Die Burg der Verräter

Cover von Die Burg der Verräter von Mercedes Lackey/Josepha ShermanDem Bardenlehrling Kevin ist sterbenslangweilig, er möchte zeigen, was in ihm steckt, und Abenteuer erleben. Doch er bekommt von seinem berühmten Meister Aidan nur den Auftrag, in der Burg des Grafen Volmar ein altes Lehrbuch zu kopieren. Dort angekommen stellt Kevin schnell fest, daß etwas mit dem Manuskript nicht stimmt – auch Carlotta, die Halbschwester des Königs, versucht herauszufinden, was der mächtige Aidan mit diesem Buch will. Einst versuchte sie den König zu töten, was Aidan verhinderte, seitdem gibt sie vor tot zu sein und hält sich im Verborgenem. Zunächst macht sie sich in der Verkleidung der jungen Charina an Kevin heran. Als dieses scheitert, täuscht sie vor entführt zu werden und Kevin soll eine Rettungsgruppe anführen …

-Zoing!-
1. Kapitel

Das Geschehen findet auf einer leider nur schwach beschriebenen Sekundärwelt statt, und zwar im Reich des Königs Amber. Knappen, Ritter, Burgen, Feudaladel und Turniere mit reisenden Gauklern lassen ein vom typischen Mittelalter geprägtes Bild entstehen. Auch wenn es sehr oberflächlich dargestellt wird, schimmern an einigen Stellen schon gewisse Ungerechtigkeiten des Systems durch – eine Kritik wird allerdings nicht geäußert. Knapp ein Viertel der Geschichte spielt in der großen Stadt Westerin; auch sie wird oberflächlich und klischeehaft beschrieben (z.B. die typische Gaunerkneipe), sodaß teilweise ein leichtes Gefühl von Urbanität aufkommt.

Die Geschichte ist reich gesegnet mit magischen Elementen: So gibt es Weiße Elfen, spitzohriges, magisch affines, schönes Volk mit hellen Haaren und ambivalentem Charakter, und Schwarze Elfen, die ihre dunkelhäutigen Cousins sind, sie sind bekannt für ihr böses Wesen und dunkle Magie – ein freundschaftliches Verhältnis besteht zwischen den Völkern nicht. Dann sind da noch die ewig spottenden und nicht nur nette Streiche spielenden Feen und die sonderbaren, pedantischen Arachnia, intelligente, menschenartige Spinnen. Und Zwerge, Untote und weitere bunte Monster. Es wird außerdem viel gezaubert: Licht, Verwirrung, Schutz oder Blitz, fast nichts ist undenkbar. Insgesamt liest sich dieses wie ein von D&D inspiriertes (z.B. die Schwarzen Elfen erinnern sehr an die D&D Drow) und von Hollywood inszeniertes Spektakel.

Es gibt eine Reihe von Figuren, die tendenziell flache Exzentriker sind. Da ist der Protagonist Kevin der Bardling, ein Lehrling des Helden Aidan; er ist jung und will sich dringend beweisen. Wie es sich für einen angehenden Barden gehört, liegen seine Stärken nicht im Kampf, sondern darin, die Gruppe zusammenzuhalten und die Moral zu heben. Lydia ist eine Amazone, eine geschickte Waldläuferin, aber auch eine gewiefte Schurkin – der Schönheit fällt im Zweifelsfall immer ein Ausweg ein. Ihre Gefährtin ist die Fee Tich’ki. Sie unterstützt die Gruppe mit ihren Tricks und hat vor allem den unerfahrenen Kevin auf dem Kieker – er entgeht nur selten ihrem Spott. Eliathanis ist ein Krieger der Weißen Elfen und Naitachal ist ein Geisterbeschwörer der Dunkel Elfen – die beiden sind einander nicht freundlich gesonnen, aber gerade Naitachal hat einige Überraschungen zu bieten. Die wichtigsten Antagonisten sind die böse Hexe Charlotta, die sich selbst auf den Thron setzen will. Dazu schmiedet die kluge Frau heimtückische Pläne und nützt eine Vielzahl von Zaubern. Nur den Barden Aidan fürchtet die herzlose Intrigantin. Ihr “treuer” Verbündeter ist Graf Volmar; er plant der Mann an ihrer Seite zu sein, wenn sie den Thron besteigt – was danach passiert… So lange stellt er der gemeinsamen Sache seine Ressourcen zur Verfügung. Daneben gibt es noch viele kleine Figuren: korrupte Stadträte, kalte Schwarzmagier, hilfreiche Gaukler und schamlose Schurken.

Bei dem Wunsch Kevins, selbst Abenteuer zu erleben, wird es den Leser kaum verwundern, daß es sich hier um eine Abenteuergeschichte handelt. Ein wenig episodenhaft werden eine Reihe von Standardsituationen präsentiert. Dazu gehört die gruppeninterne Spannung (zwischen Eliathanis und Naitachal, bzw. Tich`ki und dem Rest der Gruppe), das Herabblicken der erfahrenen Kämpen auf den jungen und unerfahrenen Protagonisten, ein Überfall von Wegelagerern, Taschendiebstahl in der Stadt, die billige Anmache von Betrunkenen, derer sich die schöne Amazone erwehren muß, bis hin zur Verkleidung als Frau um gewissen Leuten aus dem Weg zu gehen. Doch es gelingt dem Autoren-Duo dieses mit einer flotten Leichtigkeit und viel Charme zu erzählen, so daß erfahrene Leser zwar nur selten überrascht, aber dennoch amüsiert werden – so hat z.B. der Geisterbeschwörer an der gender-bending Verkleidungssequenz am meisten Spaß.
Auch wenn es eingestreute Episoden gibt, ist der Handlungsverlauf progressiv und dramatisch; die Spannung entsteht zu gleichen Teilen aus den bedrohlichen Situationen wie auch den unterschiedlichen Charakteren.
Erzählt wird diese Geschichte aus der Perspektive des Bardling Kevin. Nur einige wenige Male wird diese von kurzen Zwischenspielen unterbrochen, die aus der Perspektive des Grafen Volmars geschildert werden. Es gibt nur einen Erzählstrang, der in einem neutralen Sil gehalten ist. Die Sätze sind eher unauffällig, lassen sich aber flüssig lesen, was gut zur flotten Abenteuergeschichte paßt. Die Wortwahl ist stellenweise etwas zu modern geraten, sonst aber durchaus angemessen.
Die Burg der Verräter (Castle of Deception) ist der Auftakt der Bard’s Tale Reihe, die von verschiedenen Autoren verfaßt wurde und an das Computer-Spiel gleichen Namens, welches 1987 erschienen ist, anzuknüpfen versucht. Ähnlichkeiten – sieht man vom lockeren Stil ab – sucht man aber vergebens.

Stand: 09. September 2012
Originaltitel: Castle of Deception
Erscheinungsjahr: USA 1992, D 1995
Verlag: Bastei Lübbe
Übersetzung: Wolfgang Thon
ISBN: 978-3404202614
Seitenzahl: 284