Zum 75. Geburtstag von Larry Niven

Bibliotheka Phantastika gratuliert Larry Niven, der heute 75 Jahre alt wird. Es mag manche Leser und Leserinnen vielleicht überraschen, diesen Namen – unter dem der am 30. April 1938 in Los Angeles geborene Laurence van Cott Niven seine schriftstellerischen Arbeiten veröffentlicht – hier in diesem Zusammenhang zu lesen, steht er doch für einen Hard-SF-Autor par excellence, der mit seinen Tales of Known Space das Subgenre der future history vor allem in den 60er und frühen 70er Jahren um etliche lesenswerte Kurzgeschichten und Romane bereichert hat, doch Larry Niven hat tatsächlich auch Fantasy geschrieben – und zwar mehrfach, in sehr unterschiedlicher Auspägung.
Am interessantesten für Fantasyleser und -leserinnen ist dabei zweifellos der Ansatz, an dem sich Niven zum ersten Mal 1969 in der Story “Not Long Before the End” (in der Aprilausgabe des Magazine of Fantasy & Science Fiction) versuchte und dem er sich einige Jahre später in einem Roman ausführlicher zuwandte, unter dessen programmatischem Titel schließlich die ganze Sequenz bekannt werden sollte: The Magic Goes Away (1978; dt. Wenn der Zauber vergeht (1981)). So richtig überraschend ist es wohl nicht, dass der Hard-SF-Autor Niven sich ausgerechnet mit dem Motiv des thinning, des Verschwindens der Magie aus der Welt befasst, und noch weniger überraschend ist, wie er das Thema angeht. Denn auf Larry Nivens vorgeschichtlicher Erde wird Magie durch einen Stoff namens Mana (manchmal auch Manna) ermöglicht, und dieses Mana geht allmählich zur Neige – mit fatalen Folgen etwa hinsichtlich der Zaubersprüche, die die tektonischen Spannungen unter Atlantis im Zaum halten …
The Magic Goes Away von Larry NivenNach besagtem Roman und einer Handvoll Kurzgeschichten hat Larry Niven das Konzept zu einer Art shared world gemacht und zwei Anthologien mit Geschichten befreundeter Autoren herausgegeben – The Magic May Return (1981) und More Magic (1984) –, ohne dass dabei dem Thema etwas wesentlich Neues hinzugefügt worden wäre. Immerhin sind diese beiden Anthologien noch wesentlich lesbarer als die beiden zusammen mit seinem alten Kumpel Jerry Pournelle verfassten und unter dem Obertitel Golden Road erschienenen Romane The Burning City (2000; dt. Stadt des Feuers (2001)) und Burning Tower (2005), mit denen er nach einer langen Pause noch einmal zu diesem Setting zurückgekehrt ist.
Ebenfalls bereits 1969 hatte Hanville Svetz seinen ersten Auftritt, und zwar in der Geschichte “Get a Horse!” (in der Oktoberausgabe des Magazine of F & SF). Svetz lebt auf der Erde des 31. Jahrhunderts und ist Angestellter des Temporal Research Institute, in dessen Auftrag er diverse Zeitreisen unternimmt. Doch Zeitreisen sind für einen Hard-SF-Autor eigentlich pure Fantasy, weswegen Svetz bei seinen Reisen in die Vergangenheit – die dazu dienen, längst ausgestorbene Pflanzen und Tiere in die Zukunft zu holen – regelmäßig in Parallelwelten landet, die eindeutig der Fantasy zuzurechnen sind, was man nicht zuletzt an Fauna und Flora deutlich merkt. Nur Svetz selbst begreift nie so recht, was da eigentlich passiert.
Die größtenteils wirklich amüsanten Svetz-Geschichten wurden in dem Band The Flight of the Horse (1973; dt. Der Flug des Pferdes (1981)) gesammelt und sind auch – zusammen mit dem gleichnamigen Roman – in dem Sammelband Rainbow Mars (1999; dt. Rainbow Mars (2000)) enthalten. Allerdings erweist sich auch hier wieder, dass es nicht unbedingt eine gute Idee ist, nach vielen Jahren zu einem früher besuchten Setting zurückzukehren und dazu noch eine vielleicht für ein paar Kurzgeschichten taugliche Idee auf Romanlänge aufzublasen.
Dass Larry Niven auch vor metaphysischer Fantasy nicht zurückschreckt, hat er schließlich mit Inferno (1976; dt. Das zweite Inferno (1979) bewiesen, wiederum in Zusammenarbeit mit Jerry Pournelle. Der Roman, in dem die beiden einen amerikanischen SF-Autor auf eine us-mainstreamtaugliche Variante von Dantes Höllenreise schicken, und der der Göttlichen Komödie im Aufbau recht genau folgt – einschließlich des Jenseitsführers, bei dem es sich in diesem Fall um Benito Mussolini handelt –, funktioniert zumindest als Abenteuerroman noch ganz ordentlich, solange man sich an den immer mal wieder deutlich erkennbaren politischen Ansichten von Niven und Pournelle nicht allzu sehr stört. Zu mehr taugt er allerdings nicht. Die ebenfalls mit Jerry Pournelle geschriebene späte Fortsetzung Escape from Hell (2009) taugt allerdings noch nicht einmal dazu.
Der frühe Larry Niven hingegen ist fast immer lesbar – unabhängig davon, ob er allein oder mit einem Co-Autor schreibt und ob es sich dabei um SF oder Fantasy handelt – und zumindest The Magic Goes Away (der Roman wurde zusammen mit fast allen zur Sequenz gehörenden Kurzgeschichten Nivens noch einmal in dem Sammelband The Time of the Warlock (1984) veröffentlicht) und die Hanville-Svetz-Geschichten in The Flight of the Horse sind deutlich mehr als nur lesbar; Ersterer ist vor allem thematisch interessant, Letztere machen teilweise richtig Spaß.

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