Damals war das halt so … in Westeros (Teil II)

Wenn man sich einmal entschlossen hat, “damals war das halt so” hinter sich zu lassen und nach Gründen für die sexistische Darstellung in Game of Thrones forscht, kommen vor allem zwei Gesichtspunkte zum Vorschein:
Zunächst entsprechen die Darstellung der (Frauen-)Körper, wie sich auch an ihrer modernen Idealisierung zeigt, und die Rollenverteilung einem (angenommenen) ZuschauerInnenwunsch. Dass dieses Sex-sells-Argument ein Stück weit unter die banal scheinende Oberfläche reicht, lässt sich auch aus dem Umstand schließen, dass die in den Romanen von George R.R. Martin häufigen Vergewaltigungsszenen in der Verfilmung größtenteils ausgespart wurden: Man soll beim dargestellten Sex also nicht in die gedankliche Bredouille kommen, sondern es soll eindeutig gefallen, was da gezeigt wird.
Des weiteren dienen sexistische Grundhaltung, Sprache und die häufige Darstellung von Sex und Prostitution (und darüber hinaus natürlich auch die Gewaltdarstellung) dem Konstituieren eines Labels “für Erwachsene”, was wiederum durchaus im Sinne eines Qualitätskriteriums verwendet wird, wie unter anderem Zitate zur geschnittenen Fassung, die im deutschen Fernsehen lief, zeigen* (auch wenn es natürlich höchst unterschiedliche Gründe gibt, gegen eine solche Fassung zu sein).
Die Ursachen sind also – in heutigen Zeiten eigentlich eine Binsenweisheit – bei Marketingüberlegungen und aktuellen Sehgewohnheiten zu suchen, was aber keinen Mitwirkenden daran hindert, zu behaupten, das alles wäre nur für unseren modernen Blick so bedenklich und früher völlig normal gewesen.

Die auf allen Ebenen fehlende Relevanz dieses Arguments – und nicht zuletzt die Tatsache, dass es auch anders funktioniert, wie wir im Vorläufer dieses Beitrags anhand von Hunger Games erläutert haben, oder wie es z.B. auf dem Games-Sektor das herrlich unsexistische Skyrim schafft – führt unweigerlich zu der Frage, weshalb sich MacherInnen und KonsumentInnen (die etwas zum Erfolg führen können oder auch nicht) für den Sexismus entscheiden. Lautet die Antwort auf ZuschauerInnenseite (wie etwa auch bei der Diskussion in unserem Forum häufig gehört), “weil es trotzdem gut ist”, dann sollte die Unmutsbekundung eigentlich heilige KonsumentInnenpflicht sein. Denn dann ist der oben postulierte ZuschauerInnenwunsch tatsächlich nur angenommen, und wir wollen eigentlich schon längst eine andere Geschichte hören als die westlich-patriarchal-heteronormative, die uns mehrheitlich immer noch und immer wieder erzählt wird.
Dazu wäre es allerdings nötig, die Verwendung von Sexismus und traditionellen Geschlechterrollen als konstitutives Element der Erzählung und Teil eines größeren Narrativs (an-)zu erkennen – als etwas, das man genauso wie den Spannungsbogen oder die Dynamik einer Geschichte aus dem konkreten Kontext herauslösen und kritisieren kann, und es nicht als Teil eines kaum hinterfragten Default-Blickwinkels als normal, Geschmackssache oder in seiner universellen Gültigkeit für Erzählkontexte nicht kritisierbar anzusehen.

Genauso sehr sollten wir unsere Definition von “erwachsener Fantasy” einer Prüfung unterziehen. Es grenzt ans Lächerliche, dass Game of Thrones sein Erwachsenengütesiegel aus Sexismus und Gewaltszenen bezieht, während die womöglich wirklich “erwachsenen” Inhalte der Serie, etwa ihre hohe Komplexität, in eben jenen schwülen Sexszenen versteckt werden müssen, um vom anspruchsvollen Publikum überhaupt goutiert werden zu können.

Kann man also die nächste Game-of-Thrones-DVD gar nicht oder nur mit einem schlechten Gewissen in den Player schieben? Das sicher nicht: Das phantastische Genre bietet theoretisch eine riesige Bandbreite an Settings – zwischen Game of Thrones und Hunger Games und auch jenseits der beiden ist jede Menge Platz, und an jedem dieser Orte können gute, erlebenswerte Geschichten stattfinden. Unter der Übermacht sexistischer Settings, die gerade in unserem Genre auffallend ist, lohnt sich aber die Frage, warum uns etwas gefällt, was damit kolportiert wird und welchen Normen sich eine Erzählung beugt – und nicht zuletzt, wo bei der Begründung dieser Normen Nebelkerzen geworfen werden. Und wir sollten überlegen, ob wir unsere Wahrnehmung von erwachsenen Stoffen wirklich an die letztlich nichtssagenden Kriterien des Jugendschutzes koppeln wollen, oder ob wir uns nicht um eine substantiellere Definition bemühen sollten.

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  • *”Wenn Ihr mich fragt, sind das alles so kleine Szenen, die einen riesengroßen Teil an Flair und Charme der Serie ausmachen. Irgendwie, wenn man sich die deutsche geschnittene Version anschaut, wirkt Game of Thrones “kindlicher” als “hemmungslos brutal” und erwachsen. Was die Serie zweifelsohne ist, oder zumindest laut Roman Autor George R.R. Martin sein soll, “Game of Thrones ist Fantasy für Erwachsene”.” [aus einem Schnittbericht auf serien-load.de]

33 Kommentare zu Damals war das halt so … in Westeros (Teil II)

  1. Pogopuschel sagt:

    Ich möchte der ganzen Argumentation gar nicht widersprechen. Es sollte nur erwähnt werden, dass auch Sex zwischen Männern in der Serie dargestellt wird. Zumindest in dieser Hinsicht, hebt sie sich von den üblichen Serien, die vor allem und ausschließlich mit altmodischen Rollenklischees arbeiten ab. Ob das jetzt etwas Positives ist bzw. auf positive Art inszeniert wird, sei mal dahingestellt.

    Das »das war damals eben so« Argument funktioniert eigentlich nie wirklich. Filme und Serien, die in einer anderen Zeit, einer anderen Kultur bzw. auf einem anderen Stand im Prozess der Zivilisation spielen, sagen nur bedingt etwas über die dargestellte Zeit aus, dafür aber umso mehr über die Zeit und die Kultur, in der sie entstanden sind.

    »Game of Thrones« steht als für eine wachsende liberale Kultur, in der explizite Gewalt- und Sexdarstellungen auch im Fernsehen möglich sind, und auch in anspruchsvollen und komplexen Geschichten stattfinden.

  2. Elric sagt:

    Deine Aussage im zweiten Absatz, Pogo, finde ich prima! Das ist eigentlich das wichtigste daran!
    Allerdings stellt sich mir dann die Frage: sind wir alle so geil drauf explizite Sex und Gewalt im Fernsehen haben zu müssen? Ist es tatsächlich so, dass der Zuschauer eine solche “Liberalisierung” braucht? Da rollen sich bei mir doch extrem die Zehennägel hoch!

    Lass mich fair sein: ich schau gerne Action- und Horrorfilme, da darf dann auch gerne mal etwas mehr Blut spritzen. Selbst Kriegsfilme (beispielsweise der Anfang von “Soldat James Ryan”) gefallen mir häufig. Aber ganz ehrlich: wenn sich ein Film als erwachsen oder modern oder fortgeschritten definiert, in dem er Sex und Gewalt darstellen muss, dann hat das nix mehr mit Liberalisierung zu tun, sondern mit Effekthascherei und primitiver Triebbefriedigung!
    Und da muss man ehrlich sein: GRRM bietet so viele schöne Bilder und tiefgehende Szenen in seinen Büchern, dass ich mich nicht auf das Plaktive beschränken muss/sollte.
    Ich bin ehrlich: ich habe die Serie noch nicht gesehen, plane aber das zu ändern. Allerdings muss ich bei diesem “Sternchen-Kommentar-Ausschnitt” mir schon an den Kopf fassen.
    Nein, mit Liberalisierung hat das nichts zu tun, das ist für mich einfach nur plumpes Quotensteigern durch fadenscheinige Attribute wie “erwachsen”!

    Und jetzt werd ich mich wohl raushalten, bis ich die Serie selbst gesehen habe. (der bisher einzige Ausschnitt beim Reinzappen war Dany, die von ihrem Bruder verprügelt wird…)

  3. darkul sagt:

    Den Artikel kann ich zwar durchaus nachvollziehen, aber das Thema Sexismus scheint mir hier zu forciert, zu sehr in den Fokus gebracht, um damit die Buchreihe damit äußerst weit vom unangefochtenen Meisterwerk-Sockel zu stoßen.

    Es ist zumindest in punkto TV-Serie richtig, dass zu oft einfach draufgehalten wird. Es wird sogar eine Figur eingeführt, Ròs, die später ein Bordell leitet und in vielen Szenen eine Hauptrolle spielt.
    Die meisten Sex-/Nacktszenen hätte man durchaus stimmungsvoll ersetzen können durch intelligent geführte Gespräche in anderen Umgebungen wie in einer Stellung mit einer oder mehreren Hure, die sich gegenseitig befriedigen oder es spielen sollen. Wobei die Szene auf den zweiten Blick sogar funktioniert, wenn man nicht nur den Akt an sich betrachtet, sondern zuhört, was Littlefinger eigentlich sagen will und die Macht der Frau über den vermeintlich starken Mann und somit die Macht Littlefingers über mächtigere Persönlichkeiten erkennt.
    Ein Regisseur hat sogar zugegeben, dass ein Produzent von ihm wollte, voll draufzuhalten – “full frontal” sozusagen.
    Ja, mir war das zunächst unangenehm, wie auch im Buch und doch hat man sich schnell an diese Szenen gewöhnt. Sie gehören (leider) zur TV-Serie und zum Buch, wobei man auch da viel genauer hinschauen muss. Viele der Sexszenen haben wie gesagt einen Hintergrund, den mancher nicht erfassen kann, ohne den Kopf einzuschalten. So sind allein die pentrierten Körperteile oft wichtig, wenn man sie im Gesamtzusammenhang einer Episode mit dem Auf und Ab der Storyführung oder eines Charakters vergleicht. Am Besten zu erkennen, als Théon seine Schwester Asha (ihr Serienname würde aufgrund der Ähnlichkeit mit der Wildlingsfrau Osha geändert) auf einem Pferd anmachen möchte. Sie hat die Zügel in der Hand, er ist nur der kleine Bruder, der versucht versteckt an ihrer Macht zu streicheln, etwas davon abzuhaben. Wenn man also genauer hinschaut, könnte man überall einen Zusammenhang erkennen. Und doch wären manche – sagen wir die Hälfte – der Szenen durch weniger aufdringliche Aufnahmen oder Kulissenspaziergänge oder sogar kleine aktionsreichere Sequenzen qualitativ besser geworden. Die Action fehlt definitiv an manchen Stellen in der Serie.

    Trotzdem ist das alles nichts im Vergleich zu den Büchern.
    Beim Lesen musste ich damals denken, dass die Welt Martins verdammt hart ist, Sex wie Alkohol eine Art Droge zu sein scheint – DIE Ablenkung von der noch härteren Welt draußen, egal ob in Richtung Vergewaltigung oder Akt oder gar Sex mit gerade mal “Erblühten”. Sensibel wird es selten. Liebesheiraten gibt es eigentlich nicht, und wenn doch, dann ist das selten positiv und mit Unglück verbunden. Liebe ist meist Schwäche, Sex ist Macht. Martin beschreibt diese Szenen aber im Vergleich zum Rest seines Buches relativ stümperhaft. Es waren die Seiten, die man einfach nicht wirklich gerne gelesen hat, weil sie unsensibel und abgehackt wirken.

