Zum 70. Geburtstag von Katherine Dunn

Bibliotheka Phantastika gratuliert Katherine Dunn, die heute 70 Jahre alt wird. Es gibt Bücher, die sind so ungewöhnlich, dass sie Kultstatus erlangen, und genau dies ist der am 24. Oktober 1945 in Garden City, Kansas, geborenen Autorin und Journalistin Katherine Karen Dunn mit ihrem dritten Roman Geek Love (1989) – zumindest in den USA – gelungen.
Geek Love von Katherine DunnGeek Love erzählt die Geschichte der Binewskis, einer etwas “anderen” Familie, denn Aloysius “Al” Binewski und seine Frau “Crystal” Lil sind die Besitzer eines Wanderzirkus, die – als die Geschäfte immer schlechter laufen – auf die Idee kommen, sich ihre eigene Freakshow zu züchten. Und so nimmt Crystal, die einst selbst eine der Attraktionen des Zirkus war, da sie lebendigen Hühnern die Köpfe abgebissen und ihr Blut getrunken hat, jedes Mal, wenn sie schwanger ist, Drogen, Insektizide oder radioaktive Substanzen zu sich, um möglichst anormale Kinder zur Welt zu bringen. Das klappt nicht immer – wovon in Formaldehyd eingelegte, in einem Zirkuswagen ausgestellte missgebildete Föten zeugen –, aber manchmal, nämlich bei Arturo (aka Arty oder Aquaboy), der Schwimmflossen statt Händen und Füßen besitzt und in einem Wassertank auftritt, bei den siamesischen Zwillingen Electra und Iphigenia (aka Elly und Iphy), die vierhändig Klavierduette spielen, bei der buckligen, glatzköpfigen Albino-Zwergin Olympia (aka Oly) und bei dem äußerlich normalen Fortunato (aka Chick), der so normal wirkt, dass seine Eltern ihn beinahe ausgesetzt hätten, wenn er nicht im letzten Augenblick gezeigt hätte, dass auch er ein außergewöhnliches Kind ist, dessen besondere Begabung der Familie in mehrfacher Hinsicht nützlich ist.
So ungewöhnlich die einzelnen Familienmitglieder auch sein mögen, gibt es bei den Binewskis die gleichen Rangeleien und Konflikte wie in normalen Familien – Konflikte, unter denen vor allem Oly leidet, die außer ihrem auffälligen Äußeren über keine besondere Begabung verfügt und daher nie in der Manege steht. Während Arturo, der zu einer Kultfigur wird und eine eigene Fangemeinde um sich schart, mehr und mehr zum Herrscher über die ganze Familie wird. Von alledem erzählt uns Oly mit einer wunderbar austarierten Erzählstimme; in einer zweiten Erzählebene geht es zu einem späteren Zeitpunkt, da der Zirkus längst Vergangenheit ist, um Oly und ihre – bis auf einen kleinen Makel vollkommen normale – Tochter Miranda, die in einer Stripshow auftritt, und deren besagter kleiner Makel die Männer verrückt macht …
Geek Love ist, wie eingangs erwähnt, ein ungewöhnlicher Roman, mit dem sicher nicht alle Leser und Leserinnen etwas anfangen können, der aber – wenn man sich auf ihn einlässt – durch seinen etwas anderen Blickwinkel interessante Fragen aufwirft, die heutzutage ebenso aktuell sind wie 1989. Und der es mit 25 Jahren Verspätung doch tatsächlich noch zu einer deutschen Ausgabe gebracht hat, die unter dem Titel Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie 2014 erschienen ist. Letzteres ist auch der Hauptgrund, warum es heute diesen Text überhaupt gibt, denn mit normaler oder auch etwas ungewöhnlicherer Genreliteratur hat Geek Love wenig gemein – aber gegentlich über den Tellerrand hinauszuschauen, kann eigentlich nicht schaden …

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