Zum 55. Geburtstag von Kate Elliott

Bibliotheka Phantastika gratuliert Kate Elliott, die heute 55 Jahre alt wird. Wobei es sich bei Kate Elliott um ein (offenes) Pseudonym handelt, das die am 27. Juli 1958 in Des Moines, Iowa, geborene Alis A. Rasmussen seit 1992 für alle ihre Romane und Erzählungen benutzt. Begonnen hat sie ihre schriftstellerische Karriere unter ihrem richtigen Namen, unter dem The Labyrinth Gate (1988) – ein Fantasyroman um eine Alternativwelt mit matrilinearer Herrschaftsstruktur – und The Highroad Trilogy (1990) – eine Space Opera über eine junge Heldin und ihren überaus musikalischen robotischen Begleiter – erschienen sind. Doch aus vielerlei Gründen wollte sie einen Neuanfang, daher kamen die Novels of Jaran (1992-94) nicht nur bei einem anderen Verlag, sondern auch unter einem neuen Namen heraus. Und bei diesem Namen ist es bis heute geblieben.
The Golden Key von Kate ElliottNach den vier Novels of Jaran – in denen es um den Kontakt zwischen Erdenmenschen und dem nomadischen Volk der Jaran bzw. die sich daraus ergebenden Verwicklungen geht – schrieb Kate Elliott zusammen mit ihren Freundinnen und Kolleginnen Melanie Rawn und Jennifer Roberson (die damals wesentlich bekannter als sie selbst waren) The Golden Key (1996), einen ambitionierten Fantasyroman, der in den leicht verfremdeten, aber dennoch erkennbaren Ländern (v.a. Spanien, Frankreich und den nordafrikanischen Mittelmeerstaaten) einer Alternativwelt spielt. Im Mittelpunkt von The Golden Key steht die Malerfamilie der Grijalvas, deren männliche Nachkommen über die besondere Begabung verfügen, mit ihren Bildern die Welt um sich herum beeinflussen und verändern zu können. Seit Generationen nutzen die Grijalvas ihre Fähigkeiten, um Einfluss auf die Herrscherfamilie und die Politik ihres Heimatlandes zu nehmen, doch auch sie können die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, die sich ringsum auf der Welt anbahnen, nicht dauerhaft verhindern. Hier in Deutschland ist dieser durchaus gelungene Roman in drei Teilen erschienen, so dass Leser oder Leserinnen, die nur an den Arbeiten von einer oder zwei der drei beteiligten Autorinnen interessiert sind, sich entsprechend für Das Bildnis der Unsterblichkeit (Roberson), Die Farben der Unendlichkeit (Rawn, beide 1997) oder Zeit der Wiederkunft (Elliott, 1998) entscheiden können (auch wenn das – auf die gesamte Geschichte bezogen – natürlich wenig sinnvoll sein dürfte).
1997 erschien dann mit King’s Dragon der Auftaktroman von Crown of Stars, einem insgesamt siebenteiligen Zyklus, der sich nahtlos in die Reihe der großen, vielbändigen Fantasy-Epen einreiht und so manche von ihnen in mehrfacher King's Dragon von Kate ElliottHinsicht übertrifft. In King’s Dragon beginnt die Geschichte der beiden Hauptfiguren Liath – oder Liathano – und Alain, die anfangs den Geschehnissen, die sich jeweils rings um sie herum entwickeln, hilflos ausgeliefert erscheinen, die aber im Verlauf der weiteren Bände Prince of Dogs (1998), The Burning Stone (1999), Child of Flame (2000), The Gathering Storm (2003), In the Ruins (2005) und Crown of Stars (2006) mehr und mehr ihre Bestimmung erkennen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das Setting ist ein Alternativwelt-Europa etwa zur Zeit der Ottonen, und eine der Stärken des Zyklus liegt in der für Fantasy-Verhältnisse relativ authentischen Darstellung einer frühmittelalterlichen Gesellschaft mit ihrem Reisekönigtum, den in immerwährende Machtkämpfe verstrickten Adelsfamilien oder den Verflechtungen zwischen weltlicher und kirchlicher Macht, aber auch dem Weltbild der in einer solchen Epoche lebenden Menschen. Hinzu kommen fantasyspezifische Komponenten wie die (durch eine erkennbar ans Christentum angelehnte, sich in einem Punkt aber von ihm wesentlich unterscheidende Religion begründete) deutlich aufgewertete Stellung der Frau, die nur noch aus Legenden bekannten, aber ein wichtiges Plotelement bildenden Lost Ones oder Aoi, die aus dem Land der Greife stammenden Qumaner – und nicht zu vergessen die Aika (bzw. Eikha). Und natürlich gibt es auch Magie. Das Worldbuilding, der sich erst allmählich entfaltende, gelegentlich mit überraschenden Wendungen