Category: Scriptorium

Dieses Video auf Collegehumor.com hat den Anlass geliefert, uns anzuschauen, wie es um die „Kettenbikinis“ in der Fantasyliteratur bestellt ist:

Der Kettenbikini und seine Verwandten sind – vielleicht, weil eine Beschreibung in Worten seine Absurdität doch zu sehr enthüllen würde? – vor allem ein Phänomen der bildlichen Darstellung. Games, Filme, Comics, Pen&Paper-Rollenspiele (insbesondere die frühen Dungeons&Dragons-Ausgaben mit Werken von Larry Elmore) und Buchcover glänzen mit diesen Schmalspurrüstungen. Ein literarisches Motiv scheint der Kettenbikini dagegen nicht zu sein, denn selbst in den damit so eindringlich (oder aufdringlich?) illustrierten Werken tritt er meistens gar nicht in Erscheinung. Heute würde man die Cover aus der Hochzeit des Kettenbikinis als Fanservice bezeichnen, ein Marketingargument für eine angenommene hauptsächlich heterosexuelle, männliche Leserschaft. Diese “goldene Zeit” des Kettenbikinis (die 1980er Jahre) ist erfahreneren Genre-LeserInnen sicher noch in lebhafter Erinnerung:

Cover von Die Burg der Verräter von Mercedes Lackey/Josepha ShermanTore ins Chaos von C. J. Cherryh

Gerne würde man die 1980er für diese Cover belächeln, aber leider finden sich derartige klischeehafte Darstellungen immer noch. Heutzutage sind es vor allem Computerspiele, die auf den sex-sells-Faktor von halbnackten Frauen setzen. Man nehme etwa die unterschiedlichen Rüstungsdesigns aus World of Warcraft:

Rüstungsvergleich World of Warcraft
Plattenhose und Oberteil sind jeweils dasselbe Modell an einem weiblichen und einem männlichen Zwerg. Bei Menschen- und Elfenfrauen schrumpfen sie noch ein Stück weiter.

Cover von The Frozen God von Richard KirkEs wird deutlich, dass Kleidung für Frauen in diesen Medien vor allem einen Zweck erfüllen soll: strategisches Enthüllen. Zugleich wird damit aber auch die Geschlechtsneutralität der Klassenwahl (und damit der Rollenverteilung in einer Fantasywelt) untergraben, indem das kämpferische Element bei weiblichen Figuren deutlich in den Hintergrund tritt – praktisch wie optisch. Man betrachte dazu auch das Cover von The Frozen God, auf dem sich die Schwertmeisterin Raven in mehr als eindeutiger und alles andere als kriegerischer Pose befindet. Die Idee, kämpfende Frauen stark zu sexualisieren und wenn möglich nackt darzustellen, ist nicht neu (siehe etwa Rubens’ Amazonenschlacht) und war häufig mit Mythen über die letztendliche Überwindung der sexuell attraktiven, kämpfenden Frau durch einen männlichen Kämpfer verknüpft (z.B. Achill und Penthesilea, hier in der Interpretation von Tischbein). Abseits phantastischer Medien ist natürlich ebensowenig Schluss mit der zusammenhanglosen Zurschaustellung weiblicher Körper, man werfe nur einen Blick auf die Werbung oder die Bekleidungsvorschriften für Beach Volleyball.

Natürlich tauchen auch halbnackte Männer auf den Covern auf (durchaus bis heute), zumeist übernatürlich muskulöse Barbaren. Anders als die leicht bekleideten Kriegerinnen stellt dies aber weniger eine Erotisierung mit sex-sells-Funktion dar, als vielmehr das Zelebrieren einer (Hyper-)Maskulinität.

Cover von Der dunkle Thron von Chris Bunch

Wie gerade das letzte Cover zeigt, stehen die Darstellungsformen “entblößte Frau” und “hypermaskuliner Mann” in Zusammenhang und bekräftigen eine Geschlechterhierarchie, die durch die kämpfende Frau zumindest potentiell bedroht war. Denn gleichzeitig werden über den Kettenbikini – wie es auch im Video angesprochen wird – geschlechtsspezifische Zuschreibungen bestärkt bzw. als Grund für die Schmalspurrüstung vorgeschoben, wobei die geringere Körperkraft von Frauen das Hauptargument darstellt. Ein weiteres schönes Beispiel dafür liefert uns Red Sonja, deren Kettenhemd zwar an den richtigen Stellen Sonjas Kurven nachgab, aber ursprünglich immerhin den ganzen Körper bedeckte, was sich allerdings bald änderte, sodass auch die moderne Red Sonja mehr Schwert schwingendes Pin-up denn Kriegerin ist.