    “Das war halt damals so” ist nur ein Teil der Verteidigung. Ich persönlich habe es satt, starke Mädchen und Frauen und kleine Jungs in Geschichten zu sehen, die so toll werden, dass sie die Welt retten und auch noch ihre Liebe finden. Unter starken Männern und einer patriarchischen Welt kann eine Frau fast nur auf die Weisen aufsteigen oder überleben, wie Martin das zeigt. Eine Kellnerin wird sich auch in dieser Welt mehr oder weniger bereitwillig ein paar Münzen dazuverdienen wollen und lebt nicht unrealistisch in einer Traumwelt, in der ein Traumprinz sie erlöst. Das ist für mich nicht problematisch oder zu sehr aus Männersicht gesehen.
    Interessanterweise ist aber auch für mich die Ausnhame Arja äußerst interessant, eben weil sie anders ist und ihren eigenen Kopf hat. Sie sticht auch aus dem Schema “kleines Mädchen rettet die Welt” heraus, was sie noch sympathischer macht. Wir haben übrigens außer Brienne und Arja auch noch Asha (die gar Männer militärisch befehligt und im Kampf begleitet), Cersei – die Intrigenspinnerin, Catelyn – zwar oft weinerlich aber dennoch ein starkes Familienersatzoberhaupt, Margary Tyrell, die schlicht DIE Königin werden will, nicht nur eine von vielen. Auch Dany wirkt stark und stärker. Wird als Anführerin immer ruchloser. Ist dem geneigten Leser nicht immer sympathisch und dennoch eine Sympathieträgerin, die vermutlich noch viele Überraschungen bereithalten wird in Buch 6 und 7.
    Die beschriebene Szene mit Dany und Khal Drogo, als er sie das erste Mal nimmt, als sein Recht im Sinne der in seiner Gesellschaft vorhandenen Art die Ehe zu vollziehen, ist übrigens wohl die bestbeschriebenste Sexszene sogar mit einer gehörigen Prise Sensibilität. Der Leser hat Angst um Dany, fügt sich aber der Beschreibung Martins, Drogos Zärtlichkeit und Härte gleichzeitig und man akzeptiert wie Dany, was da passiert. Ich fand dies die beste Liebesszene im Buch. Die Glöckchen im Haar fehlen Drogo halt in der Serie, um vielleicht eher den Dothraki-Style zu zeigen.
    Für einen Thyrion, der das erste Mal Sex aus Liebe hatte, aber ihm das nur “erkauft” wurde, kann der Akt des Sexes aufgrund des Traumas der Vergangenheit Sex mit Liebe nicht verbinden und vögelt sich in seiner freien Zeit durch die Welt. Wie ein Junge der seine Hörner nicht abstoßen kann.

    Martin hat eine pseudo-realistische Welt aufgebaut, in der Sex so benutzt/gemacht wird, wie er gezeigt wird.
    Aber Martins Wert ist es eben um so mehr, die mystischen/magischen Elemente gering zu halten und geschickt einzusetzen, und selbst die wirken, als ob sie in diese Welt gehören. Diese Art zu schreiben hat Steven Erikson übrigens perfekt gemacht. Seine Welt ist für mich eine der wenigen, in der Magie eine vernünftige Einbindung in die Welt erhält, ohne dass sie märchenhaft und kindisch wirkt. Zumindest hat er dies meisterhaft umgesetzt. Bei Martin dagegen ist das immer ein wenig ein Schock. Ok, Gestaltwandler, Wiedergänger und Drachen ja, aber Gebären von Dämonen, schwarze Magie dazu? Manchmal scheint die Grenze überschritten. Aber wir lernen, auch das ist diese Welt. Zurückgedrängte und vom Menschen lange verdrängte fantastische Elemente sind doch noch in der Welt und haben nur darauf gewartet, einzugreifen.

    Ich halte trotzdem vom Ton des Aufsatzes hier nicht sehr viel, weil für mich Martins Bücher einfach überragend sind. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten übertreffen die meisten hochgelobten Schreiberlinge bei Weitem. Viele seiner Sätze und Abschnitte sind Kunstwerke, wo man richtig zusehen kann, wie der Autor feilt und feilt und sich am Ende genüsslich ein Bier schenkt, als er diesen einen Satz als Tageswerk vollbracht hat.

    “The Hunger Games” hier als Vergleich zu bringen, eine Idee, die selbst von “Running Man” abgekupfert ist und außerdem klar ein Jugendbuch ist, auch wenn die gesellschaftlichen Aspekte “erwachsener” sind, nicht nur in Hinsicht Sexismus, HG dann aber die Darstellung der Welt als mehr als “Coming of Age” anzurechnen, finde ich etwas fanboy/girl-patriotisch. Es geht auch ohne soviel Sex, ja … aber ich habe damit auch in einer Fantasywelt kein Problem.

  4. darkul sagt:

    @Pogopuschel:
    Ich muss dir bei deinem ersten Absatz bzgl. Homosexualität widersprechen.
    Mir kommt es so langsam in allen modernen Serien und Soaps so vor, als ob man zwanghaft versucht, Quotenhomosexualität einzubauen. Mich stört es nicht, aber es ist auffällig. Wenn man sich die modernen Serien wie Spartacus oder True Blood anschaut, dann scheint das nicht mehr fehlen zu dürfen. Was auch wiederum ein Punkt Realismus zu sein scheint.
    Auch neue Fantasybücher bedienen diese “modernere” Klischee ebenfalls – wie du siehst, ist das für mich jetzt schon ein Klischee, also normal, gewöhnlich, nichts Besonderes.

    Ich finde nicht, dass GoT damit heraussticht, eher dass Martin im Prinzip fast alles einbaut, was ein Tabu bricht, und so auch Benioff und Weiss für die Serie. Bahnbrechend ist eher, dass so gut wie strikt dem Buch gefolgt wird und der Tabubruch überhaupt, den es noch in keiner Serie so gab: Folge 9 Staffel 1, Sean Bean (Eddard Stark). Für Nichtleser ist das eine komplett neue Erfahrung im TV. Ich möchte keine Spoiler posten so ein gutes Jahr nachdem die Serie draußen ist.

  5. Wulfila sagt:

    Ich halte trotzdem vom Ton des Aufsatzes hier nicht sehr viel, weil für mich Martins Bücher einfach überragend sind. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten übertreffen die meisten hochgelobten Schreiberlinge bei Weitem.

    Ohne jetzt näher darauf eingehen zu wollen, wie Martins Bücher schriftstellerisch einzuschätzen sind oder wie man die darauf basierende Fernsehserie qualitativ bewerten will: Die Tatsache allein, dass ein Werk stilistische Qualitäten hat, bedeutet noch nicht, dass man an seinen Inhalten keine Kritik üben kann, ebenso wenig wie ein technisch minderwertiges Werk dadurch gleich daran gehindert wäre, inhaltlich interessante Aspekte zu enthalten.

    Unter starken Männern und einer patriarchischen Welt kann eine Frau fast nur auf die Weisen aufsteigen oder überleben, wie Martin das zeigt.

    Die dieser Aussage zugrundeliegende Definition von “starken Männern” ist für mich per se schon fragwürdig, aber eines muss zum Thema Weltenbau bei Martin endlich einmal gesagt werden: Martin zeichnet kein realistisches Bild einer patriarchalischen oder sonst irgendeiner Gesellschaft, sondern ein Zerrbild eines “finsteren (Spät-)Mittelalters”, das auf seine Weise letztlich nicht historisch zutreffender oder glaubwürdiger ist als der in der Fantasy durchaus auch vorkommende umgekehrte Fall einer heilen Welt voll edler Ritter und tugendhafter Gesinnung. Auch die Handlungsspielräume seiner Frauengestalten sind also nicht unbedingt “realistisch”, sondern eben einer bestimmten Phantasiewelt angepasst.

  6. darkul sagt:

    @Wulfila
    Deiner ersten Aussage stimme ich vollkommen zu, ich hatte aber auch nicht von keiner Kritik geschrieben, sondern gemeint, dass die Kontroverse übertrieben wird. Wenn man viel darüber schreibt und diskutiert, dann hat der Autor somit auch ein Stück weit gewonnen oder zumindest zum Nachdenken provoziert. Ob im positiven oder negativen Sinne, ist dabei egal.

    “Starke Männer” sind ein fragwürdiges Bild meinerseits, korrekt. “Starke Frauen” aber auch. Wobei ich damit eher die Rauhheit des dargestellten Lebens meinte.
    Wir wissen alle, dass Frauen ziemlich mehr aushalten und kämpferischer sein können, eventuell gesellschaftliche Situationen auch klarer erfassen können. Aber in gewissen Bereichen ist es eben der Mann und nicht die Frau, die entscheidende Aktionen vollbringen. Bei einem Kampf Brienne gegen einen jungen starken Ritter habe ich schon ein Problem. In der Serie wird Brienne zwar gut dargestellt, aber ihr staksiger Laufstil deutet nicht gerade auf die Beweglichkeit hin, die eine Frau braucht, um einen geschickten, ehrgezeigen und fitten jungen Mann ium Kampf auf’s Kreuz zu legen. Da ist bei mir die Grenze zu unrealistisch erreicht. Das passt eigentlich nicht in Martin’s Welt, bildet aber andererseits eine angenehme Ausnahme.

    Ich schrieb, dass Martin pseudo-historisch schreibt, also man denken könnte, so könnte eine Geschichte real verlaufen und dass er viele Elemente verwendet, die das für unsere moderne reale Wahrnehmung darstellen. Es könnte sich so zugetragen haben, auch in unserer realen Mittelaltergeschichte. Diese Welt ist für mich wesentlich glaubhafter und stimmiger als die eines Simon Mondkalb oder irgendeines Zauberlehrlings, der auszieht, um der Held der Welt zu werden und einfach besser als andere ist. Davon habe ich eigentlich genug.

    Ja, es ist eine bestimmte Phantasiewelt, in der die Geschichten spielen und auf die sie zugeschnitten sind – oder umgekehrt, Welten deren Art sich an die Geschichte angepasst hat (halte ich für schlechten Stil, was aber kein schlechtes Buch ergeben muss). Bei Martin hat man nicht das Gefühl, dass er Orte und Leute erfindet, nur um einen Storyteile zu erzählen (auch wenn er manche ausradiert, weil er mit ihnen wohl nicht weiterkommt). Er erzählt, wie die Leute in dieser Welt, die schon davor existiert haben, agieren und sich verhalten. Bei schwächeren Romanen hat man viel öfter Deus Ex Machina und das Gefühl, jaja, der Typ kommt jetzt nur so zufällig daher, dass dies und jenes passiert. Ach nein, Rettung in letzter Sekunde von einem bisher völlig unbekannten Zufallsretter. Sowas geht mir auf den Senkel und tötet bei mir jegliche Atmosphäre. Die Phantasiewelt verliert ihre Mystik. Ebenso das Zauberstabgewedel eines pseudolateinisch sprechenden Harry Potter. Erfindungsreichtum ist eines, gut zu schreiben, etwas anderes. Martin hat definitiv beides.

