Zum 80. Geburtstag von Alan Garner

Bibliotheka Phantastika gratuliert Alan Garner, der heute seinen 80. Geburtstag feiern kann. Der am 17. Oktober 1934 in Congleton in der Grafschaft Cheshire im Nordwesten Englands geborene Alan Garner hat sein ganzes Leben unweit des in der Nähe seines Geburtsorts gelegenen Örtchens Alderley Edge verbracht, das zugleich das Setting fast all seiner Romane ist – auch und gerade seiner Fantasyromane, die sich an Kinder und Jugendliche richten und nicht nur die geografischen Gegebenheiten seiner Heimatregion in die Handlung einbeziehen, sondern auch tief auf die örtlichen Sagen und Legenden zurückgreifen.
Garners literarische Karriere begann 1960 mit der Veröffentlichung von The Weirdstone of Brisingamen (auch als The Weirdstone (1961); dt. Feuerfrost und Kadellin (1963; NÜ als Feuerfrost. Die phantastische Geschichte des Zaubersteins von Brisingamen (1984), auch als Der Zauberstein von Brisingamen (2003)), der Geschichte des Geschwisterpaars Susan und Colin, die einige Zeit bei alten Freunden ihrer Mutter in Alderley Edge und dessen Umgebung verbringen, während ihre Eltern in Übersee sind, und die alsbald in einen Konflikt uralter Mächte geraten. Denn Susan trägt ein Armband, in dem sich ein tränenförmiges Juwel – der titelgebende Weirdstone – befindet, das der verbannte üble Geist Nastrond und dessen Verbündete und Helfershelfer unbedingt in ihren Besitz bringen wollen. Hilfe finden die beiden Geschwister bei dem guten Magier Cadellin Silverbrow sowie Zwergen und Elfen.
The Moon Of Gomrath von Alan GarnerIn der Fortsetzung The Moon of Gomrath (1963; dt. Der Mond von Gomrath. Eine Geschichte um Zauber und alte Magie (1985; auch als Der Mond von Gomrath (2003)) geraten die Geschwister in eine Auseinandersetzung noch viel älterer, magischer und mythischer Mächte, die vor allem von Susan einen hohen Preis fordert.
In Elidor (1965; dt. Elidor (1969; NÜ als Elidor oder Das Lied des Einhorns (1986) bzw. als Elidor (2005)) verschlägt es vier Kinder durch ein in einer Kirche in Manchester gelegenes Portal auf eine magische Parallelwelt, wo sie im Auftrag von König Malebron vier Artefakte suchen müssen, die die Mächte des Bösen gestohlen haben – und die ihnen ihrerseits nach erfolgreicher Suche bis ins zeitgenössische Manchester folgen. In The Owl Service (1967; dt. Eulenzauber (1982; auch als Der Eulenzauber (1996)) verbringen die Stiefgeschwister Alison und Roger zusammen mit ihren frisch verheirateten Eltern ein paar Wochen im Sommer in einem abgelegenen Tal in Wales in einem Haus, das Alisons verstorbener Vater von einem Vetter geerbt hat, der etwa zu der Zeit, als Alison geboren wurde, unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen ist. Die Merkwürdigkeiten fangen an, als Alison Gwyn, den Sohn der Köchin, auf den Dachboden schickt, weil dort merkwürdige Geräusche zu hören sind, und er ein Service mit einem seltsamen Muster findet.
Mit The Owl Service hatte sich Garner spürbar von konventionellen Erzählmustern entfernt, und mit Red Shift (1973; dt. Rotverschiebung (1980)) ist er noch einen großen Schritt weiter gegangen. Die in drei verschiedenen Epochen – zur Zeit der Römer, zur Zeit des englischen Bürgerkriegs und in der Gegenwart (sprich: den 70er Jahren) – spielende, die Zeitebenen anfangs anscheinend willkürlich wechselnde Handlung, die nur durch die drei jeweiligen, einander nicht ganz unähnlichen Hauptfiguren (und Artefakte wie eine Steinaxt) miteinander verbunden ist, wird fast ausschließlich von (im Original teils im Cheshire-Dialekt verfassten) Dialogen getragen und erschließt sich erst am Ende des Romans.
Mit Red Shift hatte Alan Garner endgültig die Abkehr von der Fantasy im engeren Sinne vollzogen, und gleichzeitig bildet das Buch auch den Abschluss seiner Beschäftigung mit der Phantastik im weiteren Sinn. In den folgenden Jahren verfasste er einige nicht-phantastische Kinderbücher und gab mehrere Sammelbände mit Sagen heraus, ehe er sich mit Strandloper (1996; dt. Der Strandläufer (1997)) der Erwachsenenliteratur zuwandte. In diesem und dem nächsten Roman Thursbitch (2003) ist eine mythische Überhöhung oder Aufladung des eigentlich realistischen Geschehens an die Stelle der phantastischen Elemente seiner Kinder- und Jugendbücher getreten, die sich dem Vernehmen nach auch in Boneland (2012) finden lässt, dem Abschlussband der Saga von Alderley Edge, den er rund fünfzig Jahre nach den ersten beiden Bänden schließlich als Alterswerk vorgelegt hat.
Alan Garners Jugendbücher, die – wie oben ersichtlich – alle auf Deutsch erschienen sind (und in den 80er Jahren eine der Säulen der damaligen Fantasyreihe bei Diederichs waren), gehören nach der Meinung vieler Kritiker mit zum Besten, was die phantastische Kinder- und Jugendliteratur hervorgebracht hat. Am zugänglichsten – weil am konventionellsten erzählt – dürften die ersten beiden Bände um Alderley Edge sein, die vor allem mit ihrer Atmosphäre und dem sense of place punkten können, doch auch die anderen Romane Garners, der für sein literarisches Schaffen nicht nur mit dem Karl Edward Wagner Award (2003) und dem World Fantasy Award for Life Achievement (2012) sondern auch dem Order of the British Empire (OBE) (2001) ausgezeichnet wurde, sind auch heute noch eine mehr als lohnenswerte Lektüre.

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