Forumos-Übersetzer empfehlen: Cinda Williams Chima – Der Dämonenkönig-Zyklus

In unserer Übersetzer-Rubrik gibt es heute als Gastbeitrag eine Empfehlung für einen ganzen Zyklus. Die Übersetzerin Susanne Gerold ist in unserem Forum als Timpimpiri unterwegs.

______________

Der Dämonenkönig von Cinda Williams ChimaMit Büchern ist es manchmal so wie im echten Leben: es gibt manche, die haben hervorragende Startchancen, und andere, die haben es einfach schwerer.
Der von mir übersetzte Zyklus “Der Dämonenkönig” von Cinda Williams Chima fällt leider in diese Kategorie. Die deutsche Version der Geschichte, die – das gleich vorweg – durchgängig sehr schön ist und ein wunderbares Ende hat, leidet bedauerlicherweise ein bisschen unter verlagsinternen Entscheidungen hinsichtlich der “Übersetzungsphilosophie”. Weil das den Lesegenuss allerdings nicht wirklich schmälern muss, vor allem, wenn man etwas über die Hintergründe erfährt, möchte ich den Zyklus unbedingt all jenen ans Herz legen, die gern ein schönes Jugendbuch lesen oder verschenken möchten.

Aber von Anfang an: Das Problem begann eigentlich damit, dass man sich entschied, dem ersten Band der ursprünglich von Goldmann eingekauften Trilogie einen Hardcovervorlauf bei cbj zu verschaffen und ihn erst danach als Taschenbuch bei Goldmann zu veröffentlichen. Da das Buch jetzt bei einem reinen Jugendbuchverlag angesiedelt war, lautete die nächste Entscheidung, auch die Sprache entsprechend anzupassen. Jugendliche, so hieß es, wollten Begriffe lieber auf Englisch lesen, und die Sprache sollte auch flapsiger sein. Ich erfuhr davon, nachdem ich bereits eine Menge Zeit und Arbeit investiert und es mit freundlicher Unterstützung der Autorin geschafft hatte, geeignete deutsche Begriffe für die vier wesentlichen Bevölkerungsgruppen der Welt des “Dämonenkönigs” zu finden, in deren Umfeld sich die Geschichte um die jugendlichen Hauptcharaktere abspielt: die Diebes- und Straßenwelt der Stadt Fellsmarch, in der Han Alister aufgewachsen ist; die indianisch geprägte Welt der Spirit-Clans von Raisa ‘ana Marianna, der Thronerbin der Fells, mit der sie väterlicherseits verwandt ist; die städtische und höfische Welt von Fellsmarch, mit der Raisa mütterlicherseits verbunden ist; und schließlich die Welt der Hohemagier, die versuchen, wieder an die Macht zu kommen, nachdem sie tausend Jahre lang unterdrückt worden waren.
Das Exil der Königin von Cinda Williams ChimaAufgrund der Verlagsentscheidung spielt sich die Geschichte nun zwischen Gangs und Streetlords, Clans und Figuren mit Namen wie Hunts Alone und Nightbird ab, während gleichzeitig Örtlichkeiten als Westmauer oder Brückenstraße daherkommen und die Bewohner der Spirit-Mountains bezogen auf ihre Clan-Zugehörigkeit Highlander genannt werden, aber aus Sicht der Talbewohner der Fells im Hochland leben … und als würde das alles noch nicht reichen, gibt es noch die Flatlander, wie die Bewohner der Reiche außerhalb der gebirgigen Fells genannt werden (und die erst miteinander im Krieg liegen und dann die Fells zu erorbern versuchen).
Eine sehr gewöhnungsbedürftige Mischung, wie ich zugeben muss, auch wenn tatsächlich ein System dahintersteckt. Aber war es eine gute Entscheidung? Das ist schwer zu sagen. Fakt ist jedenfalls, dass das Buch bei cbj floppte und der Hardcovervorlauf daraufhin eingestellt wurde. Was bedeutete, dass das Buch zurück an Goldmann ging. Dort hätte die Eindeutschung der Begriffe nun kein Problem gemacht, ganz im Gegenteil. Da der erste Band jedoch bereits veröffentlicht war, konnte man an dieser Schraube nicht mehr drehen. Auch der flapsigere Sprachduktus war inzwischen gesetzt (veränderte sich allerdings im weiteren Verlauf des Zyklus ein bisschen im gleichen Maß, in dem die Geschichte von Band zu Band ernster wurde).
Dem Buch und seinen Folgebänden tat das alles nicht besonders gut. Normalen Fantasy-Lesern sind englische Begriffe in einer nicht englischsprachigen Welt ein Gräuel, und genau das schleppte diese eigentlich wunderbare Geschichte nun dauerhaft mit sich herum. Manche Dinge behält man eben von Beginn seines Lebens bei, sie sind nicht zu ändern. Es lohnt sich allerdings manchmal, den Blick und die Wahrnehmung dadurch nicht allzusehr beeinflussen zu lassen, denn wenn man einmal davon absieht, sich gar daran gewöhnt – und das kann man durchaus – erhält man eine Geschichte, die schön erzählt ist, die interessante Charaktere hat, tolle jugendliche Helden, eine sehr schöne, von Beginn an nachvollziehbare und überzeugende Liebesgeschichte sowie einen Konflikt, der die gegenwärtige Handlungsebene geschickt mit tragischen, anfangs völlig im Dunkeln liegenden Geschehnissen der Vergangenheit verbindet.

