Sword at Sunset

Unser Buch des Monats Januar stammt vom äußersten Rand des Genres: Rosemary Sutcliffs Sword at Sunset (1963, bisher keine deutsche Übersetzung; ISBN: 978-1556527593), eine Artussagenvariante, die den phantastischen Stoff in ein vorzüglich recherchiertes historisches Gewand kleidet. Wer Fantasy vor allem liest, um tief in Sword at Sunset von Rosemary Sutcliffunvertraute Welten eintauchen zu können, ist hier gut bedient, denn die Spätantike in all ihrer Fremdheit und Vielfalt, vergänglichen Pracht und gelegentlichen Schrecklichkeit ist wohl selten so atmosphärisch eingefangen worden wie hier. Dennoch wäre es verfehlt, den Roman rein auf die Handlung um den Abwehrkampf der romanisierten Kelten und insbesondere des eindrucksvollen Ich-Erzählers Artos gegen die angelsächsischen Eroberer reduzieren zu wollen. Denn was all die Geschehnisse, die sich zumindest theoretisch so oder so ähnlich abgespielt haben könnten, im Hintergrund begleitet und mit zusätzlicher Bedeutung auflädt, ist die subtile Möglichkeit des Übernatürlichen.
Sehen die Helden nur Polarlichter oder doch ein himmlisches Zeichen, das auf eine entscheidende Entwicklung vorausverweist? Ist Artos nach seiner ungewollten Verwicklung in eine inzestuöse Beziehung traumatisiert, oder hat ihn in Wahrheit ein düsterer Fluch getroffen? Löst ein symbolträchtiger Edelstein sich nur zufällig aus der Fassung, oder deutet sich hier auf wundersame Weise die Zukunft zweier Menschen an? Ist die weise Alte aus der marginalisierten Urbevölkerung nur eine gewiefte Menschenkennerin, oder verfügt sie tatsächlich über die hellseherischen Fähigkeiten, die sie sich zuschreibt?
All das steht nicht fest und muss aufgrund der Erzählperspektive auch ein ungelöstes Rätsel bleiben, doch es offenbart, wie dicht unter der Oberfläche des Realistischen Zauber und Poesie angesiedelt sein können. In gewissem Maße ist sich auch Artos selbst dessen bewusst und lässt es gezielt für seine eigene Legende arbeiten, nicht etwa aus Geltungsdrang, sondern aus der Sehnsucht heraus, in chaotischen Zeiten zumindest einen Teil der Ideale und der Schönheit einer dem Untergang geweihten Epoche in die Zukunft zu retten und den Menschen Hoffnung zu spenden. Das Dichterische und Phantastische ist – so könnte man die Botschaft des Romans vielleicht zusammenfassen – kein schierer Eskapismus, sondern vielmehr ein Werkzeug zur Bewältigung der Tücken des wirklichen Lebens.

In der Hoffnung, dass auch euch 2014 manch eine schöne Geschichte (vielleicht ja diese hier?) den Alltag versüßt, euch allen ein gutes neues Jahr!

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Zum 70. Geburtstag von Amadeus Firgau

