Zum 70. Geburtstag von Allan Cole

Bibliotheka Phantastika gratuliert Allan Cole, der heute 70 Jahre alt wird. Als der am 19. November in Philadelphia, Pennsylvania, geborene, aber in Europa sowie im Nahen Osten und in Fernost aufgewachsene Allan George Cole 1982 mit Sten, The Far Kingdoms von Allan Cole und Chris Bunchdem gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Chris Bunch verfassten Auftakt der als The Sten Chronicles bekannten, achtbändigen Military-SF-Serie, seinen ersten Roman veröffentlichte, hatte er bereits knapp zwanzig Jahre lang sein Geld mit Schreiben verdient; anfangs als Journalist, dann als Drehbuchautor etlicher Episoden von Fernsehserien wie Quincy, The Rockford Files, The Incredible Hulk oder Buck Rogers in the 25th Century. In den folgenden Jahren schrieb er weiter für das Fernsehen und verfasste – immer in Zusammenarbeit mit Chris Bunch – die nächsten sieben Sten-Bände, sowie einen während des Vietnamkriegs- (Cole und Bunch sind bzw. waren Vietnam-Veteranen) und einen während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs spielenden historischen Roman, ehe sich die beiden Autoren mit The Far Kingdoms (1993) schließlich der Fantasy zuwandten.
Der auf Deutsch unter dem Titel Die fernen Königreiche (1994) erschienene Roman erzählt die Geschichte von Amalric Emilie Antero, der als alter Mann auf seine Jugend und jene Zeit zurückschaut, in der er sich als reicher Kaufmannssohn von dem Traum des Abenteurers und Magiers Janos Greycloak hat anstecken lassen, der regelrecht besessen davon ist, die legendären fernen Königreiche zu finden, die noch nie ein Mensch gesehen oder betreten hat. Gemeinsam unternehmen sie mehrere Reisen, begegnen Kannibalen, schwarzen Magiern und noch weit schlimmeren Wesen, und erleben Dinge, die sich nie hätten vorstellen können. Und als sie schließlich ihr Ziel erreichen, erweist es sich als anders als erwartet. The Far Kingdoms ist vor allem in Anbetracht seines Erscheinungsjahrs ein ungewöhnliches Buch, dessen Vorbilder viel mehr beim klassischen Abenteuerroman oder Filmen wie The 7th Voyage of Sinbad zu finden sein dürften, als bei der klassischen High Fantasy à la Tolkien. Von daher wirkt der Roman ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, auch wenn er als Fantasy-Abenteuerroman hervorragend funktioniert. Und da Cole/Bunch klug genug sind, die Veränderungen zu zeigen, die ihre Reisen und Erlebnisse bei Amalric Antero und Janos Greycloak bewirken, ist The Far Kingdoms sogar noch ein bisschen mehr als einfach nur ein Abenteuerroman.
Ein Jahr später zeigte sich, dass The Far Kingdoms keineswegs ein Einzelband bleiben sollte (auch wenn man ihn problemlos als solchen lesen kann), sondern der Auftakt zu einem locker zusammenhängenden Zyklus gewesen war, denn mit The Warrior’s Tale (1994; dt. Das Reich der Kriegerinnen (1995)) erschien eine Art Fortsetzung. In ihr steht mit Rali Emelie Antero ein weiteres Mitglied der reichen Kaufmannssippe der Anteros im Mittelpunkt, allerdings hat Rali sich für eine soldatische Laufbahn entschieden. Als Hauptmann der Elitetruppe, die für den Schutz ihrer Heimatstadt Orissa verantwortlich ist, erhält sie eines Tages einen überaus gefährlichen Auftrag, der sie auf eine Odyssee ganz besonderer Art führt. Die lesbische Rali unterscheidet sich deutlich von dem zumindest anfangs snobistischen und verweichlichten Amalric, und ihr derber, nicht immer herzlicher Ton verschafft ihr keineswegs nur Freunde, aber das schert weder sie noch ihre nur aus ähnlich gesinnten, kampferprobten Frauen bestehende Truppe.
Auf den inzwischen verwitweten und zum König gewordenen Amalric wartet in Kingdoms of the Night (1995; dt. Das Reich der Finsternis (1996)), dem dritten Band der Anteros Saga, ebenfalls noch einmal ein großes Abenteuer. Irgendwie ist er sich nicht mehr sicher, ob er und Janos damals wirklich die fernen Königreiche erreicht haben, und so lässt er sich nur zu leicht von dessen Urenkelin Janela verleiten, erneut zu einer Reise ins Unbekannte aufzubrechen, an deren Ende sie die wahren fernen Königreiche finden … oder doch nicht?
Irgendwann zwischen dem Erscheinen dieses und des nächsten Bandes ist die langjährige Freundschaft zwischen Allan Cole und Chris Bunch zerbrochen, denn The Warrior Returns (1996; dt. Die Rückkehr der Kriegerin (1997)) wurde von Allan Cole allein verfasst. Hier erlebt Rali ihren zweiten Auftritt, nachdem sie etliche Jahre buchstäblich auf Eis gelegen hat. The Warrior's Tale von Allan Cole und Chris BunchDas hat ihr allerdings nicht sonderlich geschadet – sie ist immer noch so durchsetzungsfähig und wenig diplomatisch wie zuvor. Diplomatie wäre zu einem Zeitpunkt, da fast die gesamte Sippe der Anteros von einem mächtigen Feind ausgelöscht wurde, wohl auch reichlich fehl am Platz …
Mit den vier locker miteinander verbundenen und sich durchaus aufeinander beziehenden, aber jeweils sehr rund abgeschlossenen Romanen der Anteros Saga haben Allan Cole und Chris Bunch das Genre um ein paar Elemente bereichert, die man zeitweise viel zu selten in der Fantasy finden konnte, wie etwa die Neugier auf das, was hinter dem Horizont liegen mag, oder auch das Staunen angesichts unbegreiflich fremdartiger Wesen und Geschehnisse. Die von Rali im vierten Band mehr oder weniger angekündigte Fortsetzung scheint allerdings wirklich nicht mehr nötig zu sein.
1997 erschien mit When the Gods Slept der erste Band der von Allan Cole logischerweise nun ebenfalls allein verfassten Timura Trilogy. In diesem, auch unter dem Titel Wizard of the Winds (ebenfalls 1997; dt. Zauberer der Lüfte (1998)) veröffentlichten Roman und den Folgebänden der Timura-SagaWolves of the Gods (1998; dt. Die Wölfe der Götter (ebenfalls 1998)) und The Gods Awaken (1999; dt. Die Götter erwachen (2000)) – wird die Geschichte des mächtigen Magiers Safar Timura und seines Kindheitsfreundes, des Eroberers Iraj Protarus, erzählt, die zunächst gemeinsam gegen Dämonen und andere Feinde kämpfen, wobei Timura den Herrscher als dessen Großwesir mit all seinen Fähigkeiten unterstützt, bis Protarus beginnt, nach immer mehr Macht zu streben, und die Freundschaft der beiden zunächst zerbricht – und sich dann in eine erbitterte Feindschaft verwandelt …
Irgendwie ist es schon interessant, dass Chris Bunch mehr oder weniger parallel zur Timura Trilogy einen Zyklus veröffentlicht hat, in dem ein Krieger zur rechten Hand eines Magierkönigs wird und seinem Herrscher treu und ergeben dient, bis etwas geschieht, das alles verändert …