Der Wolfsthron von Cinda Williams ChimaÄußerlich beginnt der Konflikt, als der Straßendieb Han Alister in Notwehr Micah Bayar, dem Sohn des mächtigsten Magiers, ein Amulett wegnimmt, das dieser wiederum seinem Vater entwendet hatte. Lord Bayar versucht daraufhin mit allen Mitteln, das Amulett zurückzubekommen, schreckt auch vor Mord nicht zurück, während er gleichzeitig seinen Plan verfolgt, die seit langer Zeit verbotene Verbindung von Königinnengeschlecht und Magiern wieder aufleben zu lassen, selbst an die Macht zu kommen und die Hohe Magie endlich von der Knute der Spirit Clans zu befreien, unter der sie durch die Fuegung vor eintausend Jahren stehen.
Die Fuegung – eine Abmachung, die den Spirit-Clans mit ihrer niederen Magie die Kontrolle über die Hohe Magie zuspricht – war eine Reaktion auf das Unheil, das die Magier vor tausend Jahren in einem Krieg angerichtet hatten, der die Welt fast zerstört hätte. Da dieses Wissen überall präsent ist, ruft Lord Bayars allzu offensichtliches Betreiben, die Magier wieder in eine Machtposition zu bringen und sich der verhassten Spirit-Clans zu entledigen, natürlich diese auf den Plan, und es beginnt ein unheilvoller Tanz, in dessen Mittelpunkt die Erbprinzessin der Fells steht, heiß begehrt sowohl von Bayars Sohn wie einem angesehenen Mitglied der Spirit-Clans und schließlich auch von Han Alister, während sich zugleich die Vergangenheit zu regen beginnt …
Wenn man das liest, könnte man meinen, “Der Dämonenkönig” sei eigentlich eine Liebesgeschichte. Und irgendwie ist er das auch; Liebe, Freundschaft und Vertrauen sind tatsächlich zentrale Motive dieses Zyklus. Aber es geht dabei nicht nur um die gegenwärtige Liebesgeschichte oder darum, wer nun die Erbprinzessin bekommt, es geht auch um eine ganz andere Liebesgeschichte, die tausend Jahre zuvor der Grund dafür war, dass die Welt beinahe im Chaos versunken wäre, und die jetzt auf ihre Weise wieder zum Leben erwacht und sozusagen aus dem Hintergrund tatkräftig dazu beiträgt, dass im Reich der Fells die notwendigen Veränderungen eingeleitet werden.