Bibliotheka Phantastika gratuliert Amadeus Firgau, der heute 70 Jahre alt wird. Der am 31. Dezember 1943 in Graz geborene Amadeus Firgau arbeitete noch hauptberuflich als Lehrer, als er sich mit Erscheinen seines ersten Romans in die alles andere als überwältigend große Schar derjenigen Autoren und Autorinnen einreihte, die bereits vor dem im Kielwasser der Herr-der-Ringe-Verfilmung einsetzenden entsprechenden Boom erfolgreich deutschsprachige Fantasy veröffentlicht haben. Interessanterweise ist Sorla Flusskind (1990) nicht bei einem der einschlägigen großen Genreverlage sondern beim kleinen Stendel Verlag erschienen – der allerdings vermutlich das optimale Umfeld geboten hat, denn man war dort damals mit modernen Märchen sehr erfolgreich, und die Wurzeln von Firgaus Erstling liegen deutlich stärker in der mitteleuropäischen Märchen- und Volkssagentradition als in der angloamerikanischen Genrefantasy.
Sorla Flusskind erzählt die Geschichte von Sorle-a-glach, dem “Molch ohne Vater”, einem Menschenkind, das von seiner leiblichen Mutter als Dank für ihre Rettung vor den grausamen Chrebil schon vor seiner Geburt dem Flusstrollweib Squompahin-laschre versprochen wurde. Und so wächst Sorla – wie der Junge am liebsten genannt werden will – fernab von den Menschen unter den Fittichen der ebenso streitbaren wie fürsorglichen Laschre am Gnomfluss auf, lernt in der Wildnis zu überleben und Fische zu fangen. Als Sorla neun Jahre alt wird, schickt Laschre ihn zu den Gnomen im Berg Pelkoll, um noch mehr zu lernen. Im Pelkoll findet Sorla nicht nur in Gwimlin seinen ersten Freund, sondern erlebt mit ihm zusammen auch aufregende und alles andere als ungefährliche Abenteuer. Doch so wohl er sich bei den Gnomen auch fühlt – er spürt immer deutlicher, dass er eigentlich nicht zu ihnen gehört …
Sorla Schlangenei von Amadeus FurgauDie Welt, in der Sorla heranwächst, ist klein und überschaubar, und wir sehen sie durch seine Augen – das heißt durch die Augen eines Kindes, das naiv, unbefangen und neugierig seine Umgebung erkundet. Dass diese Welt weit größer ist als das, was Sorla von ihr kennenlernt, wird bereits zu Anfang des Romans und auch zwischendurch immer wieder deutlich, und in Sorla Schlangenei (1995) zieht Sorla auf der Suche nach anderen Menschen – vor allem seinen Eltern – in die große weite Welt hinaus, die allerdings zunächst einmal ganz klein und eng für ihn wird, als die grausame Hexe Markreske ihn gefangennimmt. Seine weiteren Begegnungen mit anderen Menschen verlaufen weniger schmerzhaft, doch auch wenn Sorla unter Menschen und somit eigentlich Seinesgleichen ist, spürt er, dass er “anders” ist – und das hat nicht nur mit der Schlange zu tun, die ihm gelegentlich im Traum erscheint und kluge Ratschläge erteilt …
Während Sorla Flusskind über weite Strecken das Gefühl vermittelt, ein Jugendbuch vor sich zu haben – was natürlich dem Alter und der damit verbundenen Weltsicht der Hauptfigur geschuldet ist, obwohl auch die Idylle am Gnomfluss nicht vor den gelegentlichen Härten des Lebens gefeit ist –, wirkt Sorla Schlangenei deutlich düsterer und erwachsener. Das liegt einerseits daran, dass Sorla es nun mit Menschen zu tun bekommt, auch wenn die nicht alle so böse wie Markreske sind, andererseits aber vor allem daran, dass immer klarer wird, dass auf Sorla ein besonderes Schicksal wartet – aber wie wird dieses Schicksal wohl aussehen?
Auf die Beantwortung dieser Frage mussten die Leser und Leserinnen ziemlich lange warten, denn die Sorla-Reihe wurde nach dem zweiten Band vom Stendel Verlag nicht weitergeführt. Was bedauerlich ist, schließlich dürften Sorla Flusskind und Sorla Schlangenei zu den eigenständigsten und originellsten deutschsprachigen Fantasyromanen der 90er Jahre zählen; darüberhinaus überzeugen sie nicht nur inhaltlich, sondern auch, was ihre Ausstattung angeht: das fängt bei den ungewöhnlichen, so gar nicht generischen Titelbildern an und setzt sich bei den Innenillustrationen, den mitwachsenden Karten und dem ebenso mitwachsenden Glossar fort. Und es ist erstaunlich, denn die beiden Romane waren – gemessen an den Möglichkeiten eines kleinen Verlags im Prä-Internetzeitalter – durchaus erfolgreich, auch wenn sie weit entfernt von den enormen Auflagen waren, die der Stendel Verlag mit seinen modernen Märchen erzielt hat.
2008 hat Amadeus Firgau die Sache schließlich selbst in die Hand genommen und die noch ausstehenden Romane des Sorla-ZyklusSorla Drachenvetter, Sorla Feuerreiter und Sorla Drachenkaiser – bei Lulu veröffentlicht. Leider entspricht der Satz dieser drei Romane so gar nicht dem, was man auch schon zu diesem Zeitpunkt von Print-on-Demand-Produkten erwarten konnte (und normalerweise geboten bekommen hat), was das Lesevergnügen, Sorla auf der Suche nach seinem Platz in der Welt der Menschen zu begleiten, deutlich mindert. Und das ist schade, denn auch wenn anhand der Titel bereits zu erahnen ist, wohin Sorlas Lebensreise ihn letztlich führen wird, gäbe es unterwegs vermutlich noch viel zu entdecken.
Insofern wäre es wünschenswert, dass vielleicht irgendwann einmal eine satztechnisch etwas überzeugender gestaltete Neuauflage der letzten drei Romane erscheint, denn inhaltlich und erzählerisch muss Amadeus Firgau sich mit seinem Sorla-Zyklus – gerade, weil er so anders ist, aus anderen Wurzeln schöpft und sich anderer Bilder bedient – vor der zeitgenössischen deutschsprachigen Konkurrenz absolut nicht verstecken. Im Gegenteil …

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Zum 70. Geburtstag von Sanders Anne Laubenthal

