Charles Vess

portraitiert von Elora
Portrait von Charles Vess

© www.greenmanpress.com

Charles Vess wurde 1951 in Lynchburg, Virginia geboren. Das Haus seiner Familie lag am Rande eines weitläufigen Waldes, welcher sich am  Ufer eines Flusses hinzog. Das Bild dieser verträumten Landschaft seiner Kindheit  spiegelt sich bis heute in seinen Werken wieder.
Sobald er einen Stift halten konnte, begann er zu malen – mit einem Augenzwinkern erzählt er auf seiner Homepage, dass seine frühen Werke  vom Minimalismus geprägt waren: er verzichtete auf die Darstellung von Händen, Füßen und Köpfen (“sie schimmerten einfach”…). Diesen Stil gab er aber irgendwann auf und seitdem hat er Tausende von ihnen auf das Sorgfältigste und bis in alle Einzelheiten gezeichnet.

In seiner Zeit auf dem College lernte er die Werke von Howard Pyle, Arthur Rackham and N.C. Wyeth kennen und schätzen. Im Kunstunterricht wurde er oftmals für diese Vorlieben belächelt, denn Zeichner wie diese gehörten nicht zum Lehrplan – soviel Märchenhaftigkeit wollte man den Studenten der modernen Kunst nicht zumuten. Trotzdem haben diese, wie auch Kay Nielsen, John Bauer, Edmund Dulac, Vess’ Geschmack und Stil maßgeblich geprägt.

1974 absolvierte er die Virginia Commonwealth University mit dem BFA (Bachelor of Fine Arts). Nachdem er zwei Jahre lang Werbefilme für Candy Apple Productions in Richmond gezeichnet hatte, zog er 1976 nach New York City.

Cover von "The Horns of Elfland" von Charles Vess

© 1979 Archival Press, Inc. Stories © 1974, 1979 Charles Vess. All Rights Reserved

Mit seiner Vorliebe für mythologische Motive, Feen und Waldgeister setzte er sich anfangs ein wenig zwischen alle Stühle; für Kinderbücher waren seine Bilder zu pompös und ausufernd, und auch die meisten Erwachsenen konnten – ganz dem Zeitgeist  der späten 1970er Jahre entsprechend – mit seinen märchenhaften Bildern nicht allzu viel anfangen. Da er ein Faible für alles Phantastische hat,  versuchte er sich auch im SF-Bereich. Doch auch dort fühlte er sich mit dem vorherrschenden Geschmack nicht recht wohl. Seine Werke wurden in Magazinen wie National Lampoon, Heavy Metal und Marvels Epic Illustrated veröffentlicht.
Ein frühes eigenständiges Werk The Horns of Elfland erschien 1979 bei Archival.

Im Winter 1980 stellte Charles Bilder in einer Ausstellung mit dem Namen The Art of Science Fiction and Fantasy im Museum of American Art, New Britain, Connecticut aus. Es war die erste Ausstellung eines renommierten Museums, die sich ausschließlich mit Kunst aus dem Bereich Fantasy und Science Fiction beschäftigte.

Anfang der 1980er Jahre wandte er sich den Comics zu, denn hier fand er endlich eine Nische, in die seine phantastischen Bilder passten. Er arbeitete  u.a. für Marvel (Spiderman, Conan, The Raven Banner) und DC.
1990 erhielt er seinen ersten Preis: den Ink Pot Award: For excellence in comic art.

1989 begann seine Zusammenarbeit mit Neil Gaiman.  Charles illustrierte  drei der Sandman-Hefte (Nr. 19, 62 und 75) und einen Band der Books of Magic (The Land of Summer’s Twilight). In dieser von DC herausgegebenen Mini-Serie reist der 12järige Timothy Hunter kreuz und quer durch das DC-Universum. Im dritten Band  besucht er unter anderem Faerie, Gemworld, Skartaris und King Arthurs Camelot – genau das richtige Buch also, um es mit Charles’ Illustrationen zu schmücken.
Für Sandman #19 (A Midsummer Night’s Dream) bekamen Neil Gaiman und Charles Vess 1991 gemeinsam den World Fantasy Award für die beste Kurzgeschichte. Es ist bisher der einzige Fall, in dem ein Comic Book mit diesem Preis ausgezeichnet wurde.
Im selben Jahr erhielt er, gemeinsam mit Paul Chadwick und Jean “Moebius” Giraud, auch seinen ersten Will Eisner Comics Industry Award: Best Single Issue für das Comic Concrete Celebrates Earth Day, welches bei Dark Horse erschien.

