Mein Leben in Tolkienjahren

Zum 120. Geburtstag des Großmeisters begebe ich mich auf eine Reise in die Vergangenheit: Als ich 12 Jahre alt war, gab es einen Wendepunkt in meinem Leben, und anstatt ein normaler Teenager zu sein, beschloss ich, Tolkienaer zu werden. Eine kurze Geschichte einer Begeisterung.

1989-2000 – Das dunkle Zeitalter

2001 – Im Zuge der Verfilmung des ersten Bandes erscheint die „Sonderausgabe zum Film“ von Die Gefährten; meine ahnungslosen Eltern schenken mir ein Exemplar davon zu Weihnachten. Das Buch wird verschlungen, um Nachschub wird gebettelt.

Im Bild leider nicht zu erkennen: der Saruman'sche Lichteffekt.

2001, etwas später – In Überraschungseiern finden sich Miniaturen von Frodo & Co. Die Sammlung habe ich nie vervollständigt, da mir die Schokolade nicht schmeckte; doch immerhin schmückten Arwen, Boromir, Galadriel, Baumbart ohne Arme, Aragorn, Saruman mit leuchtendem Palanthir, und Legolas fürderhin mein Regal.

Der Eine Ring! In 3D! In meinem Regal! Es war phantastisch.

2001-2002 – Der knallharte Handel mit Herr-der-Ringe-Sammelkarten aus Kelloggs-Müslipackung beginnt, das Klassenzimmer wird zum Marktplatz. Am Handel und an der Manie beteiligt sich nur eine einzige Mitschülerin, doch die 3D-Effekte der Karten beeindrucken selbst gestandene Zweifler.

2002Die zwei Türme und Die Rückkehr des Königs finden Einzug ins familiäre Bücherregal. Keine Macht der Welt kann meine hingebungsvolle Begeisterung für Mittelerde danach noch stoppen. Um Nachschub wird gebettelt.

2002, nur etwas später – Endlich alt genug, um in Begleitung  meines Vaters die ersten beiden Filme anzuschauen. Bei Orks schaue ich grundsätzlich weg.

2002, noch später – Ich bekomme Der kleine Hobbit geschenkt und bettle um Nachschub.

2003 – Die Kelloggskartenduelle werden beigelegt und mit der Mitsammlerin besuche ich das Triple-Feature zur Premiere von Die Rückkehr des Königs. Ausgerüstet mit zwei Thermoskannen Schwarzen Tees, einer schriftlichen Erlaubnis der Eltern (die Veranstaltung war aufgrund ihrer Spielzeit bis 4 Uhr Morgens erst ab 18) und selbst zusammengestellten, kurz vor dem Kino jedoch verschämt weggepackten Elbenkostümen gaben wir uns 9,3 Stunden der Illusion hin, nach all den fruchtlosen Versuchen tatsächlich den Weg nach Mittelerde gefunden zu haben.

2004 – Mit der Hilfe meiner Brüder programmiere ich im Rahmen eines HTML-Informatikunterrichtprojektes die Seite www.willkommen-in-gondolin.de, die trotz hartnäckiger Bemühungen nie das „Hello World!“-Licht erblickte. Als mitfühlende Belohnung bekommen wir von unseren Eltern den Schmuckschuber mit den Verschollenen Geschichten, dem Silmarillion und dem Handbuch der Weisen geschenkt. Ich verbringe Wochen damit, die Geschichten wieder und wieder zu lesen. Um Nachschub wird gebettelt.

2005-Heute – Biographien, Soundtracks, Elbisch-Lernbücher, Sammelausgaben, Sekundärliteratur …Anfangs wird das Taschengeld geopfert, später das Bafög. Für mich kann es nicht genug Literatur von und über Tolkien geben.

2007 – Mit meiner Sammelkartenfreundin besuche ich die Herr-der-Ringe-Ausstellung im Filmstudio Babelsberg (und außerdem das erste Mal Berlin, woran ich mich jedoch nicht erinnere). Der Anblick des lebensechten Modells des im Schiff aufgebahrten Boromir verfolgt mich wochenlang.

2007, etwas später – In einer Deutschklausur in der 12. Klasse benutze ich eine aus dem Gedächtnis beinah richtig zitierte Textstelle aus Der kleine Hobbit und erlange damit die volle Punktzahl [Anm.d. Autorin: nach langer Suche habe ich den Originalaufsatz in meinem Hefter wiedergefunden. Einsicht nur auf dringliche Anfrage.]

Manche der Autogramme kann ich bis heute nicht entziffern. Vielleicht ist es auf elbisch.

2008 – Ich besuche „Herr der Ringe – das Konzert“ in Leipzig und wähne mich mit geschlossenen Augen einmal mehr in Mittelerde.

2010 – Ich bekomme von meinem Freund die langersehnte Caroux-Übersetzung in edler Ausgabe zu Weihnachten geschenkt. Damit ist eines klar: es wird geheiratet.

2011 – Mit den Worten Tolkiens bitten wir zum „langerwarteten Fest“.

Januar 2012 – Ich durchwühle Erinnerungskisten und staubige Schubladen nach allen Erinnerungsstücken meiner Tolkienmanie, werde mehr als fündig, schreibe diesen Artikel und werde nun einmal mehr ins Silmarillion hineinlesen. Wer kennt sie nicht, die unzähligen Ausflüge nach Mittelerde, getragen von Worten, Musik oder Bildern? Seine für mich schönsten Worte haben mich den größten Teil meines Lebens begleitet, und ich bin dankbar für die Abenteuerlust, die sie immer wieder aufs neue erwecken:

Die Straße gleitet fort und fort,
Weg von der Tür, wo sie begann,
Weit überland, von Ort zu Ort,
Ich folge ihr, so gut ich kann.
Ihr lauf ich raschen Fußes nach,
Bis sie sich groß und breit verflicht
Mit Weg und Wagnis tausendfach.
Und wohin dann? Ich weiß es nicht.

Ein Ort der stillen Huldigung.

2 Kommentare zu Mein Leben in Tolkienjahren

  1. TeichDragon sagt:

    Bei diesem Eintrag fällt mir nur eins ein:
    “Um Nachschub wird gebettelt.” 😉

  2. Elric sagt:

    Und der Nachschub wird regelmäßig geliefert – ein Grund mehr für Klett-Cotta! 😀
    Ich hab auch im gleichen Alter angefangen und kann dich gut verstehen, Colo!
    Allerdings durfte ich mir alle Filme ohne Erlaubnis ansehen! 😉

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