Bibliotheka Phantastika erinnert an Sanders Anne Laubenthal, die heute 70 Jahre alt geworden wäre. Wer mit diesem Namen nichts anfangen kann, befindet sich – vor allem in Deutschland – in guter Gesellschaft, denn die am 25. Dezember 1943 in Mobile, Alabama, geborene Sanders Anne Laubenthal hat gerade einmal eine Handvoll Veröffentlichungen vorzuweisen (genauer: drei Sammelbände mit Gedichten, zwei Romane und ein Sachbuch), von denen nur der Roman Excalibur (1973) zur Phantastik bzw. Fantasy zu zählen ist, und dieser Roman wurde nie übersetzt.
Excalibur von Sanders Anne LaubenbenthalExcalibur erschien erstmals als eine der wenigen Originalausgaben in der von Lin Carter herausgegebenen Ballantine-Adult-Fantasy-Taschenbuchreihe und dreht sich – nomen est omen – um König Artus’ bekanntes Schwert, spielt allerdings im zeitgenössischen Mobile der 70er Jahre. Wie aber ist Excalibur in die amerikanischen Südstaaten gekommen? Um das zu erklären, greift Sanders Anne Laubenthal auf eine alte walisische Legende zurück, derzufolge der in ihrer Version von Artus abstammende Prinz Madoc im 12. Jahrhundert den Atlantik überquert, die Neue Welt entdeckt und dort, wo heute Mobile liegt, ca. um 1170 n.Chr. eine walisische Kolonie gegründet haben soll. Im Gepäck hatte er nicht nur Excalibur, sondern auch den heiligen Gral, und beide Artefakte haben unentdeckt und unbeschadet bis ins 20. Jahrhundert überdauert.
Die Geschichte beginnt damit, dass ein junger walisischer Archäologiestudent namens Rhodri Meyrick nach Mobile kommt, um eine angeblich aus dem 12. Jahrhundert stammende Mauer auszugraben. Er freundet sich mit Linette, der Nichte der Grundstückseigentümerin an, die ihm bei seinen Ausgrabungen behilflich ist und dadurch binnen kürzester Zeit in einen Strudel unerklärlicher Ereignisse gerät. Denn Rhodri ist kein einfacher Archäologiestudent, sondern in Wirklichkeit der neue Pendragon – Artus’ Erbe –, der eigentlich auf der Suche nach Excalibur ist. Allerdings ist er nicht der Einzige, der nach dem mächtigen Schwert sucht: Auch Morgan le Fay und ihre Schwester Morgause tauchen in Mobile auf, um sich Excalibur für ihre eigenen – keineswegs übereinstimmenden – Ziele nutzbar zu machen, und um die Angelegenheit zusätzlich zu verkomplizieren, gibt es außerdem auch noch einen modernen Gralssucher, der gute Gründe hat, den Gral um jeden Preis vor den Machenschaften der Zauberinnen zu retten …
Was anfangs wie ein wilder Mischmasch aus Elementen der Artus-Legende, keltischer und christlicher Mythologie und ein bisschen Tarot-Mystizimus wirkt, funktioniert erstaunlich gut und macht aus Excalibur eine der wenigen gelungenen modernen Versionen des Artus-Mythos. So betrachtet, ist es bedauerlich, dass Sanders Anne Laubenthal nur diesen einen Fantasyroman geschrieben hat. Und das Ganze wird noch bedauerlicher, wenn man bedenkt, dass sie – nachdem sie nach mehr als zwanzig Jahren in der USAF Mitte der 90er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war – eigentlich vorgehabt hatte, sich wieder dem Schreiben zu widmen und in ihr Excalibur-Universum zurückzukehren. Einerseits mit einer im Mittelalter angesiedelten Trilogie, die sich um die Abenteuer Madocs und der walisischen Kolonie drehen und deren Auftaktband Somerled’s Daughter heißen sollte, andererseits mit einer Fortsetzung zu Excalibur, in der sich einige der Hauptfiguren des Romans rund eine Generation später erneut begegnen. Leider konnte sie keines dieser Vorhaben in die Tat umsetzen, denn am 15. Mai 2002 ist sie im Alter von 58 Jahren an im Rahmen ihrer langjährigen Diabetes-Erkrankung auftretenden Komplikationen gestorben.

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Der eab-Wunschzettel

Wenn Büchertürme unter dem Weihnachtsbaum verhindern, dass dieser umkippt; wenn man verschämt zwischen Weihnachten und Neujahr in den Buchladen schleicht, um Tantes liebgemeintes, aber verstörendes Geschenk 50 Shades of Grey gegen den neuen Abraham/Sanderson/Okorafor einzutauschen, wenn man sich vornimmt, in den Feiertagen nur zu lesen und dann doch nur isst – dann ist es wieder da, das Weihnachtsfest!

Eine der schönsten Weihnachtstraditionen ist sicherlich das Verfassen eines Wunschzettels von der Länge von Pats Bart und mit Wünschen von ähnlicher Bodenständigkeit wie “Bitte ein (Einhorn)-Pony”. Wir vom eab haben uns mit unserer Wunschliste auseinander gesetzt und folgendes aufgetan:

Wulfila wünscht sich eine liebevollere sprachliche Gestaltung der Fantasy, im Englischen wie im Deutschen! Wenn Romane überwiegend aus schlichter Umgangssprache und Kraftausdrücken bestehen, mag das vielleicht im ersten Moment noch als Milieuschilderung durchgehen, aber letztendlich wird so viel zu viel von den Möglichkeiten und dem Zauber verschenkt, die einem wirklich kunstvollen und bewussten Sprachgebrauch innewohnen.

Ganz oben auf Mistkaeferls Liste steht eine schicke Röntgenbrille für eBooks, die ihr (vielleicht mit einem irisierenden Schimmer oder so) anzeigt, wenn sich hinter dem Cover eine Perle verbirgt, damit sie endlich ein bisschen von der ganzen Fülle profitieren kann, die da vermutlich veröffentlicht wird, ohne Stunden ihres Lebens mit Müll-Leseproben verbringen zu müssen.

Gero greift nach den Sternen und wünscht sich mehr Mut von den deutschen Verlagen und Autoren. Mut, mal etwas Außergewöhnliches zu versuchen, Mut, selbst neues Terrain zu erkunden und nicht immer vermeintlichen oder echten Trends hinterherzuhecheln oder Trittbrettfahrer des Erfolgs zu spielen. Die Fantasy sei schließlich ein Genre, das unglaublich viele Möglichkeiten bietet, spannende, nachdenklich machende, berührende, verstörende, tröstliche etc.pp. Geschichten zu erzählen – man möge diese Möglichkeiten doch bitte ein bisschen mehr nutzen! Und natürlich wünscht er sich dann von den Lesern und Leserinnen auch mehr Offenheit und Neugier, mehr Bereitschaft, Unbekanntes zu entdecken und sich auch einmal auf eine Reise zu begeben, deren Ende nicht schon anhand der Covergestaltung absehbar ist.

Colophonius hätte gegen ein Einhornpony nichts einzuwenden, würde sich aber auch schon mit einfallsreichen, mutigen Jungautoren begnügen, welche abseits der zahlreichen Normativitäten neue Wege beschreiten und auch in ihrer Literatur auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Anders gesagt: was die Welt jetzt braucht, ist ein SF-Bestseller eines afrikanischen, transsexuellen und muslimischen Autors über eine Parallelwelt, in der diese drei Attribute keine Rolle spielen.