Der langen, kalten Winter in New York müde, zog Charles Vess 1994 gemeinsam mit seiner Ehefrau zurück nach Virginia. Dort bat ihn ein örtliches Museum um die Gestaltung einer Ausstellung über zeitgenössische Fantasy-Künstler. Es entstand die Wanderausstellung The Dreamweavers mit 15 Künstlern, welche von Herbst 1994 bis Sommer 1995 lief.

Cover des Buches "The Book of Ballads" von Charles Vess

© 2004 by Green Man Press, Charles Vess

Ab 1995 erschien The Book of Ballads and Sagas unter Charles’ eigener Regie bei Green Man Press.
Für diese Comic-Serie illustrierte Charles  traditionelle englische und schottische Balladen. Die Texte kamen von verschiedene Autoren wie Emma Bull, Charles de Lint, Neil Gaiman, Sharyn McCrumb, Jeff Smith und Jane Yolen.
Die Serie wurde 2004 nochmals als  Gesamtausgabe im Hardcover bei Tor Books herausgegeben. Diese Neuausgabe wurde mit neuem Material von Charles  und mit einem Vorwort von Terry Windling ergänzt.

1996 wurde Charles wiederum für ein Sandman-Heft (#75) ausgezeichnet und zusätzlich für  The Books of Ballads and Sagas, diesmal mit seinem zweiten Will Eisner Comics Industry Award: Best Penciler/Inker.

In den Jahren 1996 und 1997 arbeitete Charles  mit Neil Gaiman an ihrer vielleicht bekanntesten Zusammenarbeit: Stardust. Auch dieses Werk erschien in vielen verschiedenen Ausgaben, so gab es auch welche ohne Vess’ Bilder. Doch ein kurzer vergleichender Blick zeigt, dass die Geschichte erst zusammen mit den Bildern ihren ganzen Zauber entfaltet.
1999 erhielt Charles für Stardust seinen zweiten World Fantasy Award, diesmal als Best Artist.

Bilder aus Stardust von Neil Gaiman und Charles Vess

alle 5 Bilder: © Charles Vess

2002 wurde ihm sein dritter Will Eisner Comics Industry Award als Best Painter/Multimedia Artist verliehen. Diese Ehre erlangte er durch seine Arbeit an dem Comic Rose, einem Prequel zu den beliebten Bone-Comics von Jeff Smith. Rose wird im Sommer 2011 bei Tokyopop in Deutschland neu aufgelegt.

Zwischen 2004 und 2007 verarbeitete Charles ein Gedicht von Neil Gaiman zu einem Kinderbuch. Blueberry Girl erschien 2009 bei HarperCollins.

Eine langjährige enge Freundschaft verbindet Charles Vess mit Charles de Lint. Dieser Freundschaft entsprangen einige wunderbare Zusammenarbeiten wie z.B. Seven Wild Sisters (Subterranean Press, 2002), A Circle of Cats (Viking,  2003) und Medicine Road (Subterranean Press, 2005). Außerdem illustrierte Vess die 20th Anniversary Edition von de Lints Moonheart (Subterranean Press, 2004), welche in einer limitierten und signierten  Ausgabe herausgegeben wurde.

Drawing Down the Moon, ein wunderschöner Bildband, der den Betrachter in die Welt von Charles Vess mit all ihren verwunschenen Wäldern, wilden Bergen, Elfen und Fabelwesen entführt, erschien 2009 bei Dark Horse. Der Band gibt einen reichen Einblick in die Arbeit des Künstlers.

Der Brunnen im Barter Theater von Charles Vess

© www.greenmanpress.com

Neben seiner Arbeit mit Stift und Pinsel setzt Charles seine Bilder auch immer wieder in die dritte Dimension und wirkt an der Erschaffung von Reliefs und Skulpturen mit. Sein erstes großes Projekt war 1992 die Jack Tales Wall im Southwest Virginia Community College.
In den Jahren 2006 – 2009 erschuf er einen Brunnen für das Barter Theater nach den Motiven von Shakespeares A Midsummer Night’s Dream. In seinem Blog berichtet er ausführlich und mit vielen Bildern über die Entstehung des Kunstwerkes (der Geschichte Teil 1, Teil 2 und Teil 3).

Im November 2010 erhielt Charles Vess seinen dritten World Fantasy Award als Best Artist.