Red Sonja bei ihrer Einführung in Conan the Barbarian #'s 23-24, Quelle: Diversions of the Groovy Kind

Das Klischee der spärlich bekleideten Kriegerin hat also inzwischen auf so vielen Ebenen Eingang in die Popkultur gefunden, dass problemlos in parodistischer Form darauf Bezug genommen werden kann (z.B. in Pratchetts Scheibenwelt-Romanen oder Esther M. Friesners Anthologiereihe Chicks in Chainmail). Der Frage, ob vor den Parodien jemals literarische Originale standen oder ob sie ihren Stoff alleine aus den Bildwelten beziehen, wird Bibliotheka Phantastika vielleicht demnächst in einem weiteren Feature zum Kettenbikini nachgehen.

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Das Bild zur ursprünglichen Red Sonja stammt aus diesem Artikel auf Diversions of the Groovy Kind.

Metaflöz Scriptorium

Nachdem mich mein voriges Bastelprojekt in die Kajüte eines Luftschiffkapitäns führte, befinde ich mich jetzt auf den Spuren von Jules Verne. In seinen Büchern reist der Mensch weiter als je zuvor, erlebt die erstaunlichsten Dinge, blickt Gefahren ins Auge und ist dabei tollkühn und beherzt.
Meine Hommage an den französischen Autor zeigt deshalb den Ort, der für viele der Inbegriff des Abenteuers ist: das tosende Meer mit verschlingenden Wellen und dem flüchtigen Blick auf eine riesige, erhabene Kreatur, die sogleich wieder im Meer verschwinden wird. Und irgendwo in diesem Textmeer, ahnt man, erkundet die Nautilus die Tiefsee.


Die kleine Buchskulptur ist aus einem Buch gefertigt. Geschnitten wurde nur bei der Fertigung der Walfontäne; die Flosse ist eine individuelle Abwandlung der Origamigrundform für einen Kranich. Für die Wellen wurde keine Seite aus dem Buch entfernt, sondern die obersten 18 Stück nach Belieben eingedreht und vorsichtig aneinander befestigt.

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Inspiriert von Moyashis zusammengestelltem Book-Art-Sammelsurium möchte ich in dieser Reihe einige Ideen für praktisch veranlagte Bücherfreunde präsentieren. Dies ist jedoch nichts für Zartbesaitete – bei den dargestellten Gestaltungsformen kommen eindeutig Bücher zu Schaden.
Beginnen möchte ich mit einem Nachbau eines beliebten Reliktes, welches sich in der Kajüte eines jeden anständigen Himmelspiraten finden lässt:

Wie man ein Luftschiffkapitänslogbuch bastelt

Buchlinge, ich habe einen Plan! Wir benötigen:

• ein Buch (wenn möglich mit schönem Einband & Illustrationen)
• einen Vorstecher & eine Schere
• Fotoetiketten & Powerstrips
• Perlonfaden/Angelschnur/…
• Cuttermesser/Skalpell
• ein halbes Streichholz
• Kontaktkleber
• ca. 3 Stunden Zeit

Schritt (1): Mit einem Skalpell trenne ich den Einband vorsichtig vom Buchblock. Vorsicht, dass der Einband selbst keinen Schaden nimmt! In die Mitte des Buchrückens steche ich sodann mit dem Vorstecher ein kleines Loch, durch das ich meine Aufhängung fädle. Ich habe dazu 5 Stränge feinen Perlonfadens benutzt und diese zu einem Zopf geflochten. Natürlich kann man den Faden nach Belieben wählen, er sollte nur etwas belastbar sein. Am Ende der Schnur befestige ich das halbe Streichholz, um das Durchrutschen der Schnur zu verhindern und fixiere das Knotengewühl mit etwas Kontaktleim. Das Dach, welches verhindert, dass das Buch einfach davonfliegt, ist fertig!