Nicht eindeutig entscheiden zwischen zwei Wünschen kann sich moyashi, die sich einerseits wünscht, Jugendbücher würden wieder mehr Abenteuer und Abwechslung zum Inhalt haben als die ewig gleichen schmachtenden Teenager in einer unnötigen Dreiecksliebelei. Andererseits hätte sie gerne eBooks ohne hartes DRM, damit es für die Käufer (und sie selbst) nicht immer so eine elende Plackerei ist mit dem Sichern der Bibliothek (die Raubkopierer haben eh keine Schwierigkeiten DRM zu umgehen, daher hält sie das aktuelle System für großen Schwachsinn).

Wir sind voller Hoffnung, dass die jeweils präferierte weihnachtliche Ausliefer- und Wunscherfüllungsfigur sich diese Liste hier zu Herzen nimmt und wir im neuen Bücherjahr 2014 reichlich beschenkt werden! In diesem Sinne wünschen wir euch ein lichthelles, freudebringendes Fest und schöne Feiertage, einen guten Start ins neue Jahr und viele, viele neue Welten, die sich unter eurem Weihnachtsbaum tummeln!

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Zum 70. Geburtstag von Chris Bunch

Bibliotheka Phantastika erinnert an Chris Bunch, der heute 70 Jahre alt geworden wäre. Auf sich aufmerksam machte der am 22. Dezember 1943 in Fresno, Kalifornien, geborene Christopher Renshaw Bunch zunächst als Autor mehrerer gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Allan Cole geschriebener Romane, womit die beiden eine Zusammenarbeit fortsetzten, die zuvor schon zu einer Vielzahl gemeinsam verfasster Drehbücher geführt hatte. Diese Bücher – oder genauer: die vier Bände der zur Fantasy zählenden Anteros Saga – wurden bereits im Text zu Allan Coles Geburtstag kurz vorgestellt, weshalb es an dieser Stelle nur um Chris Bunchs Autorenkarriere nach dem Zerbrechen der langjährigen Freundschaft mit Allan Cole und dem Ende der gemeinsamen Projekte gehen wird.
The Demon King von Chris BunchDenn fortgesetzt hat Chris Bunch seine Autorenkarriere durchaus und dabei allein deutlich mehr Bücher geschrieben als sein ehemaliger Kollege. Sein erstes im Alleingang realisiertes Projekt war eine SF-Trilogie mit dem Titel Shadow Warrior (1996/97), ehe er sich mit der Seer King Trilogy der Fantasy zuwandte. Auch in ihr erzählt ein alter Kämpe rückblickend sein Leben, doch wer auf Fantasy von der Qualität der Saga um die Fernen Königreiche gehofft hatte, sah sich rasch bitter enttäuscht, denn außer ihrer Struktur haben die beiden Werke wenig gemeinsam. In The Seer King und den beiden Fortsetzungen The Demon King (1998) und The Warrior King (1999) erzählt Damastes a Cimabue von seinem Aufstieg und Fall als rechte Hand, Freund, General und schließlich erbitterter Feind des Magiers und zeitweiligen Imperators Tenedos – nur leider bleibt der Ich-Erzähler dabei ein Unsympath, dessen viel zu häufige, detailliert geschilderte und nichts zur Handlung beitragende sexuelle Abenteuer ein zumindest fragwürdiges Frauenbild sichtbar werden lassen. Dass das Setting wie ein wahllos zusammengesuchtes Sammelsurium aus den unterschiedlichsten Epochen und Kulturen wirkt, trägt auch nicht unbedingt zur Lesefreude bei, da nützen noch nicht einmal Bunchs unbestreitbar vorhandene Fähigkeiten bei der Schilderung militärischer – auch taktischer – Aktionen und Kämpfe etwas. Von daher war die Trilogie, die auf Deutsch als Der Magier von Numantia mit den Einzeltiteln Der dunkle Thron (1999), Der Preis der Macht und Fluch der Wiederkehr (beide 2000) erschienen ist, eine herbe Enttäuschung, die von Locus-Rezensentin Faren Miller einst nicht zu Unrecht als “Jackie Collins for the epic-fantasy set” bezeichnet wurde.
Auch der zwergenhafte Juwelenhändler Peirol, der Held des Einzelromans The Empire Stone (2000; dt. Der Stein der Macht (2000)), ist ein ein bisschen zu sehr von sich selbst überzeugter großartiger Kämpfer, gewitzter und betrügerischer Händler und überragender Liebhaber, um so richtig sympathisch zu sein, weswegen seine Suche nach dem mächtigen, Empire Stone genannten Juwel, die den weitaus größten Teil des Buches einnimmt, den Leser trotz einzelner origineller Ideen kalt lässt.
Überraschenderweise findet sich im nächsten Einzelroman Corsair (2001; dt. Der Pirat von Saros (2001)) dann doch noch zumindest ansatzweise ein bisschen was von dem Zauber, der den Reiz der Romane um die Fernen Königreiche ausgemacht hatte. Was möglicherweise mit Setting und Plot zusammenhängt, ganz sicher aber auch damit, dass Chris Bunch in diesem Roman dankenswerterweise darauf verzichtet, die Handlung mit wahllos eingestreuten Sex-Szenen aufzupeppen. Held der Geschichte ist der junge Gareth, der zum Piraten wird, nachdem seine Eltern von geheimnisvollen Sklavenhändlern getötet wurden, und der nun vor Corsair von Chris Bunchallem die Schiffe der verhassten Mörder seiner Eltern ausraubt. Als er sich allerdings ihrer großen Schatzflotte bemächtigen will, muss er feststellen, dass sich hinter den Sklavenhändlern weitaus mehr verbirgt, als er geahnt hat … Corsair ist ein in weiten Teilen gelungener Entwicklungs- und Abenteuerroman, und Gareth die mit Abstand sympathischste Figur, die Chris Bunch für seine allein verfassten Fantasyromane geschaffen hat. Dass am Ende des Buches noch etliche lose Handlungsfäden übrig sind und ein paar Fragen allenfalls angerissen wurden, deutet darauf hin, dass Gareth nach dem Willen seines Schöpfers vielleicht noch weitere Abenteuer hätte erleben sollen, doch dazu ist es – und in diesem Fall kann man durchaus “leider” sagen – nicht gekommen.
Stattdessen folgte mit Storm of Wings (2002; dt. Herrscher der Lüfte (2004)), Knighthood of the Dragon (2003; dt. Dunkle Schwingen (2005)) und The Last Battle (2004; dt. Dämonenfänge (nur im Sammelband)) die Dragonmaster Trilogy (dt. Die Drachenkrieger (und unter diesem Titel 2007 auch als Sammelband mit den Teilen 1, 2 und 3)), in der der Bauernjunge Hal, der anfags davon träumt, eines Tages auf dem Rücken eines Drachen zu reiten, bei Ausbruch des Krieges die Chance bekommt, diesen Traum zu verwirklichen und zum Drachenreiter zu werden. Allerdings stimmt das, was er sich zuvor erträumt hat, nicht unbedingt mit der Wirklichkeit überein …
Außer diesen Fantasyromanen und -zyklen hat Chris Bunch noch zwei SF-Serien verfasst: The Last Legion (1999-2001) und Star Risk (2002-20005). Letztere ist nicht nur sein einziges SF- oder Fantasywerk, das nie auf Deutsch erschienen ist (was insofern bedauerlich ist, als Star Risk die beste seiner allein verfassten SF-Serien ist), sondern auch das einzige, das er nicht selbst zum Abschluss bringen konnte. Denn am 04. Juli 2005 ist Chris Bunch nach langer Krankheit gestorben, und zu diesem Zeitpunkt hatte er nur die Outline des geplanten fünften Bandes verfasst, der schließlich kurze Zeit später von Steve und Dal Perry auf der Basis dieser Outline geschrieben wurde.

