Die Ameisen

Die Ameisen von Bernard WerberDer arbeitslose Schlosser Jonathan Wells bezieht die Wohnung seines verstorbenen Onkels Edmond, einem exzentrischen Wissenschaftler, der sich den Ameisen verschrieben hat. Zunächst sind alle froh über die neue Bleibe, bis der Hund der Familie im Keller spurlos verschwindet. Von da an nehmen die Dinge ihren verhängnisvollen Lauf …
Gleichzeitig versucht das rote Ameisenmännchen Nr. 327 den seltamen Vorfällen auf den Grund zu gehen, die sich in letzter Zeit in der Ameisenstadt Bel-O-Kan ereignen. Warum verschwinden ganze Jagdexpeditionen einfach? Und was hat es mit den Kriegerinen auf sich, die plötzlich auf ihn Jagd machen?

-»Der Notar erklärte, das Haus sei als Baudenkmal eingestuft und während der Renaissance hätten Gelehrte darin gewohnt. Wer genau, wisse er nicht mehr.«-

Mit Die Ameisen (Les fourmis) will ich eine beeindruckende Mischung aus beklemmendem Thriller und faszinierender Tierfantasy präsentieren.
Die Handlung erlebt der Leser abwechselnd mit der Familie Wells oder mit den Roten Ameisen. Zu Anfang läuft das Buch eher gemächlich an, gewinnt dann aber schnell an Spannung. Mit einfachen und klaren Sätzen beschreibt der Autor die Ereignisse und versteht es dabei, stets dann einen verschleiernden Szenenwechsel vorzunehmen, wenn die Spannung am größten ist.
Dies ist jedoch nicht das Hauptargument für dieses Buch. Hier wird dem Leser auf einmalige Art der Mikrokosmos der Ameisen nähergebracht, der einem gestandenen Fantasyuniversum in nichts nachsteht. Da wird die Errichtung einer Stadt geplant und werden neue Erfindungen gemacht. Da werden blutige (und höchst innovative) Schlachten geschlagen und Expeditionen in ferne Länder entsandt. So fazinierend ist die Beschreibung dieser kleinen großen Welt, dass der Leser schon bald mit den Ameisenprotagonisten mitfiebert.
Was mir außerdem äußerst gut gefallen hat: Trotz aller Dramatik verzichtet der Autor auf die in der Tierfantasy verbreitete Vermenschlichung seiner Tiere. Und gerade von dieser bizarren Fremdartigkeit ist man fasziniert.
Zwischendurch wird oft aus dem Gesammtwerk von Edmond Wells zitiert. Diese Auszüge faszinieren insofern, als dass sie ausschließlich von Ameisen handeln, aber im späteren Buchverlauf zunehmend ethisch-philosophische Fragen aufwerfen und ständig zum Denken anregen.
Die Handlung ist sehr ideenreich und unvorhersehbar, das Ende lädt ein, über das menschliche Leben an sich und die Zukunft nachzudenken.
Bei all diesen fesselnden Ideen verzeiht man dem Autor auch den ein oder anderen literarischen Fauxpas, der eher zu einem Kinderbuch gepasst hätte. (Etwa wenn der bis vor kurzem noch völlig normale Familienvater mit einem ,,irren Lachen” im Keller verschwindet.)
Alles in allem ein äußerst lesenswertes und faszinierendes Buch.

Stand: 09. September 2012
Originaltitel: Les fourmis
Erscheinungsjahr: F 1991, D 1994
Verlag: Heyne
Übersetzung: Michael Mosblech
ISBN: 3-453-07504-8
Seitenzahl: 370