aufwartende Plot – der ebenso von sehr irdischen Intrigen wie magischen Ereignissen getragen wird – und last but not least die überzeugend gezeichneten und vor allem glaubhaft agierenden Figuren – neben den bereits erwähnten Liath und Alain gibt es noch ein gutes Dutzend weiterer wichtiger Figuren und eine große Zahl von Komparsen – machen Crown of Stars zu einem der besten mehrbändigen Fantasyzyklen der letzten zwanzig Jahre. Von daher ist es bedauerlich, dass der Sternenkrone in ihrer zwölfteiligen (die ersten fünf Originalbände wurden gesplittet) deutschsprachigen Inkarnation – Erben der Nacht (1998), Im Namen des Königs, Auf den Flügeln des Sturms, Die Kathedrale der Hoffnung (alle 1999), Der brennende Stein, Das Rad des Schicksals (beide 2000), Kind des Feuers, Schatten des Gestern (beide 2001), Ins Land der Greife (2005), Die magischen Tore (2006), Das verwüstete Land (2007) und Die letzte Schlacht (2008) – nicht annähernd der Erfolg beschieden war, den sie verdient gehabt hätte.
Traitor's Gate von Kate ElliottNach dem Ende von Crown of Stars hat sich Kate Elliott mit Crossroads – einem aus den Bänden Spirit Gate (2006), Shadow Gate (2008) und Traitors’ Gate (2009) bestehenden Zyklus – erneut der klassischen Fantasy zugewandt. In diesem Fall ist das Setting allerdings nicht an ein geschichtlich zu verortendes europäisches Vorbild angelehnt, sondern wesentlich fantasyhafter. So gibt es zum Beispiel die auf riesigen Adlern reitenden Reeves, eine Art Polizeitruppe, die nach dem Verschwinden ihrer Herren, der Guardians, die jahrhundertelang das Land of the Hundred beherrscht haben, allergrößte Mühe haben, weiterhin für Recht und Ordnung zu sorgen. Dabei bekommen sie es zunehmend nicht nur mit die Handelswege bedrohenden Räuberbanden zu tun, sondern auch mit Übergriffen fremder Mächte. In dieses unruhige, an der Schwelle zum Krieg stehende Land kommt der Qin-Krieger Anji, der aus bestimmten Gründen aus seiner Heimat flüchten musste und schon bald erkennt, dass turbulente Zeiten zwar bedrohlich sind, sich in ihnen für einen entschlossenen Mann aber auch außergewöhnliche Möglichkeiten ergeben. Auch Crossroads wartet mit überzeugenden Figuren auf, und auch hier wird erst nach und nach deutlich, in welche Richtung sich die Geschichte wirklich entwickelt und was es mit den sagenhaften Guardians wirklich auf sich hat. Wenn man der Trilogie – auf die nach einem Brückenband eine weitere, zeitlich deutlich später angesiedelte Trilogie folgen soll – etwas vorwerfen kann, dann allenfalls, dass sie dem Setting und dem Hintergrund der einen oder anderen Figur ein bisschen mehr Platz hätte einräumen können. Aber vielleicht wird das ja in den noch geplanten Romanen geschehen.
Bis es soweit ist, werden sich die Leserinnen und Leser aber noch ein bisschen gedulden müssen, denn zunächst einmal hat sich Kate Elliott mit der inzwischen vollständig vorliegenden Spiritwalker Trilogy (Cold Magic (2010), Cold Fire (2011) und Cold Steel (2013)) einem vollkommen neuen Setting zugewandt, das sich deutlich von ihren bisherigen High-Fantasy-Szenarien unterscheidet, und das sie am besten selbst beschreiben sollte: “Read an Afro-Celtic post-Roman icepunk Regency fantasy adventure with airships, Phoenician spies, the intelligent descendents of troodons, and a dash of steampunk whose gas lamps can be easily doused by the touch of a powerful cold mage.” Das klingt zunächst einmal ziemlich interessant.
Kate Elliott ist eine Autorin, die sich durch den in ihren Werken immer spürbaren, aber nie aufdringlichen emanzipatorischen Ansatz unter Fantasy-Lesern nicht nur Freunde gemacht hat. Dabei zählt sie zu den wenigen Autorinnen, denen es gelingt, diesen Ansatz bruchlos in das jeweilige Setting einzubetten, die Welt glaubwürdig zu gestalten und mit überzeugenden Figuren zu bevölkern – und das Ganze, ohne sich allzu sehr an bekannte Vorbilder (bzw. das eine, vor allem bekannte Vorbild) anzulehnen. Von daher kann man nur hoffen, dass sie noch lange weiterschreibt – denn immerhin hat sie bereits bewiesen, dass es möglich ist, ein mehrbändiges Fantasy-Epos nicht nur stimmig, sondern auch innerhalb eines zeitlich vertretbaren Rahmens zu Ende zu bringen.

