Charles Williams

portraitiert von gero

Charles Walter Stansby WilliamsDer englische Autor, Dichter und Laientheologe Charles Walter Stansby Williams wurde am 20. September 1886 im Londoner Stadtteil Holloway geboren. Als er acht Jahre alt war, zog seine Familie nach St. Albans, Hertfordshire, wo er auch seine Schulzeit an der dortigen Schule verbrachte. Im Jahre 1902 erhielt er ein Stipendium für ein Studium am University College London, war allerdings gezwungen, die Universität 1904 ohne Abschluss zu verlassen, da seine Familie ihn nicht ausreichend finanziell unterstützen konnte. Im gleichen Jahr fing er an, in einer methodistischen Buchhandlung zu arbeiten. 1908 wurde er von der Oxford University Press (OUP) als Korrekturleser angestellt, stieg aber binnen kurzer Zeit zum Lektor auf und blieb der OUP bis zu seinem Tode in immer wichtigeren Positionen treu. Als seine bedeutendste verlegerische Leistung gilt die erste umfangreiche englischsprachige Ausgabe der Werke des dänischen Philosophen und Theologen Søren Kierkegaard.
Parallel zu seiner Arbeit als Lektor begann Williams zu schreiben und verfasste insgesamt sieben Romane und etliche Gedichte, außerdem Texte zu Themen aus Literaturwissenschaft, Theologie und Geschichte, sowie Biographien und eine Vielzahl von Rezensionen. Williams war Zeit seines Lebens der Spiritualität und dem Mystizismus zugeneigt, was sich nicht nur in seinen Romanen zeigt, sondern auch in seiner mehrjährigen Mitgliedschaft in der Fellowship of the Rosy Cross (einer esoterischen Geheimgesellschaft), in die er 1917 aufgenommen wurde. Als die OUP aufgrund des Krieges ihren Sitz nach Oxford verlegte, erlangte Williams dank seiner bereits mehrere Jahre bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu C.S. Lewis Zutritt zum engeren Kreis der Inklings.

Charles Williams’ Romane könnte man am ehesten als metaphysische Thriller bezeichnen; man könnte in ihnen aber auch eine frühe Vorform der Urban Fantasy sehen (womit nicht die paranormalen Liebesgeschichten gemeint sind, die heutzutage zumeist unter diesem Label erscheinen). Cover des Buches "War in Heaven" von Charles WilliamsSein 1930 erschienener Erstling War in Heaven (dt. Krieg im Himmel) fällt noch recht konventionell aus: In der ziemlich geradlinig erzählten Geschichte geht es um die Entdeckung des Heiligen Grals in einer Kirche – und um den Kampf, den sich gute und böse Mächte um seinetwillen liefern. Dass die Bösen dabei eine Gruppe Okkultisten sind, gibt Williams ausreichend Gelegenheit, seine Kenntnisse schwarzmagischer und esoterischer Rituale zu Papier zu bringen, was dem Erfolg des Romans bei der angepeilten christlichen Leserschaft nicht gerade zuträglich war.
Williams’ nächste Romane sind deutlich phantastischer, greifen auf Themen bzw. Konzepte aus dem Neuplatonismus, dem Gnostizismus und der Kabbala zurück. In drei von ihnen brechen übernatürliche Mächte in die vermeintliche Realität ein und verändern sie durch ihr Wirken auf die eine oder andere Weise: in The Place of the Lion (1931; dt. Die Stätte des Löwen) werden diese Mächte durch magische Beschwörungen herbeigerufen, während sie in Many Dimensions (1931; dt. Der Stein der Weisheit) und The Greater Trumps (1932; dt. Die Trumpfkarten des Himmels) in magischen Gegenständen eingebettet sind – im ersten Fall in einem Stück von Salomons Krone bzw. einem Splitter des Steins der Weisen, im zweiten im “originalen” Tarot-Spiel. Der jeweiligen Veränderung der Realität kann nur durch die selbstlosen Taten von Männern und Frauen Einhalt geboten werden, die sich die übernatürlichen Kräfte nicht selbst zunutze machen wollen, sondern weiter jener Macht treu bleiben und sie verehren, der sie ihr Dasein verdanken. Oder, anders ausgedrückt: in diesen Romanen setzt sich Williams mit seinen eigenen christlichen Überzeugungen auseinander. In Shadows of Ecstasy (1931) schließlich versucht ein Adept spirituellen Wissens, der das Geheimnis der Unsterblichkeit entdeckt hat und seine Umwelt mittels seiner Kräfte beeinflussen und ihr eine falsche Realität vorgaukeln kann, die Welt zu erobern.

