Matthew Woodring Stover

portraitiert von mistkaeferl

Im Buchladen begegnet man Matthew Woodring Stover (*29. 1. 1962, USA) noch am ehesten bei den Romanen zu Kino- oder Spiele-Franchises, da er – wie man annehmen darf, teilweise zum Brötchenverdienen – Geschichten im Star Wars-Universum, für Magic – The Gathering und God of War veröffentlicht hat. Vor allem die gegenüber dem Film geradezu vorteilhafte Romanfassung von Episode III: Revenge of the Sith sticht hervor, und Stover bringt auch in derart festgefügte Settings eigene Schwerpunkte und Plotstrukturen ein, etwa ein weniger klares Gut-Böse-Schema, was gerade im ideologisch stark aufgeladenen Star Wars-Kosmos zu sehr gespaltenen Lesermeinungen geführt hat.

Stovers Roman-Debut erfolgte schon ein paar Jahre zuvor mit Iron Dawn nach einem Studium und einigen Jobs, bei denen er unter anderem Theater- und Bühnenerfahrung sammeln konnte. Der mit Jericho Moon fortgesetzte Zyklus  um die weitgereiste Piktin Barra, die sich einige Jahre nach dem trojanischen Krieg mit ihren Kumpanen in Kleinasien und dem Mittelmeerraum für zwielichtige Aufträge anheuern lässt, ist aus einer Rollenspielrunde entstanden: Barra war der Charakter von Stovers damaliger Frau. Dementsprechend stehen Action und Gruppendynamik im Vordergrund, allerdings nimmt Stover hier bereits Anleihen aus dem Horrorgenre und zeigt sein Talent für brutale, aber überzeugende Actionszenen, das er in seinen späteren Romanen noch vervollkommnen sollte. Das Eisenzeit-Setting mit den vielen Anspielungen auf historisch-mythische Ereignisse ist sicher auch Stovers Begeisterung für klassische Epen, insbesondere Homers Ilias, geschuldet, mit denen er während seines Studiums in Berührung kam.
Die Abenteuer von Barra haben bisher nach zwei abgeschlossenen Einzelbänden ein Ende gefunden, aber obwohl Stover noch einige Ideen in der Schublade hätte, liegt die Reihe seit Jahren auf Eis.

Auch die inzwischen mit Acts of Caine betitelte Reihe um den zynischen, wenig zimperlichen Söldner Caine, das Alter ego des Schauspielers Hari Michaelson, hat niemals das ganz große Publikum erreicht. Der erste Band Heroes Die, der mit seinem Anknüpfen an die Sword & Sorcery schon deutlich vor der grim & gritty-Welle frischen Wind in das Genre gebracht hat, spielt unter anderem mit dem Verhältnis von ZuschauerInnen/LeserInnen und ProtagonistInnen in der Unterhaltungskultur. In seinen Caine-Romanen beschreibt Stover eine dystopische Zukunft auf der Erde, auf der die Massen mit dem Konsum archaischer Heldenepen ruhiggestellt werden, wozu man Schauspieler auf die parallele Fantasywelt Overworld entsendet. Die zentrale Figur der so SF und klassische Fantasy vereinenden Reihe ist Caine/Hari Michaelson, die perfekte Personifikation der Kämpfernatur, gleichzeitig aber auch eine Bühnenfigur, die ihr Publikum unterhalten muss. Im zweiten Band Blade of Tyshalle nimmt die Handlung der Reihe olympische Ausmaße an, während der in zwei zusammenhängende Einzelbände (Caine Black Knife und Caine’s Law) aufgeteilte Act of Atonement ein früheres Abenteuer Caines mit der Gegenwartshandlung verbindet.
Thematisch beackert Stover mit Caine ein weites Feld – Gewalt als Lebens- und Überlebensprinzip, Machstrukturen in verschiedenartigen Gesellschaften und eine ganze Reihe philosophischer Ansätze, die gemeinsam mit den nicht gerade unblutigen Plots aufgetischt werden.
Dass Caine nun auch noch unter voller Beteiligung von Stover – ebenfalls vorerst für ein Prequel-Abenteuer zu den bereits erschienenen Romanen – das Medium wechselt, verdeutlicht vielleicht, wie sehr die Reihe, für die auch noch einige weitere Bände angedacht wären, Stovers Lebenswerk ist. 2011 wurde durch  Crowdfunding das Projekt The Chronicles of Ankhana finanziert, das als Comic umgesetzt werden soll.

Neben der langjährigen Kampfsporterfahrung, die sich in Stovers Texten niederschlägt, stützt er sich beim Erzählen auf beste Kenntnisse der antiken Dramatiker und der Mythentheorie Joseph Campbells. Fantasy- und SF-Autoren wie Leiber, Moorcock, Zelazny und Donaldson zählen zu seinen Einflüssen, während vor allem die Caine-Romane stilistisch stark vom Hardboiled-Krimi geprägt sind. Stover selbst beschreibt seine Romane wie folgt:
When I write a book, I put everything I have into it; so the more I have, the more the books become. Some people get freaked out by them: mostly the people who believe, mistakenly, that fantasy is about escaping reality.
To them I say: If you have a problem with reality, you should be spending more time dealing with your life, and less time reading popcorn fantasy.

(Quelle)
Das mag für die einen eine Warnung sein (nicht nur wegen des hohen Brutalitätslevels seiner Romane, der auch eine Warnung verdient), für die anderen eine Verheißung. Letztere können sich über den Enthusiasmus freuen, der nach dem erfolgreichen Crowdfunding bei Matthew Stover herrscht und u.a. schon für überarbeitete eBook-Versionen der vergriffenen Barra-Romane und eine Ankündigung von Hörbüchern der Caine-Reihe gesorgt hat.

Links:
Matthew Stover’s Overworld (Webseite zum Comic-Projekt und anderen Stover-Neuigkeiten)

Bibliographie:

  • 1997: Iron Dawn (Barra 1) – Eiserne Dämmerung
  • 1998: Jericho Moon (Barra 2) – Mond über Jericho
  • 1998: Heroes Die (Acts of Caine 1)
  • 2001: Blade of Tyshalle (Acts of Caine 2)
  • 2002: Traitor (Star Wars: New Jedi Order 13) – Verräter
  • 2003: Shatterpoint (Star Wars: Clone Wars) – Mace Windu und die Armee der Klone
  • 2005: Revenge of the Sith (Star Wars: Episode III) – Die Rache der Sith
  • 2008: Luke Skywalker and the Shadows of Mindor (Star Wars) – Luke Skywalker und die Schatten von Mindor
  • 2008: Caine Black Knife (Acts of Caine 3.1)
  • 2010: God of War (mit Robert E. Vardeman) – God of War
  • 2012: Caine’s Law (Acts of Caine 3.2)

Rezensionen:

[Rezis von]Stover@Matthew Woodring[/Rezis von]
Stand: 28. Januar 2012