Schritt (2): Nun beginnt die Arbeit, die etwas Geduld erfordert. Mit dem Skalpell trenne ich vorsichtig Seite um Seite aus dem Buchblock und wähle dazu abwechselnd einfache Textseiten und Illustrationen aus; auch das Titelblatt trenne ich ab. Anschließend forme ich aus jeder Seite einen Modul. Dazu befestige ich 3 Fotoetiketten an einer langen Seite des Papiers und schlage die andere lange Kante zurück, sodass im Querschnitt eine Tropfenform entsteht. Achtung, die Wölbung des Papieres bitte nicht falzen, knicken, o.ä.! Insgesamt habe ich für obiges Logbuch 45 Einzelmodule gebastelt.
Sind alle Einzelmodule fertig, kann das Erstellen der Metamodule beginnen. Jetzt ist Phantasie gefragt! Die Einzelmodule können nach Belieben mit Fotoetiketten aneinander befestigt werden, die Formenvielfalt ist endlos. Ich beginne mit dem untersten Punkt des Gesamtmodules und arbeite mich nach oben. Ab einer bestimmten Anzahl ist es empfehlenswert, das ganze Modell auf die Tropfenkanten aufzustellen. Dies erleichtert das Zusammenfügen – was viel Fingerspitzengefühl und keine hastigen Bewegungen erfordert – der Module enorm. Doch Achtung, nicht nur die oberen Seiten des Modelles müssen mit Fingerdruck aneinander fixiert werden! Deshalb muss das Modell nach jedem Klebeschritt gewendet und auch auf der anderen Seite mit den Fingerspitzen fixiert werden.
Es ist auch möglich, kleine Einzelfiguren zu fertigen und diese dann zu einem großen Modul zusammenzusetzen. Egal, wie ich bei dem Zusammenfügen der Tropfen vorgehe: ich behalte immer eine grobe Zielform im Auge, die nicht zu sehr eine Seite belastet, sondern relativ ausgewogen ist.

Schritt (3): Die Module habe ich nun in behutsamer Kleinarbeit zu einem Großen zusammengefügt. Bevor das Werk komplettiert wird, decke ich mit zwei Tropfenmodulen die Streichholzkonstuktion am inneren Buchrücken ab. Danach kann das große Modul mit viel Geduld und dem gezielten Einsatz von Fotoetiketten und Kontaktleim am Buchdeckel befestigt werden. Dabei sollte man berücksichtigen, dass einzelne Tropfen nun ein beträchtliches Gewicht tragen – dort lieber großzügiger mit kleinen Powerstrips-Streifen fixieren!
Nachdem dies getan ist, nehme ich vorsichtig einen Probeflug vor und hebe das Kunstwerk vom Tisch. Wenn es hängt, sieht man noch die eine oder andere dünne Stelle, die man im Nachhinein mit weiteren Tropfen austopfen kann. Vorsicht: da ich doppelseitige Etiketten verwende, muss ich bei nachträglichen Einfügen von Modulen besonders aufpassen, dass ein Tropfen nicht auf halben Weg zum Zielort schon irgendwo festklebt. Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand sind gefragt.
Abschließend bringe ich noch am inneren Buchdeckel selbst ein paar Module an, um dem ganzen seine endgültige Form zu verleihen. Nach einer weiteren Hängeprobe bessere ich noch einige Klebeschwachstellen aus.
Zuguterletzt bohre ich noch ein winziges Lock ind der Mitte einer Buchdeckelaußenkante, fädle einen Perlonfaden durch und befestige ihn außen an der Aufhängeschnur, sodass der Buchdeckel etwas angehoben wird (nicht in die Waagerechte!), damit die Module nicht zerdrückt werden. Unter Umständen ist dies jedoch nicht nötig; das hängt stark von der Papierdicke ab.

Schritt (4): Bewundert euer Kunstwerk und hängt es so in der Wohnung auf, dass der Luftschiffkapitän bei Bedarf etwas eintragen kann. Allerdings sollte es nicht direkt in der Fensterzugluft und außerdem außerhalb der Reichweite von beißwütigen Haustieren hängen.
Ich bin gespannt auf nachgebastelte Modelle und beantworte gern jede Frage zur Bastelei!
Wütende Luftpiraten sowie der “Verein zur Erhaltung alter Schundromane, unabhängig von ihrem Zustand”, wenden sich bitte mit ihren Anliegen an meine Katzen.

Und damit wünsche ich euch viel Spaß und verabschiede mich mit dem alten Bastlergruß: “Gut Falz!”