In seinen beiden letzten Romanen und wandte sich Williams der Geistergeschichte zu, doch dabei ging es ihm (für den die Lebenden und die Toten in der gleichen spirituellen Sphäre existierten) keineswegs um vordergründige Gruselmomente, sondern die Romane – die von manchen Kritikern zu den wichtigsten Vertretern ihrer Gattung gezählt werden – dienten als Vehikel seiner theologischen und spirituellen Überzeugungen. In beiden Romanen “leben” die Toten in ihrer eigenen Welt, die parallel zur Welt der Lebenden existiert. In Descent into Hell (1937) erweist sich ein Londoner Vorort als eine Art multidimensionale Raum-Zeit-Sphäre, in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft direkt aneinander grenzen und die Lebenden und die Toten sich bzw. ihr Dasein gegenseitig beeinflussen.
Cover des Buches "All Hallows Eve von Charles Williams"In All Hallows’ Eve (1945), Williams’ vermutlich merkwürdigstem Roman, den er kurz vor seinem Tode vollendete und der erst posthum erschienen ist, geht es um eine Reinkarnation von Simon Magus, der die Welt mittels eines banalen und inhaltslosen Evangeliums der Liebe zu kontrollieren versucht. Er scheitert letztlich einerseits an seiner eigenen Dummheit und seinem Materialismus, andererseits und vor allem an der Selbstlosigkeit eines toten Mädchens, das auch als Geist jenen Tugenden treu bleibt, die ihr Leben bestimmt haben, und sich den göttlichen Gesetzen der Schöpfung willig unterordnet.

Charles Williams’ Romane waren beim breiten Publikum nie sonderlich erfolgreich, doch er wurde von Autorenkollegen wie T.S. Eliot, W.H. Auden und dem bereits erwähnten C.S. Lewis bewundert. Letzterer bezeichnete ihn zwar als “hässlich wie einen Schimpansen”, doch er verehrte ihn so sehr, dass er nicht nur für Williams’ Aufnahme in den Kreis der Inklings sorgte, sondern mit That Hideous Strength (1945; dt. Die böse Macht), dem dritten Band seiner Ransom Trilogy, auch einen stark von Williams und dessen Ideen inspirierten Roman verfasste. J.R.R. Tolkien hingegen war vom Werk seines Mit-Inklings – das er als “manchmal sehr geschmacklos und gelegentlich lächerlich” bezeichnete – weit weniger begeistert. Den überzeugten Katholiken dürften dabei vor allem Williams’ Faszination für Schwarze Magie und Satanismus abgestoßen haben. Unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass Charles Walter Stansby Williams, der am 15. Mai 1945 in Oxford verstarb, ein Autor war, dessen Themen und deren literarische Umsetzung gewiss nicht jedermanns Sache sind.

Links:
The Charles Williams Society

Bibliographie (nur Romane):

  • 1930 War in Heaven – Krieg im Himmel
  • 1931 Many Dimensions – Der Stein der Weisheit
  • 1931 The Place of the Lion – Die Stätte des Löwen
  • 1931 Shadows of Ecstasy
  • 1932 The Greater Trumps – Die Trumpfkarten des Himmels
  • 1937 Descent into Hell
  • 1945 All Hallows’ Eve

Rezensionen:

[Rezis von]Williams@Charles[/Rezis von]
Stand: 20. September 2011