Fünf Bücher … die durch die deutsche Aufmachung versenkt wurden

Es ist gute Tradition, über peinliche Fantasy-Cover zu schimpfen, aber das Ganze lässt sich noch steigern: In manchen Fällen sind Cover und Gesamtaufmachung nicht nur hässlich, sondern auch noch vollkommen irreführend und um Welten vom Inhalt entfernt, so dass man eigentlich nur danebengreifen kann und ganz bestimmt nicht das Buch zwischen den suggestiv gestalteten Deckeln findet, mit dem man gerechnet hat. Oder man lässt etwas links liegen, ohne zu ahnen, was einem entgeht.

1. Die Fahrt der Shadowmoon
Die Fahrt der Shadowmoon von Sean McMullenSean McMullens skurrile Moonworlds-Saga ist in der deutschen Ausgabe einer sehr gewollten und wenig gekonnten Me-Too-Strategie zum Opfer gefallen: Cover, Titelgebung und sogar Klappentext legen nahe, dass jeden Augenblick Captain Jack Sparrow einen Urheberrechtsverstoß anmahnen könnte. Dummerweise gibt es im ganzen Roman keinen einzigen richtigen Piraten, sondern lediglich ein Boot voller Geheimagenten. Und der einzige Untote der Welt Verral ist ein Jahrhunderte alter Vampir, der an seinem Teenagerkörper verzweifelt und sich nur da vollsaugt, wo es Karmapunkte zu verdienen gibt. Von Schätzen, Seeschlachten und Flüchen weit und breit keine Spur – aber wer High-Magic-Settings mit viel Humor mag, sollte reinschauen und nicht auf schwarze Flaggen warten.

2. Necromancer
Ein nicht übersetzter Einworttitel und ein Cover, das entweder Horror- oder SF-Assoziationen weckt, hat Martha Wells’ charmanter Gaslichtfantasy sicher auch keine Leser und Leserinnen beschert, die mit einer Gentleman-Ganoven-Geschichte mit Rachemotiv rechnen. Falsche Okkultisten, opiumsüchtige Zauberer und Katz-und-Maus-Spielchen mit der Polizei, grusliger wird es meistens nicht, und technisch gesehen ist der allerletzte Schrei die neu eröffnete Eisenbahnstrecke aufs Land. Die einzige Entschuldigung für diesen Fehlgriff mag vielleicht sein, dass Necromancer schon ein Weilchen vor dem Steampunk-Kult veröffentlicht wurde, der recht anschaulich gezeigt hat, was man in diesen Zusammenhang Schönes mit Buchcovern machen kann …

3. Gormenghast
Zu Schloss Gormenghast, dem Sitz des Adelsgeschlechts Groan, will einem allerhand einfallen: düster, gotisch, verkrustet, einschüchternd, öde, bombastisch, fröhlich pastellfarben, regenbogenbunt … Moment! Was immer mit den Gestaltern der deutschen Ausgabe durchgegangen ist, vom Geist von Gormenghast waren sie nicht durchdrungen. Möglicherweise wurde versucht, eine naheliegende Brücke (Adel, ausladende Anwesen, einsame Gegenden) zu Rosamunde Pilcher zu schlagen? Zum Glück gibt es seit ein paar Jahren eine Neuausgabe, die zwar ebenfalls durch allzu satte Farbenvielfalt besticht, aber zumindest nicht mehr ganz so zuckrig wirkt.
Gormenghast-Tilogie, alte Cover

4. Elegie an die Nacht
Herr der Dunkelheit von Jacqueline CareyJacqueline Carey hat für die zwei Bände von The Sundering, wie das Ganze im Original heißt, durchaus eine Kehrtwendung hingelegt und sich von der romantisch-erotischen Ecke ins epische Abenteuer begeben und ein bisschen Tolkien gechannelt, dabei allerdings den Blickwinkel vertauscht. Das hat aber niemanden so recht interessiert, wie der zart-duftige Reihentitel und die mehr oder weniger romantischen Cover nahelegen, die ganz bestimmt weder einen orkartigen Fjell noch einen der Herolde der Dunkelheit zeigen, aus deren Sicht die Geschichte meist erzählt wird. Ein gefallener Gott, eine Prophezeiung und eine Allianz des Guten, der man eigentlich nicht so recht den Sieg wünscht, stehen im Zentrum der auch stilistisch anspruchsvollen Geschichte. Ganz großes Erzählgarn für Fans der epischen Fantasy!