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Im Zuge meiner generischen-Cover-Attacke muss ich gelegentlich auch mal eine Lanze brechen für Experimente mit generischem Hintergrund, die unerwartet gut enden. So hat mich Brent Weeks Night Angel Trilogy optisch doch sehr überrascht. Die Cover überzeugen nicht durch detailreiche Illustrationen, sondern durch saubere, klare und einfache Gestaltung. Trotz Kapuzenmännchen ist es mal etwas anderes, wie die Cover insgesamt aufgebaut wurden. Das macht farblich einen stimmungsvollen Eindruck, das fällt bei der weißen Hintergrundfläche auch sicher auf dem Verkaufstisch auf. Selbst der photoshop’sche Nebel wirkt da irgendwie stilvoll, elegant und passend.

Night Angel Trilogy von Brent Weeks

Es wird natürlich trotzdem genügend Betrachter geben, die das eher langweilig finden, weil man keine Action, keine magischen Orte und dergleichen sieht. Wobei ich der Meinung bin, langweilig sei besser zu bewerten als abstoßend hässlich. Da muss man als Fantasy-Fan also schon mal Tapferkeit beweisen und gegebenenfalls in den langweiligen Apfel beißen, um überhaupt noch etwas zu lesen zu haben. In diesem Fall jedoch, finde ich, ist das Leiden nicht unbedingt notwendig.

Was aber so gut funktioniert, braucht natürlich Nachahmungstäter …

Eindrucksvoll wie diese Cover also auf ihre Art und Weise geraten sind, dachte man sich bei der Konkurrenz wohl: “was die können, brauchen wir auch!” und startete mit Brandon Sandersons The Mistborn Trilogy den Versuch, auf den Gestaltungszug aufzuspringen. Es wäre wohl besser gewesen, sie hätten den Zug verpasst, denn das Ergebnis ist, zumindest im Vergleich, Haare sträubend:

Mistborn von Brandon Sanderson

Als Kunst liebender Mensch oder gar selbst Kreativer ist es aus dem Bauch heraus nicht so einfach, sich mit diesen Zeichnungen im Skizzenstadium abzufinden. Da ist das verpfuschte Heranzoomen der Akteurin beinahe übersehbar. Betrachte ich allerdings diese Bauklötze auf dem Cover des 1. Bandes, drehen sich mir die Fußnägel hoch. Als wäre das nicht schon abschreckend genug, kommen die alles rettenden Schnörkel in der Typographie zum Einsatz, die das einzig interessante zu sein scheinen. Auch hier heißt es lieblos ein bisschen Text hier oben irgendwo, eine Zeile da unten, na, vielleicht noch ein bisschen Nebel mehr dazwischen, und fertig ist das Meisterwerk. Eine Bildkomposition sucht man da vergeblich. Hauptsache alles drauf, was muss!

Vergleicht man die beiden Ergebnisse von Night Angel und Mistborn, sieht man, wie ähnlich sich eingesetzte Elemente sein können und wie unterschiedlich ihr Ergebnis ausfallen kann.

Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. Meine Prognose für generische Cover tendiert derzeit zum Close-Up-Gesicht mit Pflanzen- oder Nebelumrandung.

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In der zweiten Runde unserer Lieblingscover haben wir wieder einige Beispiele herausgesucht, die zeigen, dass Fantasy durchaus ein Augenschmaus sein kann …

Yume No Hon – Catherynne M. Valente
erschienen 2006, Covergestaltung: Luis Rodrigues
Yume No Hon von Catherynne M. Valente

Dieses Cover beweist, dass eine schlichte Gestaltung mit überbordenden Covern leicht mithalten und ebenso die Fantasie des Betrachters anregen kann. Das gedeckte Rot des Hintergrundes und der Sepiaton des Bildes harmonieren perfekt miteinander und das Motiv stimmt einfach wunderbar auf das japanische Setting des Buches ein. (Fremdling)

Precious Dragon – Liz Williams
erschienen 2007, Künstler: Jon Foster
Precious Dragon von Liz Williams

Die Cover dieser Buchreihe zählen für mich zu den absoluten Highlights. Neben einer wunderbar in Form und Farbe gelungenen Illustration wurde auch der Text so passend positioniert, dass man die Illustration zur Abwechslung einmal genießen kann. Manchmal ist weniger deutlich mehr und wesentlich prägnanter als Text, der einem in 120 Punkt entgegen springt. Cover wie das von “Precious Dragon” kann man sich praktisch als Poster an die Wand hängen, und zum Buchinhalt passt es auch noch. Mehr davon bitte! (moyashi)