  7. moyashi sagt:

    Da würde ich doch mal gerne 1-2 Punkte aufgreifen …

    Ich schrieb, dass Martin pseudo-historisch schreibt, also man denken könnte, so könnte eine Geschichte real verlaufen und dass er viele Elemente verwendet, die das für unsere moderne reale Wahrnehmung darstellen. Es könnte sich so zugetragen haben, auch in unserer realen Mittelaltergeschichte.

    Das ist doch aber genau der Knackpunkt an diesen Erzählungen und die Kritik um die es hier geht. Das Argument “damals war das halt so” wird gerne benutzt um ein Setting und Handlungsabläufe wie bei GRRM zu rechtfertigen. Dass dem *so* nicht war, ist vielen nicht klar, es wird aber suggeriert, dass sie hier eine historische Tatsache lernen, womit ein bestehendes Klischee untermalt und verstärkt wird. Man wirft dieses Argument als Verteidigung in den Ring, weil die Kritik am Buch oder der Serie als Angriff auf etwas gewertet wird, was einem persönlich sehr gefällt und viel bedeutet. Verständlich, aber nicht notwendig.
    Der Artikel hier stellt nur ein aktuelles Beispiel dar. Dass Martin ein guter Schreiber ist, wird gar nicht grundsätzlich bestritten, es wird nur gezeigt, dass die vielfache Behauptung seine Arbeit sei historisch korrekt eben nicht korrekt ist, weil seine Welt nur pseudo-historisch ist, wie du ja selber sagst. Es geht auch anders mit weniger Rollenklischees vom dominanten Mann und der untergeordneten Frau und das ist etwas, wovon man lieber mehr lernen sollte als vom umgekehrt pseudo-historischen Gewaltakt an Frauen.

    Aber in gewissen Bereichen ist es eben der Mann und nicht die Frau, die entscheidende Aktionen vollbringen.

    Da wäre ich etwas vorsichtig mit der Aussage. Es gibt Alpha-Frauen die Alpha-Männern in nichts nachstehen. Haben Männer mehr Muskelmasse? Meistens. Sind sie Frauen deswegen immer überlegen? Da kann ich dir versichern: nein.
    Falls du es auf eher intellektuelle Fähigkeiten beziehst oder Leistungen innerhalb der Gesellschaft, dann sind wir tief in der Diskussion zur Gleichberechtigung der Frau, die trotz ihrer Potentiale von der Gesellschaft auch im Jahr 2012 noch nicht die selben Chancen und nicht den selben Respekt erhält wie ein Mann. Dementsprechend gibt es verhältnismäßig weniger Chancen für die Frau, sich als Alpha-Tier zu beweisen. Das Problem ist eine insgesamt falsche Idee von der Rollenverteilung, die uns schon als Kind anerzogen wird und eine Art künstlichen Instinkt erzeugt, der später dazu führt, dass wir Männer stark und Frauen schwach nennen. Die Annahme Männer könnten mehr vollbringen als Frauen, ist ein “schönes” Argument, weil es genau das bestätigt, was allgemein in den Köpfen der Menschen vorgeht und die Kritik an einem pseudo-historischen Autor überhaupt erst nötig macht.

  8. Colophonius sagt:

    Ich habe die Fernsehserie nicht gesehen, weshalb ich zur Umsetzung nichts sagen kann. Die Bücher habe ich vor einigen Jahren bis zum 4. Band gelesen, und sie sind mir nicht mehr gut in Erinnerung, nur noch einige besonders krasse Szenen. Eine Szene ist die Vergewaltigung von Dany.

    Die beschriebene Szene mit Dany und Khal Drogo, als er sie das erste Mal nimmt, als sein Recht im Sinne der in seiner Gesellschaft vorhandenen Art die Ehe zu vollziehen, ist übrigens wohl die bestbeschriebenste Sexszene sogar mit einer gehörigen Prise Sensibilität. Der Leser hat Angst um Dany, fügt sich aber der Beschreibung Martins, Drogos Zärtlichkeit und Härte gleichzeitig und man akzeptiert wie Dany, was da passiert. Ich fand dies die beste Liebesszene im Buch.

    Diese Aussage finde ich erschreckend, auf mehreren Ebenen.
    Ja, Drogo handelt im Kontext seiner Kultur und tut nur das, was von ihm erwartet wird: sich eine Frau aussuchen und sie vergewaltigen, um die Ehe zu vollziehen. Dass Martin diese Szene so auslegt, dass man, wie du beschreibst, akzeptiert, was passiert und in dieser Handlung noch Zärtlichkeit entdeckt, ist eine Verharmlosung, die mir den Atem stocken lässt – beim Lesen des Buches damals und jetzt auch.
    Ich kann es gar nicht so vehement ausdrücken, wie ich das möchte: die Idee, dass eine Vergewaltigung, egal wie “zärtlich”, von der Frau als “nicht so schlimm” und “irgendwie war es doch ganz schön” wahrgenommen wird, ist eine abstoßende Illusion. Die angesprochene Szene ist in keiner Form eine Liebesszene – es ist eine Gewaltdarstellung.

    Es tut mir Leid, wenn das ins Off-Topic führt, aber das kann ich nicht unkommentiert lassen.

  9. moyashi sagt:

    Diesen Beitrag habe ich übersehen O_o
    Das ist in der Tat eine sehr … ähm … ich nenne es mal traurige Wahrnehmung dieser Szene. Da kann man noch so sehr darauf bestehen, es verstecke sich eine verborgene intellektuelle Botschaft dahinter die nicht jede/r Versteht (allein da muss ich schon den Kopf schütteln), es ist eine Vergewaltigung. Punkt. Das mit Liebe in einen Kontext zu setzen und als schön zu empfinden grenzt für mich an … ich spreche es besser nicht aus, sonst herrscht hier gleich Krieg.

  10. Wulfila sagt:

    Das mit Liebe in einen Kontext zu setzen und als schön zu empfinden grenzt für mich an … ich spreche es besser nicht aus, sonst herrscht hier gleich Krieg.

    Und eines sollte man dabei vielleicht auch nicht übersehen: Hier malt sich ein erwachsener männlicher Autor aus, wie ein extrem junges Mädchen solch eine Vergewaltigung in einer erzwungenen Ehe empfinden könnte, und gerät dabei in diese extrem fragwürdige Interpretation, d.h., er schreibt die Szene noch nicht einmal aus Drogos Sicht, der vielleicht vor sich selbst sein Handeln durch solche Deutungen beschönigen könnte, sondern unterstellt dem Opfer Empfindungen, die der Täterperspektive sehr entgegenkommen.

  11. TeichDragon sagt:

    Dany ist meiner Meinung irgendwo um die 13/14 Jahre alt.
    Genaueres müsste ich auch suchen.

    Ach, für die HBO Serie hat man sie wohl auf 18 angehoben, damit der Sender keine Probleme bekommt.
    Mann, mann, mann…
    http://gameofthrones.wikia.com/wiki/Daenerys_Targaryen

    Oder irgendwas – scheinbar juckt es keinen:
    Daenerys has been aged for the show. In the novels, she is 13 when she is first introduced. In Game of Thrones, she is 15 years old. Contacts to give her violet eyes were tried in the pilot, but proved more trouble than they were worth.
    http://www.westeros.org/GoT/Characters/Entry/3538/

    Naja, alte Männer und ihre Sex-Szenen:
    Dany is very difficult role. She starts out vulnerable and scared, but blooms on the Dothraki sea, and becomes a powerful leader by book’s end. It’s no secret that HBO’s Dany will start out older than Dany does in the book; that was a change that had to be made, if we wanted to keep the sex scenes, and David and Dan and I were all agreed that the sex scenes were essential.
    http://grrm.livejournal.com/103138.html?thread=6971874

  12. moyashi sagt:

    Und eines sollte man dabei vielleicht auch nicht übersehen: Hier malt sich ein erwachsener männlicher Autor aus, wie ein extrem junges Mädchen solch eine Vergewaltigung in einer erzwungenen Ehe empfinden könnte, und gerät dabei in diese extrem fragwürdige Interpretation (…)

    Das macht die Sache umso bitterer. Und dass es Leser gibt die diese Szene nun als “eine der schönsten Liebesszenen” beschreiben, finde ich extrem erschreckend. Da wird nicht nur ein vollkommen falsches Bild von Frauen/jungen Mädchen in solchen Situationen gezeigt, es wird auch noch vermittelt sie hätten Spaß daran oder würden es als nicht so schlimm und normal empfinden vergewaltigt zu werden – und die Leser glauben es. Da werden Altherrenphantasien wahr!
    Mir platzt der Hintern, wenn ich das lese. (>_<)

  13. Feandor sagt:

    Ich bin über diese Szene auch sehr gestolpert. Und ich fände es auch bedenklich, wenn man die Handlung an sich (also die sanfte Vergewaltígung einer 13-jährigen) als ästhetisch schön bzw. positiv bezeichnen will. Diese Aussage möchte ich darkul aber gar nicht unterstellen, da ich das “schön” (=gelungen) eher auf die Beschreibung beziehe. (Ob ich persönlich diese Aussage unterschreiben würde, kann ich aus der Erinnerung nicht mit Sicherheit sagen.)

    Die Beschreibung der Szene ist natürlich nur dann schön, wenn glaubhaft findet, dass jemand in Danys Situation genauso fühlen könnte wie sie. Und das tue ich durchaus, denn man sollte nicht vergessen, dass Daenerys ein durch und durch kaputter Charakter ist. Da sie den Großteil ihres Lebens nur Gewalt von ihrem Bruder und Gleichgültigkeit von anderen erfahren hat, kann ich mir vorstellen, dass sie eine sanftere Form von Gewalt als positive Aufmerksamkeit auffassen kann. (Von solchen und “kränkeren” Beziehungen hört man ja öfter, auch wenn ich natürlich nicht weiß, ob es das in dieser Form wirklich gibt.) Als Gedankenspiel finde ich das aber durchaus glaubhaft.

  14. darkul sagt:

    Gut, nun habe ich mich da etwas vermanövriert oder falsch ausgedrückt oder ich sehe Unwillen, von moderne Konventionen in Phantasiewelten abzulassen oder sie als in Martins Westeros als normal zu erachten.

    Ich kann also auch nicht stehen lassen, dass ich hier als Liebhaber von Vergewaltigungsszenen gelte und eine veraltetes Frauenbild habe.

    Punkt 1 – Starke Männer, schwache Frauen.

    Keine Ahnung, warum mir das Wort so herumgedreht wird, obwohl ganz klar ist, was ich meine. Es geht um das Körperliche.

    In Martin’s Welt ist der Mann der körperlich starke, die Frau reagiert darauf mit intelligenten Spielchen, die die Männer in mancher Person ebensogut beherrschen (siehe Littlefinger oder Varys und und und Tyrion). Für den Kampf an sich wird so gut wie keine Frau ausgebildet. Warum aber auch? Brienne ist eine Ausnahme und sie bekommt eine gute Geschichte, sogar Jamie ist irgendwann fasziniert. Man muss kein Model sein, um als Frau zu glänzen.

    In Martin’s Welt und ich denke auch in unserer realen Mittelaltervergangenheit war eine militärisch an der Front kämpfende Frau eher die Ausnahme. In einer absoluten Notlage mussten eben auch Frauen körperlich kämpfen und sicher waren auch viele an Fronten im Kampfeinsatz.

