Der Sturm der schwarzen Pferde

Cover zu "Der Sturm der schwarzen Pferde" von Marcus SedgwickVor langer, langer Zeit in einem fernen Land im Norden lebt der Stamm der Storn. Sie führen ein ruhiges Leben als Bauern und Fischer, fernab der großen Handelswege. Eines Tages brechen einige von ihnen zur Wolfsjagd auf; unter ihnen auch der junge Sigurd. Und er ist es, der ein kleines, zartes Mädchen aus der Wolfshöhle rettet.
Ganz offensichtlich lebte sie lange Zeit mit ihnen, denn sie ist mehr Wolfsjunges als Mensch. Die Storn nehmen das Mädchen in ihren Stamm auf und nennen es Maus. Aber wer ist sie wirklich? Woher kommt sie? Jahre später findet es Sigurd heraus. Die Entdeckung ihrer wahren Identität ist fürchterlich und lässt eine schreckliche Legende für die Storn wahr werden, die für den ganzen Stamm den sicheren Untergang bedeuten könnte.

-Es war Maus, die das Kästchen fand.-
Das Kästchen, Teil 1

Sedgwick weiß genau, wie man Spannung erzeugt. Schon nach dem ersten, knapp zwei Seiten langen Kapitel ist klar, dass unheimliche Dinge vor sich gehen und das Dorf in großer Gefahr schwebt. Dieses schlichte und dennoch schöne Kästchen wird Unheil bringen wie die Büchse der Pandora, soviel ist sicher, doch welche Gefahren genau von ihm ausgehen, bleibt vorläufig im Dunkeln. Erst nach und nach enthüllt Sedgwick, welches Drama sich bei den Storn abgespielt hat. Dazu bedient er sich zweier Erzählperspektiven. Abwechselnd berichten ein allwissender Erzähler, und Sigurd als Ich-Erzähler, was sich damals ereignet hat. Auf diese Weise kann der Leser an Sigurds Gedanken und Gefühlen teilhaben, aber dank des allwissenden Erzählers besitzt er ihm gegenüber auch einen Wissensvorsprung. Er weiß, was in Maus vorgeht, die aufgrund ihrer übersinnlichen Fähigkeiten von dunklen Ahnungen gequält wird und sich auch aus anderen Gründen im Dorf zunehmend unwohl fühlt. Sigurd erfährt darüber nur das, was Maus ihm mitteilt. Der Sturm der schwarzen Pferde (The Dark Horse) erzählt von Machtkämpfen, Verrat, Loyalität, Mut, Magie, Liebe und enttäuschten Gefühlen. Mehr zu verraten wäre schade, denn auch, wenn man zu ahnen beginnt, wodurch das Dorf bedroht wird, ist das Ende kaum vorhersehbar.

Ein, zwei kleinere Schönheitsfehler stören manchmal die Atmosphäre des Buches. Die Storn sind entweder Germanen oder sesshaft gewordene Wikinger, Sedgwick legt sich da nicht so genau fest, jedenfalls handelt es sich um einen nordischen Stamm aus grauer Vorzeit. Wenn Maus ihren Ziehbruder aber, anstatt ihn Sigurd zu nennen, wiederholt mit “Siggi” anredet, dann wähnt man sich eher bei einer feuchtfröhlichen Betriebsfeier, bei der die Sekretärin mit ihrem Chef gerade Brüderschaft getrunken hat, und nicht in einer alten nordischen Sagenwelt. Auch benutzt der Autor moderne Maßeinheiten. Der Erzähler berichtet, dass Sigurd zwei oder drei Kilometer läuft oder dass in etwa sechs Sekunden alles vorbei (war). Zwar ist er “allwissend”, aber dennoch stören diese anachronistischen Angaben. Kein Germane oder Wikinger hatte eine Vorstellung davon, wie lange etwa sechs Sekunden dauern.

Stand: 26. Oktober 2012
Originaltitel: The Dark Horse
Erscheinungsjahr: UK 2002, D 2006
Verlag: dtv
Übersetzung: Renate Weitbrecht
ISBN: 3-423-62261-x
Seitenzahl: 223