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Zum 65. Geburtstag von Sean McMullen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Sean McMullen, der heute seinen 65. Geburtstag feiert. Der am 21. Dezember 1948 in Sale, Victoria, Australien geborene Sean Christopher McMullen zählte zu der Reihe von SF- und Fantasy-Autoren vom fünften Kontinent, die sich ab Mitte der 1990er auf dem internationalen Markt etablieren konnten.
Sein erster in den USA veröffentlichter Roman war The Centurion’s Empire (1998), in dem der römische Centurio Vitellan Bavalius dank eines venenum immortale vom ersten nachchristlichen bis ins 21. Jahrhundert überlebt und – unterbrochen von langen, durch das Mittel erzwungenen Schlafpausen – immer wieder Anteil an geschichtlichen Ereignissen hat. Deutlich mehr Eindruck als dieser Roman machte allerdings Souls in the Great Machine (1999), die überarbeitete Ausgabe von McMullens australischem Debüt Voices in the Light (1994) und dessen Fortsetzung Mirrorsun Rising (1995) und zugleich der Auftakt der Greatwinter-Sequenz. Souls in the Great Machine (dt. Seelen in der Großen Maschine (2006) führt in ein Australien, das gut anderthalb Jahrtausende nach einem weltumspannenden Atomkrieg und dem nachfolgenden “Großen Winter” in unzählige Stadtstaaten zerfallen ist und in dem es weder Elektrizität noch Dampfmaschinen gibt, sondern stattdessen Lichtfunkverkehr, Galeerenzüge – und den Kalkulor, einen Eyes of the Calculor von Sean McMullenriesigen Computer aus menschlichen Komponenten. Natürlich gibt es auch in dieser Welt die anscheinend unvermeidlichen Machtkämpfe, und zudem droht der nächste “Große Winter”; darüber hinaus ergeht in regelmäßigen Abständen der geheimnisvolle “Ruf”, der Menschen und Tiere gleichermaßen wie in Trance zu einem tödlich endenden Marsch gen Süden aufbrechen lässt. Auch wenn die Folgebände The Miocene Arrow(2000) und Eyes of the Calculor (2001) dem Zyklus nicht zuletzt durch das Auftreten von Aliens einen deutlicheren SF-Touch verleihen, hat McMullen mit der Greatwinter Saga bewiesen, dass er nicht nur mit postapokalyptischen Szenarien etwas anfangen bzw. ihnen neue Impulse verleihen kann, sondern auch in der Lage ist, eine in sich stimmige vorindustrielle Gesellschaft zu entwerfen und zu schildern.
Für seine Fantasy-Reihe The Moonworlds Saga arbeitete er nicht nur eine Welt aus, die von den üblichen Versatzstücken der Fantasy sehr stark abweicht und nicht unmittelbar auf eine historische Epoche oder Landschaft zurückgreift, sondern machte sich mit den Gegebenheiten vertraut, denen er seine Figuren aussetzen wollte, indem er zum Beispiel in Rüstung durch die australische Wüste stapfte. Dass er auf Genre-Konventionen pfeift, wird schon im ersten Band der Reihe klar, The Voyage of the Shadowmoon (2002, dt. Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon (beide 2006)), wenn gleich zu Beginn eine Katastrophe über den Kontinent Torea hereinbricht, deren Verhinderung Stoff für so manche Queste geboten hätte. Auch im Nachfolger Glass Dragons (2004, dt. Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon (beide 2007)) ist sich McMullen nicht zu schade, den magischen Super-GAU, der sich anbahnt, auch wirklich eintreten zu lassen und seine liebevoll entworfene Welt, in der sich etliche religiöse und magische Orden, personifizierte Schicksalsmächte und verschiedenste Staatengebilde tummeln, ordentlich zu verwüsten. Mit humorvollen Charakterkonstellationen, wie etwa dem philantropen Vampir Laron oder der auf Süßspeisen versessenen Magierin Wensomer, aberwitzigen Abenteuern mit chaotischen Fraktionswechseln und Enthüllungen und einer Magie, die bisweilen an Technik erinnert, bewegt sich die Moonworlds Saga in einem Graubereich zwischen den Subgenres und etablierten Erzählstrukturen, was ein Grund sein könnte, weshalb der Reihe nie der richtig große Erfolg beschieden war. Nach zwei weiteren – diesmal direkt aufeinander aufbauenden – Bänden in der ansonsten eher lose zusammenhängenden Reihe, Voidfarer (2006) und The Time Engine (2008, der erste wurde Glass Dragons von Sean McMullennoch als Der Geist der Shadowmoon und Die Legende der Shadowmoon (2007, 2008) übersetzt), war vorerst Schluss, obwohl man das Gefühl hatte, Verral und seine Bewohner hätten noch eine Menge Geschichten zu bieten.
Bis auf eine nur in Australien veröffentliche Zeitreise-Reihe für junge Leser, von der bislang zwei Bände erschienen sind, scheint sich Sean McMullen mittlerweile vor allem auf Kurzgeschichten und Noveletten verlegt zu haben, die 2013 in den beiden Sammlungen Ghosts of Engines Past und Colours of the Soul versammelt wurden, und man kann es durchaus bedauern, dass damit ein experimentierfreudiger und unkonventioneller Autor mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden ist.