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Bibliographie (Auszug)

  • The Horns of Elfland, Spring 1977, (Archival Press)
  • The Raven Banner, Spring 1984, (Marvel Comics)
  • The Book of Night, #1-3, Summer/Fall 1987, (Dark Horse)
  • The Warriors Three Saga, Marvel Fanfare #34-37,1987-88, (Marvel Comics)
  • A Midsummer Night’s Dream, Herbst 1988, (Donning Co.)
  • Little Red Riding Hood, Herbst 1988, (Gargoyle Press)
  • The Dream Makers, A collection of work by six artists, Winter 1988, (Paper Tiger Press)
  • Sandman, #19, Sommer 1990, (DC Comics),
  • Spirits of the Earth, A Spider-man Graphic Novel, August 1990, (Marvel Comics)
  • “Morrigan Tales” Taboo #4, Herbst 1990, (Spiderbaby Graphics)
  • C. Vess Sketchbook, Herbst 1991, (Tundra Publishing Co.)
  • Swamp Thing, #129-139, 1993, (DC Comics)
  • The Books of Magic, #1-14, 1994-95, (DC Comics)
  • Prince Valiant, #1-4, 1995, (Marvel Comics)
  • The Book of Ballads and Sagas ab 1995 (Green Man Press) und 2004 (Tor Books)
  • Stardust, Autor: Neil Gaiman 1997-98, (DC Comics/Vertigo)
  • The Green Man: Tales from the Mythic Forest, Anthologie Herausgegeben von Terri Windling und Ellen Datlow 2002, (Viking)
  • Seven Wild Sisters, Author: Charles de Lint 2002, (Subterranean Press)
  • A Circle of Cats, Author: Charles de Lint 2003, (Viking)
  • The Faery Reel: Tales from the Twilight Realm, Anthologie Herausgegeben von Terri Windling und Ellen Datlow 2004, (Viking)
  • 20th Anniversary Edition of Moonheart, Author: Charles de Lint 2004, (Subterranean Press)
  • Medicine Road, Author: Charles de Lint 2005, (Subterranean Press)
  • The Coyote Road: Trickster Tales, Anthologie Herausgegeben von Terri Windling und Ellen Datlow 2007, (Viking)
  • Blueberry Girl, Autor Neil Gaiman 2009, (HarperCollins)
  • Drawing Down the Moon, 2009, (Dark Horse Comics)

Auszeichnungen

  • The Inkpot Award: For excellence in comic art, 1990
  • World Fantasy Award: Best short story, 1991 , Sandman #19, by Neil Gaiman and Vess
  • Will Eisner Comics Industry Award: Best Single Issue, 1991 , Concrete Celebrates Earth Day, by Paul Chadwick, Vess, and Jean “Moebius” Giraud
  • Comic Creators’ Guild: Best Cover,  1993, Presents #75 (Dark Horse)
  • Silver Award (Comics Industry) 1995, Spectrum Annual of Imaginative Art
  • Will Eisner Comics Industry Award: Best Penciler/Inker, 1996, The Book of Ballads and Sagas and Sandman #75
    World Fantasy Award: Best Artist, 1999, Stardust, written by Neil Gaiman
  • Will Eisner Comics Industry Award: Best Painter/Multimedia Artist, 2002, Rose, written by Jeff Smith
  • World Fantasy Award: Best Artist, 2010

Skulpturen

  • The Jack Tales Wall im Southwest Virginia Community College
  • A Midsummer Night’s dream im Barter Theater

Ausstellungen

  • The Art of Science Fiction and Fantasy, Winter 1980, The Museum of American Art, New Britain,Connecticut
  • The Art of Fantasy and Science Fiction, Winter 1989, Delaware Art Museum, Wilmington, Delaware
  • Storyteller, Herbst 1992, Frameworks Gallery, Bristol, Virginia
  • The Mythic Garden, Sommer 1993, Open Air Birch Garden, Devon, England
  • The Magic, Herbst 1993, Repartee Gallery, Park City, Utah
  • The DreamWeavers, Herbst 1994 – Sommer 1995, Wanderausstellung
  • The Tempest Frühling, 1996, Four Color Images Gallery, N.Y.C.
  • Stardust, Spring – Sommer 1998, San Francisco Comic Art Museum, San Francisco, Ca.
  • Into the Light, Herbst 2000, Comic Art Symposium, Avilles, Spain
  • Fantasy, Visionaries of the Fantastic, Frühling 2002, Torino, Italien
  • A Circle of Cats, Sommer 2003, 153W Bookstore & Gallery, Abingdon VA
  • Ancient Spirit, Modern Voice, Frühling 2004, The DeFoor Centre, Atlanta, GA

Quellen und Links

Rezensionen:

[Rezis von]Vess@Charles[/Rezis von]
Stand: 13. März 2011