3 Kommentare zu Zum 55. Geburtstag von Kate Elliott

  1. Timpimpiri sagt:

    Ach ja, es gehört zu den schönsten Erfahrugen meiner Übersetzertätigkeit, dass ich die Crown of Stars übersetzen konnte. Nicht nur die Gestaltung glaubhafter weiblicher Charaktere, sondern auch die in sich so stimmige farbige und zugleich phasenweise so düstere Welt sind einfach überzeugend. Kate Elliott hat wirklich Ahnung von der psychologischen Dimension ihrer Figuren, sowohl was die Tageswelt als auch die Nachtwelt ihrer Seele betrifft.
    Und wenn ich nur an die Auflösung der ganzen Geschichte denke! Nirgends habe ich ein derart gelungenes, weil kreatives und doch folgerichtiges, und zugleich überraschendes Ende gefunden, sowohl was die “solution” der Geschichte betrifft, wie auch die allerletzte Szene …
    Und dann ist sie auch noch eine furchtbar nette und aufgeschlossene Autorin, die bei Übersetzungsfragen meinerseits sehr entgegenkommend war.
    Ach herrje, ich wünschte, ich könnte mein Übersetzerleben wieder damit verbringen, CoS zu übersetzen;-)

  2. gero sagt:

    Ich halte ja immer noch die Vermählung von Verstand und Verstand für eine der wirklich genialen Ideen des Zyklus. 😉

    Außerdem war Kate Elliott afaik die Erste, die eins dieser vielbändigen Epen tatsächlich zum Abschluss gebracht hat; da es zwischen Band IV und Band V eine etwas größere Lücke gegeben hatte, hatten sich zeitweise ja schon ein paar Leute Sorgen gemacht, ob es wohl klappen würde. Und allein dafür, dass sie diese Leute Lügen gestraft hat, gebührt ihr Respekt.

    Aber davon ganz unabhängig bin ich – wie schon im Text erwähnt – der Meinung, dass dies wirklich einer der besseren epischen Fantasy-Zyklen ist, der hier bei uns mMn leider ein bisschen ungeschickt vermarktet wurde. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob ein paar etwas bessere Titelbilder und Klappentexte, die statt des (erstens gar nicht so im Vordergrund stehenden und zweitens zumeist anders als üblich eingesetzten) Beziehungs- oder Romance-Aspekts die politischen Handlungsstränge und/oder die fantasyhaften Elemente mehr in den Vordergrund gestellt hätten, letztlich wirklich mehr Erfolg gebracht hätten. Man steckt halt nicht drin …

  3. 'Pingback: Zum 60. Geburtstag von Melanie Rawn in der Bibliotheka Phantastika

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