5. Das Haus der Ketten
Auch nach mehrmaligem Lesen ist mir noch nicht klar,Das Haus der Ketten Steven Erikson warum sich fünf der sieben Zwerge auf diesem Eriksoncover tummeln, ob Miraculix seine Brüder aus Ziergründen eingeladen hat oder warum der Weihnachtsmann so bläulich daherkommt (ist es die Kälte?). Statt epischer, bildgewaltiger Fantasy gibt es also Mistelernt-Romantik auf dem Cover, und das verstehe, wer will. Mit Erikson hat das nicht viel zu tun, und die herausragende Qualität der Reihe verschwindet hinter Bärten und Kapuzen.
Einziger Pluspunkt, der mir einfällt: immerhin spricht das Cover durch seine blau-rosa Gestaltung sowohl Leser als auch Leserinnen an. Und natürlich Druiden. Sehr fortschrittlich!

Demnächst an dieser Stelle übrigens der Beweis, dass es auch ganz anders geht – wenn wir euch fünf Bücher präsentieren, die in der deutschen Aufmachung gewonnen haben.

6 Kommentare zu Fünf Bücher … die durch die deutsche Aufmachung versenkt wurden

  1. Elric sagt:

    Huiuiui, und drei davon haben wir tatsächlich auch noch zu Hause stehen!!!
    Beim McMullen dachte ich wirklich immer an Jack Sparrow, vielleicht sollte ich das Buch doch mal zur Hand nehmen?
    Und beim Erikson ist meine Assoziation eher: wo gibt’s denn da Zwerge? Gimli, Oin und Gloin spielen doch da gar nicht mit! 😉
    Aber bezüglich schlechter Cover gibt es ja so unendlich viele Beispiele, dass es sicher schwierig war sich auf 5 zu beschränken! 😀

  2. Pogopuschel sagt:

    “Die Fahrt der Shadowmoon” hatte ich mir damals (nachdem ich erst versehentlich Band 2 des gesplitteten Romans gekauft habe) genau wegen dieser Aufmachung gekauft, weil ich Piratenfantasy erwartet habe. Obwohl die Ideen interessant und gar nicht so schlecht geschrieben waren, habe ich Band 2 nie angefangen, weil es eben keine Piraten gab.

    “Necromancer” habe ich mir gekauft, weil ich wusste, dass die Aufmachung in Richtung “Tristopolis” eben nicht zum Inhalt passt. Schade, dass nach Teil 1 Schluss war.

    “Ghormengast” steht in der schickeren grünen und roten Hardcoverausgabe im Regal.

    Was Erikson angeht. Wer bis Teil 7 durchgehalten hat, der wird sich auch von diesem visuellen Verbrechen nicht mehr abhalten lassen, weiterzulesen. Das deutsche Titelbild von Teil 1 “Die Gärten des Mondes” fand ich noch sehr passend und ansprechend.

    Mir stellt sich aber häufig die Frage, wie man in den Verlagen, nachdem man eventuell teure Rechte eingekauft und auch relativ viel Kosten für eine Übersetzerinn hat, dann auf solche Ideen bzgl. der Aufmachung kommt. Da wird Geld teilweise mit Ansage in den Sand gesetzt.

  3. gero sagt:

    @ Pogo:

    Wie man auf solche Ideen kommt, weiß ich auch nicht, denn auch wenn ich manchmal die Umsetzung der Ursprungsidee recht nah miterleben konnte, ist mir meistens ein Rätsel geblieben, wo und wie man besagte Ursprungsidee ausgebrütet hat. Nur wer sie ausgebrütet hat, das weiß ich manchmal … 😉

    Generell halte ich die Idee, sich mit der Covergestaltung eines inhaltlich dafür nicht geeigneten Buchs an einen gerade angesagten Trend anzuhängen – wie im Fall von McMullens Shadowmoon-Zyklus – für reichlich kurzsichtig und von daher auch für nicht sonderlich klug. Den Käufern ist’s letztlich egal, ob es eine Lektorats- oder Vertriebsentscheidung war; die glauben, einen Piratenroman zu kaufen und kriegen was ganz anderes, und die meisten von ihnen dürften darüber nicht sonderlich erfreut gewesen sein.