The Far Kingdoms – Allan Cole/Chris Bunch
erschienen 1993, Künstler: Gnemo (Tom Kidd)
The Far Kingdoms von Allan Cole und Chris Bunch

Ein klassisches, filigranes Gemälde auf dem Cover einer klassischen Abenteuer-Geschichte: Das Bild liefert bereits das, was der Titel des Romans verspricht – einen Blick auf ferne Königreiche. Zugegeben, es wirkt ein bißchen kitschig mit dem Märchenschloss, den kräftigen Farben im Vordergrund und den Pastellfarben weiter hinten – in ganzer Pracht auf dem ursprünglichen Wraparound zu sehen. Aber es ist genau das Richtige, wenn man einmal mit Fernweh vor dem Bücherregal steht. (mistkaeferl)

The King of Attolia – Megan Whalen Turner
erschienen 2006, Künstler: Vince Natale
The King of Attolia von Megan Whalen TurnerFiguren, die das Bild dominieren, sich aber nicht unverstellt dem Betrachter präsentieren, antikisierende Ornamente, die man dennoch keiner tatsächlichen historischen Epoche zuordnen kann, Pracht, Düsternis, Innigkeit und die Folgen von Gewalt – Vince Natales Illustration setzt kongenial das um, was den Leser in The King of Attolia erwartet, und beweist zugleich, dass man den Protagonisten eines Romans auch anders als im dramatisch drapierten Kapuzenumhang aufs Cover bannen kann. Neben dem ungewöhnlich gewählten Bildausschnitt gefällt mir vor allem die Gesamtwirkung, die eher an ein altmeisterliches Gemälde als an reine Gebrauchsgraphik denken lässt. (Wulfila)

The Sword and the Stallion – Michael Moorcock
erschienen 1975, Künstler: Patrick Woodroffe
The Sword and the Stallion von Michael Moorcock

Die fast schon surrealistisch anmutenden Cover, die Patrick Woodroffe für die britische TB-Ausgabe der zweiten Corum-Trilogie geschaffen hat, waren in den 70ern echte Hingucker – und wären es heute vermutlich wieder. Interessant dabei ist, dass Woodroffe fast alle wichtigen Elemente, die im Buch bzw. den Büchern auftauchen, mal mehr, mal weniger offensichtlich in den jeweiligen Titelbildern integriert hat. (gero)

Jonathan Strange & Mr. Norrell – Susanna Clarke
erschienen 2004, Künstler: William Webb
Jonathan Strange & Mr Norrell von Susanna Clarke

Schwarzer Hintergrund, eine weiße Schrift, die den Eindruck erweckt, als hätte hier noch jemand per Hand eine alte Druckerpresse bedient, dazu ein einzelner Rabe. Andere mögen es vielleicht langweilig nennen, aber für mich ist es gerade diese wunderbare Schlichtheit, die das Cover angenehm aus der Masse der “Action!” oder “Epic!” schreienden Fantasyeinheitscover heraushebt. Und, was heutzutage vielleicht eine noch größere Leistung ist: das Cover passt auch noch zum Buch, das eben auch eher sprachliche Eleganz (wobei auch hier manche eher sagen: Langeweile) der Action vorzieht. (maschine)

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Es gibt alle paar Jahre bestimmte Design-Elemente, die sind scheinbar nur dafür geschaffen worden, einst auf einem Fantasy Cover zu landen. Aktuell sind es Kapuzenmännlein, davor waren es Schwerter und Äxte im Boden und davor war es wohl die halb nackt schmachtende Amazone am Fuße des von Muskeln verbeulten Kriegers. Wenn irgendwo noch ein Drache herum drapiert werden kann, umso besser.
Wie oft haben wir das schon gesehen? Wie viel öfter haben wir darüber schon den Kopf geschüttelt? Fantasyleser sollten eine Gefahrenzulage wegen zu erwartender Schädeltraumata verlangen.

