Zum 65. Geburtstag von Michael Reaves

Bibliotheka Phantastika gratuliert Michael Reaves, der heute 65 Jahre alt wird. Wie viele seiner in etwa gleichaltrigen Autorenkollegen und -kolleginnen verfasste auch der am 14. September 1950 in San Bernadino, Kalifornien, geborene James Michael Reaves anfangs Kurzgeschichten – die erste war “Breath of Dragons” in der Anthologie Clarion III (1973) –, verlegte sich aber ab Ende der 70er Jahre hauptsächlich auf das Schreiben von Romanen und Drehbüchern (vor allem für Zeichentrickserien). Bereits mit seinem zweiten, in Zusammenarbeit mit Byron Preiss entstandenen Roman Dragonworld (1979; dt. Drachenland (1985)) lieferte er seinen vielleicht wichtigsten, nicht zuletzt unter genrehistorischen Gesichtspunkten interessanten Beitrag zur Fantasy.
Dragonworld von J. Michael Reaves und Byron PreissDragonworld ist ein Abenteuer- und Questenroman mit sehr klassischer Anmutung, der allerdings ein paar Extras aufweist, nicht zuletzt die vielen zarten Illustrationen von Joseph Zucker, die der anfangs märchenhaften Handlung eine zusätzliche Ebene verleihen (wobei bei der Reproduktion in der deutschen Ausgabe von Bastei-Lübbe die Feinheit der Illustrationen leider verloren ging, während sie bei der neueren Heyne-Ausgabe ganz fehlen). Außerdem verlaufen die Abenteuer des Erfinders Amsel vom einfachen und kleinwüchsigen Volk der Fandoraner – das Erfindern schon per se skeptisch gegenübersteht, erst recht aber, als ein Kind mit Amsels Flugmaschine verunglückt – nicht ganz so gemütlich, wie anfangs zu vermuten steht. Bis Amsel auf der anderen Seite des Meeres seine unfreiwillige Mission erfüllen kann, zwischen den verfeindeten Völkern der Fandoraner und der Sim Frieden zu stiften und Vorurteile abzubauen, kommt es zu etlichen Eskalationen, und Amsel muss Intrigen durchschauen und einiges an Tragik erleben.
Heute merkt man dem bei aller Action beschaulich erzählten Dragonworld sein Alter etwas an, und auch das im Detail sehr gelungene Worldbuilding kann sich nicht mit moderneren Werken messen. Liest man es allerdings im Hinblick darauf, dass es noch vor dem Boom der tolkienesken Fantasy-Epen entstanden ist, hat man ein schönes Beispiel dafür, wie Elemente aus dem Repertoire der High Fantasy auch in einer fabelähnlichen, kürzeren Geschichte zum Einsatz kommen können – was vielleicht auch der Grund ist, warum man Dragonworld heute wohl als Jugendbuch vermarkten würde.
Auch in den folgenden Werken blieb Reaves – damals noch als J. Michael Reaves – zunächst der Fantasy treu, entfernte sich allerdings von der klassischen Variante des Genres. So lässt er in dem aus vier Erzählungen bestehenden Episodenroman Darkworld Detective (1982; dt. Darkland Detective (1996)) seinen Helden Kamus of Kadizar als Privatdetektiv im Stile eines Sam Spade oder Philip Marlowe auf Ja-Lur, der “Darkworld” ermitteln, auf der Wissenschaft und Magie auf nicht ganz unproblematische Weise nebeneinander existieren, während die zweibändige Shattered World Sequenz – Einzeltitel: The Shattered World (1984; dt. Zerschmetterte Welt (1987)) und The Burning Realm (1988) – auf einer Erde spielt, die in ferner Zukunft als Folge schwarzmagischer Experimente in unzählige Bruchstücke zerfallen ist, auf und zwischen denen (Letzteres an Bord von merkwürdigen, aus der Haut und den Knochen von Drachen gebauten Segelschiffen) seine Helden ihre Abenteuer erleben.
Ebenfalls noch in den 80ern schrieb er in Zusammenarbeit mit Steve Perry ein paar SF-Romane und wandte sich in den 90ern schließlich kurz dem Horror zu. Seit der Jahrtausendwende ist Michael Reaves fast ausschließlich – teils allein, teils zusammen mit Steve Perry oder Maya Kaathrin Bohnhoff – im Star Wars Universe unterwegs und hat seither z.B. Titel wie Shadow Hunter (2001; dt. Darth Maul – Der Schattenjäger (2002)) oder Death Star (2007; dt. Die Macht des Todessterns (2008)) zum Franchise beigetragen.
2007 veröffentlichte er das gemeinsam mit Neil Gaiman verfasste Jugendbuch InterWorld (dt. Interworld (2009)), in dessen Mittelpunkt der Teenager Joey Harker steht, der die Fähigkeit besitzt, alternative Versionen der Erde zu besuchen. Das ursprünglich als TV-Serie konzipierte Projekt zog mit The Silver Dream (2013) und Eternity’s Wheel (2015) zwei Fortsetzungen nach sich, an denen (neben ihm selbst und Gaiman) auch Reaves’ Frau Mallory beteiligt war. Mittlerweile wurde bekannt, dass Michael Reaves an der Parkinson-Krankheit leidet, was vielleicht erklärt, warum er in den letzten Jahren fast ausschließlich mit Co-Autoren und -Autorinnen zusammengearbeitet hat.

