Zum 70. Geburtstag von C.J. Cherryh

Cover von The Tree of Swords and Jewels von C.J. CherryhBibliotheka Phantastika gratuliert C.J. Cherryh, die heute 70 Jahre alt wird. Als die am 01. September 1942 in St. Louis, Missouri, geborene Caroline Janice Cherry (das “h” hat sie ihrem Namen auf Anraten ihres damaligen Verlegers Donald A. Wollheim hinzugefügt, da er der Ansicht war, Cherry würde zu sehr nach einer Liebesroman-Autorin klingen) im Jahre 1976 mit Gate of Ivrel (dt. Das Tor von Ivrel (1979)) und Brothers of Earth (dt. Brüder der Erde (1979)) ihre ersten Romane veröffentlichte, wurde ihr rasch eine große Karriere prophezeit. Gut 35 Jahre und rund doppelt so viele Romane (plus viele, viele Kurzgeschichten sowie etliche Collections und Anthologien) später kann man sagen, dass diese Prophezeiung sich bewahrheitet hat.
Der weitaus überwiegende Teil ihres Schaffens ist der SF zuzurechnen, und die meisten ihrer SF-Romane spielen vor einem gemeinsamen Hintergrund, dem Alliance-Union Universe, dem sie mit Brothers of Earth einen ersten Besuch abstattete. Auch Gate of Ivrel ist in diesem Universum angesiedelt, ohne allerdings mit den anderen Subzyklen großartig verbunden zu sein bzw. im Gesamtkonzept eine Rolle zu spielen.
Ganz im Gegenteil, der Roman liest sich – wie die ganze, mit Well of Shiuan (1978; dt. Der Quell von Shiuan (1980)) und Fires of Azeroth (1979; dt. Die Feuer von Azeroth (1982)) in kurzen Abständen fortgesetzte Sequenz um Morgaine – in weiten Teilen wie ein Fantasyroman. Denn die Geschichte der geheimnisvollen Morgaine, die durch Sternentore auf technologisch rückständige Planeten reist, um besagte Sternentore dort zu versiegeln, bedient sich ihrer Fantasyelemente so überzeugend, dass man die SF-Prämisse rasch vergisst. Was nicht zuletzt an Cherryhs Fähigkeiten liegt, ihre Figuren treffend zu charakterisieren und den Kulturen, denen Morgaine auf den verschiedenen Planeten begegnet, glaubhafte individuelle Konturen zu verleihen. Hinzu kommt das Spannungsfeld, das durch die Beziehung der beiden in jeglicher Hinsicht vollkommen unterschiedlichen Hauptfiguren Morgaine und Vanye entsteht, und das Cherryh in jedem Roman weiter ausleuchtet und auch im deutlich später entstandenen vierten Band Exile’s Gate (1988) wieder aufgreift.
Die anderen Fantasyromane von C.J. Cherryh kommen dann ganz ohne SF-Elemente aus (was vermutlich nicht zuletzt damit zu tun hat, dass sich Ende der 70er Jahre die Fantasy endgültig als Genre etabliert hatte und auch als solche vermarktet werden konnte). Bei den beiden unter dem Oberbegriff Ealdwood Stories zusammengefassten Romanen The Dreamstone und The Tree of Swords and Jewels (beide 1983; dt. Stein der Träume (1985) und Der Baum der Schwerter und Juwelen (1988)) handelt es sich um lupenreine, allerdings ungewöhnlich düstere keltische Fantasy, die zeigt, dass Cherryhs von ihren Charakteren lebende Romane auch vor einem bekannten und vertrauten – zum damaligen Zeitpunkt noch deutlich frischer als heutzutage wirkenden – Hintergrund funktionieren.
Die sog. Russian Stories hingegen – Rusalka (1989), Chernevog (1990) und Yvgenie (1991) – spielen nicht nur in einem alternativen mittelalterlichen russischen Königreich mit dem Zentrum Kiew, sondern greifen auch stark auf Motive der slawischen Mythologie zurück. Dies könnte – verbunden mit der zwiespältigen Darstellung von Magiern und Magie – mit dafür verantwortlich sein, dass die Russian Stories deutlich weniger erfolgreich als Cherryhs andere Fantasyromane waren und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Ungewöhnliche Ansätze bieten auch The Paladin (1988; dt. Der Paladin (1994)) – hier ist das Setting dem China der Tang-Dynastie nachempfunden – und The Goblin Mirror (1992; dt. Der Koboldspiegel (1996)), in dem die Interaktion zwischen Menschen- und Koboldwelt im Mittelpunkt steht. Faery in Shadow (1993) ist dann wieder – auch dieses Mal recht düstere – keltische Fantasy, in der sich die altbekannten Sidhe tummeln.
Cover von Fortress of Ice von C.J. Cherryh Mit Fortress in the Eye of Time (1995), dem Auftakt der Fortress Series, hat C.J. Cherryh sich schließlich ihr ganz persönliches High-Fantasy-Universum gegönnt (das nur auf den ersten Blick ein “typisches” ist). Im Mittelpunkt dieses erstaunlich langsam erzählten ersten Bandes steht Tristen, ein durch einen Zauberspruch geschaffener junger Mann, der einen Großteil des Romans damit verbringt, herauszufinden, wer er eigentlich ist. Was folgt und auch in den weiteren Bänden Fortress of Eagles (1998), Fortress of Owls (1999), Fortress of Dragons (2000) und Fortress of Ice (2006) die Handlung größtenteils bestimmt, ist eine teilweise vielleicht zu detailverliebt geschilderte Suche nach dem Platz eines Wesens in der Welt, in der es nun einmal leben muss. Verbunden mit einer anfangs generisch wirkenden, sich Roman um Roman jedoch komplexer und undurchschauberer präsentierenden Welt ergibt das einen der interessantesten (mehrbändigen) Entwicklungsromane der Fantasy, der vor allem durch seine psychologisch und politisch glaubwürdig agierenden Figuren überzeugt.
Die Fortress Series ist recht schwergewichtiger Stoff; dass Cherryh es gelegentlich auch leichter und abenteuerlicher kann, zeigt sie nicht nur in einigen ihrer vielen SF-Romane, sondern im Bereich der Fantasy in ihren in den 80er Jahren entstandenen Beiträgen – mehreren Kurzgeschichten und drei Romanen, zwei davon in Zusammenarbeit mit Janet Morris – zu der Shared-World-Reihe Heroes in Hell. Nachdem C.J. Cherryh viele Jahre lang zu den Autoren und Autorinnen gehörte, deren Werke mit schöner Regelmäßigkeit ins Deutsche übersetzt wurden, ist damit seit Anfang des neuen Jahrtausends Schluss. Was sowohl im Hinblick auf ihre SF wie auch auf ihre Fantasy eher bedauerlich ist.

2 Kommentare zu Zum 70. Geburtstag von C.J. Cherryh

  1. Elric sagt:

    Oh ja, wenn auch zwei Tage zu spät: Happy Birthday, Frau Cherryh!
    Gerade der Morgaine-Zyklus hat mir ein tolles Leseerlebnis beschert. Genauso der teils Fantasy, teils SF Zyklus der Sterbenden Sonnen.
    Und die Fortress-Reihe steht – bis auf den letzten Band – auch schon hier und fordert gelesen zu werden!
    Die Bücher der Dame kann man nur empfehlen! Danke!

  2. 'Pingback: The Paladin in der Bibliotheka Phantastika

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