    Meine Vorstellung und Überzeugung, auch als Sportler, ist ohne Zweifel, dass ein trainierter Mann mit 85kg einer ebenso trainierten Frau mit 65kg körperlich überlegen ist. Und dabei rede ich nicht von einer fintenreichen Frau, die gegen eine muskulöse Dumpfbacke kämpft, was ich wiederum für völlig unrealistisch halte, aber ein oft wiederholtes Klischee in Fantasyromanen ist.
    Man kann das eigentlich in fast allen gängigen Sportarten erkennen, wenn es nicht gerade um Klettern oder 500 Stunden Dauerlauf geht. Frau und Mann in gleicher Disziplin: 90% siegt der Mann. Der Mann hat aufgrund dieser körperlichen Stärke, aber nicht nur deshalb, seit langer langer Zeit die Rolle dessen inne, der körperlich kämpft, körperlich jagt, körperlich Krieg führt und grundsätzlich war die Frau das in der Mehrheit eben nicht. Dass es hier natürlich nicht nur Ausnahmen, sondern massenweise Gegenbeispiele gibt, das bestreite ich nicht. Dass sich dieses Bild in unserer modernen Welt natürlich immer mehr verschoben hat, dass wir immer mehr Gleichberechtigung, zurecht, und Angleichung der Stärken jedes Menschen haben, das hat aber an sich nichts mit Martins Geschichte zu tun. Für mich wirkt es realistisch und passend zur Martins Welt, dass ein Mann grundsätzlich KÖPERLICH stärker als eine Frau ist. Punkt. Ich würde das auch in der realen Welt im Großen und Ganzen so sehen. Falsch?

    Ich füge hinzu: ich persönlich, nochmal, ich persönlich, auch wenn es in einer Phantasiewelt anders zugehen kann, eben weil Phantasie, kann mit kämpfenden und zaubernden Wunderkindern nichts anfangen, sei es Junge oder Mädchen. Arja ist und bleibt eine wundervolle Ausnahme. Ebenso Kvothe von Patrick Rothfuss.

    Punkt 2 – die Vergewaltigung Danys

    Mir passt hier nicht, dass unsere eigene moderne gesellschaftliche Konvention so dermaßen als Leitbild für diese Szene herhalten muss.

    Wir lesen Fantasy, die einen realistischen Touch hat. Dass Martin für solche Szenen, Vergewaltigung + Mann mit minderjährigem Mädchen, kritisiert wird, ist aber auch natürlich.
    Und dennoch zweifelt wohl keiner daran (oder doch?), dass diese altersbedingten strategischen Heiraten und Vollzüge auch in unserer realen Welt so gehandhabt wurden. Ob das nun mit einer Vergewaltigung beginnen musste, ist eher zweifelhaft, aber kam sicher vor.

    Nochmal, wir haben hier Pseudo-Historie. Es kann manches so gewesen sein, muss aber nicht. Man hat aber das Gefühl, in Martins Welt ist das real. Wer in die Welt versinkt, hält das solange er liest, für real. Zumindest lese ich so meine Bücher, wenn ich das Gefühl habe, dass ich darin versinken kann.

    Dennoch haben sich solche Vergewaltigungen bestimmt millionenfach in vielen realen Kriegen ereignet, in grausamer Art und Weise, oft mit dem Tod oder – fast drüberzusetzen – völliger Zerstörung der weiblichen Psyche zur Folge.
    War Danys Szene grausam? Wirklich? Wer diese Szene so liest, als würde er einem Verbrechen beiwohnen und als Zeuge die Polizei holen will, der versetzt sich weder in Dany noch Drogo, noch Targaryens, noch Dothraki.
    Vergewaltigung ist Vergewaltigung werden jetzt viele sagen. Aber Dany wollte Khaleesi werden. Das war ihr BEWUSSTES Opfer. Und sie konnte es für sich so gestalten, dass sie es ertragen konnte.
    Sie hat geweint, sie hatte Schmerzen, es war derb, aber sie wurde nicht geschlagen, stark blutig zurückgelassen und war auch kein mentales Wrack. Man konnte aber auch gewisse Zärtlichkeiten erkennen. Drogo ging mit ihr nicht so brutal um, wie sie und auch der Leser es vermuten hätte können. Sie brauchte Zeit, um es zu verarbeiten, aber sie war sich im Klaren, warum und weshalb sie es tat. Und irgendetwas in dieser Vergewaltigung gab normalerweise dem Leser und auch Dany das Gefühl, dass dies kein reiner Gewaltakt war. Da war noch etwas anders.

    Dennoch: die unterschwellige Drohung war, dass dem Dothraki Drogo etwas versprochen wurde. Hätte er es nicht bekommen, ist es nicht klar, ob es nicht mit Danys Tod geendet hätte. Erpressungslage. Sich vergewaltigen lassen weil man sonst wohl sterben muss? Daran hat Dany leider auch denken müssen.
    Aber das wissen wir nicht. Es its aber logisch, dass wir sowas verurteilen, sowohl in der realen Welt als auch in dieser Buchwelt.

    Wie stellt ihr euch vor, liefen die Hochzeitsnächte von Kindern zweier hoher Häuser ab, die aus politischen oder strategischen Gründen die Ehe vollziehen und möglichst gleich Nachkommen erschaffen sollen? Wie stellt ihr euch das in Realität und in Phantasiewelten vor?
    Wurde da wohl gefragt, ob man es tun will? Ich nehme in Martins Welt den Personen ab, das Frauen eben sehr früh schon zu Müttern werden. Und damit leben sie und werden darauf vorbereitet. So ist ihre Rolle.
    Ich denke, in den meisten Fällen wird es einfach getan. Ob die Frau oder der Mann das nun will oder nicht. Man kann das auch bei Robbs Hochzeit sehen, was die Gesellschaft erwartet. Die wollen ja nahezu zusehen. Wollen wir das? Ich nicht. Aber die in dem Buch, die in Westeros, für sie ist das Tradition wie für uns das Plätzchenbacken an Weihnachten.

    Die kulturelle Lebensweise der Dothraki basiert eben nunmal auf – für uns so aussehend – Gewaltakten, freien Vergewaltigungen mit Frauen. Das Wort Vergewaltigung hat aber in der dothrakischen Welt wohl eine andere Bedeutung. Ich könnte mir vorstellen, dass die Frauen nichts anderes kennen und für sie das völlig normal ist, wenn sie irgendwann von 20 wildgewordenen Jungdothrakis besprungen werden. Allerdings die Völker, die die Dothraki versklaven, werden das anders sehen. Die Frauen, denen die Dothraki bekannt sind, leben aber seit langen Zeiten damit, es gab vielleicht nie etwas anderes. Sie selbst denken wohl mehr als die Männer darüber nach, ob das so weitergehen muss, was man an Danys Lehrsklavinnen sehen kann, die keine gebürtigen Dothraki sind, soweit ich weiß. Die Männer sind dort wilde Tiere, die Frauen denken definitiv weiter, auch wenn sie bisher aus ihrer Rolle kaum ausbrechen können, vielleicht auch gar nicht wirklich wollen. Allerdings ist Dany die Erste, von der wir erfahren, die es wohl offensichtlich schafft, einen Dothraki, den Dothraki überhaupt, zu verbiegen.

    Ist es nicht vielmehr also auch lobenswert, dass sich Dany nicht wirklich an diese Umgangsformen gewöhnt, sondern mit der Zeit Drogo andere Dinge beibringt. Ihn lehrt, wie sie als Frau von Liebe denkt, bewusste Liebe, nicht den tierischen Trieb befriedigend? Also ich bin überzeugt, dass die beiden zumindest in späteren Tagen sich absolut liebten. Naiv? Vielleicht. Nein.
    Das habe ich gelesen und mehr nicht. Sie war für ihn eine neue Erfahrung, von der er trotz ihres Alters viel lernen konnte und sie durfte sich in seinem Schatten immer sicherer fühlen. Eine Zweckgemeinschaft, die immer enger wurde und lange vor dem Ende weit mehr als das war. Man hatte nicht das Gefühl, dass Dany weglaufen will, zu keiner Zeit.
    Diese Aussage bitte nicht auf die Goldwaage legen, ich habe die Bücher schon lange nicht mehr gelesen.

    Natürlich können wir aus unserer Nichtphantasiewelt die Vergewaltigung nur verurteilen, aber in Martins Welt gehört das zur dothrakischen Lebensart. Sie mögen in einer Lernphase sein. Aber sie haben ihre, für uns widerwärtigen und strafbaren Traditionen.

    Ich schreibe es nochmal, auch wenn es schockierend sein mag und sich manch eine Person hier damit auf den Schlips getreten fühlt, weil sie allein die Vergewaltigung als solche betrachten und verurteilen – ich kann diese Sichtweise in Bezug auf unsere reale Welt verstehen, aber:
    Die Szene Dany/Drogo ist eine der wenigen von den gefühlten 50 Sexszenen, die Martin zumindest gut beschreibt und einfühlsam schreibt. Ob einem gefällt, was da passiert, ist eine völlig andere Frage. Eine Vergewaltigung ist immer eines der schlimmsten Verbrechen an einer Frau (oder einem Mann, davon wird so gut wie nie geredet). Aber nachdem was Dany von ihrem Bruder ertragen musste, in dessen Andeutungen sogar Inzest-Vergewaltigungen waren, nicht nur das Drachenwecken, um sie zu züchtigen, dann ist ein wahrer – und jetzt komme ich wieder darauf zurück – starker Mann, Drogo also, ein Anführer, und wirklich der “Stärkste” seines Volkes, denn nur dann kann er Khal sein, fast eine rettende Gallionsfigur. Drogo, der trotz dieses für uns gesellschaftlich zu verachtenden Aktes für sie wohl mit der Zeit erträglicher als ihr eigener Bruder wurde. Er wird zu ihrem Schutz, zu ihrem Zentrum, zu ihrer Sonne, zu ihren Sternen. Vor allem spielt er keine Spiele mit ihr. Vielleicht – das ist nunmal auch Fantasy – geht in Dany während dieses Verbrechens eine Wandlung vonstatten wie sie normal eine Vergewaltigung sicher nicht auslösen würde. Eben dies wirkt auf uns nicht real, solch eine Erlösung scheint es nicht zu geben, nicht geben zu dürfen. Für Dany ist es eine Art zweite Geburt in eine andere Welt.
    Ich muss gestehen, ich sehe bei Dany/Drogo nicht nur die Vergewaltigung an sich als das reine Verbrechen. Für mich weiß Dany ganz genau, was passieren wird und sie versucht sich ja mental auch darauf vorzubereiten. Sie ist aber zu jung, zu unerfahren im Leben überhaupt. Wehren könnte sie sich in dieser Situation sowieso nicht, denn entweder sie tut es und wird Khaleesi und kann ihre Zukunft weiter planen oder sie lässt es und weiß nicht, ob sie dann vielleicht den anderen Dothraki zum Fraß vorgeworfen wird.
    Aber bei Drogo weiß man nicht, vielleicht hätte er sie mehrfach fragend angeschaut und sie in Ruhe gelassen, was manch Leser, auch ich, sich gewünscht hätte.
    Martin wollte das aber nicht. Drogo wollte das nicht. Dany wollte es? Hat Dany mal versucht, “nein” zu sagen?

    3 – Phantasie und Realität, Pseudo-Historie
    Ganz kurz.
    Das Buch ist ein Buch ist eine Phantasiewelt.
    Die Realität ist die Realität und am besten zu verfolgen in naher Vergangenheit und dem Jetzt.
    Die Pseudo-Historie mit Fantasy gemixt ist Martins Wahl für dieses Buch. Ein Buch aus dem Genre Fantasy, das aber immer wieder versucht, dieser Fantasy so viel Realität einzuhauchen, dass nur Elemente wie Wiedergänger, Drachen, Dämonen und merkwürdige Priester/innen als wirklich phantastische Elemente herausstechen. Der Rest wird so erzählt, als könnte es sich so zugetragen haben.

