zwar ansatzweise ein paar Erläuterungen, aber diese Hilfe kommt spärlich und spät. Besonders Anfänger dürften bei Wörtern wie Xidantzu, Pavynti Syolsar und Ummummorar schnell die Lust am Weiterlesen verlieren. Aber keine Sorge, mit etwas Geduld durchschaut man auch diesen Wirrwarr an Wörtern und kann relativ unbeschwert der Handlung folgen.
Diese ist, wie bereits geschrieben, nicht gerade die pure Spannung. Eher langsam und bedächtig steigt die Spannungskurve bis zum Ende hin an und fesselt erst auf den letzten Seiten richtig. Schade nur, dass man dann auf den nächsten Band warten muss. Außerdem erkennt man einige “ausgeliehene” Ideen anderer Geschichten und Mythen. So entspringt etwa die Idee der Kaiserin, die eines Tages wiederkommen wird, um ihr Volk gegen Feinde zu verteidigen, eindeutig der Artus-Sage.

Zwischendrin gibt es dafür jede Menge Intrigen und Mordkomplotte, die zwar einen detaillierteren Blick auf die Welt und die Dynastien erlauben, aber dafür recht umständlich und vor allem langatmig geschrieben wurden. Dennoch muss man Stackpole für die Komplexität der Welt Respekt zollen, alles ist gut durchdacht und ausgearbeitet. Würde man nur besser in die Welt eingeführt werden, könnte man diesen Aspekt des Buches vielleicht mehr Beachtung schenken. Doch genau wie etwa bei Steven Erikson geschieht das zu wenig, sodass der Leser eher außen vorbleibt, anstatt sich in die Welt hineinversetzen zu können. Geübte Leser werden dabei allerdings nicht so große Probleme haben wie Fantasyneulinge.
Bei den Charakteren jedoch gab sich Stackpole größte Mühe, und das merkt man auch. Die Personen sind vielschichtig und lebendig dargestellt, jede hat ihre Vergangenheit. Besonders Qiro als tragischste Person fällt dabei ins Auge. Bei Nebencharakteren lässt diese Sorgfalt etwas nach, etwa wenn die “Mutter der Schatten”, eine alte Frau im Dienste des Prinzdynasten von Deseirion, immer nur ans Töten denkt und der Prinz sie jedes Mal davon abhalten muss, jeden Feind persönlich aus dem Weg zu räumen.
Insofern verspricht das Anfangsbuch des Zyklus mehr für die kommenden Bände, hoffentlich können diese die Versprechen auch halten.

Stand: 27. Oktober 2012
Originaltitel: A Secret Atlas
Erscheinungsjahr: USA 2004, D 2005
Verlag: Heyne
Übersetzung: Reinhold H. Mai
ISBN: 3-453-53018-7
Seitenzahl: 736