The Sundering

Tolkiens Herr der Ringe hat manch einem Fantasyroman als Vorbild gedient, doch in kaum einem dieser zahlreichen Werke verbinden sich konsequente Orientierung an der Handlung des Vorbilds und kritische Auseinandersetzung mit Banewreaker von Jaqueline Careydessen Themen so perfekt wie in unserem Buch des Monats Juni, Jacqueline Careys Zweiteiler The Sundering (bestehend aus den Bänden Banewreaker, ISBN 0-765-30521-6, auf Deutsch als Der Herr der Dunkelheit erschienen, und Godslayer, ISBN 0-765-31239-5, in deutscher Übersetzung Der Fluch der Götter).

Eine Prophezeiung besagt, dass der dunkle Herrscher Satoris – ein gefallener Gott, der mit seinen Armeen aus orkartigen Fjelltrollen in seiner düsteren Festung lauert – besiegt werden kann, wenn die Völker der Menschen und Ellyl sich durch eine Heirat verbinden. Als der Menschenfürst Aracus sich anschickt, die Ellyl Cerelinde zu heiraten, lässt Satoris die Braut durch seine Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin entführen, um dem Untergang zu entgehen. Aracus schart ein Häuflein treuer Gefährten um sich und zieht aus, um dem Bösen den Kampf anzusagen …

Ein Stoff, aus dem sich ein Fantasyplot, wie er gewöhnlicher kaum sein könnte, stricken ließe – wenn er nicht größtenteils aus der Sicht der glänzend geschilderten “Bösen” erzählt würde, die, wie man bald erkennt, gar nicht unbedingt die verabscheuungswürdigen Schurken sind, als die sie von der Gegenseite gezeichnet werden. Sogar Satoris selbst, der unter anderem für Sinnlichkeit und rauschhafte Fleischeslust zuständige Gott, erfüllt durchaus einen wichtigen Zweck in der Welt. Gleichwohl gelingt es Carey, auch die “Guten”, die dem Vergeistigung und Ordnung verkörpernden Schöpfergott Haomane folgen, nicht zu dämonisieren, sondern die Daseinsberechtigung ihres Standpunkts deutlich zu machen.

In hohem Maße ist das, was hier in oft poetischer Sprache in einer stimmungsvollen Welt gestaltet wird, also der altbekannte Konflikt zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen. Vor allem aber schärft The Sundering das Bewusstsein dafür, dass das oberflächlich Schöne und Gute oft mit der Verdrängung und Ausgrenzung nicht nur bestimmter natürlicher Regungen, sondern auch der Außenseiter, Sonderlinge oder sonst in irgendeiner Form Unerwünschten erkauft wird. Wer sich selbst schon einmal als abgelehnt und nicht dazugehörig empfunden hat, wird sich in einigen Schilderungen wiederfinden, doch auch allen anderen Lesern sei diese trotz aller ernsten Untertöne sehr unterhaltsame Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Deutungsmuster klassischer Fantasy ans Herz gelegt.

Neugierig geworden? Rezensionen zu Band 1 und Band 2 sind in der Bibliotheka Phantastika zu finden!

4 Kommentare zu The Sundering

  1. Elric sagt:

    Oh, prima! Das ist wirklich eine sehr gute “Reihe”! Die hatte ich auch auf Empfehlung besorgt und ausgiebig genossen.

    Allerdings: Ich würde die Brücke nicht zum “Herrn der Ringe” schlagen, sondern eher am Silmarillion festmachen – gerade weil es Götter sind, die dort auftreten. Trotzdem ein wunderbares Leseerlebnis, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.
    Besonders das Ende ist so, wie es sein muss!

  2. Wulfila sagt:

    Ja, die Verbindung zum “Silmarillion” ist thematisch durchaus da, aber die Handlung ist m.E. bewusst sehr eng an den “Herrn der Ringe” angelehnt (komplett mit Saruman-Ersatz, Eindringen der beiden Pseudo-Hobbits ins Reich des “Bösen” etc.).

  3. Elric sagt:

    Da hast du wohl recht, Wulfila.
    Wobei ja auch in Morgoth Hallen ein “Einbruch” stattfindet – allerdings ja um ihm etwas zu stehlen. Für mich hat halt das Ende den Ausschlag gegeben – Sauron muss ja irgendwo herkommen! 😉
    Und auch die Entführung von Luthien und Berens Rettungsversuch…
    Jedenfalls ne gute Mischung aus beidem – und man merkt, dass sich Frau Carey sehr viele Gedanken darum gemacht hat.

  4. 'Pingback: Zum 50. Geburtstag von Jacqueline Carey in der Bibliotheka Phantastika

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