    Das Buch bleibt eine Phantasievorstellung so wie auch jeder Kriminalroman letzten Endes zwar meist real wiederzufindene Szenen beschreibt, aber doch nur der Phantasie des Autors oder wahren Begebenheiten oder dem Mix davon entspringt.

    Das ist nunmal meine Art von Fantasy, damit kann viel mehr anfangen als mit reiner Gut-Böse-Fantasy oder jugendfrei bereinigten Dingen.

    Es ist aber nicht meine Phantasie, was also in meinem Hirn als positiv stimulierend durchgeht. Das wiederum lass ich mir nicht ankreiden.

  15. darkul sagt:

    @Feandor:
    Du hast das richtig verstanden, die Szene fand ich einfach gut geschrieben. Gerade im Verhältnis zu den meisten andere Sex-/Liebesszenen.

  16. TeichDragon sagt:

    Bezahlt Dich eigentlich jemand pro Text-Zeile für den Wall of Text und die GRRM Fanboy Reklame?
    Anders kann ich mir Deine Antworten nicht mehr erklären.

    Zum ganzen Text: tl;dr.
    Zu einigen Sachen insbesondere was Vergewaltigungen und Sex-Szenen angeht: Heute mag ich nicht mehr antworten, aber Deine Argumentation ist löchriger als ein Schweizer Käse. Und bei einigen Argumenten schüttelt es mich gewaltig.

  17. TeichDragon sagt:

    Aber nachdem was Dany von ihrem Bruder ertragen musste, in dessen Andeutungen sogar Inzest-Vergewaltigungen waren, nicht nur das Drachenwecken, um sie zu züchtigen, dann ist ein wahrer – und jetzt komme ich wieder darauf zurück – starker Mann, Drogo also, ein Anführer, und wirklich der “Stärkste” seines Volkes, denn nur dann kann er Khal sein, fast eine rettende Gallionsfigur. Drogo, der trotz dieses für uns gesellschaftlich zu verachtenden Aktes für sie wohl mit der Zeit erträglicher als ihr eigener Bruder wurde. Er wird zu ihrem Schutz, zu ihrem Zentrum, zu ihrer Sonne, zu ihren Sternen. Vor allem spielt er keine Spiele mit ihr. Vielleicht – das ist nunmal auch Fantasy – geht in Dany während dieses Verbrechens eine Wandlung vonstatten wie sie normal eine Vergewaltigung sicher nicht auslösen würde. Eben dies wirkt auf uns nicht real, solch eine Erlösung scheint es nicht zu geben, nicht geben zu dürfen. Für Dany ist es eine Art zweite Geburt in eine andere Welt.

    Wenn Du so etwas denkst, wird mir gerade schlecht…

  18. darkul sagt:

    @Teichdragon
    Ich hatte schlicht Lust, Zeit und Bedürfnis mich nochmal zu äußern.

    Nein, mich bezahlt keiner und bin kein Fanboy, ich könnte genug kritisieren an Martin oder seinen wichtigsten Büchern. Aber mir liegen diese nunmal mehr am Herzen als die meisten anderen Bücher die ich lese, selbst wenn diese teilweise auch klasse waren.

    Nur diese Stellen an sich so zu verurteilen, weil sie mit unserem Verständnis nicht übereinstimmen, finde ich überzogen. Wir lesen schließlich ein Buch und nicht alles, was darin vorkommt, muss mit der persönlichen Meinung übereinstimmen.

    “Eben dies …”
    Du schiebst dass in deine Schublade, was eine Vergewaltigung bedeutet, darum wird dir auch schlecht bei dem Gedanken, dass es vielleicht … ich sage nur vielleicht … Dany etwas Positives gebracht haben könnte. Ich sage nicht, dass die Vergewaltigung in Ordnung war. Ich habe nur einen von vielen möglichen Interpretationsversuchen gewagt.
    Löchrig ist nur eines nicht: Vergewaltigung ist ein unduldbares Verbrechen.

  19. moyashi sagt:

    Ich hätte es jetzt etwas diplomatischer ausgedrückt als Teich, aber da ich ihn kenne, weiß ich was er sagen möchte. 😉 Mal abgesehen davon, darkul (ich spreche dich mal direkt an, nicht dass du denkst ich spreche lieber über dich als wärst du nicht da, statt mit dir), dass deine Argumentation tatsächlich sehr löchrig ist (und zwar im Bezug darauf, dass du vermutlich keine Vergewaltigungs- oder Gewaltopfer kennst und dir bestimmte Einblicke dazu fehlen – was den Fehlglauben erzeugt hier herrsche eine mögliche, realistische Reaktion von Dany) sehe ich hier leider auch sehr viel “schön reden”. Da es allerdings auch wenig Sinn hat Überzeugungsarbeit an jemandem zu leisten dem es in erster Linie darum geht seinen Lieblingsautor zu pushen, werde ich auf die einzelnen Punkte nun nicht mehr eingehen. Es wäre stattdessen vielleicht ganz sinnvoll, wenn wir uns zur Abwechslung auf den Ausgangspunkt des Artikels (zurück)besinnen.

    Das Thema des Blog-Artikels ist nicht und war nie “Ist Martin ein guter oder ein schlechter Autor?” sondern der Umgang und die Gründe für das Aufgreifen der ewig gleichen Bilder und warum Autoren (allgemein) auch in einem Genre das alle Möglichkeiten erlaubt, immer wieder meinen auf diese stereotypen Bilder zurückgreifen zu müssen, die, auch das muss man im Auge behalten, ein schädliches Bild in den Köpfen der Menschen prägen, wenn man zu der Erkenntnis gelangt es handle sich hier tatsächlich um historische Ereignisse. Es geht in dem Artikel darum, wie die Gesellschaft das Thema Sex und Respekt füreinander behandelt und wie selten Autoren eine (nicht immer mittelalterliche) phantastische Welt, in der alles möglich ist (und in der alles andere genauso glaubhaft wie z.B. sexuelle Gewalt dargestellt werden könnte) aufbauen. In diesem Punkt liefert auch Martin nichts neues, im Gegenteil, er bedient sich einer, wie man so schön sagt, Altherrenphantasie in der der Mann noch der große Jäger und Beschützer war. Mit dieser Aussage sagen wir nicht gleich “Martin ist ein schlechter Autor” wir fragen, warum trauen sich so wenige Autoren, der große Martin z.B nicht, über diesen Tellerrand hinauszuschauen? Welche Motivation könnte der Entscheidung zugrunde liegen, doch auf diese altmodische Weise zu erzählen? Wer hat Einfluss bei der Planung eines Buches? Ist es tatsächlich nötig, dass Frauen, Kinder und manchmal auch Männer im Detail gefoltert werden müssen (körperlich, aber vor allem sexuell), damit die Massen in den Buchladen oder an den Fernseher stürzen? Ist es tatsächlich notwendig, dass Alltagsserien zum Porno werden um innovativ daher zu kommen? Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?

    Das sind nur ein paar Fragen, die dieser Artikel anspricht, nirgendwo wird die Frage gestellt “warum findest du Martin toll?”.
    Deine Begeisterung für den Autor in allen Ehren, aber es macht hier leider wirklich den Eindruck, als interessieren dich die Inhalte solcher Artikel gar nicht. Sobald der Name GRRM fällt, bist du plötzlich zur Stelle und fängst an zu beschreiben warum er ein genialer Autor ist. Das habe ich schon in anderen Quellen gesehen und ich nehme an, es ist eine Art Taktik mit diesen langen Texten, um deine “Kontrahenten” in den Schlaf zu reden. Es ist nicht böse gemeint, wenn ich das so offen sage, ich bitte schlussendlich lediglich darum beim Thema des Artikels zu bleiben (bzw. überhaupt erst einmal dort anzusetzen) Diese extreme Martin-Lobhudelei ist hier schlicht am falschen Ort, dafür eignen sich vielleicht eher ein Foren-Thread der sich mit der entsprechenden Frage befasst.

  20. Wulfila sagt:

    @Darkul: Wie moyashi schon sehr schön ausgeführt hat, verstehst du die Kritik an Martins Schilderung möglicherweise falsch. Es geht weder darum, ob Martin nun ein guter oder schlechter Autor ist, noch darum, wie “grim & gritty” Fantasy sein darf (sprich darum, ob man überhaupt eine solche Szene wie die besagte Hochzeitsnacht schildern sollte), sondern um die Art und Weise der Schilderung.

    Das ist gerade im Hinblick auf das Realismusargument sehr heikel:

    Wie stellt ihr euch vor, liefen die Hochzeitsnächte von Kindern zweier hoher Häuser ab, die aus politischen oder strategischen Gründen die Ehe vollziehen und möglichst gleich Nachkommen erschaffen sollen?

    Dazu gibt es insbesondere seit der frühen Neuzeit, teilweise aber auch schon für das Mittelalter mehr Quellentexte, als du dir das vielleicht vorstellen kannst, und damit auch Belege für sehr unterschiedliche Lösungen, zu denen die Beteiligten gefunden haben. Von kompletten Desastern (und zwar durchaus auch für beide Seiten – auch nicht jeder Mann oder Junge war begeistert, mit der ihm zugedachten Partnerin schlafen zu müssen) bis hin zu glimpflicheren Ausgängen ist da fast alles dabei, genauso, wie man in Sachen (Erst-)Heiratsalter und Altersabstand der Partner die verschiedensten Konstellationen finden kann. Zwar waren in Herrscherhäusern sehr frühe Heiraten durchaus üblich, aber es gab durchaus auch mittelalterliche Prinzessinnen, die über 30 (ja, kein Tippfehler) waren, als sie geheiratet haben, z.B. Isabella von Portugal (1397-1471) oder Konstanze von Sizilien (1154-1198).

    Ein Autor, der eine in irgendeiner Form “realistische” arrangierte Ehe schildern will, hat also die freie Auswahl, was sehr viele Parameter betrifft.

    Wenn jemand sich nun bewusst für eine Konstellation entscheidet, die ein sehr großes Macht-, Kraft- und Erfahrungsgefälle zwischen den Partnern vorprogrammiert, stellt sich natürlich (wie schon von moyashi ausgeführt) die Frage, warum speziell diese Situation dem Autor interessant oder attraktiv erscheint. Noch größer wird das Fragezeichen aber, wenn er die darin begründete Problematik gar nicht weiter in kritischem Licht untersucht, sondern aus der Sicht des letzten Ende unterlegenen und machtlosen Partners das ganze unkommentiert als nicht so schlimm oder gar angenehm darstellt.

    Ein zusätzlicher Aspekt (der aber vom Artikelthema an sich wegführt) ist dabei für mich auch noch der, dass ebenso unkritisch das Bild des sexuell selbst in aller Öffentlichkeit ungezügelten, zur Vergewaltigung neigenden, barbarischen pseudo-asiatischen Nomaden bemüht wird.

    Sowohl die exotische Kultur, in der so etwas “eben so ist” als auch die zeitliche Einordnung in eine diffuse Vergangenheit (siehe Artikeltitel) werden hier instrumentalisiert, um genüsslich in bestimmten fragwürdigen Klischees baden zu können, und das noch in einer Weise, die manch einem Leser (wie von dir oben geschildert) “einfühlsam” und “realistisch” erscheint. Und darin besteht das Problem, nicht in der literarischen Qualität von Martins Werken.