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Neu rezensiert: Nuramon

Nuramon von James A. SullivanNuramon ist als einziger Elf in der Menschenwelt zurückgeblieben, als sie auf ewig von der Heimat der Elfen getrennt wurde. Obwohl er zunächst wenig erpicht darauf ist, Kontakte zu Menschen zu knüpfen, entschließt er sich, seine Magie bei der Verteidigung der Stadt Teredyr zum Einsatz zu bringen, in deren Nähe er lebt, und gerät infolgedessen immer tiefer in menschliche Angelegenheiten hinein. Wider Erwarten scheint er sein Glück zu finden, als er sich in die Grafentochter Daoramu verliebt. Doch nicht jeder steht der Verbindung aufgeschlossen gegenüber, und die bedrohliche Magie, die sich immer weiter in der Welt ausbreitet, ruht ebenso wenig wie alte und neue Feinde …

Zur ganzen Rezension bitte hier entlang.

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Zum 105. Geburtstag von Mária Szepes

Bibliotheka Phantastika erinnert an Mária Szepes, deren Geburtstag sich heute zum 105. mal jährt. Als die am 14. Dezember 1908 als Magdolna Scherbach in Budapest geborene Mária Szepes 1946 ihren ersten Roman A Vörös Oroszlán unter dem Pseudonym Mária Orsi veröffentlichte, hatte sie bereits mehrere Karrieren als Schauspielerin, Journalistin, Drehbuch- und Sachbuchautorin hinter sich (und die Heirat mit Béla Szepes). Der während des Zweiten Weltkriegs in einem Versteck geschriebene Roman sollte zu einem Bestseller der esoterischen Literatur werden – allerdings standen seine Chancen dafür anfangs denkbar schlecht, denn A Vörös Oroszlán wurde von den kommunistischen Machthabern als nicht systemkonform eingestuft, verboten und bis auf vier Exemplare vernichtet. Diese wurden von Szepes’ Anhängern abgetippt und vervielfältigt, und schließlich gelangte der Roman fast 40 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nach Deutschland, wo seine Übersetzung 1984 als Der Rote Löwe auf den Markt kam.
Der Rote Löwe von Mária SzepesWorum geht es nun in diesem Roman, den das stalinistische Rákosi-Regime für so gefährlich gehalten hat, dass es ihn verboten hat und vernichten ließ? Der Rote Löwe erzählt die Geschichte des 1535 geborenen Müllersohns Hans Burger, der nach dem Tod seines Vaters früh sein Elternhaus verlässt und alsbald Schüler des Alchemisten und Wanderarztes Rochard wird. Besagter Rochard besitzt ein großes Geheimnis – ein Pulver namens Der Rote Löwe, das demjenigen, der es zu sich nimmt, die Unsterblichkeit verleiht. Hans Burger will dieses Pulver unbedingt haben, koste es, was es wolle – und er verschafft es sich auch, allerdings zu einem hohen Preis, denn er ist nun zur Unsterblichkeit verflucht. Er kann zwar körperlich sehr wohl sterben, wird aber durch die Jahrhunderte immer aufs Neue mit all seinen Erinnerungen unter den verschiedensten Lebensumständen wiedergeboren, und all seine Versuche, sich von seinem Fluch zu erlösen, scheinen vergebens … Mária Szepes schildert Hans Burgers Streben nach der Unsterblichkeit ebenso wie seine lange vergebliche Suche nach Erlösung in dichten, packenden Bildern, führt ihren Helden dabei durch die europäische Geschichte und lässt ihn Bekanntschaft mit historischen Persönlichkeiten machen. Doch mindestens ebenso wichtig und interessant sind die Einblicke in die dem Normalsterblichen normalerweise verschlossene Welt der Geheimgesellschaften und der über esoterisches oder okkultes Geheimwissen verfügenden Initiierten bzw. in die Welt der Alchemie. Und letztlich erzählt Der Rote Löwe auch davon, wie aus einem niederträchtigen und selbstsüchtigen Menschen ein selbstloser Diener an der Menschheit wird, der schließlich eine deutlich höhere Daseinsstufe erreicht.
Der Rote Löwe war nicht Mária Szepes’ erster Roman auf Deutsch – bereits 1982 war mit Spiegeltür in der See (1982; OT: Tükörajtó a tengerben (1975)) ein SF-Roman mit mehr oder minder starken esoterischen Untertönen erschienen –, aber ihr bei weitem erfolgreichster, der mehrere Auflagen erlebte (2002 bzw. 2004 auch überarbeitet und mit einem informativen Vorwort von Hans Joachim Alpers versehen). Nicht zuletzt dieser Erfolg dürfte dafür gesorgt haben, dass auch danach weitere Romane von Mária Szepes auf Deutsch erschienen sind, die sich entweder – wie Der Zauberspiegel (1988; OT: Varázstükör (ca. 1989)) – ausschließlich um esoterische Themen drehen, oder SF- bzw. phantastische Inhalte mit einer starken esoterischen Komponente bieten. Im Einzelnen waren das Sonnenwind (1986; OT: Napszél (1983)), Märchenland Gondwana (1993; OT: A Meses Gondvana (1992)), Die lebenden Statuen von Surayana (1998; OT: Surayana élö szobrai (1971)) und der von ihr selbst als ihr Hauptwerk bezeichnete Raguel-Zweiteiler Der Berg der Adepten und Weltendaemmerung (beide 1993; OT: Raguel 7 tanítványa (1991)), die allerdings allesamt nicht annähernd so erfolgreich waren wie Der Rote Löwe.
Außer diesen Romanen sind noch mehrere Kinder- und Sachbücher von ihr auf Deutsch erschienen, doch das am leichtesten zugängliche und auch für nicht oder kaum an Esoterik interessierte Leser und Leserinnen lesbarste Werk der am 03. September 2007 im Alter von beinahe 99 Jahren verstorbenen Mária Szepes ist und bleibt zweifellos jener Roman, in dessen Mittelpunkt Hans Burger und sein Streben nach bzw. Hadern mit der Unsterblichkeit stehen.

