Zum 55. Geburtstag von Liliana Bodoc

Bibliotheka Phantastika gratuliert Liliana Bodoc, die heute 55 Jahre alt wird. Mit ihrer dreibändigen Saga de los Confines (dt. Die Grenzländersaga) hat die am 21. Juli 1958 in Santa Fe, der Haupstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz, geborene Liliana Bodoc ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Werk geschaffen; während das Setting und etliche inhaltliche Komponenten deutlich an die Mythen und Sagen der indianischen Ureinwohner Mittel- und Südamerikas angelehnt sind und der Erzählduktus in vielerlei Hinsicht an den für die lateinamerikanische phantastische Literatur typischen Magischen Realismus erinnert, bedient sich der eigentliche Plot eines Musters, das man so oder so ähnlich auch aus der angloamerikanischen Fantasy kennt. Das Ergebnis ist eine Trilogie, die einerseits sehr neu, frisch und “anders” wirkt, andererseits ein bisschen zwischen allen Stühlen sitzt.
Inhaltlich lässt sich La Saga de los Confines am ehesten als Fantasyversion der Eroberung Mittel- und Südamerikas durch die spanischen Konquistadoren bezeichnen – allerdings mit ein paar bedeutsamen Abweichungen. Im ersten Band Los Días del Venado (2000) entdecken die Astronomen der FrucDie Tage des Hirsches von Liliana Bodochtbaren Länder dunkle Vorzeichen, die auf eine Bedrohung aus der Alten Welt von jenseits des Meers hinzuweisen scheinen. Und tatsächlich erweist sich die alte Legende, nach der Misaianes, der Sohn des Ewigen Hasses, eines Tages ein Heer schicken wird, um die Fruchtbaren Länder zu erobern, nur zu bald als wahr. Anfangs sieht es ganz so aus, als hätten die Verteidiger keine Chance gegen die eisengerüsteten, auf seltsamen Tieren reitenden Soldaten, doch schließlich gelingt es ihnen, das Blatt zu wenden. Was allerdings Misaianes nicht daran hindert, fünf Sonnenjahre später eine zweite Flotte zu schicken – und mit ihr eine ganz besondere Waffe in Form der Schattenfrau. Die Auseinandersetzung mit besagter Schattenfrau, die den Samen des Ewigen Hasses in den Fruchtbaren Ländern streuen will, spielt im zweiten Band Los Días de la Sombra (2002) eine wesentliche Rolle. Im dritten Band Los Días del Fuego (2004) unternimmt Misaianes dann einen weiteren Versuch, mit einer noch gewaltigeren Flotte die Bewohner der Fruchtbaren Länder unter seine Knute zu zwingen – doch so, wie es möglich ist, die Saat der Gewalt von einem Kontinent zum anderen zu tragen, ist es auch möglich, den Samen des Widerstands in die Alte Welt zu bringen … mit überraschenden Folgen.
Die faszinierendste Komponente von Liliana Bodocs Grenzländersaga – auf Deutsch als Die Tage des Hirsches (2008), Die Tage des Schattens und Die Tage des Feuers (beide 2009) erschienen – ist zweifellos das Setting: die Fruchtbaren Länder mit ihren (zumindest für die meisten deutschsprachigen Leser und Leserinnen) vermutlich sehr exotisch wirkenden Kulturen, ihren Stämmen, Astronomen und Erdzauberern. Hinzu kommt eine ungewohnt poetische Sprache und ein im Vergleich zur angloamerikanischen Fantasy ungewöhnlicher Erzählduktus voller märchenhafter Begebenheiten, Abschweifungen, Handlungssprünge und Geschichten in der Geschichte. Darüber hinaus bietet sich hier die Möglichkeit, einen etwas anderen bzw. deutlich verfremdeten Blick auf ein Stück realer irdischer Geschichte zu werfen. All das hat aber letztlich nicht ausgereicht, um aus der Grenzländersaga in Deutschland mehr als einem Achtungserfolg zu machen. Was darauf hindeuten könnte, dass die deutschsprachigen Fantasyleser und -leserinnen mit allzuviel Exotik und zu deutlichen Abweichungen von den üblichen Erzählkonventionen mehrheitlich eben doch nicht so richtig was anfangen können. Die, auf die das nicht zutrifft, können (und sollten) sich hingegen darüber freuen, dass mit La Saga de los Confines mal wieder eine wirklich ungewöhnliche, ein bisschen andere Fantasytrilogie auf Deutsch – und zwar vollständig – erschienen ist.

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