Die Angst der Verlage vor den Kunden

oder: E-Publishing und die Konsequenzen

Es ist ja schon faszinierend.
Seit Monaten, ja inzwischen schon Jahren, redet alle Welt über E-Publishing, digitale Bücher und den Verkauf eben dieser digitalisierten Inhalte. Leider reden alle durcheinander, viele reden völligen Humbug und den Kunden betrachten die Verlage scheinbar überhaupt nicht. Letzter Schrei (der mir persönlich als IT-Administrator seit rund 1 1/2 Jahren nur noch Kopfschmerzen, hochgerollte Zehennägel und allgemeinen Brechreiz beschert) ist jetzt die Cloud. Es ist schon faszinierend, wie in den Köpfen mancher Führungsetagen die Marketing-Experten von Cloud-Anbietern ihre Lösung als den Heilsbringer der IT etablieren. Ich rate dringend dazu, sich mal die datenschutzrechtlichen Hintergründe zu Clouds und Datenverarbeitung näher anzuschauen. Hier scheint mir ein eklatantes Defizit bei manchen Leuten vorzuherrschen.

Aber zurück zum Thema.

Zäumen wir das Pferd doch einmal von hinten auf.
Wenn ich heute ein Buch kaufe, ist es dem Buch (und dem Verlag) komplett egal, ob und wieviele Computer ich habe. Und welche Betriebssysteme darauf laufen. Sei es Windows, Macintosh oder Linux oder noch etwas ganz anderes. Ich klappe das Buch auf und kann es lesen. Ähnliches gilt heute für CDs. Nach einigen Versuchen DRM dort zu etablieren, kann ich heute die CDs wieder in jeden Computer, jedes Abspielgerät einlegen und mir die Musik anhören. Und nach diversen Pech und Pleiten mit DRM-Systemen bekommt man heute eigentlich auch nur noch MP3s mit Wasserzeichen, die quasi überall abspielbar sind. Seien sie auf CD gebrannt, seien sie auf einem Windows, Mac oder Linux-System. Ich kopiere die MP3-Datei und kann sie abspielen.

Nur die Verlage zackern immer noch mit dem Schutz ihrer Inhalte herum, und das aus meiner Sicht völlig unnötigerweise.

Ich stelle mal ein paar einfache Thesen auf:

DRM verhindert keine Raubkopien
Bisher verhindert kein einziges DRM-System die Erstellung und Verbreitung von illegalen Kopien. Wer sich nicht um Rechte von Verlagen schert, wird auch nicht von wie auch immer gearteten Schutzmechanismen abgeschreckt werden. Oder man denke an die letzten Harry Potter-Romane. Innerhalb eines Tages waren diese eingescannt und als E-books über einschlägige Tauschbörsen verbreitet worden. Solange es noch richtige Bücher gibt, kann dies kein Verlag der Welt verhindern. Warum also der ganze Aufwand mit DRM-Systemen?

DRM ist zu kompliziert und de facto tot.
Es hat nie funktioniert und es wird auch bei Büchern nicht funktionieren. Nicht umsonst haben sogar die letzten großen Anbieter von Musik-Downloads ihre DRM-Systeme abgeschafft. Der Kunde kommt damit nicht klar. Schon gar nicht, wenn es zig verschiedene Lösungen von zig verschiedenen Verlagen gibt. Es macht nur Probleme und es reicht eben nicht, einfach mal kurz ein DRM-System zu etablieren. Man braucht die Infrastruktur, Hotlines für die Kunden und vor allem die bisher nicht vorhandene Kunden-Akzeptanz. Einzig und allein Audible hat es noch all die Jahre geschafft, seine Hörbücher mit DRM zu verkaufen. Was allerdings daran liegt, dass Audible hier in Deutschland eine Monopol-Stellung besitzt, was die Verlage ja nun langsam auch mit mehr und mehr unwilliger Stimmung betrachten.

Der Kunde will ein Produkt kaufen, keinen “Content”.
Den Marketing-GAU als Amazon in den USA kurzerhand E-books von George Orwell aus der Ferne gelöscht hat, wird jeder mitbekommen haben. Und was macht der Kunde, wenn der Content-Anbieter nicht mehr existiert? Wer garantiert mir, das der Verlag/Anbieter auch in 10, 15, 20 Jahren noch auf dem Markt ist? Sicherlich ist die Gefahr bei den großen Verlagen eher gering. Aber was ist mit E-books von mittleren oder gar Kleinst-Verlagen? Und warum soll ich den Verlagen die Hoheit über “meine” Bücher überlassen? Möchte der Kunde wirklich, dass sein Buch eben mal vom Verlag auf die Version 1.1 “upgedatet” wird und so eventuell bei Tom Sawyer alle Neger verschwinden?