  21. Timpimpiri sagt:

    Nur mal kurz zu der Behauptung, dass der Mann von Natur aus stark und die Frau von Natur aus schwach wäre und dies durch u.a. Ergebnisse im Sport bewiesen wäre: das gilt nur für die Anwendung von äußerer Kraft, also reiner Muskelkraft.
    In Kampfsportarten wird aber innere Kraft benutzt, und das heißt: Faszien (Bindegwebe) und Sehnen etc. in Verbindung mit nur den wirklich nötigen Muskeln. Vom Tai Chi weiß ich, dass dort mit geliehener Kraft gearbeitet wird: das heißt, die angreifende Kraft wird aufgenommen und zurückgegeben. Damit ist jeder und jede so stark wie die Fähigkeit besteht, diese Kraft des Gegenübers zu nutzen und innere Kraft zu generieren.
    In der Tai-Chi-Richtung, die ich lerne, steht eine kleine, leichte Chinesin an oberster Stelle (ausgebildet von ihrem Vater). Ich habe einen ihrer langjährigen direkten Schüler erlebt, und allein die Tatsache zu wissen, dass diese Frau diesen Mann völlig besiegen kann und er keine Chance hätte, gegen sie zu bestehen, straft jede Aussage Lügen, dass Frauen von Natur schwächer sind.

    Sie scheinen es zu sein, weil wir (auch Männer, aber gerade wir Frauen) aufgrund von Anspannung von Muskeln verlernt haben, unsere eigentliche innere Kraft zu benutzen. Eine Fantasy-Geschichte, die kämpferisch starke Frauen auftreten lässt, ist also absolut in Ordnung und kein herbeigezogenes Fantasiegebilde. Aber – will man das? Den Frauen zeigen, dass sie sich gegen Männer wehren könnten, wenn sie nur die Techniken kennen würden und ihren eigenen Körper richtig benutzen würden?

  22. darkul sagt:

    Wir sind auch mit all dieser Argumentation immer noch bei “damals war das halt so … in Westeros”:

    @moyashi:
    Solche Vermutungen auf persönlicher Ebene sind nicht in Ordnung.
    Und doch gehe ich darauf ein.
    Du liegst falsch, ich kenne sogar aus nächster Umgebung Menschen, die Vergewaltigung, zumindest in der Ehe, erlebt haben. Es gab auch schon mehrere jüngere Mädchen, die hier im Wald vergewaltigt wurden, eine kenne ich etwas, eine nicht. Ich verurteile und verachte die, die so etwas tun. Mehr brauche ich mich nicht zu verteidigen.

    Hier ein Auszug aus einem Interview mit Emilia Clarke (Daenerys in der Serie), man beachtet, sie bestreitet die Fragestellung nicht wirklich, aber die Filmemacher wollten wohl deutlicher machen, dass es sich eindeutig um eine Vergewaltigung handelt, weil es im Buch nicht ganz so ersichtlich ist, auch wenn dies viele hier meinen (auch ich übrigens):

    “In the book, during the wedding scene with Dany and Khal Drogo, Dany seems to be enjoying the intimacy with Khal. In the series, that scene was presented more as rape. Why was that changed?”

    “It was something that we discussed in great depth. As an actor, for me, it was a really important part of Dany’s journey that I kind of wanted us to get right. Just with regards to the book, when you’re adapting a book into screen, you don’t have the narrative. When you’re reading the book, you have it all there: You have their thoughts, you have their motivations, you have their background, you have their childhood. Putting it onscreen, that’s not there. So you need to make things clearer, I think. With the book, it just seems too sudden. It just seems that she’s introduced to this guy who’s the most fearsome person she’s ever come across and, within one moment, that’s it. It’s done. What we kind of wanted to show, we wanted to track the real growth of the relationship; I don’t think it would have made too much sense to instantly go into that. It wouldn’t have let Dany’s journey really kind of blossom. I don’t know, we kind of thought it needed to take more than that to crack Drogo, you know? Because in the book it kind of happens instantly and we thought it was important to show, I don’t know — a bit more reality. And I think it helped the progression of Dany and Drogo.”

    @Wulfila:
    Dass du ein Beispiel aus der realen Vergangenheit für Hochzeiten unter Königskindern/-erwachsenen herausholst, ist lobenswert. Dennoch, auch hier gilt, es ist eine Möglichkeit unter mehreren. Wie du selbst sagst, freie Auswahl. Martin bedient sich hier ja auch nicht immer des gleichen Schemas. Aber zugegeben oft des jüngeren Alters und der Gewalt.

    @Timpimpiri
    Grundsätzlich gibt es immer wieder Ausnahmen in verschiedenen Disziplinen. Per se kann man nicht ausschließen, dass eine Frau irgendwo besser sein kann, wenn es um körperliche Duelle geht.
    Das habe ich nie bezweifelt und ich akzeptiere auch deine Argumentation mit der Tai Chi-Frau völlig und ich finde das sogar faszinierend.
    Dieses Beispiel habe ich aber weiter oben schon gegeben, in dem ich auch Finesse mit ins Spiel brachte.
    Lass deine Frau gegen den Berg antreten, dann sieht das aus wie Klitschko gegen ein Fliegengewicht, Klitschko groß stark dümmlich wirkend, die Frau vermutlich flink, trickreich, mit allem gewaschen, was man braucht, um alle zu besiegen. Sie kann wohl wie in Kung Fu-Filmen ein Stüpserchen gegen bestimmte Nervenzentren machen und der Mann sackt zusammen. Aber dennoch reicht genauso ein blinder Schlag Klitschkos aus … ne?

    Ein Beispiel aus meiner Sportart, Tischtennis. Eine Frau hat gegen einen Mann so gut wie keine Chance. Ein Oberligaspieler bei den Männern gewinnt gegen eine Bundesligaspielerin, der Oberligaspieler trainiert 3mal, die Bundesligaspielerin 6mal die Woche (auch hier gibt es Beispiele für Ausnahmen). Und dabei geht es nicht wirklich um Kraft, sondern um Schnelligkeit, Schnellkraft, Antizipation, Reaktion und Fintenreichtum. Es gibt eben Bereiche, da bringt es nichts, Mann und Frau direkt miteinander zu vergleichen.
    Ich habe bewusst mal keinen direkten Kampfsport verwendet und keine Sportart, bei der man unbedingt vom Nachteil einer Frau ausgeht, nur um zu zeigen, dass dies in den meisten Sportarten nunmal so ist.

    Ausnahmen, ich betone, Ausnahmen gibt es immer wieder.

    Im Endeffekt geht es aber um Soldaten/innen und Ritter/innen, die versuchen, ihr Herren/Damen, Hoheitsgebiet und ihre Burgen zu schützen. Wenn du in dieser Situation wärst, wärst du natürlich froh, eine solche Frau, wie deine beschriebene, in deinen Reihen zu haben, aber diese ist nicht die Masse. Frauen müssen auch für weitere kämpfende Nachkommen sorgen. Sterben sie an der Front, ist das wohl nicht so klug.
    In der Masse hättest du wohl Männer, die zwar wohl weniger Hirn einsetzen, aber dafür ihr Schwert halten können. Außerdem ist Martins Gesellschaft nunmal so aufgebaut, dass wir hauptsächlich von männlichen Kämpfern umgeben sind.

  23. Elric sagt:

    Je nun, Darkul, wer sagt dir denn, dass eine Frau ein Schwert nicht genauso gut führen kann wie ein Mann? Wer sagt dir denn, dass eine Frau z.B. mit einem auf sie abgestimmten Degen nicht jeden Mann besiegen kann? Und warum zum Henker – wenn du schon zugibst, dass es Bereiche gibt, in denen Frauen besser sein können – muss Martin dann die Rolle der Frau aufs Ränkeschmieden und den Sex reduzieren?
    Das Problem, das hier angeprangert wird, ist doch einfach, dass Frauen auf Objekte der Männer reduziert sind und nur mit deren Hilfe es schaffen können weiterzukommen. Und diese Ansicht hat halt nunmal wenig mit dem Mittelalter zu tun, egal wie oft du nun auf das “pseudo” hinweisen willst.
    Und nein, ich denke nicht, dass im Mittelalter die Frauen nix zu sagen hatten und nur die Männer ihre Entscheidungen einfach so getroffen haben. Damals wie heute gab es Frauen, die deutlich intelligenter waren als ihre Männer und die – vielleicht im Hintergrund – die Geschäfte geführt haben.
    Nochmals: Martin reduziert seine Frauenfiguren auf Objekte, auf Mittel zum Zweck! Und das merkt man nunmal leider sehr deutlich. Ich finde Martins Bücher (zumindest die ersten drei Teile) auch extrem gut, aber irgendwo oben steht: muss man solch eine Vergewaltigung in solcher Detailreiche schreiben?
    Und die Frage kann weitergeführt werden (um zum Thema “Serie GoT” zurückzukehren): muss man das so genau zeigen? Muss an jeder Ecke von Sex gesprochen werden? Muss es nur ums Körperliche gehen? Martin hat – für mich – viel interessantere Probleme in seinen Büchern verpackt: Religion und “zivilisiert Wilde” sowie das Aufeinandertreffen von Kulturen allgemein. Und ein Aufeinandertreffen von Kulturen wie bei Dany und Drogo sollte sich doch nicht über die Hochzeitsnacht definieren – da wären mir andere Details lieber gewesen!

    Und jetzt bitte vorab Entschuldigung für meine Wortwahl:
    Was soll der Scheiß eigentlich mit dem der Mann ist stärker als die Frau und deswegen ist das realistisch? Das ist einfach nur eine durch unsere Gesellschaft (die eben von Männern regiert wird) eine Eintrichterung! Ich verspreche dir, dass Frauen heutzutage und auch schon im Mittelalter mehr drauf hatten als gut auszusehen und die Beine breit zu machen! Nur weil GRRM das geil findet, wenn eine 13jährige von nem Mann vergewaltigt wird (Entschuldigung, aber dein Interview ist für die Tonne, mir egal was die Schauspielerin sagt), heißt das doch noch lange nicht, dass er sich auch nur annähernd vorstellen kann, was in Dany vor sich geht! Ich bin mir ziemlich sicher, dass keine Frau solche Gefühle haben wird! Das ist genau der selbe Mist wie die Szene bei Peter Brett, bei der die Tussi (ich weiß ihren Namen nicht mehr) erst vergewaltigt wird und dann kurz drauf mit Arlen rumvögeln will. Das ist kranke Altmännerphantasie und sonst nix! Und genau darum geht es hier!
    Also lass doch einfach mal die “das ist doch realistisch bei Martin”-Keule stecken! Ist es nicht, egal was uns irgendwelche Reportagen erzählen wollen. Den Spruch “Hinter jedem starken Mann steht auch eine starke Frau” gibt es nicht umsonst!
    Nur so ganz am Rande: ich bin selbst männlich und hab Martin’s Bücher größtenteils mit Freuden gelesen. Nicht das es hier wieder irgendwie komische Ideen gibt…

  24. Hannah sagt:

    Frauen müssen auch für weitere kämpfende Nachkommen sorgen. Sterben sie an der Front, ist das wohl nicht so klug.

    Achja, genau.
    Wie gut, dass man zur Produktion von Nachkommen nur Frauen braucht. Oder war das mit dem nur andersherum?

  25. moyashi sagt:

    @darkul
    Wir sind in Westeros, aber nicht beim Kernthema des Artikels.