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Neu rezensiert: Shadow Games

Cover von The Books of the South von Glen CookNach dem Fall des Dominators macht sich die Black Company auf den Weg nach Süden und damit zu einer Reise in die eigene Vergangenheit – nach Khatovar. Dabei finden sich nicht nur neue Rekruten für die geschrumpfte Truppe, sondern auch neue Herausforderungen. Denn als die Gruppe die Stadt Taglios erreicht, sieht sie sich erneut dunklen Mächten gegenüber, die ihren Weg blockieren. Im Auftrag der Stadt Taglios, mit der die Black Company scheinbar mehr verbindet als ein Vertrag, muss Croaker nun seine Rolle als Hauptmann tatsächlich voll ausfüllen.

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Zum 60. Geburtstag von Janny Wurts

Bibliotheka Phantastika gratuliert Janny Wurts, die heute 60 Jahre alt wird. Schon seit ihrer Kindheit hatte die am 10. Dezember 1953 in Bryn Mawr, Pennsylvania, geborene Janny Wurts Interesse am Schreiben und am Zeichnen, von daher ist es kein Wunder, dass sie sich anfangs sowohl als Grafikerin wie auch als Autorin einen Namen gemacht hat. Mittlerweile ist die Grafikerin Janny Wurts zugunsten der Autorin in den Hintergrund getreten, auch wenn sie es sich normalerweise nicht nehmen lässt, die Cover ihrer Romane selbst zu gestalten – was immerhin den Vorteil hat, dass man als Leser davon ausgehen kann, dass das, was man auf dem Cover sieht, auch das ist, was die Autorin da haben wollte.

Janny Wurts’ erste professionelle Veröffentlichung war Sorcerer’s Legacy (1982, rev. 1989), ein nicht weiter bemerkenswerter Roman um eine verwitwete, aber zum Glück schwangere Herzogin, einen zeugungsunfähigen Prinzen, einen altruistischen Magier, einen schurkischen Schurken und die aus diesen und weiteren Ingredienzen resultierenden Palastintrigen. Zwei Jahre später erschien mit Stormwarden der erste Band des Cycle of Fire (unter diesem Titel 1999 auch als Sammelband), der sich einer beispielsweise auch von Marion Zimmer Bradley oder Anne McCaffrey benutzten Prämisse bedient: die Besatzung eines auf einer fernen Welt notgelandeten Raumschiffs hat ihre Herkunft vergessen, und folgerichtig sind die Menschen auf eine mittelalterliche Zivilisationsstufe zurückgefallen. Da sie aber nicht nur ihre Herkunft vergessen haben, sondern auch das, was sie mitgebracht haben, kämpfen sie nun – unterstützt von einem “magischen” Wesen, das einmal der Schiffscomputer war – gegen Dämonen statt Aliens. Die mit Keeper of the Keys und Shadowfane (beide 1988) fortgesetzte und auf Deutsch als Zyklus des Feuers mit den Einzeltiteln Sturmwächter, Schlüsselhüter und Schattentempel (alle 2000) erschienene Trilogie funktioniert als Entwicklungsroman der beiden Hauptfiguren ebenso wie als phantastische Abenteuergeschichte.

