Die von mir aus Digger-Gründen sehr geschätzte Ursula Vernon hat einen Rant über die Fantasy abgelassen, einem Genre, dem sie eigentlich sehr wohlwollend gegenübersteht. Zusammenfassen lässt sich das Ganze etwa so: Kein Bock mehr auf Fantasy, das ehemalige Lieblings-Genre, weil immer die gleichen Kapuzenheinis von den immer gleichen Büchern mit eurozentrischen, mittelaltertümelnden Settings starren, in denen die immer gleichen Klischees bemüht werden. Pure Langeweile im Buchladen. Pure Langeweile im Buchregal. Alles schon gesehen, und wenn man Klischeefigur A oder Stereotyp-Ausgangslage B nicht einen ganz besonderen Twist verleiht, lockt einen das nicht mehr aufs Sofa. (Komplett nachzulesen hier.)
Das alles klingt unheimlich vertraut – ich habe auch schon lange keinen Spaß mehr in der Fantasy-Abteilung der Buchläden, und im bp-Forum konnte man schon mehrfach ganz ähnliche Klagen lesen. Nun kommt bei Ursula noch der Aspekt hinzu, dass sie selbst Fantasy schreibt, also tiefer als andere ins Genre eintaucht und sich mit den zugrundeliegenden Strukturen beschäftigt. Aber dieser Blickwinkel dürfte etlichen der hier Lesenden auch vertraut sein.
Ich frage mich nun: Liegt dieses Gefühl, dass das Genre immer seltener etwas wirklich Interessantes zu bieten hat, wirklich am mangelhaften Angebot, an den glattgebügelten Titeln, die massenweise mit austauschbaren Phrasen angepriesen werden? Oder hängt es schlicht mit der zunehmenden Leseerfahrung zusammen?
Ausklammern kann man letzteres bestimmt nicht. Ennui ist kein Problem der Jugend, und auch wenn „große Genre-Erfahrung“ netter klingt als die Erkenntnis, dass man mit kleinen Pausen seit über 25 Jahren Fantasy-Leserin ist, lässt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, dass in so einer Zeitspanne alles Abnutzungserscheinungen bekommen kann. Und selbst wenn die reale Fantasy das klischeefreie Wunderland der Möglichkeiten wäre, das sie theoretisch sein könnte (und manchmal sogar ist), hätte sich vermutlich eine Vertrautheit mit (dann eben unkonventionelleren) Mustern eingeschlichen, die dem Ganzen die Spannung raubt.
Immerhin geht es mir wie Ursula: Ich finde schon immer wieder Sachen, die mich begeistern. Ich finde sie nur nicht mehr so oft, und vor allem nicht an Stellen, an denen ich sie früher ziemlich sicher gefunden hätte. Das ist weg, und dahin kann man auch nicht mehr zurück.
Fantasy war und ist ein „junges“ Genre. Jeder, der länger dabei bleibt, kennt vermutlich etliche Aussteiger, die die Fantasy irgendwann als Schritt zum Erwachsenwerden hinter sich gelassen haben. Und überhaupt etliche kritische Instanzen, die die Fantasy als Kinderkram abstempeln. Ich glaube kaum, dass die es einfach besser wussten und schneller gelangweilt waren. Aber dass sich ein großer Teil des Publikums ständig erneuert, könnte schon etwas damit zu tun haben, dass immer wieder die gleichen Klischees reproduziert werden können. Die ersten 50 Mal macht ja vieles noch Spaß.
Dass es in den aktuellen Verlagsprogrammen oftmals nicht so überwältigend gut aussieht, lässt sich nicht abstreiten, wenn „gut“ auch innovativ, experimentell und unkonventionell beinhalten soll. Falls da wirklich nur Generation Leseerfahrung+ aus mir spricht, wäre das ganz schön bitter.
Und alle an erwachsenen Stoffen interessierten Leser und Leserinnen, die dem Genre den Rücken kehren (oder hinter den Kapuzenumhängen die Bücher nicht finden, die sie interessieren könnten) verschärfen das Problem.
Ich finde es allerdings manchmal schon schwer, die evtl. nostalgisch verklärte Lesebegeisterung meines weniger übersättigten früheren Ichs und die gegenwärtige Unlust beim Betrachten der Neuerscheinungen richtig einzuordnen. Aber ich hoffe sehr, man wird trotz allem nur zu alt für den Scheiß. Und niemals für die richtig guten Sachen.