Wenn ein Cover wenig bis nichts mit dem Inhalt zu tun hat, dann hat man es meistens mit einem dieser generischen Cover zu tun. Trends machen auch vor Büchern nicht Halt, und nur selten entsteht dabei auch mal etwas Brauchbares.
Natürlich kann man kaum darauf hoffen oder gar verlangen, dass jedes Buch ein schickes Cover mit einer tollen individuellen Illustration bekommt, die genau zu diesem einen Buch passt. Aber müssen es als Ersatz gleich diese stereotypen, immer wiederkehrenden Motive sein? Könnte man es nicht auch anders angehen und einfach mal versuchen, das Wort -Ästhetik- zu berücksichtigen? Wenn den Verlagen oder Gestaltern schon nichts besseres einfällt, als zu solch einem Cover-Klon zu greifen, könnte man es dann nicht einfach neutral halten? Muss man einem Cover aufgrund seiner Unzumutbarkeit ansehen, dass es zum Fantasy-Genre gehört? Man könnte manchmal glauben, es herrsche eine regelrechte Furcht davor, der Fantasyleser sei nicht intelligent genug sein Genre auch ohne Schmuddelcover zu finden.

Die Glasbücher der Traumfresser von Gordon DahlquistEin paar Verlage trauen sich glücklicherweise gerne mal zu experimentieren und bringen dabei echte Perlen hervor. So geschehen z.B. bei Gordon Dahlquists Glasbüchern, bei denen die Typographie zum Gestaltungselement wird. Keine verunglückten Versuche, einen der Protagonisten  darzustellen, keine leuchtenden Schwerter im Boden, kein Kapuzenmann mit glühender Hand. Wie viele von euch kennen das Buch trotzdem? – Na bitte!

Oder betrachten wir R. Scott Bakkers Prince of Nothing, der mit einem einfachen Tuchmuster im Hintergrund zu glänzen vermag. Simpel, relativ schnell zu machen und wirkungsvoll.

The Prince of Nothing von R. Scott Bakker
Man könnte statt des Tuchmusters auch die fast immer vorhandene Weltkarte zum Buch nehmen und damit ähnliche Effekte erzielen. Es wäre so einfach, ästhetische Buchcover ganz ohne erzwungene Illustrationen zu erstellen, die auch noch durch ihr untypisches Aussehen auffallen. Warum also immer so kompliziert?

Natürlich ist es Geschmackssache, was einem gefällt oder nicht. Ich persönlich würde mir lieber 100 solcher neutralen Gestaltungsformen ins Regal stellen, bevor ich auch nur eine einzige Stilblüte anschaffe wie diese:

Schmuddelcover

Da brennen einem die Augen und das Fremdschämen ist ganz klar vorprogrammiert. Es leuchtet, es blitzt, es wird gespiegelt und personifiziert, was das Zeug hält. Falls jemand noch scheußlichere Beispiele auf Halde hat: meine Meckerkiste ist groß und geräumig!

Seien wir ehrlich. Womit traut ihr euch eher, in der Bahn oder dem Bus gesehen zu werden?

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Da keiner von uns gerne ein Buch in die Hand nimmt, für dessen Cover man sich im Bus schämen muß, und leider gerade Fantasy-Cover überproportional häufig Anlaß genau dafür geben, wollen wir euch – als kleiner Gegentrend, als Anregung, als Demonstration, wie es auch geht – immer wieder eine Auswahl unserer Lieblinge vorstellen.
Davon hätten wir gerne mehr …

Tales of the Perilous Realm – J.R.R. Tolkien
erschienen 2008, Künstler: Alan Lee
Tales of the Perilous Realm von J. R. R. Tolkien
Um Tolkien zu zitieren: “Gute Drachen sind rar”, auch und vor allem auf Covern, und so hat mich auf den ersten Blick vor allem dieses schöne Exemplar hier angesprochen. Aber Alan Lees Wiedergabe einer Szene aus Farmer Giles of Ham, die er in eine erlesene Landschaftsdarstellung einbettet, ist weit mehr als eine gelungene Illustration. Die Kombination einer realitätsnahen, auch in der Farbgebung jede Übertreibung meidenden Darstellungsweise spiegelt auf visueller Ebene sehr gut die Mischung aus Authentizität und Sagenstimmung wider, die Tolkiens Werke auszeichnet. (Wulfila)

