Rattenfänger

Rattenfänger von Jane Yolen und Adan StempleCalcephony, genannt Callie, ehrgeizige Reporterin der Schülerzeitung, darf über ein Konzert der Rockgruppe “Messingratte” berichten, das kurz vor Halloween stattfindet. Dumm nur, daß auch ihre Eltern und sogar ihr jüngerer Bruder auf das Konzert gehen. Und seltsam, daß auch Callies Eltern schon lange Fans von Messingratte sind, wo doch der Sänger Gringras und die restlichen Mitglieder jung und frisch aussehen und der Menge einheizen wie eh und je. Als Callie dann zum Interview mit der Band antritt und die Dinge genauer recherchieren will, wird sie Zeugin eines Streits – und erfährt von dem Fluch, der auf den Musikern liegt …

-Der Rattenfänger sah den Fluß, lange bevor er das Rauschen des Wassers hörte oder der salzige Geruch von Blut ihm in die Nase stieg.-
1 Fluß voll Blut

Halloween hat sich – ob man es nun mag oder nicht – inzwischen als fester Punkt auch im europäischen Jahresrhythmus festgesetzt, und mit gestiegenem Bekanntheitsgrad des Festes bieten sich nun zahlreiche fiktionale Werke zur deutschen Veröffentlichung an, die der gruslig-phantastischen Atmosphäre von Halloween Leben einhauchen.
In Rattenfänger (Pay the Piper), dem ersten ‘Rock’n Roll Märchen’ von Jane Yolen und ihrem auch als Musiker tätigen Sohn Adam Stemple, ist um Halloween der Rattenfänger von Hameln aktiv, dem hier gleich doppelt ein neues Gewand verliehen wurde: Einerseits tritt er als charismatischer Sänger einer angesagten Rockband auf, dessen Charme sich keiner entziehen kann, andererseits wird die Figur zum verbannten Prinzen des Feenreichs erklärt, der sich in der Menschenwelt durchschlagen und seinem Vater auch noch einen grausamen Zehnten bezahlen muß. Entsprechend ist auch die Erzählung zweigeteilt in die moderne, den größeren Raum einnehmende Geschichte über Callie, die ein Fan der Band “Messingratte” ist und aufdeckt, was den Kindern ihres Ortes an Halloween bevorstehen könnte, und die Hintergrundgeschichte über Prinz Gringras und seine Verbannung aus dem Feenland, die in lyrischem, märchenhaftem Duktus erzählt wird und tatsächlich ein wenig in die Feenwelt führt.

Die Hintergrundgeschichte mag also vielleicht die poetischeren Kapitel bieten, aber Callies Perspektive macht das Buch vor allem für jugendliche Leser attraktiv: Sie ist durch und durch schwärmender Teenager, verguckt sich sogar in eines der Bandmitglieder, ist dabei aber ehrgeizig und ein bißchen selbstsüchtig, so daß sie auch Fehler macht. Nicht ganz treffgenau sitzt womöglich die Jugendsprache, die Callie und ihre Freundinnen verwenden – da fühlt man sich teilweise eher an die 80er als an moderne Musikfans erinnert und schaut dann verwundert aus der Wäsche, wenn Callie für ihre Schülerzeitungsartikel im Internet recherchiert.
Eine nette Idee sind die eingestreuten und am Ende auch komplett abgedruckten Songtexte von Messingratte, die einige Lücken und Fragen in der Hintergrundgeschichte auffüllen und der tragischen Figur des vertriebenen Feenprinzen zusätzlich Fleisch geben. Am Ende laufen beide Fäden zusammen und werden simpel, aber sehr treffend aufgelöst; vor allem auch für Callies Schwärmerei gibt es ein sehr gelungenes Ende.

Höhepunkte der Handlung sind viel weniger im Spannungsbogen zu finden – denn der verläuft sehr geradelinig – sondern vielmehr in den eingestreuten Geschichten aus dem Hintergrund der Band und in den atmosphärisch dichten Beschreibungen ihres Auftritts, der Erinnerungen an eigene Konzertbesuche wachzurufen vermag.
Trotzdem ist Rattenfänger ganz klar ein Jugendbuch, wenig komplex und deutlich durch seine jugendliche, altkluge Protagonistin bestimmt. Für eine Dreizehnjährige ein perfektes Geschenk – und wenn man zufällig ein Halloweenmuffel ist, kann man sich beim nächsten Mal vielleicht mit diesem Buch zu Hause verkrümeln, denn die kleine Geschichte läßt sich locker an einem Abend durchlesen – und die Feenland-Einschübe haben auch für Erwachsene ihren Charme.

Stand: 08. Oktober 2012
Originaltitel: Pay the Piper
Erscheinungsjahr: USA 2005, D 2007
Verlag: Edition Phantasia
Übersetzung: Joachim Körber
ISBN: 978-3-937897-23-3
Seitenzahl: 171