Zum 110. Geburtstag von H. Warner Munn

Bibliotheka Phantastika erinnert an H. Warner Munn, dessen Geburtstag sich heute zum 110. mal jährt. Wie viele Phantastik-Autoren seiner Generation fand auch der am 05. November 1903 in Athol, Massachusetts, geborene Harold Warner Munn in Weird Tales eine schriftstellerische Heimat. Seine erste veröffentlichte Story “The Werewolf of Ponkert” (WT, Juli 1925) verdankt ihre Entstehung interessanterweise einer Anmerkung H.P. Lovecrafts auf der Leserbriefseite des legendären Magazins. Noch bevor die Geschichte veröffentlicht wurde – nebenbei bemerkt in der gleichen Ausgabe, in der auch Robert E. Howard mit “Spear and Fang” seinen ersten Auftritt in Weird Tales hatte –, lernte Munn Lovecraft persönlich kennen und zählte bald darauf zu dessen innerem Freundeskreis. Erstaunlicherweise hat Munn kaum Geschichten geschrieben, die vom Cthulhu-Mythos beeinflusst waren, sondern neben völlig alleinstehenden Horrorgeschichten seine Werwolf-Story zunächst mit “The Return of the Master” (WT, Juli 1927) und dann mit dem dreiteiligen Serial “The Werewolf’s DaThe Werewolf of Ponkert von H. Warner Munnughter” (WT, Okt.-Dez. 1928) fortgesetzt. Anfang der 30er Jahre folgten noch ein paar weitere Geschichten, doch da Munn immer nur nebenberuflich Autor war, blieb sein Ausstoß gering. Erst sehr viel später sollte er sich wieder diesem Thema zuwenden und es mit neuen und überarbeiteten alten Geschichten zu einer Generationen umspannenden Werwolf-Saga ausbauen. Letztere sind nur als Sammlerausgabe (und daher in einer kleinen Auflage) in den USA unter dem Titel Tales of the Werewolf Clan, Volume I: In the Tomb of the Bishop (1979) bzw. Tales of the Werewolf Clan, Volume II: The Master Goes Home (1980) erschienen, während von den ursprünglichen Geschichten nur die erste und die dritte als The Werewolf of Ponkert (1958, NA 1976) eine Buchausgabe erlebten.
Wesentlich bekannter als seine – von einer Ausnahme abgesehen nie ins Deutsche übersetzten und auch in den USA vermutlich nur noch einer kleinen Schicht von Pulp-Afficionados geläufigen – Werwolf-Geschichten dürfte allerdings das Werk (und dessen Fortsetzungen) sein, mit dem H. Warner sich nicht nur von Weird Tales, sondern für viele Jahre auch vom Schreiben selbst verabschiedete: das vierteilige, von September bis Dezember 1939 in Weird Tales veröffentlichte Serial “King of the World’s Edge”.
Der Roman, der erst Mitte der 60er Jahre im Zuge des neu erwachten Interesses an altem Pulp-Material als Buch auf den Markt kam, schildert nach einer an E.R. Burroughs erinnernden Einleitung die Abenteuer des römischen Centurio Ventidius Varro auf einem fremden, weit im Westen gelegenen Kontinent. Varro war zu Zeiten von Artus’ Aufstieg in Britannien stationiert und hat sich mit seinen Männern auf dessen Seite geschlagen und mit ihm gegen die Sachsen gekämpft, nachdem die Verbindung zu Rom und dem Imperium abgerissen war. Nach Artus’ Niederlage bei Camlod begibt er sich zusammen mit dem Magier Myrddhin und den ihm verbliebenen Legionären auf ein Schiff, um irgendwo eine Zuflucht zu suchen und dort die Rückeroberung Britanniens zu planen. Als sie allerdings endlich Land finden, geraten sie mehr oder weniger unverzüglich in den dort herrschenden Konflikt zwischen indianischen Stammeskriegern und den grausamen, proto-aztekischen, von einem ganz Amerika umfassenden Großreich träumenden Mia – und natürlich schlagen sie sich auf die Seite der hoffnungslos unterlegenen zerstrittenen Stämme und greifen auf deren Seite in den Kampf ein.