The Affinity Bridge – George Mann
erschienen 2008, Künstlerin: Emma Barnes
The Affinity Bridge von George Mann
Ein Buch, das ich nicht gelesen habe, dessen Cover mir aber regelmäßig die Augen übergehen lässt. Dabei beeindrucken mich vor allem die dahinter stehende Idee, ein historisches Werbeplakat zum Vorbild zu nehmen und die Detailverliebtheit, mit der diese umgesetzt wurde – man beachte etwa die kleinen Schlagzeilen am Rand. Dadurch wird verhindert, dass – im Gegensatz zu anderen Steampunk-Covern – ein an sich schönes Bild mit einer unpassenden Typographie verunziert wird und Text und Motiv wunderbar harmonieren. Außerdem variiert es die sonst zumeist realistisch über’s Cover schwebenden Luftschiffe. (Fremdling)

Blade of Tyshalle – Matthew Woodring Stover
erschienen 2001, Künstler: Dave McKean
Blade of Tyshalle Matthew Woodring Stover
Nach der ersten visuellen Umsetzung des Helden Caine auf dem Vorgängerband Heroes Die, die man auch mit viel Wohlwollen nicht als gelungen bezeichnen kann, ist Dave McKeans Darstellung des “dunklen Prinzen des Chaos” geradezu eine Offenbarung: Farbgebung, Dynamik und die Messer als Blickfänger geben eine Vorahnung von der Action, die zwischen den Buchdeckeln wartet, und McKeans Stil, der von der klassischen Fantasy-Illustration meilenweit entfernt ist, transportiert mühelos die Atmosphäre von Stovers wildem SF-und-Fantasy-Reigen. (mistkaeferl)

The Shadow of the Torturer – Gene Wolfe
erschienen 1981, Künstler: Bruce Pennington
The Shadow of the Torturer von Gene Wolfe
Wie man hier sehr schön sehen kann, hat es auch schon in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Kapuzenmännchen auf Titelbildern gegeben. Bruce Penningtons Bild mag auf den ersten Blick generisch wirken, doch seine Darstellung Severians, der mit Terminus Est auf dem Rücken Nessus verlässt, hat nichts von der Glätte, die man heutzutage bei so vielen Kapuzenmännchencovern findet, und es transportiert soviel Atmosphäre – vor allem, wenn man das komplette Wraparound sieht -, dass es für mich immer zu den Highlights zählen wird. (gero)

Der Königsschlüssel – Boris Koch
erschienen 2009, Künstler: Dirk Schulz
Der Königsschlüssel von Boris Koch
Warum dieses Cover? Die Wahl ist mir wirklich schwer gefallen. Es gibt Cover mit schönen bis wahnsinnig tollen Illustrationen, es gibt welche mit guten typografischen Lösungen, selten gibt es welche, wo beides harmonisch miteinander verbunden ist. Der Königsschlüssel zeigt im Vergleich vielleicht nicht die Illustration des Jahrhunderts, aber die Gesamtumsetzung von Bild und Text macht dieses Cover für mich zu einem Beispiel dafür, wie man beides geschickt miteinander verbinden kann, ohne dass das eine das andere übertrumpft oder erschlägt. Wie schön könnten unsere Bücher sein, wenn man das immer versuchen würde! (moyashi)

The Two Towers – J.R.R. Tolkien
erschienen 2005, Künstler: J.R.R. Tolkien
The Two Towers von J.R.R. Tolkien
Reduzierte, symbolhaftige Farbigkeit, eine unaufdringliche und dadurch stilvolle Typo und eine grafisch äußerst spannungsvolle Umsetzung des Buchtitels durch den Autor höchstpersönlich: ein Cover, auf dem jeder Pinsel- und Pixelstrich sitzt. Nicht alles, was Gold ist, glänzt! (Colophonius)

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oder: E-Publishing und die Konsequenzen

Es ist ja schon faszinierend.
Seit Monaten, ja inzwischen schon Jahren, redet alle Welt über E-Publishing, digitale Bücher und den Verkauf eben dieser digitalisierten Inhalte. Leider reden alle durcheinander, viele reden völligen Humbug und den Kunden betrachten die Verlage scheinbar überhaupt nicht. Letzter Schrei (der mir persönlich als IT-Administrator seit rund 1 1/2 Jahren nur noch Kopfschmerzen, hochgerollte Zehennägel und allgemeinen Brechreiz beschert) ist jetzt die Cloud. Es ist schon faszinierend, wie in den Köpfen mancher Führungsetagen die Marketing-Experten von Cloud-Anbietern ihre Lösung als den Heilsbringer der IT etablieren. Ich rate dringend dazu, sich mal die datenschutzrechtlichen Hintergründe zu Clouds und Datenverarbeitung näher anzuschauen. Hier scheint mir ein eklatantes Defizit bei manchen Leuten vorzuherrschen.

