Königsblut

Königsblut von Daniel HanoverWährend Cithrin tollkühne Tänze auf dem Finanzmarkt vollführt, Marcus Wester im Zuge seiner Leibwächtertätigkeit wieder zum Schwert greift und im Hause Kalliam eine Vermählung ansteht, stehen in Antea alle Zeichen auf Krieg. Und an dessen Spitze steht kein Anderer als Geder Palliako, dessen priesterlicher Berater noch ganz andere Ziele verfolgt …

“Der Abtrünnige, der unter anderem auf den Namen Kitap rol Keshmet hörte, stand im sanften Regen der Stadt, vom Makel in seinem Blut gedrängt und getrieben, ohne ihm jedoch nachzugeben.”
– Einleitung, Meister Kit

Nach dem furiosen Auftakt Das Drachenschwert (The Dragon’s Path) geht die Dolch-und-Münze-Reihe von Daniel Abraham, der hier unter dem Pseudonym Daniel Hanover firmiert, mit Königsblut (King’s Blood) in die zweite Runde. Der Klappentext verrät bereits, dass Geder Palliakos Stern im Steigen begriffen ist – und der geneigte Leser weiß, was das bedeutet: Intrigen, Blut und Chaos; und wer hinter dieser vielversprechenden Wortgruppe Spannung und Action vermutet, wird nicht enttäuscht werden. Und ehe man sich versieht, befindet man sich im Lesestrudel und erfreut sich an Piratenabenteuern von Marcus und Yardem, dem sympathisch-witzigsten literarischen Fantasyduo seit Merry und Pippin, während Antea (ich will ja nichts beschönigen) langsam den Bach hinuntergeht. Königblut ist dennoch kein typischer modernen Fantasyroman, auch wenn es reichlich blutig zugeht – der Roman ist eher witty als gritty, eher „Hut ab!“ als „Kopf ab“, und damit eindeutig eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Fantasyprogramm.

Wie bereits im Vorgängerband besticht Königsblut nämlich besonders durch seine feine, psychologisch ausgefeilte Charakterzeichnung. Jeder Schwertstreich, jeder Verrat, jede Schlacht auf der abraham’schen Welt beginnt mit einem gesäten Zweifel, einer Unsicherheit, einer Zurückweisung, einer Enttäuschung oder Hoffnung; es sind die leisen Momente, die unwillkommensten Gedanken, die sich als machtvolle Figurenlenker erweisen und wie sehr kleine Steine des Anstoßes die Geschichte ins Rollen bringen. Dabei bedient sich Abraham, so scheint es, grundsätzlich bei altbekannten Typen: wir begegnen dem verbitterten Witwer, der intrigengeprüften Politikergattin (nebst kronentreuen Ehemann) und einem undurchsichtigen Fundamentalisten. Was sie alle auszeichnet, ist eine Lebendigkeit, die weit über die konventionelle Stereotypenjongleurie hinausgeht. Dabei vermag Abraham über die jugendlichen Irrungen und Wirrungen Cithrins genauso überzeugend zu schreiben wie über den klug gezeichneten, tiefen Konservativismus Dawson Kalliams, der, mit einer Prise Verzweiflung gemischt, zum Dreh- und Angelpunkt für das politischen Geschehen in Antea wird. Über allem steht jedoch die dunkle Figur Geders, die in seiner schamhaften Menschlich- und Männlichkeit, seiner Verletzlichkeit und Unbedarftheit alle anderen finsteren Herrscher in den Schatten stellt. Denn Geders Rache ist nicht die eines irrsinnigen Größenwahnsinnigen, sondern die eines gehänselten, unsicheren kleinen Jungen, der sich eines Tages mit der mächtigsten aller Waffen in den Händen wiederfindet: politischer Macht.

Besonders erfreulich ist es, dass diese Ausnahmereihe auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht wird: mit einer feinsinnigen und rundum gelungenen Übersetzung, die auch das Bankenjargon einer Cithrin bel Sarcour treffend zu vermitteln weiß, kann Geder Palliakos unheilverkündender Todesstern also auch hierzulande aufgehen.

Und während also Abraham mit Erwartungen, altbekannten und beschuppten Genregrößen, klugen Witz und tiefgehender Menschenkenntnis jongliert, wünscht sich der Leser nichts mehr als ein zehnbändiges Spin-Off mit Marcus und Yardem.
Der Tag, an dem man dieses Buch aus der Hand legen kann? Nicht heute.

Stand: 22. Februar 2014
Originaltitel: The King's Blood
Erscheinungsjahr: US 2012, D 2013
Verlag: Blanvalet
Übersetzung: Simone Heller
ISBN: 9783442268665
Seitenzahl: 636