    Bei der Carey steht vermutlich die Idee dahinter, die Kushiel-Käuferinnen mit einer Aufmachung zu ködern, die einen ähnlichen Inhalt (oder zumindest etwas tendenziell Ähnliches) erwarten lässt. Vermutlich waren die Zahlen der Lyx-Ausgabe, die ja ohne nackte Frau und Ketten und sowas auskommt (was nicht heißen soll, dass die entsprechenden Lyx-Cover wirklich gut sind), nicht so doll, von daher wollte man wohl was anderes versuchen – und da bietet sich, wenn man in Marketing-Kategorien denkt, der optische Brückenschlag zu Kushiel natürlich an. Hat aber afaik trotzdem nicht funktioniert.

    Bei der ersten Gormenghast-Ausgabe ist interessant, dass die lange vor dem ersten Rosamunde-Pilcher-Roman auf Deutsch erschienen ist, insofern würde ich die Rosamunde an dieser Stelle von allen Vorwürfen freisprechen. Nein, da sollte man mMn der bitteren Wahrheit ins Auge sehen, dass Klett-Cotta sich in den 80er und frühen 90er Jahren in Sachen Hobbit Presse (oder Fantasy, denn das lief ja nicht die ganze Zeit unter diesem Label) bezüglich der Titelauswahl und der Covergestaltung längst nicht immer mit Ruhm bekleckert hat. (So schlimm wie bei Gormenghast ist es zum Glück aber sonst nie gewesen.)

    Zum Cover von “Das Haus der Ketten” sage ich jetzt lieber nichts. Das, was ich gesagt habe, als ich das Buch das erste Mal in der Vorschau gesehen habe, war nicht druckreif – und ist es auch heute nicht. (Aber gerade weil man sich bei der Tradepaperback-Ausgabe vom “Spiel der Götter” mehrfach unschöne Ausrutscher geleistet hat, finde ich es schade, dass die Neuauflage (im Tradepaperback) mit den Swanland-Titelbildern nur Stückwerk geblieben ist. Das war eigentlich anders geplant.)

  4. Elric sagt:

    Schlimm finde ich an dem ganzen ja auch, dass in den meisten Fällen die Originale doch deutlich besser sind – gerade bei Carey und SE weiß ich das sicher, weil die Bücher zu Hause stehen!
    Aber das ist jetzt wieder die müßige Diskussion um gute und schlechte Cover und wer was aus welchem Grund (sofern es einen gibt) macht.

    Ich freu mich jetzt erst mal auf die Gegenbeispiele! 😀
    Und da würden mir dann doch einige Bücher einfallen… 🙂

  5. molosovsky sagt:

    Zumindest die alte »Gormenghast«-Ausgabe ist geprägt vom Design einer Zeit*, in der Klett Cotta/Hobbit-Presse sich abhob und ›irgendwie künstlerisch‹ war. Das ist manchmal gelungen — wie bei LOTR oder »Die Borribels« — oder eben eher schief gegangen, wie bei Mervyn Peake. —— *Wer würde sich heute noch trauen, Bücher in Courier zu setzen!

    Auch die neue »Gormenghost«-Ausgabe ist von außen schräcklich anzusehen. Ich zitiere: »So sehr man sich über die durchgesehene und schön gesetzte Neuausgabe freuen darf, bleibt die Umschlaggestaltung ein Grund, sich ratlos am Kopf zu kratzen. Die knalligen rot-, grün-, violett- und orangefarbigen Schutzumschläge verfehlen nicht nur die Stimmung der Bücher, sie erschweren die Lesbarkeit der Titel-Schriftzüge. Ornamentales Geschnörkel erinnert unangenehm an ›Arschgeweih‹-Ästhetik und die nicht zum Inhalt passenden Motive wurden von einer Person zusammengestellt, die offenbar nur flüchtig in den Romanen geblättert hat.« — Quelle: http://otherland-berlin.de/lesetipp-dm-leser/items/mervyn-peake-spangormenghastspan.html

  6. Raskolnik sagt:

    DIE Ausgabe von “Gormenghast” habe ich auch bei mir rumstehen.

    Noch sehr viel schockierender als die ausgemacht hässliche Aufmachung fand ich allerdings den unverschämt hohen Preis, den ich den 90ern für die Trilogie hinblättern musste.

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