Fazit: DRM ist aus meiner Sicht die ungeeignetste Lösung eine Akzeptanz der Kunden zu gewinnen. Ich selber würde mir jedenfalls keine dermaßen “geschützten” Inhalte kaufen, wobei schon einige digitalen Bücher mit Wasserzeichen auf meiner Festplatte liegen.

7 Kommentare zu Die Angst der Verlage vor den Kunden

  1. Pogopuschel sagt:

    “Cloud” – bei uns auf dem Dorf nennt man so etwas Bücherei. Da gibt es einen ganzen Pool von Content auf den jedes Member zugreifen kann, und nach Nutzung wieder dort ablegt.
    Zum Kopierschutz: Eigentlich müssten die echten Bücher auch Kopier- Verleihgeschützt werden. Sprich, nur wenn der ursprüngliche Käufer das Buch in der Hand hat, lässt es sich lesen – für alle anderen gibt es einen saftigen Stromschlag.
    Aber das der Kunde der Feind ist, kennt man ja schon aus der Computerspielbranche. Da werden eben nur die ehrlichen Käufer mit immer dreisteren Kopierschutzmethoden gegängelt.

  2. TeichDragon sagt:

    Hey, das ist doch eine Idee:
    Die ganzen Harz-IV Bezieher werden jetzt als “Bücher-Bewacher” von den Verlagen angestellt. Und die passen 24/7 darauf auf, dass der gemeine Buchkopierer … ähhh… Leser … äähhh… Kunde, aber auch ja nicht nur eine Seite davon illegal auf den Kopierer legt.

    Verzeihung für den Sarkasmus, aber ich finde es einfach nur noch unerträglich, wie man mich aus Seiten der Verlage verspottet.
    Und nein, lieber Klett-Cotta Verlag: Ich kaufe KEINEN geschützen Herr-der-Ringe-DRM-Schrott für 37,99 EUR.

    Es müssen für mich wahrlich nicht die 9,95€ Kampfpreise sein, aber wenn ich den gleichen Text für 34,95 € als dreiteiliges TB NEU bekomme, komme ich mir schon leicht verhohnepiepelt vor.

    Und “Psssst” an den Verlag: Bei so einem echten Buch kann ich einfach im Buch Stellen anstreichen, Seiten auf den Kopierer legen oder gar per “Eye-to-Hand-System” Stellen zitieren.

    *Gasp*

    Wahrscheinlich habe ich Morgen die Kriminal-Polizei vor der Tür wegen soviel krimineller Energie. 😉

  3. TeichDragon sagt:

    Nur mal als Nachklapp und warum ich mir ver*** vorkomme:
    Beispiel Epub/Herr der Ringe:

    Schritt 1: Installation der Sony eBook Library
    Ihre eBook Library CD ist bei Ihrem Reader von Sony beigefügt, zusammen mit allen Informationen, Dokumenten und einem USB Kabel. Sie dient der Verwaltung Ihrer E-Book Bibliothek und dem Übertragen von E-Books auf Ihren Reader von Sony.

    Sobald Sie die eBook Library CD eingelegt haben werden Ihnen drei Optionen angezeigt. Zunächst wählen Sie die eBook Library aus, um die Software auf Ihrem Computer zu installieren. Diese Software wird benötigt, um alle E-Books zwischen Ihrem Computer und dem Reader von Sony zu verwalten. Folgen Sie einfach den Installationsschritten. Sobald die Installation der eBook Library fertiggestellt ist, werden Sie zur ursprünglichen Auswahl der drei Optionen zurückgeführt.

    Schritt 2: Installation von Adobe Digital Editions
    Als nächstes wählen Sie Adobe Digital Editions aus. Sie benötigen dieses Programm um E-Books im EPUB Format lesen zu können. Weitere Informationen über Adobe Digital Editions finden Sie in unseren Hilfe.

    Schritt 3 Erstellen einer Adobe ID
    Nun müssen Sie noch Ihren Computer mit einer Adobe ID registieren. Dies können Sie völlig kostenlos und innerhalb weniger Minuten unter “Erstellen einer Adobe ID online” auf der Adobe Internetseite tun. Dazu wird lediglich Ihr Name, Ihr Land und eine E-Mail-Adresse benötigt. Die Adobe-ID wird Ihnen unverzüglich an die angegebene E-Mailadresse zugesandt.

    Schritt 4 Autorisierung des Reader von Sony
    Sollten Sie auch einen Reader von Sony besitzen sollten Sie diesen auch in Digital Editions autorisieren. Sobald Sie Ihren Reader per USB-Kabel anschliessen und Adobe Digital Editions öffnen erscheint das Fenster “Authorize Device”, wo Sie aufgefordert werden Ihren Reader mit Ihrer Adobe-ID zu verknüpfen. Wenn Sie diesen Schritt auslassen, können Sie kopiergeschützte E-Books nicht auf Ihren Reader von Sony übertragen.

