Die blaue Stute

Cover von Die blaue Stute von Jamieson FindlaySyeira, ungefähr elf Jahre alt, arbeitet in den Ställen des Königs Hulver von Heuensiel. Hulver ist ein berühmter Pferdezüchter und dank dieser Eigenschaft gelingt es ihm auch, sich den tyrannischen und eroberungswütigen Fürsten Ran vom Leib zu halten. Die besten Pferde, die es gibt, sind die arvanischen Wildpferde, schwer zu fangen und schwer zu zähmen. Doch König Hulvers Pferdefängern ist es gelungen, eine wilde Stute und ihre beiden einjährigen Fohlen zu fangen. Aber keinem gelingt es, sie zu zähmen, also werden sie zu den Tieren, die nur noch ihr Gnadenbrot bekommen, gesperrt. Nur Syeira besucht sie dort. Eines Tages kommt Fürst Ran nach Heuensiel und nimmt gewaltsam die beiden Fohlen mit. Syeira macht sich mit der Mutterstute, die sie Arwin nennt, auf den Weg, die Fohlen zu retten.

-Syeira war ein Mädchen, von dem kaum einer mehr wußte, als daß es im Stall am Fluß geboren war, zwischen alten Gäulen und den Geistern toter Pferde. Ihre Mutter war gestorben, als sie klein war, und an ihren Vater konnte sich niemand erinnern.-
Reißaus

Findlays große Stärke ist seine sprachliche Ausdruckskraft. Er erzählt eine Geschichte voller Sinnlichkeit, was aber bitte jetzt niemand mit “Erotik” verwechseln möge. Dieses Buch ist voller Gerüche, unter anderem deshalb, weil sich Syeira und Arwin auch mittels Geruchsbilder verständigen. Die intensive Darstellung dieser Geruchsbilder ist Findlay großartig gelungen, er macht den Leser glauben, ihm stiegen dieselben Gerüche in die Nase, wie den Protagonisten. Alle anderen Sinne werden ebenfalls angesprochen. Findlay schildert seine Welt sehr plastisch und manchmal kommt es einem so vor, als beschreibe er nicht eine realistische Landschaft, sondern das Landschaftsgemälde eines impressionistischen Malers.

Die Geschichte selbst ist guter Durchschnitt. Sie ist eine der unzähligen Abwandlungen der üblichen Queste: Der Held macht sich auf den Weg, um eine gefahrvolle Aufgabe zu erfüllen. In diesem Fall muß Syeira Arwin wieder mit ihren Fohlen vereinen, die vom finsteren Fürsten Ran gefangen gehalten werden. Allerdings folgt Findlay nicht dem üblichen Muster: Held begibt sich auf die Reise, Gefahr springt aus dem Busch, Kampf, Held siegt, Held reist weiter, Gefahr springt aus dem Busch und so weiter und so fort … sondern Syeiras Weg ähnelt dem eines Märchenhelden. Sie trifft unterwegs nicht auf einen Bösewicht nach dem anderen, sondern auf Helfer, die ihr Gaben schenken, die ihr auf ihrem Weg von Nutzen sind. Auch trifft sie im Wald auf einen kleinen, seltsamen Ritter. Diese Szene erinnert an andere Männlein, die in Märchenwäldern hausen, aber auch an mittelalterliche Artusromane. Leider wirkt die Abfolge von nacheinander auftretenden Helfern ein wenig einfallslos. Am Ende gibt es dann den finalen Zusammenstoß mit dem Bösewicht und einen actionreichen Showdown.

Stand: 09. September 2012
Originaltitel: The Blue Roan Child
Erscheinungsjahr: CDN 2002, D 2005
Verlag: Klett-Cotta
Übersetzung: Karen Nölle-Fischer
ISBN: 978-3608936278
Seitenzahl: 317