King of the World’s Edge (1966; dt. Ein König am Rande der Welt (1980)) ist ein süffig erzähltes abenteuerliches Garn, das einerseits Elemente der Lost-Race-Romane verwendet, andererseits die Ankunft der Römer und Myrddhins (aka Merlins) in Amerika in amerikanische Sagen und Legenden verwebt und als phantastischer Abenteuerroman auch heute noch funktioniert – und auf das bereits ein Jahr später mit The Ship from Atlantis (dt. Das Schiff von Atlantis (1980)) eine Fortsetzung folgte, da Munn sich Mitte der 60er wieder dem Schreiben zuwandte. Im Mittelpunkt dieses Bandes steht Gwalchmai, der Sohn Varros, der von seinem Vater ausgeschickt wird, um dem römischen Imperator von dem Land bzw. der neuen römischen Kolonie im Westen zu berichten, und der nicht nur Merlins Ring sondern auch eine ganze Reihe magischer Hilfsmittel bei sich hat. Doch nach einem Angriff seltsamer Amphibienwesen, dem alle seine Kameraden zum Opfer fallen, “strandet” Gwalchmai in der Sargasso-See, wo er auf ein geheimnisvolles goldenes schwanenförmiges Schiff mit einem noch geheimnisvolleren Passagier stößt. Dieser Passagier ist Corenice, die letzte Überlebende des Untergangs von Atlantis – eine Frau mit einem Körper aus lebendem Metall. Natürlich verlieben sich die beiden ineinander, und genauso natürlich werden sie alsbald durch besondere Umstände voneinander getrennt.
Nur, um sich in Merlin’s Ring (1974; dt. Merlins Ring (1981)) wiederzubegegnen.Merlin's Ring von H. Warner Munn Und das mehrfach, denn Gwalchmai, der eher versehentlich quasi unsterblich geworden ist, trifft in einer rund ein Jahrtausend währenden und ihn von Europa bis in den fernen Osten nach China und Japan und zurück führenden Odyssee wieder und wieder auf Inkarnationen Corenices, während er an bekannten und weniger bekannten geschichtlichen Ereignissen teilnimmt und die Wege etlicher wirklicher und mythologischer Personen kreuzt. Merlin’s Ring mit seiner Mischung aus Sword & Sorcery und epischen Fantasyelementen und der überzeugend gelungenen Verknüpfung des Artus- und des Atlantis-Mythos mit verbürgter Geschichte erweist sich nicht nur vom Umfang her als den beiden Vorgängerbänden weit überlegen und gilt völlig zu recht als Munns magnum opus.
Nachdem King of the World’s Edge und The Ship from Atlantis als Sammelband unter dem Titel Merlin’s Godson (1976) neu aufgelegt worden waren – eine Bezeichnung, die auch für den gesamten “Zyklus” benutzt wird –, sollte Munn auf Wunsch des Verlags noch einen weiteren (in dieser Veröffentlichungslogik dann dritten) Roman schreiben. Zwar hat er die Arbeit an The Sword of Merlin noch begonnen, aber wie viel er wirklich vor seinem Tod am 10. Januar 1981 schon geschrieben hatte, scheint niemand zu wissen. Und so werden wir uns wohl oder übel mit dem begnügen müssen, was wir haben.
Über die bisher genannten Werke hinaus hat H. Warner Munn mit The Lost Legion (1980) einen historischen Roman geschrieben, der zu Zeiten Caligulas spielt und das Schicksal einer im Osten verlorengegangenen römischen Legion zum Inhalt hat, und mit The Banner of Joan (1975) ein Versepos über Jeanne d’Arc verfasst (die ihn ziemlich fasziniert hat, wie man auch in Merlin’s Ring feststellen kann). The Book of Munn (1979) schließlich ist ein Band mit Gedichten.

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