Zum 50. Geburtstag von Caitlín R. Kiernan

Bibliotheka Phantastika gratuliert Caitlín R. Kiernan, die heute 50 Jahre alt wird. Die am 26. Mai 1964 in Skerries, County Dublin, Irland, geborene, aber bereits in jungen Jahren mit ihrer Mutter in die USA umgezogene Caitlín Rebekah Kiernan gilt als eine der herausragendsten neuen Stimmen der Weird Fiction oder Dark Fantasy, deren Arbeiten beispielsweise von dem bekannten Kritiker S.T. Joshi sehr geschätzt werden. Ihre literarische Karriere begann im März 1995 mit der Veröffentlichung der Kurzgeschichte “Persephone” (in Aberrations # 27), der ersten von mittlerweile rund 150 Stories, die in diversen Magazinen und Anthologien erschienen sind und häufig auch in den entsprechenden Best-of-Auswahlbänden auftauchen.
Nachdem sie einige Episoden der Comicserie The Dreaming (einem Spin-Off von Neil Gaimans Sandman) gescripted hatte, kam 1998 mit Silk ihr erster Roman auf den Markt, der inhaltlich und stilistisch tief in der Gothic-Szene verwurzelt ist, die – zumindest damals – eine wichtige Rolle in ihrem Leben wie in ihrem Schaffen spielte. Doch bereits ihr zweiter Roman Threshold (2001; dt. Fossil (2009)) hat nichts mehr mit der Gothic-Szene zu tun; statt dessen wird in ihm der Einfluss eines Autors deutlich, der zu den Portalfiguren der Weird Fiction zählt: H.P. Lovecraft. Allerdings schreibt Caitlín R. Kiernan noch nicht einmal ansatzweise so etwas wie Lovecraft-Pastiches – was sie von Lovecraft übernimmt, ist sein Konzept des kosmischen Horrors, die Vorstellung eines im besten Falle gleichgültigen, von für Menschen unbegreiflichen und wahrhaft unfassbaren Entitäten bewohnten Universums, wobei besagte Entitäten auch durchaus in einem Höhlensystem irgendwo unter Alabama hausen können.
Threshold von Caitlín R. KiernanThreshold ist der Auftakt einer locker zusammenhängenden Reihe von Romanen und Stories, die in erster Linie durch einen gemeinsamen Hintergrund und das Albinomädchen Dancy Flammarion – eine wandernde Monsterjägerin – miteinander verbunden sind, und zu der u.a. In the Garden of Poisonous Flowers (2002), Low Red Moon (2003; dt. Kreatur (2009)), Alabaster (2006, eine Storysammlung) und Daughter of Hounds (2007) sowie die (ursprünglich als Miniserie bzw. in Dark Horse Presents erschienenen) Comics Alabaster: Wolves (2013) und Alabaster: Grimmer Tales (2014) gehören.
The Five of Cups (2003) ist ein reichlich blutiger Vampirroman und eigentlich Kiernans echter Erstling aus den frühen 90ern, der nur deutlich später veröffentlicht wurde, während Murder of Angels (2004) eine Quasi-Fortsetzung von Silk ist. Auf Vermittlung von Neil Gaiman verfasste sie Beowulf (2007), die Novelisation des gleichnamigen Films, ehe sie mit The Red Tree (2009) und vor allem The Drowning Girl (2012) eine etwas andere Richtung einschlug.
Schon in Silk war einer ihrer Protagonisten durch traumatische Kindheitserlebnisse schwer gezeichnet, und auch die Hauptfiguren ihrer weiteren Romane litten aus ähnlichen Gründen unter mehr oder weniger ausgeprägten psychischen Störungen, so dass man sich nie ganz sicher sein kann, ob das, was sie erleben, der Wirklichkeit entspricht oder nur Einbildung ist; allerdings gibt es in den Dancy-Flammarion-Bänden unübersehbare Hinweise, dass das Grauen wirklich ist. In The Red Tree hingegen wird die Ungewissheit, was wirklich und was eingebildet ist, endgültig zum Prinzip erhoben, und The Drowning Girl ist der Versuch, eine Geschichte aus der Sicht einer Schizophrenen, die um ihre Schizophrenie weiß, zu schreiben.
Wesentlich leichter zugänglich dürften im Vergleich dazu Blood Oranges (2013) und Red Delicious (2014) sein, zwei Romane, die unter dem Pseudonym Kathleen Tierney erschienen sind und in denen Caitlín Kiernan mit Hilfe ihrer ein bisschen an Buffy angelehnten Heldin Siobhan Quinn der Urban Fantasy etwas von dem zurückgeben will, was sie früher einmal ausgezeichnet hat.
Caitlín R. Kiernan ist gewiss keine leicht zugängliche Autorin. In ihren Romanen und Geschichten spielen Sex und (vor allem auch psychische) Gewalt eine wesentliche Rolle, sie sind häufig verstörend – sollen verstörend sein – und ihre Figuren sind oft von traumatischen Erlebnissen gezeichnete, nicht unbedingt angenehme Zeitgenossen. Außerdem bedient sie sich einer an Metaphern fast schon überreichen Sprache – und sie bietet ihren Leserinnen und Lesern nur selten eine Auflösung im klassischen Sinn an. Dies alles könnte mit dazu beigetragen haben, dass sie im angloamerikanischen Sprachraum eine z.B. auch von Jeff VanderMeer hochgelobte, mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Kultautorin ist und als eine der wichtigsten neuen Stimmen der Weird Fiction gilt, während ihre beiden auf Deutsch erschienenen Romane hierzulande sehr gemischt aufgenommen wurden.
Seit Dezember 2005 gibt sie unter dem Titel Sirenia Digest “a monthly journal of the weirdly erotic” im PDF-Format heraus, in dem sie Kurzgeschichten und Vignetten veröffentlicht und das von Comic-Künstlern wie Vince Locke illustriert wird. Etliche ihrer anderen Geschichten sind in mittlerweile dreizehn, häufig thematisch bzw. im Hinblick auf die Genrezugehörigkeit passend zusammengestellten Sammelbänden erschienen.

3 Kommentare zu Zum 50. Geburtstag von Caitlín R. Kiernan

  1. Elric sagt:

    Hm, das klingt mir doch durchaus vielversprechend…
    Ich würd allerdings gerne mal in so ein Buch reinlesen. Leider wird es das mit ziemlicher Sicherheit bei keinem meiner Dealer geben…
    Ich behalte die Dame mal im Hinterkopf (bzw. auf der Bücherliste). Danke! 🙂

  2. gero sagt:

    @ Elric:

    Je, nu … beim großen Online-Buchhändler gibt’s Kiernans Bücher z.T. recht günstig – die Übersetzungen praktisch zum Portopreis – und außerdem kannst du da in die Sachen ja zumindest ein Stück weit reinlesen. Das reicht mMn z.B. bei Threshold, um sich ein Bild von ihrem Stil (im Präsens erzählt und von Anfang an mit vielen, manchmal auch schrägen Bildern) zu machen.

    Ansonsten ist eine Story von ihr (“The Sea Troll’s Daughter”) in der Anthologie Swords & Dark Magic: The New Sword and Sorcery erschienen, und es finden sich immer wieder Geschichten bei Subterranean Online (die ich hier seltsamerweise – oder weil ich zu blöd bin – hier nicht verlinken kann).

  3. Elric sagt:

    Vielen Dank für den Hinweis, Gerd!
    Da schau ich doch dann mal nach – nicht gleich, schließlich hab ich genügend SUB zum Abarbeiten! 😉

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