    Zu dem Punkt, dass du dich von meiner Aussage angegriffen fühlst: Wenn du bestimmte Standpunkte verbreitest und Ansichten vertrittst, dann tust du das auf persönlicher Ebene, aus persönlichen Vorlieben deiner Lektüre heraus und verfolgst eine ganz bestimmte, klare Linie in deiner Argumentation. Das erzeugt automatisch Vermutungen, ganz sicher nicht nur bei mir. Ich vermute auch weiterhin, dass du nicht weißt, was in diesen Frauen tatsächlich vorgeht, sonst würdest du nicht zu so unrealistischen Einschätzungen gelangen.
    Ein persönlicher Angriff war und ist das von meiner Seite aus nicht, eher im Gegenteil. Ich versuche zu verstehen und eine Erklärung dafür zu finden, wie du auf solche Ideen kommst, dass es realistisch sei, wie Dany in dieser Szene reagiert, fühlt und denkt. Es gibt natürlich die Idee von “nicht so schlimm wie …” die du hier versuchst überzeugend darzulegen um das “Schöne” an Martins Szene zu verteidigen, aber bildest du dir ernsthaft ein, das mache es besser? “Nicht so schlimm wie …” ist nicht = besser. Es ist immer noch verdammt miserabel und verändert den Menschen dahinter auf die gleiche Weise wie jeder andersartige sexuelle Übergriff. Martin schreibt hier eine Szene, in die er sich selbst nicht hineindenken kann, so sieht es leider aus. Er erschafft mit Dany eine Figur, die Täter- und Opferposition verbindet, sie erlebt Gefühle, wie sie ein Täter empfinden würde oder sich die Reaktion seines Opfers wünscht. Das hat auch Wulfila irgendwo schon mit anderen Worten versucht zu erklären. Ein echtes Opfer, hat niemals das Gefühl der Erleichterung, Zärtlichkeit oder Liebe in so einer Lage oder Wertschätzung für ihren weniger rauen Vergewaltiger. Es ist schon zu bezweifeln, dass sie es als “weniger rau” wahrnimmt.
    Verzeih mir dir Wortwahl, aber anzunehmen Martins Szene sei eine glaubhafte Schilderung, weil Dany ja eh schon “so kaputt” ist, das ist Bullshit und in sich schon paradox.

    Das Zitat der Schauspielerin? Kenne ich und lässt einen ebenfalls den Kopf schütteln. Aber Wirklich? Das soll jetzt was beweisen? Vielleicht hatte die Dame bisher Glück hatte und musste sich so wenig mit sexueller Gewalt auseinander setzen, dass ihr die Bedeutung einer Vergewaltigung gar nicht klar ist. Schön, wenn das mal der Allgemeinzustand wäre in der Welt, statt das Ergötzen an und reduzieren von Frauen die nicht mehr als sexuelle Objekte sein sollen. Derzeit ist diese Beschränkung auf das Sexobjekt in den Medien so stark wie lange nicht mehr und es ist ekelhaft.

    Und die Fragen des Artikels? Warum diese Rollenbilder so dominant in den Medien benutzt werden? – Bleiben weiterhin unbeachtet zugunsten einer Grundsatzdiskussion um die Schreibfähigkeit GRRMs.

    Edit: Ah, schön, dass sich auch mal ein Mann dazu äußert. Danke, Elric. 😉

  26. darkul sagt:

    Irgendwie reden wir aneinander vorbei, moyashi.

    Über Vergewaltigung denken wir gleich, aber vielleicht bekomme ich das nicht in die Worte, die du lesen möchtest.
    Martin will ich nicht verurteilen, nur weil er das vielleicht gern geschrieben hat oder anders denkt, als du und eine Menge andere Leser. Vermutlich aber verurteilt er das genauso in der Öffentlichkeit. Aber ich habe kein Problem damit, dass ich darüber lese und mir das bildlich so vorstelle, ob es mir nun schlecht dabei geht oder nicht. Das ist nunmal die Wirkung eines Buches, in das man sich hineinversetzt, auch wenn man die Protagonisten nicht versteht. Wenn eine Figur anders denkt und handelt als ich es würde, dann ist das besser als wenn ein Person einfach nur nach Schema F gut oder schlecht oder berechenbar ist.

    Niemand, außer eine vergewaltigte Frau kann nachempfinden, was wirklich dabei mit ihr geschieht. Niemand außer Leidensgenossen. Aber … wir versuchen zu verstehen. Auch du. Aber so wie du redest hat du entweder tagtäglich damit zu tun, sonst würdest du mir nicht mangelnde Erfahrung in dieser Hinsicht vorwerfen.

    Was Dany betrifft, dann tut es mir leid, dass es für manche Leser oder Leserinnen unglaublich ist, über so etwas zu lesen oder gar die von Martin angedichtete Reaktion Danys auf die Vergewaltigung zu glauben. Sie ist nicht real und doch könnte, könnte, könnte vieles dazu geführt haben, dass sie irgendwo abgeschaltet oder bewusst gehandelt hat (im Buch).

    Ich weiß wirklich nicht, was du an dieser Herangehensweise so verwerflich findest. Bestens wäre, ich hätte nichts geschrieben … oder … ich finde es ekelhaft und erniedrigend und frauenfeindlich. Aber das ist zu einseitig auf die komplexen Vorgänge vor, während, nach der Vergewaltigung reduziert und das allein reicht nicht.

    Die Aussage der Schauspielerin sollte nichts beweisen, sondern zeigen, dass die Truppe sehr wohl darüber nachgedacht haben, die Szene nicht so verschwommen darzustellen, sondern klar und einfach eine Vergewaltigung daraus zu machen. Damit auch keiner mehr anders darüber denkt. Hätte man das wie im Buich dargestellt, würden die Bilder Zweifel über den gnadenlosen Akt aufkommen lassen. Allerdings, warum Dany sich danach wirklich zu Drogo hingezogen fühlt, wird in der Serie nicht wirklich aufgeklärt.

    Ob man diese Szene und den massig anwesenden Sex, der viel zu sehr ein Thema ist und scheinbar in den meisten Serien essentiell wichtig, wie ihn GoT, Rome oder Spartacus so sehr zeigen müssen, ist eine andere Frage und wurde andernorts auch mit den Regisseuren diskutiert. Einer davon war schockiert, so viele “Freiheiten” zu haben. Mir ist das auch zuviel. Glaub mir. Es hätte auch weniger mehr sein können.

    Können wir nicht etwas weniger kontra-argumentativ sein?
    Das kostet mich echt Nerven, mich wegen meiner etwas anderen Ansicht so verteidigen zu müssen.

  27. Anubis sagt:

    Was mich auch hier wieder erstaunt, ist die Beliebigkeit der Argumente, die zur Begründung dessen herangezogen werden, dass in ASoIaF bzw. in GoT alles so sein soll, wie es ist. Einerseits wird mit der Begründung „Es ist halt Fantasy“ gesagt, dass Mr. Martin sich seine fiktive Welt so patriarchal und sexistisch vorstellen darf, wie er will. Und andererseits wird mit dem Anspruch „Es muss schon realistisch sein“ implizit gesagt, dass die fiktive Welt irgendeiner verschwommenen Auffassung von Wirklichkeitsnähe (in der Frauen meist schwach, Männer meist stark und andere Geschlechtsidentitäten nicht existent sind) genügen muss. Beide Argumente, werden sie nebeneinander gestellt, heben sich gegenseitig auf. Sie begründen nichts, sondern entlarven eigentlich nur.

  28. darkul sagt:

    Die beiden Aussagen sind auch zu weit entfernt und heben sich wirklich auf. Aber ein Fantasy-Buch kann es beim Leser schaffen, dass man die Welt darin als relativ real empfindet, auch wenn nichtrealistische Dinge geschehen. Das ist meiner Ansicht nach ein feiner und gleichzeitig bedeutender Unterschied und nicht nur ein Mittelweg zwischen “Fantasy” und “realistisch”.

    Wenn man es aber genau betrachtet, gilt nur die erste Aussage. Die zweite ist eigentlich für ein Fantasy-Buch nahezu unmöglich.

    Das entlarvt aber auch nichts, denn man weiß doch, was man liest.
    Oder ist es schlimm, dass einem Pseudo-Realismus vorgegaukelt wird und man es fast als real betrachten könnte?

  29. Timpimpiri sagt:

    Wenn man in Betracht zieht, das jeder Mensch sich seine eigene Wirklichkeit konstruiert, indem er die Informationen aus der Welt so auswählt und anordnet, wie er sie haben möchte, ist auch klar, dass man das beim Lesen eines Romans genauso macht. Du willst einfach, Drakul, dass die Vergewaltigungsszene plausibel und für die Frau sinnvoll verläuft, genauso, wie ich und andere dies nicht erkennen wollen und/oder können.

    Tatsache ist, dass hier ein Mann über die Gefühle einer Frau während einer Vergewaltigung und ihren Umgang damit schreibt und dies per se Informationslücken en masse in sich trägt – wer das nicht erkennen kann, will es nicht erkennen und weigert sich zu akzeptieren, dass das Nachempfinden der Vergewaltigung einer Frau mit ihrer spezifischen körperlichen Beschaffenheit gar nicht von einem Mann geleistet werden kann. Ein Mann kann da nur Hypothesen anstellen, Vergleiche ziehen – und wird der Wahrheit dennoch niemals wirklich nahekommen. Das sollte man immer im Kopf behalten, wenn man dazu neigt, etwas als “Realität” zu bezeichnen, ob heute oder gestern.

    Tatsache ist auch, dass die Medien sich den sexuellen Aspekt mehr bewahren wollten als die Treue zum Buch (Erhöhung des Alters von 13 auf 18). Das ist für mich ein Unding, eine unerträgliche Beschönigung. Der Autor hat geschrieben, was er geschrieben hat. Er wollte es schreiben, sonst hätte er es nicht getan. Dazu muss er auch stehen. Aber Sex sells, und das mehr denn je. Also wird das Werk so hinkonstruiert, dass es der Zuschauerschaft genehm ist.

    Und dann noch was zu den starken oder nicht starken Frauen und Männern. Du hast mich nicht verstanden, Drakul. Das Prinzip, das ich angesprochen habe, liegt jenseits von “um eine Tischtennisplatte herumlaufen und Bälle schmettern” oder ähnlichen Sportarten. Was ich meine, ist ein völlig anderer Umgang mit dem Körper und dem Freisetzen von eigener Energie und dem Umgang mit fremder Energie. Leider, das gestehe ich zu, kann man das aber erst dann richtig begreifen, wenn man es selbst erlebt. Die “Schwachheit der Frauen” ist jedenfalls eine konstruierte Größe unserer Kultur, die zwar schon Jahrtausende währen mag und alle möglichen kruden Formen angegenommen hat, aber darum nicht richtiger wird. Wenn ich natürlich schon kleine Mädchen dazu zwinge, ihren Körper nicht richtig zu benutzen (Toben, Stürmen z.B.) und sie recht schnell mit Ängsten im Sexuellen Bereich (nicht mit jedem mitgehen z.B:, wachsam sein) und der medialen Gestaltung des Frauseins in unserer Gesellschaft konfrontiere, OHNE ein deutliches Gegenmodell zu zeigen und zu leben, wird sie an ihre eigenen eigentlichen Kräfte kaum herankommen, sondern in sich verbergen.

  30. Elric sagt:

    @Anubis: Hach, sehr schön passend auf den Punkt gebracht, was ich oben auch irgendwie verpackt hatte (oder sagen wollte, mir aber in meinem Geschreibsel irgendwie entgangen sein könnte…)
    Genau das ist der Haken: wir wollen es so realistisch wie nur möglich, haben aber eben Stellen, die sich mit so gut wie keinem Realismus decken können.