    Geht es noch?
    Apple macht den selben Sch****, aber da verzichte ich genauso drauf.
    Hat eigentlich IRGEND EIN VERLAG oder IRGEND EIN CONTENT-ANBIETER mal mit den Benutzern gesprochen?
    Ich bin IT-Admin, und nach den ersten 2 Absätzen möchte ich am liebsten das ganze Thema Ebooks wieder hinschmeissen.
    Und hier sind wir bei der einfachen Installation, wo noch KEIN Problem aufgetreten ist.
    Adobe ID, Apple ID, Hau-mich-blau-ID… Ne, ist klar.

    *Kopf gegen Wand*

  4. Pogopuschel sagt:

    Aus diesem Grund spiele ich auch keine Computerspiele, die man über das Internet aktivieren muss oder für die man sogar eine ständig bestehende Internetverbindung braucht. Ich dachte der technische Fortschritt sei dazu da, denn Alltag der Menschen zu vereinfachen. Stattdessen braucht ein moderner PC länger hochzufahren, als der Mac aus den 80ern. Nicht Online-Computerspiele brauchen nicht nur eine lange Installationsphase sondern auch noch etliche Aktivierungstätigkeiten übers Internet, und wenn der Server ausfällt, kann man Hallenhalma spielen gehen. Von wegen Plug and Play.
    Als ich gestern seit langem Mal wieder bei amazon.com gestöbert habe, war ich doch schockiert, dass die E-Books dort im Schnitt 3-4 Dollar teurer waren als die gedruckte Fassung. Wie konnte amazon damit 2010 mehr E-Books als gedruckte Bücher verkaufen?
    Nicht, dass man mich falsch versteht. Mir ist schon klar, dass die Kosten für die Herstellung der geruckten Ausgabe je nach Auflage nur 2-3 Dollar ausmachen, aber diese Einsparung sollte sich schon bemerkbar machen. Als angehender Übersetzer (Sitze gerade an meinem ersten Auftrag) bin ich natürlich an einer weiterhin fairen Bezahlung interessiert.

    In den Büchern meiner Gemeindebücherei sieht man an den Rückgabestempeln, wie viele Leser sich das Buch bereits ausgeliehen haben. Da kommen bei den aktuellen Hardcovererscheinungen doch einige usammen, und das nur in einem kleinen Dorf mit 2000 Einwohnern. Ich muss dadurch auch schon ein paar Tausend Euro gespart haben. Da wundert es mich doch, dass die Verlagsbranche nie gegen öffentliche Büchereien vorgegangen ist (oder mir ist da was entgangen). Gibt es so etwas wie eine Gema-Gebühr für Bücher?
    Dass die jetzt mit E-Books plötzlich Panik bekommen, ist wohl mit der Musikbranche vergleichbar. Früher haben wir uns auch alle, Musikkassetten überspielt, aber erst mit dem Internet hat man plötzlich Angst vor dem Kopieren.

  5. TeichDragon sagt:

    Ob es nur 2-3 Dollar sind, darüber lässt sich streiten.

    Es entfallen allerdings Produktions-/Druckkosten, Lagerhaltungskasten, Zwischenlagerkosten, Auslieferungskosten, Werbungskosten der Verlagsmitarbeiter in den Buchhandlungen und Schlußendlich die Aufschläge der Buchhändler.

    Aber da die Verlage sowieso derzeit überhaupt keine Idee haben, was man so verlange darf, ist da jegliche Diskussion ziemlich ins Blaue.

  6. Guido sagt:

    Ich kann jetzt nur von meiner Seite aus berichten. eBooks kosten bei mir 8,90, PB ca. 12,90 und HC kosten ca. 14,90. Je nach Seitenumfang kann das beim gedruckten Buch mehr sein – ich drucke jetzt die GALLAGHER-Romane nach, nur als HC, das kostet 19,90 (ca. 44-500 Seiten, portofrei). Das eBook wird 8,90 kosten.

    Ich liefere die eBooks blank aus. Bei beam eBooks bekommt man sie m.W. ohne DRM, ciando legt da noch mal Hand an, kauft man die eBooks bei weltbild also, ist da Kopierschutz drauf.

  7. Katerchen sagt:

    :zweifel:
    Wie bitte?! *abwink*
    Was solche Sachen angeht bin ich ohnehin Dinosaurier. ebooks? Alles Teufelszeug. Und wenn ich dann noch lese, was ich da alles installieren, beantragen, runterladen weiß der Lumpi was muß, dann kannste mich mal – auf Deutsch – im Mondschein besuchen.
    Dann geh’ ich lieber zum guten alten Hugendubel am Marienplatz und hol mir ein Buch, in dem ich Blättern, das ich mit mir herumtragen, abends auf mein Kopfkissen legen und in mein real existierendes Bücherregal stellen kann.
    Diese ganze e-Geschichte… :kopfsch:
    Hab’ mich doch gern!

Hinterlasse einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML Tags und Attribute nutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>