Zum Gedenken an Roger Zelazny

Bibliotheka Phantastika erinnert an Roger Zelazny, der heute 75 Jahre alt geworden wäre. Seine professionelle literarische Karriere begann der am 13. Mai 1937 in Euclid, Ohio, geborene Roger Joseph Zelazny Anfang der 60er Jahre mit Erzählungen in amerikanischen SF-Magazinen wie Amazing Stories oder The Magazine of Fantasy & Science Fiction, und er machte sich mit Geschichten wie “A Rose for Ecclesiastes” oder “The Doors of His Face, the Lamps of His Mouth” schnell einen Namen als der (neben Samuel R. Delany und Harlan Ellison) wichtigste Vertreter der amerikanischen New Wave. Schon in seinen frühen Erzählungen lässt sich sein Hang zu archetypischen Figuren und Motiven feststellen, und in seinem ersten Roman This Immortal (1966), der Erweiterung einer unter dem Titel “… And Call me Conrad” im Jahr zuvor erschienenen Novelle, begegnet man mit dem Titelhelden Conrad Nomikos einer Figur, für die Zelazny ein besonderes Faible gehabt zu haben scheint und die in seinem Oeuvre in den verschiedensten Ausprägungen immer wieder auftaucht: dem selbstironischen, unsterblichen, romantischen und überaus klugen Helden, der zugleich auch eine Art Witzbold ist (und damit in der Tradition des mythologischen Tricksters steht).
Lord of Light von Roger ZelaznyTrotz eines eindeutigen SF-Hintergrunds lässt sich Lord of Light (1967) problemlos als Fantasy lesen. Die Geschichte einer Clique von Unsterblichen, die sich zu zu einem Pantheon von Hindu-Göttern gemacht hat, die über die menschlichen Kolonisten einer fremden Welt und deren Eingeborene mit wirklich gottgleicher Macht herrschen, bietet darüber hinaus eine stilistisch brillant geschriebene, faszinierende Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn und den Gefahren von Religionen und Mythen. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in Creatures of Light and Darkness (1969), wobei in diesem Fall die ägyptische Mythologie den Hintergrund abgibt; Jack of Shadows (1971) wiederum spielt auf einer nicht rotierenden Welt, auf deren Lichtseite eine technisch geprägte Kultur entstanden ist, während die dunkle Seite von Magie beherrscht wird.

In Nine Princes in Amber (1970), dem ersten Band der (ersten) fünteiligen Chronicles of Amber, verzichtete Zelazny schließlich auf einen wie auch immer gearteten SF-Hintergrund und wandte sich der reinen Fantasy zu. Wobei Corwin, der Held der ersten Sequenz – der anfangs unter Amnesie leidend in einem irdischen Krankenhaus erwacht und sich recht bald als einer der Söhne von König Oberon von Amber entpuppt – ebenfalls eine Figur mit Trickster-Zügen ist, was nicht zuletzt dadurch deutlich wird, dass er in dem für die Chroniken wichtigen Tarot-Spiel durch die Karte des Jokers repräsentiert wird. Nine Princes und die Folgebände (The Guns of Avalon (1972), Sign of the Unicorn (1975), The Hand of Oberon (1976) und The Courts of Chaos (1978)) erzählen vordergründig die Geschichte eines Nine Princes of Amber von Roger ZelaznyErbfolgestreits in Amber – der einzigen wirklichen Welt, wohingegen Welten wie unsere Erde und unzählige andere nur Schattenwelten sind – um die Nachfolge des vermissten Oberon. Unter dieser Oberfläche spielt Zelazny allerdings u.a. mit den Theorien C.G. Jungs ebenso wie mit dem Yin-und-Yang-Prinzip der asiatischen Mythologie. In Amber ist Vieles nicht so, wie es scheint, und selbst um die Realität der einzig wahren Welt ist es nicht ganz so bestellt, wie es anfangs aussieht. Im Vergleich zu den fünf Bänden um Corwin fällt die zweite Amber-Sequenz – die sich um Corwins Sohn Merlin dreht – spürbar ab. Andererseits lassen sich Trumps of Doom (1985), Blood of Amber (1986), Sign of Chaos (1987), Knight of Shadows (1989) und Prince of Chaos (1991) zumindest im Original immer noch gut lesen, denn auch wenn den Romanen die tiefgründigere Ebene der ersten Chroniken deutlich abgeht, bieten sie immer noch erzählerisch und stilistisch saubere – wenn auch ein bisschen zu glatte – Unterhaltung.
Changeling (1980) hat eine ähnliche Ausgangssituation wie Nine Princes, denn auch bei Pol Detson handelt es sich um einen Helden, der aus seiner Heimat auf die Erde verbannt wurde und nun versuchen muss, zurückzukehren; allerings findet sich in diesem Roman und seiner Fortsetzung Madwand (1981) nicht viel mehr als oberflächliche, abenteuerliche Action. Mit Dilvish schuf Zelazny seinen eigenen Sword-and-Sorcery-Helden, der in einem Roman (The Changing Land (1981)) und einer Reihe von Erzählungen (gesammelt in Dilvish the Damned (1982)) seine Abenteuer erlebt. Thematisch bieten diese Geschichten meist wenig Aufregendes – wobei ein aus der Hölle geflohener Held, der ein aus Metall bestehendes Streitross reitet, zumindest in den 80ern durchaus orginell war – doch auch in ihnen gelingt es Zelazyny immer wieder, beeindruckende Bilder heraufzubeschwören.

Neben einer Reihe von Kurzgeschichtensammlungen wie u.a. The Last Defender of Camelot (1980) oder Unicorn Variations (1983), in denen sich ebenfalls Fantasystories finden lassen, sollte man vielleicht noch den in Zusammenarbeit mit Fred Saberhagen entstandenen Roman The Black Throne (1990) erwähnen, in dem Edgar Allan Poe es mit einer Alternativwelt – und seinem dortigen Pendant – zu tun bekommt, sowie die mit Robert Sheckley verfasste Reihe um den Dämon Azzie Elbub, der sich immer wieder aufs Neue als Versucher der Menschen erweist (Bring Me the Head of Prince Charming (1991), If at Faust You Don’t Succeed (1993) und A Force to be Reckoned With (1995)), und den – vor allem von seinem tierischen Erzähler lebenden – schrulligen Gaslichtroman A Night in the Lonesome October (1993).
Es deutet manches darauf hin, dass Roger Zelazny nach einer etwas schwächeren Phase vor allem in den 80ern allmählich wieder zur Klasse seiner frühen Werke zurückgefunden hätte, und eine Handvoll nach den zweiten Chroniken spielende Amber-Kurzgeschichten nähren die Vermutung, dass er noch einen dritten Amber-Zyklus schreiben wollte, doch dazu ist es leider nicht mehr gekommen, denn am 14. Juni 1995 ist er nach längerer Krankheit an Krebs gestorben. Was bleibt, sind ein knappes Dutzend Kurzgeschichten und vielleicht ein halbes Dutzend Romane, die mit zum Besten zählen, was die SF und die Fantasy jemals hervorgebracht haben. Und zumindest im Original ist der größte Teil seines Oeuvres auch einfach stilistisch ein Genuss. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, liegen Roger Zelaznys SF- und Fantasyromane und -erzählungen fast alle auf Deutsch vor (auch wenn manche Übersetzungen dem Original leider nicht gerecht werden und eine Neuübersetzung bzw. überarbeitete Neuausgabe heutzutage wenig wahrscheinlich erscheint).

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