    @Moya: Gern geschehn. War mir auch wichtig, dass ihr (Frauen) für euch nicht alleinig sprechen müsst, weil’s ja sonst wieder auf euch zurückfallen würde. (von Personen, die das eben anders sehen…) Das war der einzige Grund, weshalb ich mich äußern wollte.

    Nochmals zum Thema: und da greif ich wirklich mal die Frage von darkul auf: Warum müssen diese Szenen so ausgewaltzt werden? Warum nicht einfach weniger als mehr zeigen? Man merkt doch auch im Kontrabeispiel “Hunger games”, dass es auch ohne diese Szenen geht.
    Dazu fällt mir dann doch das eine oder andere noch ein:
    Selbst in den “ganz normalen Tagesnachrichten” wie beispielsweise auf ARD oder ZDF bekommt man heutzutage Bilder von den Blutlachen nach einem Anschlag zu sehen, genauso wie vielleicht mal den Teil einer Leiche. Wenn ich mir überlege, dass solche Aufnahmen vor ca. 15 Jahren den Privatsendern “vorbehalten” waren. Die Nachrichten hatten trotzdem eine Aussagekraft und haben alle Informationen übermittelt.
    Leben wir mittlerweile in einer solch abgestumpften Welt, dass man nur noch von reißerischen Bildern zum Zusehen animiert wird? Hat sich unsere Gesellschaft schon so sehr viel weiterentwickelt?
    Oder als Buchgegenüberstellung: Martin mit seinen Sexszenen im Kontrast zu Jordans WoT, bei dem die Männer schon anfangen zu schwitzen, wenn nur der Ansatz von Busen gezeigt wird oder der Rock mal nicht bis zum Boden reicht. Und, ganz ehrlich: die Geschichte von Jordan ist sicher nicht nur schwarz-weiß, aber trotzdem ist alles nachvollziehbar.
    Bedient Martin sich einfach nur plakativer Bilder, weil er das selbst will, weil seine Berater das wollen oder weil es sich sonst nicht verkaufen würde? Er kann ja sehr gut schreiben (das möchte ich auf jeden Fall betonen!), aber macht er es sich möglicherweise mit Absicht so schwer mit seinen Rollen?

  31. Anubis sagt:

    @darkul:

    Ich glaube, hier liegt eine Vermischung zweier unterschiedlicher (um nicht zu sagen inkompatibler) Begriffe von Realismus vor. Realismus in der Literatur bedeutet zunächst einmal nur, dass die geschilderten Personen und Ereignisse möglichst „echt“, stimmig und lebendig erscheinen sollen. Gemeint ist damit nicht, dass Literatur ein Abziehbild der außerliterarischen, empirisch wahrnehmbaren Wirklichkeit sein soll. Es geht eher um die Erzeugung eines Eindrucks von „Echtheit“ mit literarischen Mitteln. In diesem Sinne ist jede Literatur bis zu einem gewissen Grad realistisch (mal mehr, mal weniger). Das gilt auch für solche Literatur, in der übernatürliche Ereignisse geschildert werden – die Epoche des literarischen Realismus schlechthin, das 19. Jahrhundert, war bemerkenswerterweise ja auch eine Hochzeit der Gespenstergeschichte.

    Daneben gibt es auch einen eher alltagssprachlich geprägten Gebrauch des Wortes Realismus, der etwa das abdeckt, was der im vorigen Absatz angesprochene Begriff nicht meint: Eine nüchterne Darstellung der (empirischen) Wirklichkeit, die sich mit dieser Wirklichkeit möglichst decken soll. Auch dieser alltagssprachliche Wortgebrauch wird oft auf Literatur angewandt, wenn z.B. Romane, die gesellschaftliche Probleme behandeln, als „sozialrealistisch“ bezeichnet werden. Die Annahme, Literatur könne auf eine so naive und unvermittelte Art und Weise die außerliterarische Wirklichkeit wiederspiegeln, ist aber eine höchst problematische, die außer Acht lässt, dass Literatur (ganz gleich, welcher Art) immer ihre eigene Wirklichkeit konstruiert.

    Letzteres ist der Hauptgrund dafür, warum Argumentationen, denen zufolge etwa Frauen in der Literatur als körperlich schwach dargestellt werden müssten, weil sie auch „in Wirklichkeit“ schwächer als Männer seien, eigentlich nie so richtig funktionieren. Um so seltsamer, dass gerade in Bezug auf Fantasy, die ja viel deutlicher als andere Literaturen ihre eigene Wirklichkeit kreiert, in schönster Regelmäßigkeit so argumentiert wird.

  32. moyashi sagt:

    darkul, du vertsehst mich ebenfalls falsch. Ich greife dich nicht an, noch werfe ich dir etwas vor. Ich sehe dass du einen Unterschied zwischen Buch und eigener Denkweise machst, das Problem ist, dass du zwei gegensätzliche Dinge aus unterschiedlichen Beweggründen heraus verteidigst. Ich betrachte es als gefährlich wenn eine Vergewaltigungsszene die nicht der weiblichen Perspektive entspricht, aus Sicht eines Mannes als schön, zärtlich und willkommen geschildert und so verstanden wird. Indem du diese Szene als realistisch bezeichnest und sie öffentlich verteidigst, lässt du einem an sich keine andere Wahl als dagegen zu argumentieren und dir in einem hoffnungslosen Versuch zu sagen, wie falsch diese Szene ist. Sowohl in ihrer Beschreibung, als auch in ihrer Wirkung. Es spielt keine Rolle ob Martin das gut beschreibt oder tatsächlich ernst meint, es geht hier allein um den falschen Eindruck der erschaffen wird und an Leser weitergegeben wird. Es ist eine Buchwelt, aber auch Bücher prägen Ideen die in anderen Köpfen keimen. Es ist eine Sache zu schreiben “er vergewaltigte sie in der Hochzeitsnacht” und eine ganz andere die Vergewaltigung in allen Details zu beschreiben und auch noch falsche Annahmen der Reaktionen des Opfers als wahr zu verkaufen. Denn es gibt sie, die Leser, die diese Dinge tatsächlich für wahr halten und sich bestätigt fühlen. Die Tatsache, dass du und auch andere Leser diese Auffassung dieser Szene haben (auch wenn du im echten Leben eine Vergewaltigung niemals gutheißen würdest, das habe ich verstanden), zeigt nur wie dringend man sich dazu äußern muss, um nicht den Irrglauben weiter zu stärken, Frauen könnten unter weiß Gott wie vielen Umständen so empfinden wie Martin es schildert. Und noch einmal: es geht hier nicht allein um Martin, ursprünglich nicht einmal speziell um diese eine Szene.

    Ob ich täglich damit zu tun habe? Jein. Auf jeden Fall häufig genug und öfter als mir lieb ist. Selbst war und bin ich weiterhin in der Lage mich zu verteidigen (deswegen sprach ich eingangs so überzeugt davon, dass Frauen nicht grundsätzlich körperlich unterlegen sind – was uns an Muskelmasse fehlt, können wir durch Technik und Geschick ausgleichen). Ich habe aber schon genug Freundinnen und Bekannte erlebt, deren Leben durch diese Vorfälle völlig anders verlaufen ist als sie es sich wünschen, deren Persönlichkeit sich darunter sehr stark verändert hat und die trotz ihrem Überlebenswillen und der Weigerung sich ihr Leben davon völlig zerstören zu lassen, negativ verändert haben. Sowohl für sich selbst negativ, als auch für die Menschen die versuchen mit ihnen gemeinsam zu leben und immer wieder an unerwartete Hürden gelangen. Diese Opfer verlieren ein Stück von sich selbst und werden das Gefühl von Schmutz auf sich nie völlig los, auch wenn sie höllisch stark sind und man manchmal kaum noch glauben kann, was sie einmal erlebt haben. Es macht Frauen aber auch allgemein bitter und dem anderen Geschlecht gegenüber misstrauisch, wenn sie in den Medien verstärkt als dummes, schwaches, geiles Ding gezeichnet werden. Das ist für beide Geschlechter schädlich. Wie du schon bemerkt haben wirst, bin ich durchaus auf einer feministisch zu nennenden Schiene unterwegs und ich weiß die meisten belächeln das, beschimpfen einen als frigide Emanze, manchmal wird man dafür bedroht und manchmal beleidigt. Allerdings betrachte ich den Feminismus nicht als reinen Kampf für die Rechte der Frauen, sondern auch für die Wahrnehmung der Männer. Wollen Männer tatsächlich alle über einen Kamm geschoren werden, als das triebgesteuerte Monster, ohne Herz und Verstand nur weil einzelne sich so präsentieren? Ich glaube nicht. Es gibt viele Männer die bereits im aktuellen Zeitalter angekommen sind, die durch ihre weniger fortgeschrittenen Kollegen aber mit verurteilt werden. Auch das ist nicht korrekt.

    Wenn ich z.B. Spartacus sehe, kommt mir die Galle hoch und jeder Mann macht dann in nächster Zeit besser einen weiten Bogen um mich. Wie Frauen dort behandelt und gezeigt werden, wie man ihre gepeinigten Gesichter in Szene setzt und als Rechtfertigung sagt “das ist um zu zeigen, wie schrecklich das war! Wir halten uns nur an die historische Vorlage!” Nein. Es wird gezeigt um Sex zu zeigen und in diesem Fall, Dominanz beim Sex. Sex sells und je schmutziger und gewalttätiger er ist, desto besser. Das ist extrem traurig für unsere Gesellschaft und für das, wozu man Frauen und Männer machen will, wo man sie sehen will, wozu man sie erziehen will. Guck dir als modernes Beispiel auch mal Germanys Next Top Model an. Die Mädels sollen gut aussehen und gehorchen, ihre eigenen Überzeugungen und Hemmschwellen aufgeben und keine eigene Meinung haben. Intelligenz ist auch nicht nötig, lieber noch einmal den Lidstrich nachziehen. Dazu werden junge Mädchen derueit wieder verstärkt erzogen. Sie werden geprägt pink zu lieben und sie werden geprägt Angst vor Männern zu haben. Darauf werden auch Jungs geprägt. Mädchen sind schwach, wollen sexy und begehrt sein, lieben Pink und Glitzerkram. In allen Formaten wird der Kampf zwischen den Geschlechtern zum Aufhänger. Das ist rückständig und ziemlich ermüdend, wenn man überall damit konfrontiert wird.

    Generell zeichnen auch Bücher und Serien wie GoT, Spartacus & Co. das Bild der Frau entweder als Sex-Sklavin oder als hinterhältige Schmiederin von Intrigen. Hauptsächlich sind diese Bilder negativ und das ist ganz einfach schade und wenig hilfreich für ein entspanntes Miteinander unter Männern und Frauen. Fantasy bietet dabei soviel mehr Möglichkeiten als andere Genres und besäße die Möglichkeiten eine Gesellschaft zu zeichnen in der sexuelle Gewalt und patriarchalische Herrschaftsform nicht Alltag sind, doch es wird selten genutzt.

    So. Das war jetzt mal richtig off-Topic und es ist für mich ebenfalls sehr anstrengend, gefühlt gegen eine Wand zu reden. Manchmal müssen solche Diskussionen dennoch geführt werden.

  33. Elric sagt:

    Endlich bringt’s jemand auf den Punkt! Sehr gut, Moya!
    Ja, genau das ist das Problem: Frauen sind Objekte für die ach so tollen Männer und sollen hübsch sein und den Mund halten. Ekelhaft! Und da frage ich mich wirklich, weshalb solche Sachen propagiert werden!

    Versteht mich nicht falsch, ich schau mir als Mann auch gerne ne hübsche Frau an, aber doch bitte nicht plakativ und abstoßend!

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