Zum 70. Geburtstag von Katharine Kerr

Bibliotheka Phantastika gratuliert Katharine Kerr, die heute 70 Jahre alt wird. Auch wenn die am 03. Oktober 1944 in Cleveland, Ohio, geborene Katharine Nancy Brahtin nie Romane für eines der entsprechenden Franchise-Universen geschrieben hat, verdankt sie ihr Interesse an Fantasy, das sie zu einer zeitweise Daggerspell von Katharine Kerrsehr erfolgreichen Autorin gemacht hat, dem Fantasy-Rollenspiel (und den Namen, unter dem sie ihre Romane veröffentlicht, ihrem Mann Howard Kerr, den sie 1973 geheiratet hat). Denn ein solches schenkte ihr ein Freund 1979 und öffnete damit eine Tür, die zunächst zum Spielen und einer generellen Beschäftigung mit Fantasy führte, dann zu Artikeln für verschiedene Spielemagazine und zur redaktionellen Mitarbeit am Dragon Magazine, und schließlich zu Spielmodulen für TSR und Chaosium.
Doch eigentlich wollte Katharine Kerr Geschichten erzählen, und so ist es kein Wunder, dass sie irgendwann – oder, genauer: im Februar 1982 – damit angefangen hat. Und es sollte anfangs auch nur eine Erzählung werden, die in einer keltisch geprägten Fantasywelt spielt (ein in den frühen 80er Jahren keineswegs weitverbreitetes oder gar ausgelutschtes Setting); allerdings hatte Katharine Kerr nicht mit der kreativen Woge gerechnet, die sie förmlich überschwemmt haben muss, denn binnen eines Jahres entwarf und strukturierte sie den größten Teil der Handlung der ersten sechs Bände des Zyklus, der sie bekannt und vor allem in den 90ern berühmt machen sollte: des Deverry Cycle.
Die Grundidee des Zyklus ist schlicht: ein gallischer Stamm ist dereinst vor der römischen Herrschaft mit Hilfe eines mächtigen magischen Wesens auf eine Parallelwelt namens Annwn geflohen und hat dort das Königreich Deverry gegründet. An der Spitze der feudalistischen Struktur steht ein High King – und auf den Ebenen darunter gibt es jede Menge Streitereien und Intrigen. Außerdem gibt es weitere Völker auf Annwn, die entweder schon immer dort gelebt haben – wie etwa das Westfolk (spitzohrige nomadische Pferdehirten, die auch Elves genannt werden), das Mountain Folk (Zwerge) oder die Horsekin (große haarige Menschen, die ein besonders empathisches Verhältnis zu Tieren haben) – oder ebenfalls ursprünglich aus unserer Welt stammen, wie vermutlich die Bardekians (dunkelhäutige Menschen, die in einem Äquivalent antiker Stadtstaaten leben); und es gibt die geisterhaften Guardians. Was den Zyklus allerdings zu etwas Besonderem macht, ist seine Erzählstruktur, denn die Geschichte des Königreichs Deverry und seiner Bewohner, die in Daggerspell (1986, rev. 1993) beginnt und mit Darkspell (1987, rev. 1993), The Bristling Wood (1989; auch als Dawnspell (1989) bzw. Dawnspell: The Bristling Wood (1990)) und The Dragon Revenant (1990, auch als Dragonspell: The Southern Sea (1990)) fortgeführt wird, wird nicht linear erzählt. Stattdessen gibt es mehrere, zeitlich Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte voneinander getrennte Plotlinien, in der die Hauptfiguren in verschiedenen Inkarnationen ihre Abenteuer erleben. Das erzeugt einerseits eine selten gesehene Komplexität und liefert andererseits interessante Einblicke in Charakterentwicklungen; darüberhinaus wird durch die teilweise nur wenige Seiten voneinander getrennten Erzählebenen klar erkennbar, dass fast alles, was in der Gegenwart geschieht, seine Wurzeln in Taten und Entscheidungen in der Vergangenheit hat.
ATime of Exile von Katharine KerrUrsprünglich sollte der Deverry Cycle aus drei Teilzyklen mit jeweils vier Bänden bestehen. Die zentrale Figur der ersten vier Bände (sprich: des Teilzyklus The Deverry Saga) ist der Magier Nevyn, der nicht sterben kann, solange er seinen Eid nicht erfüllt hat, das von ihm in einer früheren Inkarnation verschuldete Unrecht wiedergutzumachen. Im zweiten Teilzyklus – der aus den Bänden A Time of Exile (1991), A Time of Omens (1992), Days of Blood and Fire (1993; auch als A Time of War: Days of Blood and Fire (1993)) und Days of Air and Darkness (1994; auch als A Time of Justice (1994)) bestehenden Westlands Saga – ist es der bereits zuvor prominent aufgetretene Rhodry, der sich ins Exil und auf die Suche nach einem Drachen begibt. Der dritte Teilzyklus – The Dragon Mage – besteht nur aus drei Romanen (The Red Wyvern (1997), The Black Raven (1999) und The Fire Dragon (2000)), denn aus dem ursprünglich geplanten vierten Band wurde ein weiterer Teilzyklus mit dem Titel The Silver Wyrm, dessen vier Bände The Gold Falcon (2006), The Spirit Stone (2007), The Shadow Isle (2008) und The Silver Mage (2009) die Geschichte(n) um das Königreich von Deverry, seine Bewohner, seine Freunde und seine Feinde zum Abschluss bringen.
Die ersten elf Bände des Zyklus sind unter dem Obertitel Die Chroniken von Deverry auch auf Deutsch erschienen. Dass die aus den Einzeltiteln Der Wanderer von Deverry (1998), Die Ausgestoßen von Deverry,The Silver Mage von Katherine Kerr Dämmerung über Deverry, Der Magier von Deverry, Zeit der Verbannung, Zeit der Omen, Zeit des Dunkels (alle 1999), Zeit des Feuers, Der rote Drache, Der schwarze Rabe (alle 2000) und Die Feuerechse (2001) bestehende Geschichte nicht weiter übersetzt wurde, hat viel damit zu tun, dass Katharine Kerr gesundheitliche Probleme hatte und Band zwölf erst sechs Jahre nach Band elf vorlegen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war die ein paar Jahre zuvor durchaus enthusiastisch gestartete Fantasyschiene des deutschen Verlags, der die ersten elf Bände veröffentlicht hatte, allerdings schon lange Vergangenheit. Was für rein deutschsprachige Leser und Leserinnen mehr als bedauerlich ist, denn so haben sie keine Chance zu erfahren, wie Katharine Kerr ihren umfangreichen komplexen Zyklus – der ihr allerdings erzählerisch nie aus dem Ruder gelaufen ist – zum Abschluss gebracht hat.
Parallel zum Deverry Cycle hat Katharine Kerr noch ein bisschen SF verfasst; mittlerweile schreibt sie fast ausschließlich Urban Fantasy.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML Tags und Attribute nutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>