Dass zwischen dem ersten und den beiden nachfolgenden Bänden des Cycle of Fire so viel Zeit verstrichen ist, hat vermutlich damit zu tun, dass Janny Wurts zwischenzeitlich an dem Werk gearbeitet hat, das bis heute ihr bei weitem bekanntestes und erfolgreichstes geblieben ist, denn 1987 erschien mit Daughter of the Empire der gemeinsam mit Raymond E. Feist verfasste erste Band der Kelewan oder auch Empire Trilogy. Im Mittelpunkt dieses Romans und seiner beiden Fortsetzungen Servant of the Empire (1990) und Mistress of the Empire (1992) steht Mara von den Acoma, die auf Kelewan – der von Raymond E. Feist erschaffenen Welt auf der anderen Seite des Spalts, der er in Magician bereits einen Besuch abgestattet hatte – unversehens an die Spitze ihres Hauses gelangt und es gegen Intrigen und militärische Angriffe verteidigen muss. Da Mara aber keine dumme, schwache Frau ist, sondern es versteht, ihre Schwächen in Stärken zu verwandeln, sich die richtigen Verbündeten zu suchen und letztlich das Game of Council – das komplizierte Spiel um die Macht, das die mächtigen Adelshäuser der Tsurani unentwegt spielen – besser zu beherrschen als alle anderen, ist es kein Wunder, dass ihr weit mehr gelingt als nur ihr Haus zu retten. Die Kelewan-Saga – die auf Deutsch in sechs Bänden als Die Auserwählte, Die Stunde der Wahrheit, Der Sklave von Midkemia, Zeit des Aufbruchs, Die schwarzen Roben und Tag der Entscheidung (alle 1998) erschienen ist – erweist sich als gelungenes Beispiel dafür, dass die Zusammenarbeit zweier unterschiedlicher Autoren erstaunliche Synergie-Effekte haben kann, denn die hier vorhandene Mischung aus geradliniger Abenteuerhandlung, nachvollziehbar agierenden Figuren, politischen Intrigen und einem Setting mit mehr als einem Hauch Exotik (in Form der nichtmenschlichen Cho-ja) ergibt ein in jeder Hinsicht lesenswertes Werk.

Parallel zum letzten Band der Empire Trilogy erschien mit The Master of Whitestorm (1992) ein Einzelroman, den Janny Wurts wieder allein verfasst hatte, und den man vielleicht als eine Art Fingerübung zu dem umfangreichen Zyklus betrachten kann, den sie ein Jahr später mit The Curse of the Mistwraith begonnen hat und an dem sie heute noch schreibt: The War of Light and Shadow. In diesem auf elf bzw. zwölf Bände angelegten Zyklus (der eigentliche zweite Band wurde aus Umfangsgründen auch im Original fast immer gesplittet), von dem bisher neben dem bereits erwähnten Auftaktroman acht Bände – nämlich Ships of Merior (1994), Warhost of Vastmark (1995), Fugitive Prince (1997), Grand Conspiracy (1999), Peril’s Gate (2001), Traitor’s Knot (2004), Stormed Fortress (2007) und Initiate’s Trial (2011) – vorliegen, geht es um die im Rahmen des ersten Bandes zu ewiger Feindschaft verfluchten Halbbrüder Arithon, den Master of Shadow, und Lysaer, den Lord of Light, und um die Rolle, die sie beide in einer viel größeren Geschichte spielen, die vor langer Zeit begonnen hat. Wer nun allerdings meint, es ginge um den üblichen Kampf zwischen Licht und Schatten, der befindet sich auf dem Holzweg. Das Ganze ist Dank einer Reihe von Fraktionen und Gruppen, die mit teilweise recht unterschiedlichen Zielen ebenfalls in dem Konflikt mitmischen, und der Tatsache, dass der Zyklus in mehrere Unterzyklen (“Arcs”) aufgeteilt ist, deutlich komplexer als es anfangs scheint. Was zusammen mit dem alles andere als leicht lesbaren, komplizierten Stil, dessen sich Janny Wurts hier bedient, möglicherweise mit dafür verantwortlich ist, dass The War of Light and Shadow auch in den USA und England nicht annähernd den Bekanntheitsgrad hat, den ein Mehrteiler, der von einem Rezensenten einmal nicht ganz unzutreffend als “The Wheel of Time for adults” bezeichnet wurde, eigentlich haben müsste. Inwieweit das auch im Hinblick auf die Spannungsbögen allem Anschein nach stringent durchkonzipierte Werk letztlich gelungen ist, wird sich natürlich erst abschließend beurteilen lassen, wenn die beiden noch ausstehenden Romane (die Destiny’s Conflict und Song of the Mysteries heißen werden) erschienen sind. Deutschsprachigen Leserinnen und Lesern wird das allerdings wieder einmal schwer gemacht, denn hierzulande wurden nur die Bände I-III gesplittet unter dem Zyklustitel Der Fluch des Nebelgeistes (Einzeltitel: Meister der Schatten, Herr des Lichts (beide 1998), Die Schiffe von Merior, Die Saat der Zwietracht, Die Streitmacht von Vastmark, Das Schiff der Hoffnung (alle 1999)) und die Bände IV und V unter dem Zyklustitel Die Schattenkriege (Einzeltitel: Die Rückkehr des Nebelgeistes, Jäger und Gejagte, Die Verschwörung des Lichts (alle 2002) und Spiel der Schatten (2003)) veröffentlicht.

Wer sich deswegen an Janny Wurts im Original versuchen will, dem sei neben dem bereits erwähnten The Master of Whitestorm noch ihr 2002 erschienener Einzelroman To Ride Hell’s Chasm empfohlen. Beide Titel sind einerseits stilistisch und vom Erzählduktus her recht nah an The War of Light and Shadow dran, aber dank der überschaubaren Zahl der Hauptfiguren und des nicht annähernd so üppig ausgestalteten Settings wesentlich zugänglicher. Wer hier mit Janny Wurts’ Stil klarkommt, entdeckt möglicherweise eine Autorin für sich, die dann noch reichlich Lesestoff bietet.

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