Aber zurück zum Thema.

Zäumen wir das Pferd doch einmal von hinten auf.
Wenn ich heute ein Buch kaufe, ist es dem Buch (und dem Verlag) komplett egal, ob und wieviele Computer ich habe. Und welche Betriebssysteme darauf laufen. Sei es Windows, Macintosh oder Linux oder noch etwas ganz anderes. Ich klappe das Buch auf und kann es lesen. Ähnliches gilt heute für CDs. Nach einigen Versuchen DRM dort zu etablieren, kann ich heute die CDs wieder in jeden Computer, jedes Abspielgerät einlegen und mir die Musik anhören. Und nach diversen Pech und Pleiten mit DRM-Systemen bekommt man heute eigentlich auch nur noch MP3s mit Wasserzeichen, die quasi überall abspielbar sind. Seien sie auf CD gebrannt, seien sie auf einem Windows, Mac oder Linux-System. Ich kopiere die MP3-Datei und kann sie abspielen.

Nur die Verlage zackern immer noch mit dem Schutz ihrer Inhalte herum, und das aus meiner Sicht völlig unnötigerweise.

Ich stelle mal ein paar einfache Thesen auf:

DRM verhindert keine Raubkopien
Bisher verhindert kein einziges DRM-System die Erstellung und Verbreitung von illegalen Kopien. Wer sich nicht um Rechte von Verlagen schert, wird auch nicht von wie auch immer gearteten Schutzmechanismen abgeschreckt werden. Oder man denke an die letzten Harry Potter-Romane. Innerhalb eines Tages waren diese eingescannt und als E-books über einschlägige Tauschbörsen verbreitet worden. Solange es noch richtige Bücher gibt, kann dies kein Verlag der Welt verhindern. Warum also der ganze Aufwand mit DRM-Systemen?

DRM ist zu kompliziert und de facto tot.
Es hat nie funktioniert und es wird auch bei Büchern nicht funktionieren. Nicht umsonst haben sogar die letzten großen Anbieter von Musik-Downloads ihre DRM-Systeme abgeschafft. Der Kunde kommt damit nicht klar. Schon gar nicht, wenn es zig verschiedene Lösungen von zig verschiedenen Verlagen gibt. Es macht nur Probleme und es reicht eben nicht, einfach mal kurz ein DRM-System zu etablieren. Man braucht die Infrastruktur, Hotlines für die Kunden und vor allem die bisher nicht vorhandene Kunden-Akzeptanz. Einzig und allein Audible hat es noch all die Jahre geschafft, seine Hörbücher mit DRM zu verkaufen. Was allerdings daran liegt, dass Audible hier in Deutschland eine Monopol-Stellung besitzt, was die Verlage ja nun langsam auch mit mehr und mehr unwilliger Stimmung betrachten.

Der Kunde will ein Produkt kaufen, keinen “Content”.
Den Marketing-GAU als Amazon in den USA kurzerhand E-books von George Orwell aus der Ferne gelöscht hat, wird jeder mitbekommen haben. Und was macht der Kunde, wenn der Content-Anbieter nicht mehr existiert? Wer garantiert mir, das der Verlag/Anbieter auch in 10, 15, 20 Jahren noch auf dem Markt ist? Sicherlich ist die Gefahr bei den großen Verlagen eher gering. Aber was ist mit E-books von mittleren oder gar Kleinst-Verlagen? Und warum soll ich den Verlagen die Hoheit über “meine” Bücher überlassen? Möchte der Kunde wirklich, dass sein Buch eben mal vom Verlag auf die Version 1.1 “upgedatet” wird und so eventuell bei Tom Sawyer alle Neger verschwinden?

Fazit: DRM ist aus meiner Sicht die ungeeignetste Lösung eine Akzeptanz der Kunden zu gewinnen. Ich selber würde mir jedenfalls keine dermaßen “geschützten” Inhalte kaufen, wobei schon einige digitalen Bücher mit Wasserzeichen auf meiner Festplatte liegen.

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