Der Feuerthron

Der Feuerthron von Diana WolrathMera lebt mit ihrer Mutter auf der blauen Insel Ilyndhir. Doch als die finsteren Gurrländer von der schwarzen Insel, die unter der Macht eines magischen Artefakts – des Feuerthrons – stehen, immer aggressiver vorgehen und die Inselwelt erobern, findet dieser Friede ein jähes Ende. Meras Ziehbruder Girdhan stammt von einer Insel, die dem schwarzen Reich zugeordnet wird. Als die gurrländische Flotte Ilyndhir angreift, wollen die Fischer und Kaufleute ihren Zorn an Girdhan auslassen, und Mera ist gezwungen, mit ihm zu fliehen. Die beiden fassen schließlich den Plan, den Feuerthron zu zerstören, um dessen dunklen Einfluß auf das Volk der Gurrländer zu brechen. Zum Glück entdeckt Mera ihre magischen Fähigkeiten.

-Hannez sah, wie der Knoten des Taus aufging, mit dem das Segel eben neu aufgezogen worden war, konnte aber nicht mehr tun, als “Vorsicht!” zu schreien.-
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Was schon bei Tolkien funktioniert hat, kann so falsch nicht sein, und deshalb schicken Autoren allzu gerne kleingeratene (oder in diesem Fall kindliche) Helden auf geheimer Mission mitten hinein ins Feindesland, wo sie in einem aus allen Völkern buntgemischte Trüppchen das finstere Artefakt vernichten sollen. Dunkle Herrscher rechnen nicht mit solchen Kamikaze-Attacken und sind überhaupt schwer damit beschäftigt, ihre Eroberungsfeldzüge voranzutreiben, weswegen gewisse Erfolgschancen für die Eindringlinge existieren. Außerdem stehen den Helden im Fall von Der Feuerthron die ätherisch-unsterblichen Runländer etwas widerstrebend zur Seite und dürfen ein wenig erhaben-elbisches Flair verbreiten.
Nun muss aber unoriginell nicht unbedingt auch uninspiriert heißen, und die Verlegung der Geschichte auf ein im wahrsten Sinne des Wortes kunterbuntes Inselarchipel verspricht zunächst einmal viele Farbtupfer und mit den bodenständigen jungen Helden ein solides (Seefahrt-)Abenteuer mitsamt dem Abbau von Vorurteilen, wenn sich die Mannschaftsmitglieder verschiedenfarbiger Nationen wider Willen zusammenraufen müssen.
Eine Coming-of-Age-Geschichte will man Der Feuerthron, das erste (abgeschlossene) Abenteuer auf der Inselwelt Runia von Diana Wolrath (dem Jugendbuch-Pseudonym von Iny Klocke und Elmar Wohlrath) nicht einmal nennen, denn dazu bleibt der Roman thematisch zu unfokussiert und kommt nicht über die reine vordergründige Handlung hinaus, bei der das Erwachen magischer Kräfte in der Hauptfigur nur einer von vielen Aspekten ist.

Blaue, schwarze, violette, weiße, gelbe und grüne Nationen bevölkern das Archipel, ihre Kultur und ihr Charakter richten sich nach der Farbe des jeweils angebeteten Mondes und der diesem zugeordneten Gottheit. Und das war es dann auch schon mit dem Weltenbau – auf der Insel der Blauen ist vieles blau, Mitglieder aus Völkern, die einer Gegenfarbe angehören, streiten sich zwangsläufig, bestimmte Charaktereigenschaften sind mit Farben verbunden, und auch die Magie hängt direkt mit der Farbzugehörigkeit der Figuren zusammen.
Für eine plastische, lebendige Welt reicht es jedoch nicht aus, den Pinsel einmal tief in den Farbkasten zu tauchen und dann eine Runde Malen, pardon, Schreiben nach Zahlen zu veranstalten. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird man der farbigen Motivationen und Erklärungen für Ereignisse schneller überdrüssig, als man „Gegenfarbe“ lesen kann.

Ähnlich geradlinig wie der Weltenbau wird auch die Handlung abgespult, die schwierigeren Themen wie etwa die Deportation von Flüchtlingen in Lager und die Suche der bedrängten blauen Nation nach einem Sündenbock werden lediglich angerissen, was aber in einem Jugendbuch, das auch mit dem Einsatz von stark stereotypen Figuren und einer sehr einfach gehaltenen Sprache wohl eher unerfahrene Leser ansprechen soll, soweit verständlich ist.
Wäre da nicht, nebst ein paar sprachlichen Schnitzern wie falsch verwendeten Konjunktionen, das Ende. Wer sich wirklich nicht ganz sicher ist, ob die jungen Helden es schaffen werden, den finsteren Herrscher zu vernichten, sollte sich den nächsten Absatz aufgrund von leichter Spoilergefahr sparen – und am besten gleich auf das ganze Buch verzichten, das mit einer moralisch schlicht unvertretbaren Lösung aufwartet:

Da erobert also ein Haufen Kinder das übermächtige, böse Artefakt namens Feuerthron, mit dem man Menschen manipulieren kann (z.B. dazu, gegen die restlichen Nationen einen Eroberungskrieg zu führen). Anders als dem Einen Ring kann man dem Feuerthron aber mit etwas Abrakadabra den “bösen Geist” austreiben; was bleibt, ist ein überaus mächtiges Artefakt. Und im fluffig-perfekten Schlusswort sitzen die Kinder auf dem Feuerthron und machen sich daran, das Insel-Archipel wieder in Ordnung zu bringen – und zwar mittels ‘sanfter’ Beeinflussung der Menschen durch die Macht des Artefakts, damit diese sich friedlich und geordnet dem Wiederaufbau widmen und auch ordentlich anpacken, wenn es was zu tun gibt. Und das alles ohne die leiseste Kritik oder Frage, ob so eine Beeinflussung der Massen im Sinne der Herrscher wirklich eine gute Idee ist.

Da staunt man nicht schlecht, wenn ein Jugendbuch so offen dafür eintritt, andere zu ihrem Glück zu zwingen, und es macht aus einem wenn auch nicht ganz durchschnittlichen, so doch sicher lesbaren Abenteuer ein Unding. Da werfen wir lieber noch einmal den Ring ins Feuer des Schicksalsberges …

Stand: 06. Juni 2012
Erscheinungsjahr: D 2004
Verlag: Hanser
ISBN: 978-3-446-23093-4
Seitenzahl: 542