Wenn ich zusammenfassen sollte, was mir beim Übersetzen besonders gefallen hat, dann die Fähigkeit der Autorin, äußerst lebendige, sympathische jugendliche Charaktere zu entwerfen, bei denen ich mich als Erwachsene nicht gelangweilt fühlte. Ihre nicht minder beeindruckende Fähigkeit, den vielen Fallen auszuweichen, die sich in jeder Geschichte auftun und die in diesem Fall vor allem die weibliche Hauptfigur ziemlich geschwächt hätten und den Gang der Geschichte leicht hätten trivial werden lassen können. An Abzweigungen in Richtung Klischees, in Richtung unnatürlichen oder idiotischen Verhaltens, die häufig dazu dienen, künstlich Spannung zu erzeugen oder die Geschichte voranzutreiben, wird einfach vorbeigegangen, obwohl man ahnt, dass sie in einer schlechteren Geschichte genutzt worden wären. Das hat Cinda Williams Chima nicht nötig; zwar ist sie auch nicht immer perfekt in der Inszenierung ihrer jugendlichen Helden und Heldinnen, aber wenn man ihr eines attestieren muss, dann die Fähigkeit, denkende, starke Personen mit tiefen Gefühlen entworfen zu haben, die man vielleicht gern selbst als Role Model gehabt hätte, als man jung war.
Die Purpurkrone von Cinda Williams ChimaDie Einschätzung, ob ein Buch ein gutes Buch – oder ein Zyklus ein guter Zyklus – ist, wird immer dadurch mitbestimmt, wie sein Ende ausfällt. Und das Ende dieser Geschichte ist einfach nur schön. In mehrfacher Hinsicht. Zum einen auf der profanen Ebene der Verlagsentscheidungen, denn Goldmann hat sich nach langem Überlegen schließlich doch noch entschieden, den (auch im Original ursprünglich nicht vorgesehenen – aber auch hier galt wohl, wie so oft: the tale grew in the telling) vierten Band ebenfalls einzukaufen und herauszubringen, auch wenn es lange Zeit nicht danach aussah und man es vor allem der deutschsprachigen Leserschaft zuliebe getan hat – kann es einen schöneren Grund geben? Aber auch das inhaltliche Ende ist – oder besser: beide inhaltlichen Enden sind – sehr gelungen. Wer allerdings die Angewohnheit hat, das Ende zuerst zu lesen, beraubt sich dadurch einer sehr schönen Leseerfahrung.

______________

Band 1: Der Dämonenkönig (ISBN: 978-3442469741)
Band 2: Das Exil der Königin (ISBN: 978-3442469758)
Band 3: Der Wolfsthron (ISBN: 978-3442469765)
Band 4: Die Purpurkrone (ISBN: 978-3442481538)

2 Kommentare zu Forumos-Übersetzer empfehlen: Cinda Williams Chima – Der Dämonenkönig-Zyklus

  1. Wurling sagt:

    Wenn sich ein Verlag schonmal entscheidet einen vierten Band “doch noch” zu machen, ist das wirklich mal eine schöne Sache. Den ersten Band fand ich seinerzeit wirklich nett zu lesen, mal abgesehen von der beschriebenen Tatsache, dass viele Namen, Titel, Bezeichnungen nicht übersetzt werden durften (das war wirklich mehr als nur gewöhnungsbedürftig und man muss gelegentlich mindestens ein Auge zudrücken). Von daher werde ich mir die Reihe auf jeden Fall nochmal vorknöpfen, gerade da sie mit zunehmender Dauer auch noch etwas ernster wird und einen schönen Abschluß hat. Ich bin gespannt. -:)

    Ebenfalls schön, dass Susanne sich die Arbeit gemacht hat und unsereinen ein wenig Einblick hinter die Kulissen der Übersetzung gewährt. -:)

  2. Timpimpiri sagt:

    Danke, Wurling. Es macht mir aber auch wirklich Spaß, über gute Bücher zu schreiben, mit denen ich so viel Zeit verbracht habe. Und es würde mich sehr wundern, wenn du das Ende nicht toll finden würdest 😉

Hinterlasse einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML Tags und Attribute nutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>