2 Kommentare zu Zum 65. Geburtstag von Michael Reaves

  1. wurling sagt:

    “Drachenland” fand ich sehr nett, nicht zuletzt der Illustrationen wegen. In der gebundenen Ausgabe des mvs-Verlags kommen die Illus auch deutlich besser zur Geltung (der Größe wegen und weil sich das Buch besser aufklappen läßt, als das Bastei-TB), allerdings wirken auch dort viele davon so, als wären sie lediglich abfotokopiert, einfach nicht kräftig genug.

    Warum Heyne bei seiner Neuauflage auf die Illustrationen verzichtet hat, bleibt mir ein Rätsel. Gerade damit hätte man vielleicht punkten können. Gerade bei solchen klassischen High-Fantasy-Büchern wäre eine schön aufgemachte Ausgabe (die dann allerdings auch mehr kostet) mit Illustrationen, einem eher klassisch gehaltenem Cover und eventuell sogar als Hardcover, verlockender für potentielle Leser. Mag aber auch sein, dass ich mich da täusche.

  2. gero sagt:

    Von Drachenland hat es mW vier verschiedene deutsche Ausgaben gegeben:

    Die Erstveröffentlichung ist 1985 bei mvs (aka Marion von Schröder) als HC erschienen (und war erfolgreich genug, um es auf eine zweite Auflage zu bringen). In dieser Ausgabe sind die Illustrationen sehr nah dran an denen der Originalausgabe, die tatsächlich Bleistiftzeichnungen in vielen feinen Grauabstufungen sind und daher auch mal ein bisschen blass wirken können – aber das soll so sein. 😉

    1989 hat es eine erste TB-Ausgabe bei Bastei-Lübbe gegeben, in der die Illustrationen viel kräftiger (“schwärzer”) sind, so dass sie fast wie Tuschezeichnungen wirken und mMn auch deutlich weniger zur märchenhaften Atmosphäre des Romans passen. (Diese Ausgabe hat mindestens drei, möglicherweise sogar mehr Auflagen erlebt.)

    1997 ist der Roman dann bei Econ im TB erschienen (Econ und mvs haben damals zum gleichen Verlagskonglomerat gehört), und in dieser Ausgabe sollen dem Vernehmen nach die Illus so ähnlich wie in der mvs-Ausgabe bzw. der Originalausgabe sein.

    Die letzte Veröffentlichung erfolgte 2008 als Heyne-Tradepaperback. Interessanterweise hat man in dieser Ausgabe zum einen auf die Illus verzichtet (warum auch immer – nachvollziehen kann ich das ehrlich gesagt auch nicht so recht) und zum anderen wird hier Byron Preiss nicht mehr als Co-Autor genannt. Letzteres bestätigt mich in meiner Vermutung, dass Michael Reaves den Roman allein oder fast allein verfasst hat und Preiss ursprünglich nur deshalb mitgenannt wurde, weil er der Packager war bzw. die Idee hatte, einen reich illustrierten Fantasyroman auf den Markt zu bringen. (Preiss hat sowas ja öfter gemacht.)

    Hier, hier, hier und hier kann man übrigens ein paar der Illustrationen sehen (leider ist die Qualität nicht immer optimal).

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