4 Kommentare zu Zum 70. Geburtstag von Allan Cole

  1. Timpimpiri sagt:

    Ja, das ist wirklich interessant. Scheint ja wohl ein großes Zerwürfnis gewesen sein, wenn es sich derart in ihr Schreiben einmischt. Interessant wäre, beide Trilogien zu lesen und zu vergleichen. Allerdings weiß ich, dass ich mit einem von ihnen meine heftigsten Probleme hatte (kann mich leider nicht mehr erinnern, wer es war) …

  2. gero sagt:

    Das war Chris Bunch, dessen Held sich in The Seer King bei der Heimkehr nach einem Feldzug erstmal von seiner Mätresse mit einem Blowjob beglücken ließ – gleich nachdem er vom Pferd gestiegen war … Die auch auf dem Cover der englischen Ausgabe angepriesene “lusty action” hat das Buch – zusammen mit ein paar anderen Sachen – dann auch an die Grenze der Unlesbarkeit (oder auch darüber hinaus) geschoben.

    Ja, ja, der Chris, möge er in Frieden ruhen. Ich glaube durchaus, dass er der Ansicht war, “girls wanna have fun”, ich fürchte allerdings, dass er sich nicht so recht vorstellen konnte, was für die “girls” in diesem Bereich tatsächlich “fun” ist. 😉

  3. Timpimpiri sagt:

    Danke für die Erleuchtung meines verdunkelten Gedächtnisses – genau das war’s. Bäh. Wenn ich’s nicht hätte begutachten müssen, hätte ich’s garantiert nicht zuende gelesen. Und na ja, bei fun gehen die Geschmäcker mitunter wirklich total auseinander.

  4. 'Pingback: Zum 70. Geburtstag von Chris Bunch in der Bibliotheka Phantastika

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