Die Stadt der träumenden Bücher

Cover von Die Stadt der träumenden Bücher von Walter Moers Hildegunst von Mythenmetz, ein Jungspund von 77 Jahren, Bewohner der Lindwurmfeste und Ich-Erzähler dieses Romans, kommt nach Buchhaim, um den genial begabten Dichter eines Manuskriptes ausfindig zu machen, das ihm sein Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler auf dem Sterbebett vermacht hat. Buchhaim ist eine Stadt, deren Bewohner für Bücher und von Büchern leben. Hier drängt sich Buchladen an Buchladen, Verlagssitz an Verlagssitz und Lesestube an Lesestube. Seine Suche führt Hildegunst in das Labyrinth unter der Stadt, in dem Buchjäger noch heute auf der Jagd nach kostbaren Büchern sind und in dem tödliche Gefahren lauern.

– Hier fängt die Geschichte an. Sie erzählt, wie ich in den Besitz des Blutigen Buches kam und das Orm erwarb. Es ist keine Geschichte für Leute mit dünner Haut und schwachen Nerven – welchen ich auch gleich empfehlen möchte, dieses Buch wieder zurück auf den Stapel zu legen und sich in die Kinderbuch-Abteilung zu verkrümeln.-
Eine Warnun

Beinahe wäre dieses Buch nicht besprochen worden. Der Rezensent hat schon öfter angedeutet, daß er eher zu den schreckhaften Naturen gehört und lange hat er sich überlegt, ob er sich nicht die Warnung zu Herzen nehmen soll und lieber auf die Lektüre des Buches verzichtet: Ja, ich rede von einem Ort, wo einen das Lesen in den Wahnsinn treiben kann. Wo Bücher verletzen, vergiften, ja, sogar töten können. Nur wer wirklich bereit ist, für die Lektüre dieses Buches derartige Risiken in Kauf zu nehmen, wer bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um an meiner Geschichte teilzuhaben, der sollte mir bis zum nächsten Absatz folgen. Allen anderen gratuliere ich zu ihrer feigen, aber gesunden Entscheidung, zurückzubleiben. Macht’s gut, ihr Memmen! Ich wünsche euch ein langes und sterbenslangweiliges Dasein und winke euch mit diesem Satz Adieu!
Ach, was soll’s! Wer schon als Kind mit Hagen von Tronje in Etzels brennendem Saal gestanden hat, mit Odysseus dem Zyklopen entronnen ist und wer unter verschiedenen Piratenkapitänen gedient hat, wird ja wohl auch die Lektüre dieses Buches unbeschadet überstehen,—hoffentlich.

Nun denn, der Rezensent machte sich ans Werk und bald schon, es muß leider gesagt werden, fühlte er eine leise Enttäuschung in sich aufsteigen. Ja, Die Stadt der Träumenden Bücher ist ein phantasievoller Roman, witzig, originell, mit wunderbaren Illustrationen, die intelligente Parodie eines Entwicklungsromans und eine gnadenlose Abrechnung mit dem Literaturbetrieb, mit Literaturagenten, Schriftstellern und natürlich Kritikern. Aber wo bitte bleibt die nervenzerfetzende, versprochene Spannung? Eine Schreckse, eine einäugige, weiße Fledermaus, ein Trompaunenkonzert, alles ganz nett, aber ist das schon alles, was Mythenmetz an Schrecken zu bieten hat??? Nein, ist es nicht!!! Hildegunst von Mythenmetz wird das Opfer eines heimtückischen Anschlages. Er fällt in Ohnmacht, ihm wird schwarz vor Augen -und dem Leser auch. Wenn beide wieder klarer sehen, geraten sie in die spannendsten, gefährlichsten, unglaublichsten und schreckenerregendsten Abenteuer, die die Katakomben von Buchhaim zu bieten haben. Machen Sie sich auf furchtbare Begegnungen mit Bücherjägern, Spinxxxxen, Harpyre, Kannibalen, Gefährlichen Büchern, dem Schattenkönig und den Schrecklichen Buchlingen gefaßt. Falls Sie bei der Nennung dieser Namen noch nicht blaß um die Nase geworden sind, dann waren Sie noch nie in Zamonien. Allerdings muß der Rezensent gestehen, daß er sich auf Anhieb in die Schrecklichen Buchlinge verliebt hat. Plötzlich war er bereit, diesem Roman allein wegen der Buchlinge sechs, sieben, acht oder gar Trilliarden Sternchen zu verleihen und er möchte unbedingt mehr über diese Kerlchen lesen: BUCHHAIM, BUCHHAIM, BUCHHAIM!!!!!! (lieber Leser, achten Sie gar nicht auf das Fettgedruckte, es ist nur ein kleiner interner Hinweis für den Übersetzer des Buches, oder ist es ein Zeichen des beginnenden Wahnsinns????)

Jeder Buchling wählt sich einen zamonischen Schriftsteller aus, dessen Namen er trägt und dessen Werke er auswendig lernt. Das Besondere daran ist: zwischen den zamonischen Schriftstellern und den Autoren unserer Realität gibt es einen Zusammenhang und es macht einen Wahnsinnsspaß (schon wieder “Wahnsinn”) herauszufinden, welchen. Man kann aber auch zur Verzweiflung getrieben werden, wenn es bei einigen nicht gelingt. Hier ein paar einfache Beispiele zum Üben: Ojahnn Golgo van Fontheweg, Gofid Letterkerl, Perla La Gadeon, Ali Aria Ekmirrner, Balono de Zacher und Sanotte von Rhüffel-Ostend.
Ach, der Rezensent könnte noch stundenlang erzählen, von der Haifischmade Phistomefel Smeik, von Colophonius Regenschein, von Rongkong Coma von der Bücherbahn der Rostigen Gnome, von Schloß Schattenhall und von vielem anderen. Aber er denkt ja gar nicht daran, er hat sich nicht mit Hildegunst von Mythenmetz in tödliche Gefahren gestürzt, damit andere davon profitieren, die nichts tun, außer gemütlich vor dem Computer zu sitzen. Wenn Sie die Geschichte der Stadt der Träumenden Bücher kennenlernen wollen, dann lesen Sie sie gefälligst selbst – wenn Sie sich trauen…

Stand: 26. Oktober 2012
Erscheinungsjahr: D 2004
Verlag: Piper
ISBN: 3-492-04549-9
Seitenzahl: 456